THE LIBRARY OF THE UNIVERSITY OF NORTH CAROLINA AT CHAPEL HILL msd Anner ENDOWED BY THE DIALECTIC AND PHILANTHROPIC SOCIETIES UNIVERSITY OF N.C. AT CHAPEL HILL III AN 00015703053 A . < * ö x = 2 — . - 1 * - H 8 ; x r ’ — 2 5 e j - - = _ U * 1 FR 5 N 8 U x — . : f 8 — 7 * < 8 N r 5 ‘ 2 ’ „ * — 8 82 Ya} 2 S 2. 8 + i £ N * — = N 1 B ni en * a A R \ \ 5 er N 3 — 5 . \ i ; N - k „ N R = ; Arıı * s * ® 6 — 7 . 2 * = = ; ı ö * F E ; e 1 | x - en s 8 N \ * 8 bh; . 2 1 1 Ta ei - * — * = x Bar 1 Is - * * — 7 but — 1 Pr . . 1 7 \ A * e — Tr - * f . pr * . N 7 K — x > * 5 ‚ x N ; A 3 . x 2 a nu - 5 9 — 7 5 5 N 8 1 „ x - 5 > . Digitized by the Internet Archive in 2010 with funding from University of North Carolina at Chapel Hill http://www.archive.org/details/dieverfassungsfe0Omath Vaterländiſche Hefte über innere Angelegenheiten für das Volk. Herausgegeben von Klitgliedern der zweiten Kammer. Zweiter Band. — — bp e ——ñͥ ͤ„2— Mannheim, Verlag von Friedrich Baſſermann. 18 43. Die ‚Y##+ Perfaſſungsfeier in Jaden 22. Auguſt 1843. Herausgegeben von R arl Mathy. — > m D —̃— Mannheim, Verlag von Friedrich Baffermann. 1 8 4 3. THE LIBRARY THE UNIVERSITY OF NORTH CAROLINA AT CHAPEL HILL Gedruckt bei Heinrich Hoff in Mannheim. Vorwort. Dies iſt kein gemachtes Buch, ſondern ein aus dem Volke ſelbſt hervorgegangenes, ein wahres Volks buch. Es beſchreibt die Feier des fuͤnfundzwanzigjaͤhrigen Beſtehens der Verfaſſuug in Baden am 22. Auguſt 1843, eine Feier, die aus der Mitte der Buͤrger entſtanden, von Hunderttauſenden in feſtlichen Zuͤgen begangen, — Zeugniß gab, daß das badiſche Volk ſeine freiſinnige Verfaſſung kennt, liebt, und zu ſchuͤtzen entſchloſſen iſt; daß es, dankbar dem Geber und dem Wiederherſteller der Verfaſſung, das Gute wohl verdient, was das Grundgeſetz ihm gebracht, und noch zu bringen verheißen hat. 9 In dieſen Feſtlichkeiten zeigen fi) die wahren Geſinnungen der Theilnehmer, das heißt, der uͤber— wiegenden Mehrheit des Volkes. Jedes einzelne Feſt zu beſchreiben, war bei der großen Menge nicht moͤglich; es wäre dazu eine Anzahl von Bänden, es wären auch noch Monate erforderlich geweſen; eine ſolche erſchoͤpfende Sammlung waͤre zu ſpaͤt gekommen und nicht verbreitet worden. Der Inhalt dieſes Bandes erreicht den Zweck, ein treues Bild der Verfaſſungsfeier, je nach den eigenthuͤmlichen Der: haͤltniſſen der verſchiedenen Landestheile, und damit ein treues Bild der wahren Volksgeſinnung zu geben. Wir haben dabei theils die Berichte der Zeitungen benutzt und ergaͤnzt, — namentlich verdanken wir Vieles den lobenswerthen Bemuͤhungen der Mann— heimer Abendzeitung, der Oberrheiniſchen Zeitung, des Schwarzwaͤlders, der Seeblaͤtter u. a., theils unmittel— bare Einſendungen von Freunden erhalten, denen wir dafuͤr unſern verbindlichſten Dank abſtatten. Dabei koͤnnen wir unſer Bedauern nicht verſchweigen, daß — T — uns manche Mittheilungen zu ſpaͤt, andere, die wir erwartet haben, namentlich aus der Seegegend, bis jetzt nicht zugekommen ſind. Das Buch hat aber noch einen beſonderen Zweck. Es enthaͤlt eine Berufung an das hoͤchſte Tribunal, an die oͤffentliche Meinung, gegen das Verfahren der Cenſur. Die Leſer werden Stellen antreffen, die in ſolchen [] Klammern eingeſchloſſen ſind. Dieſe wurden ſaͤmmtlich von der Genfur in verſchiedenen Zeitungen geſtrichen. Man wird finden, daß hauptſaͤchlich Er— innerungen an das große deutſche Vaterland, Wuͤnſche für die Erfuͤllung der Verheißung in der Bundesacte, daß alle deutſche Staaten landſtaͤndiſche Verfaſſungen erhalten ſollen, — der Ausdruck der Erwartung, daß die den Deutſchen verſprochene Preßfreiheit endlich in's Leben treten werde, — kurz, daß Deutſchland und ſein gutes Recht der Cenſur ein Dorn im Auge ſind. Man wird ferner bemerken, daß die Genfur nicht Allen mit gleicher Elle mißt; daß der naͤmliche Gedanke hier geſtrichen wird, dort ſtehen bleibt; mit einem Worte, — VIII. — daß die Cenſur eine durchaus verwerfliche, unſittliche, rechtswidrige Einrichtung iſt, unter deren Peſthauch kein friſches, geſundes Leben gedeihen kann. Uebrigens hat nicht Alles, was in dieſem Buche nicht ( eingeklammert ift, die Cenſur paſſirt; nur einiger in Zeitungen geſtrichener Stellen konnten wir habhaft werden. Unſer Buch war, weil es uͤber 20 Bogen zaͤhlt, keiner Verſtuͤmmelung ausgeſetzt. Ende September 1843. Zum 22. Auguſt 1843. Aus Morgennebeln Schwerterklingen! Nun Sterberuf, nun Jubelſingen! Durch Wolken fährt ein greller Strahl: Der Deutſche lauſcht am Rheinesſtrande, Man feiert dort im Frankenlande Der Freiheit mächtig Bakchanal. Im Rauſch vom neuen Götterweine Zieht die begeiſterte Gemeine Die Lande durch, ein wilder Chor, Und Einer nimmt, der ſelbſtiſch-kluge, Zu einem neuen Inderzuge Die ſchöne Baͤkchosmaske vor. Da müſſen raſch in Trümmer fallen Des deutſchen Reiches morſche Hallen Und drüber tanzt die glüh'nde Schaar; Nicht iſt's der falſche Gott im Wagen, Weßhalb fo kühn die Herzen ſchlagen, S'iſt jener, der im Weine war. Als ſich das Glück zum Götzen wandte, Da legt er ſelbſt den Geiſt in Bande, Der einſt ihm vor das Banner trug; Doch jenes Weines mancher Tropfen Macht nun die deutſchen Pulſe klopfen, Daß donnernd ihm zu Ohren ſchlug: „Freiheit! Freiheit! Kennſt du ſie Heuchler, Der du zu Haufe warſt ihr Meuchler, Hier ſoll beſtehn fie ſonder Wank: Es naht ihr Geiſt dir, ſich zu rächen!“ Und zornig ſchleudert er den Frechen In's Weltmeer auf die Felſenbank. [6] Und als der Dränger war bezwungen Hat's laut noch immer fortgeklungen: „Freiheit, o bleib uns zugewandt!“ Und über Trümmern der Verwüſtung Da zimmert man an der Gerüſtung Zum Bau für's neue Vaterland. Da regen ſich wohl einz'le Hände, Da fügen Decken ſich und Wände Und hier und da ſtrebt's wohl hinauf; Da iſt wohl Manches fertig worden, Doch BD iſt's auch noch da und dorten Und keine Kuppel wölbt ſich d'rauf. Es klangen jubelnd hin und wieder Bald aus dem Hauſe kecke Lieder, Bald war es ſtumm und unbewegt. Und in dem ſchönen Lande Baden Ward auch das Volk zum Werk geladen: „Nun baut, der Grundſtein iſt gelegt!“ Bau fort bei Sturm und Ungewitter, O badiſch Volk, du junger Ritter, Und fragen ſollſt du fort und fort: Wohl hab' ich nun die Ritterſporen, Den Wappenrock, wie's mir geſchworen, Wo bleibt das Schwert, das freie Wort? J. Deeg. (Mel.: Schier dreißig Jahre biſt du alt.) Es blüht im Lande Baden Ein Baum gar wunderbar, Hat immer grüne Blätter Und blüht trotz Sturm und Wetter Schon fünfundzwanzig Jahr. Die Früchte die er bringet, Die ſind Geſetz und Recht, Gemeinſinn, Bürgertugend Für uns und unſ're Jugend Für's künftige Geſchlecht. Die Hand, die ihn geplanaer, Geſegnet ſei die Hand Dank muß ihr heute bringen, Ja heißen Dank ihr ſingen Das ganze Vaterland. Bring’ immer Deine Früchte, Sg Deinen Segen dar! Laß hoffen uns nicht vergebens! Sei Du der Baum 1 e Und Glückes immerdar O mag Dich Gott behüten Vor Willkür und Gewalt! Wie heute bei Deiner Feier Blüh' immer friſcher und freier, Du Zierd' im deutſchen Wald! Mannheim, am Vorabend des Feſtes. Hoffmann von Sallersleben, In ha Lt. Erſte ee Unterrheinkreis. Mann hein F 3 Schwetnge nnn nn 33 Weinhei nnn es 46 Neckargemnnn d 54 / ðVAͤĩ ͤ K 65 F%%%%%% / ͤ KA ee 76 777777) ͤ K 82 . ⁰ 89 Weitere Feſte im Unterrheinkreis (Philippsburg, Ladenburg, Neckarbiſchofsheim, Tauberbiſchofsheim, Adelsheim, Merchingen und Hüngheim) ..... 110 Abheilung. Mittelrbeinkreis. Bruchfal...... JET ae a RR 2 121 Durlach (mit Weingarten und Wilferdingen) ... 130 Bretten und Gochsh˙ ins 130 , aan 3 Gernsbach, das Murgthal, Baden und Steinbach 153 hen 8 161 Pforhei n 8 173 P1GJJ·Ä «˙ T⅛]ʃÄ 182 e a2. ea en 198 Karlsruhe u. a. Orte . ꝗ 203 Dritte Abtheilung. Centralfeier in Gries bah 215 Vierte Abtheilung. Oberrheinkreis. n 2 ee e 243 2. Ettenheim (Kappel) V RE PEN ANEER 253 3. Emmendingen . 258 JJCCCCCCCCC Te 265 n, ae 270 6. Lörrach und Schopfheim . ....: 2.2220. 277 7. Waldshut u. a. Orte C ZEN NV, Fo Fünfte Abtheilung. Seekreis. 1. Villingen und Unterkürnaae kk 300 2. Stühlingen und das Wuttacht hall 323 3 Donaueſchingen, die Baar ꝛc. c.. 2 Kot nnn 333 Seng, en a ....89 Die Reihenfolge der Orte in den einzelnen Abtheilungen iſt nach keinem Syſtem, ſondern lediglich nach der Zeit, wie uns die Berichte zukamen, geordnet. Erſte Abtheilung. Verfaſſungsfeier im Unterrheinkreis. b Z. Mannheim. Am Vorabende verkündeten Kanonendonner und Glocken— geläute das Feſt; auf dem Paradeplatze war der große Brunnen erleuchtet, Feuerwerke wurden abgebrannt, benga— liſche Flammen ſtiegen aus den Marmorbaſſins empor, zeigten die Büſte des Großherzogs Karl in magiſchem Lichte und erhellten die nahe ſtehenden Gebäude. Die ausgezeichnete Militairmuſik ſpielte in Uniform; eine zahlloſe Menſchen— menge wogte auf dem Platze und in den Straßen. Morgens 6 Uhr Kanonendonner; um 7 Uhr Choralmuſik vom Rathhausthurme. Gegen zehn Uhr begann von dem Platze vor dem katholiſchen Schulhauſe der Zug, gewiß der größte der noch je bei freudigen Anläſſen aus frei eigenem Antriebe der Bürger] unſere Straßen durchzog. Es eröffneten ihn die Schüler der oberen Klaſſen der Volksſchulen und der ſtädtiſchen Lehranſtalten von ihren Lehrern geführt; dann folg— ten: die Mitglieder der Liedertafel mit einer prachtvollen, von einem Vereine von Jungfrauen geſtickten Fahne; ein Träger der Verfaſſungsurkunde, von vier Mitgliedern des Feſtcomite und zwei Fahnenträgern begleitet; die anweſenden Abgeordneten (Bekk, Gerbel, Mördes, Weller), die Gemeindebehörden, die Staats- und Gemeindebürger. Bei Ankunft vor dem Rathhauſe empfing feierliche Muſik den Zug. Die Liedertafel ſang von der Tribüne herab unter der Leitung des Hrn. Capellmeiſters Lachner einen von demſelben componirten Feſtgeſang, worauf Herr Bürgermeiſter Jolly die verſammelten Tauſende mit folgenden Worten anredete: \ 1 % 8 Dies ſind die wichtigſten Titel unſerer Verfaſſungsurkunde. Sie wird jetzt an die anweſenden Schüler vertheilt werden, damit ſie früb ſchon begreifen lernen, welche unſchätzbaren Rechte den künftigen Staatsbürger als Preis der Uebernahme ſchwerer Pflichten erwarten, damit auch dieſes Feſt auf ihre jugendlichen Gemüther nicht einen vorübergehenden, ſondern einen bleibenden Eindruck mache und dadurch eine wohlthätige Wirkung für die Folgezeit habe. Der Abgeordnete Gerbel beſtieg nun die Rednerbuͤhne und hielt folgenden Vortrag: „Mit erhebendem Gefühle betrete ich dieſe Stelle, um dem mir gewordenen ehrenvollen Ruf zu folgen, und die Veranlaſſung und den Zweck des beutigen Feſtes näher zu entwickeln. Es gilt dieſes Feſt der Verfaſſungs-Urkunde unſeres Landes, welche heute vor 25 Jahren der nun in Gott ruhende Groß— herzog Carl unterzeichnet und ins Leben zu führen verordnet hat. Wie wir ſo eben durch die Vorleſung derſelben ver— nommen, ſo wurden hiedurch dem badiſchen Volk wichtige Rechte zu Theil. Das Eigenthum und die Freiheit der Perſon verlangten einen ſichern Rechtsboden. Zur Blüthe der Finanzen, verbunden mit einem geregelten Staatshaushalt, wurde der Grund gelegt. Die Theilnahme der Bürger an der Geſetzgebung wurde ausgeſprochen und das Volk ſah ſich durch dieſes ſein Grundgeſetz und ſeine freiſinnigen Sätze gegenüber von vielen andern Völkern Deutſchlands hoch erhoben. Es mußte ſich daher auch heute dringend aufgefordert fühlen, der 25jährigen Dauer dieſes koſtbaren Guts und ſeinem bochberzigen Geber ein Feſt zu feiern. — Um den hohen Werth unſerer Verfaſſung in klares Licht zu ſtellen, bedarf es nur eines Blickes in die jüngſte Geſchichte vor ibrem Daſein. Es läßt ſich nicht verkennen, daß über unſerm a u u Land, ſeit unſerm längſten Gedenken, ſtets ein mildes humanes Scepter regierte, und die Regierungszeit Karl Friedrichs, des allgemein geachteten Neſtors der deutſchen Fürſten, zeichnete ſich hiedurch aus. Er hat über ſein Volk Gedeihen und Segen gebracht, dieß war aber doch nur den perſönlichen guten Ei— genſchaften des vom Himmel glücklich ausgeſtatteten Regenten zuzuſchreiben, wofür kein Schutz, keine Garantie beſtand, und es hätte unter einem weniger guten Regenten eben ſo auch ſchlimm ergehen können. Die frühere Regierungsart war eine patriarchaliſche, väterliche, ihr Hauptcharakter war die Ausübung einer Vormundſchaft über die Bürger des Staats, die Gemeinden und Corporationen und ihre Handlungen, und mit Leibeigenſchaftsabgaben, Zehnten und Frohnden aller Art waren die Staatsangehörigen ſchwer belaſtet. — Daß bei dieſem Zuſtand der Dinge von der politiſchen Bildung des Volkes keine Rede ſein konnte, iſt wohl klar. Es mußte ihm ſelbſt das Erkennen ſeines Rechts ſchwer werden. Der Bürger konnte ſomit auch nicht die ihm gebührende würdevolle Stellung im Staat mit Achtung des Geſetzes einnehmen und an deren Stelle war mehr ein Kriechen und Beugen vor der Perſon der Obern ſichtbar, was gar vielfältig für verwerflich angeſehen wurde, zu deſſen Abhülfe es aber an Mitteln und Gelegenheit gebrach. — Erſt nachdem im letzten franzöſiſchen Krieg die deutſchen Völker mit ihren Regenten in einer Reihe von Jahren harte Mißhandlungen erdulden mußten und der Druck und die Allgewalt des franzöſiſchen Dictators ſchwer auf ihnen laſtete, da wandten ſich die Fürſten an ihre Völker und ſiehe da — in einem Bewunderung erregenden Aufſchwung gingen ſie in den Kampf gegen den großen Weltbeherrſcher und den Regenten wurden durch das Blut der Völker ihre Throne wieder befeſtigt. — Voll Jubel über die errungenen großen Siege und die erreichte Befreiung Deutſchlands von franzöſi— ſcher Uebergewalt blickten die Völker in den Jahren 1813—15 vertrauensvoll in die Zukunft, erwartend die ihnen gebührenden und ſchon lange vorenthaltenen Rechte, und eine ſie ſchützende Garantie, beſtehend in einer freien ſtändiſchen Verfaſſung. 5 Die Proklamation von Kaliſch von 1813, welche die Völker zum Kampfe aufforderte, verhieß auch dieſe Rechte. — Die Bundesakte von 1815 ſprach ſie im Art. 13 wörtlich dahin aus: „In allen Bundesſtaaten wird eine ſtändiſche Verfaſſung ſtattfinden.“ Zum Vollzug dieſer Zuſage erklärte der mittlerweile in's Leben getretene Bundestag in ſeinen Verhandlungen vom Jahre 1817: „Die Bundesverſammlung werde ſich der bedrängten Unterthanen in den ihr vorgezeichneten Schranken annehmen, und ihnen die Ueberzeugung verſchaffen: „daß Deutſchland nur darum durch das Blut der Völker vom fremden Joche befreit und den rechtmäßigen Regenten ihre Länder zurückge— geben worden, damit überall an die Stelle der Willkühr ein rechtlicher Zuſtand treten möge.“ Der nun bei der Bundesverſammlung eingetretenen Ver— zögerung der gemeinſchaftlichen Berathung dieſes Gegenſtandes begegnete aber der höchſtſelige Großherzog Carl, wie er in den Eingangsworten zur Verfaſſung ſelbſt ſagt, indem er am 22. Auguſt 1818 die Verfaſſungsurkunde in Griesbach unter— zeichnete, und deſſen Regierungsnachfolger ſetzte ſie mit einem freiſinnigen Wahlgeſetze verbunden, alsbald in Vollzug. Ein herrliches politiſches Leben entwickelte ſich in unſerm Lande nach dem Erſcheinen der Conſtitution. Es wurden tüch— tige Deputirte von dem nun zur Mündigkeit gelangten Volke in die erſten Ständeverſammlungen von 1819 und 1822 gewählt: hiedurch ward ein guter Grund gelegt und fruchtbarer Saamen für die Zukunft ausgeſtreut. Iſt nun auch gleichwohl ein beklagenswerther Stillſtand im ſtändiſchen Wirken von beinahe einem Decennium eingetreten, ſo gab das Jahr 1831 mit der Thronbeſteigung des Großherzogs Leopold K. H. dem politiſchen Leben einen neuen Schwung, die Verfaſſung erhielt aufs Neue ihre unbeſchränkte Anwendung, und ferne bleibe von uns für je und allezeit der politiſche Schlaf des Volkes vor 1831. FE ni Welch höchſt wohlthätige Früchte die Verfaſſung durch die getroffenen guten Wahlen des Volkes in Vereinbarung mit dem thatkräftigen Willen unſerer Regierung uns brachte, darüber ſpricht die Geſchichte unſeres Landes, und ich erlaube mir, einen kurzen Abriß davon zu geben. Ich beginne mit dem wichtigeren Theile dieſer erlangten Wohlthaten, nämlich der für die Landwirthſchaft, welche zunächſt für das Brod und die Nahrung Aller zu ſorgen berufen iſt; zu deren Emporhebung wurde der Boden durch zweckmäßige Ablöſungsgeſetze mit bedeutenden Staatszuſchüſſen von vielen läſtigen Abgaben, die noch ihren Urſprung in der Leibeigen— ſchaft hatten, und von dem die Cultur hemmenden Zehnten befreit, und die die Menſchheit erniedrigenden Frohnden aller Art wurden aufgehoben. Ein vorzüglich gutes Geſetz erbielten die Gemeinden durch die neue Gemeindeordnung. Hierdurch gelangten auch ſie zu der nur zu lange entbehrten Mündigkeit. Sie erhielten das Recht, ihr Vermögen ſelbſt zu verwalten, und dürfen nun ihre Vorgeſetzten ſelbſt wählen; was die weitere gute Folge hatte, daß dieſe den Bürgern gegebene Selbſtſtändigkeit fie für das bürgerliche Leben tüchtiger und kräftiger machte. Das durch die Verfaſſung gewährte Recht, die Staats— einnahmen und Ausgaben zu bewilligen, überhaupt den Staats— haushalt zu überwachen, verfehlte ſeine gute Wirkung nicht. Wir können mit Beruhigung ſagen, daß unſere Finanzen feſt geregelt ſind, und der Credit des Landes blühend ſteht. Ein wohlthuendes Gefühl muß es dem Bürger bereiten, zu all den Geſetzen, die ihm in ſeinen Handlungen zur Richt— ſchnur dienen, durch freigewählte Vertreter mitgewirkt und ſeine Zuſtimmung gegeben zu haben. 5 Ein ſehr wichtiges Recht aller Staatsangehörigen, das ihnen die Verfaſſung einräumt, beſteht in dem Petitionsrecht an die Ständeverſammlung. Frei und öffentlich werden hier die Angelegenheiten der Bürger, die ſie in einer Bitte oder * Beſchwerde gegen die Regierungsbehörden vorbringen wollen, beſprochen, und Mißbräuche der Staatsverwaltung, wie ſie die Geſchichte in einer unbeſchränkten Monarchie uns nicht ſelten vorführt, ſind nicht möglich, da die Achtung vor der öffentlichen Meinung, die bier bei freigewählten Kammern unumwunden vernommen wird, den Staatsbeamten in konſti— tutionellen Staaten ganz beſonders innewohnen muß, wenn ſie mit Ehren ihre Stellen begleiten und ſich erhalten wollen. Die Civil- und Militärſtaatsdiener erhielten durch ihre Pragmatiken, welche integrirende Theile der Verfaſſung ſind, in ihrer perſönlichen Selbſtſtändigkeit und in ihrem Dienſt— einkommen einen durch das Geſetz geſicherten Rechtsſchutz; es wurde ihnen hiedurch eine wichtige Verbeſſerung ihres früheren ſchwankenden, unſichern und von der Gnade ihres Dienftberrn abhängigen Zuſtandes zu Theil. Daß daher auch ſie alle Urſache haben, der Verfaſſung und ihrer ſie ſchützenden Formen aufrichtig treu und ergeben zu ſein, liegt wohl nahe. Ungeachtet unſere Staatsabgaben mäßig ſind, konnten doch durch die gute Finanzverwaltung bedeutende Mittel zu großen Staatsanſtalten aufgewendet werden. Ich erwähne hier nur beiſpielsweiſe der Erbauung des Rheinhafens dabier und der Eiſenbahnen durch das ganze Land, wodurch der Wohlſtand der Bewohner des Landes und insbeſondere unſerer lieben Vaterſtadt in nützlicher und angenehmer Weiſe befördert wurde. Nach dieſer gedrängten Darſtellung der großen wichtigen Wohlthaten, welche das ganze Land mit ſeinen Bewohnern in allen Ständen der Verfaſſung in dem kurzen Zeitraume ihres Daſeins, oder vielmehr nur in der letzten Hälfte deſſelben zu danken hat, wird wohl Niemand ver— kennen, daß wir ihr hohe Achtung ſchuldig ſind, wie ſie aber auch das heutige Feſt allenthalben im Land laut und aufrichtig beurkundet. Manches bleibt übrigens noch zu wünſchen übrig, was uns die Zukunft zu bringen hat. Weſentliche Garantien der ct. 2 Verfaſſung, nach welchen bis jetzt vergebens geſtrebt wurde, ſind noch zu erlangen. Es gehört dahin vor Allem das freie Wort durch die Preſſe, welches durch die beſtehende Cenſur ſchweren Beſchränkungen unterliegt. Ferner ermangelt die Verantwortlichkeit der ober— ſten Staatsbeamten über die Heilighaltung der von ihnen beſchworenen Verfaſſung immer noch eines genügenden Geſetzes. Im bürgerlichen Prozeß wurde zwar öffentliches und mündliches Verfahren eingeführt, aber in peinlichen Dingen, wo es mehr Noth thut und zuerſt bätte ins Leben gerufen werden ſollen, war daſſelbe noch eben ſo wenig zu erlangen, als die Trennung der Juſtiz von der Adminiſtration. Wir wollen uns indeſſen mit der zuverſichtlichen Erwartung beruhigen, daß ein fortgeſetztes, freundliches und harmoniſches Zuſammenwirken der Kammern mit unſerer oberſten Staatsregierung auch dieſe Mängel mit der Zeit heben wird. Von dem Volke ſelbſt und feiner regen Theilnahme am. öffentlichen Leben und ſpeciell an den Verhandlungen in den Kammern hängt übrigens hiebei Weſentliches ab. Die Bürger Badens werden den Kammern als kräftige Stütze zur Seite ſtehen und die Wünſche und Bedürfniſſe des Volkes zur möglichſten Beachtung und Befriedigung kund werden laſſen. Worin ſie aber ganz beſonders ihre Mitwirkung geltend machen können und ſollen, das iſt in den Wahlen zur Stände— verſammlung. Das mit der Verfaſſung verbundene ſehr freiſinnige Wahlgeſetz gibt hiezu alle Gelegenheit und Befugniß. Nach ihm hat jeder Staatsbürger das Recht, zur Wahl der Wahlmänner ſeine Stimme abzugeben, und wird hier mit der gehörigen Umſicht und Willensfreiheit verfahren, ſo kann es an tüchtigen Wahlmännern nicht fehlen, und es werden dann auch würdige und wahre Volksvertreter in die Ständeverſamm— lung kommen. =,.49, 2 Ohne dieſe kräftige Theilnahme an den Wahlen ftehen aber ſelbſt die wohlthätigſten Beſtimmungen der Verfaſſungs— urkunde, und zähle man ſie auch zu den beſten und freiſinnigſten in Deutſchland, in Gefahr, ihre Kraft und Wirkſamkeit zu verlieren, und ſie iſt und bleibt ein todter Buchſtabe. An Euch, meine verehrten Mitbürger, richte ich nun zum Schluß meinen Aufruf dahin, an der Verfaſſung feſtzuhalten und mit Würde, Kraft und Furchtloſigkeit, jedoch nur auf geſetzlichem Wege jedem Verſuche der Beſchränkung der grund— geſetzlichen Rechte entgegenzutreten, und dies kann am beſten und ſicherſten dadurch geſchehen, daß die freien Bürger Badens bei Ausübung ihres Wahlrechts in keiner Weiſe ſich ſchrecken und einſchüchtern laſſen. Beiſpiele aller Art von 1819 bis zum letzten Landtage liegen vor, und die Folgen der guten und verwerflichen Wahlen enthalten die beſte Lehre für die künftige Haltung der Bürger. In ihre Hände iſt das Wohl und Weh des Landes gelegt, und wenn das Vaterland und politiſche Freiheit, wenn geſetzlich geſicherte Rechte und eine würdevolle Stellung des Bürgers im Staate ihnen theuer ſind, dann werden ſie in den Geiſt der Verfaſſung eindringen und ſich in ihr erſtarken. Dieſes haben ſie beſchworen und werden es feſt halten. Vereinigen ſich zu dieſem Aufſchwunge die Bewohner aller Gauen unſeres geliebten Vaterlandes, dann kann uns dieſe Einigkeit nur ſtählen, und es wird dies dem Lande, — ver— einigt mit der Regierung — nach Innen gute Früchte bringen und nach Außen Achtung gebieten; unſeren Nachkommen iſt hierdurch das beſte Feld ihrer Rechte und Freiheiten angebaut und ſie werden ſich bei jeder Wiederholung unſeres heutigen ſchönen Feſtes ihrer Vorfahren mit dankbarer Freude erinnern. Sie mit uns werden aber nie des hohen Stifters der Verfaſſungs-Urkunde vergeſſen, zu ihm, dem Unſterblichen — fühlen wir uns mit innigem Danke hingezogen. Dem edlen Großherzog Carl und ſeinem Andenken bringen wir aus voller Bruſt ein dreifaches Lebe Hoch!“ En Nach dieſem Vortrage fang die Liedertafel ſchön und kräftig das Lied: „Was iſt des Deutſchen Vaterland.“ — Ein weiterer Geſang von der ganzen Verſammlung und ein dreifaches Hoch auf die Verfaſſung ſchloß dieſen Theil der Feier. Da kein Saal groß genug war, um ſämmtliche Theil— nehmer zu faſſen, ſo fanden mehrere Feſtmahle ſtatt. Das bedeutendſte im Europäiſchen Hofe, dann im Rheiniſchen Hofe, wo ſich die Liedertafel verſammelte, endlich das Mahl der Schützengeſellſchaft bei ihrer Schießſtätte. Im Europäiſchen Hofe hatten ſich viele Gäſte aus den benachbarten deutſchen Ländern, aus Naſſau, Heſſen, Frankfurt und Preußen eingefunden. [Mit welchen Gedanken mögen dieſe ein Feſt mitgefeiert haben, das in ihrer Heimath gewiß von ſo vielen Tauſenden erſehnt wird, als es hier freudig begangen wurde.] Vor Allen begrüßte man unter ihnen Hoffmann von Fallersleben“) und Walesrode. Den erſten Toaſt auf Se. Königl. Hoheit den Groß— herzog, das Großherzogliche Haus und die verwittwete Groß— herzogin Stephanie brachte Herr Bürgermeiſter Jolly aus. Der zweite, von Herrn Vicekanzler Bekk, dem Präſi— denten der Kammer von 1842, galt der Verfaſſung und lautet, wie folgt: „Das Zuſammenleben der Menſchen in einer bürgerlichen Geſellſchaft macht es nothwendig, daß der Einzelne die Freiheit ſeines Handelns gewiſſen Beſchränkungen unterwerfe, damit Andere im gleichen Maße auch ihrer Freiheit gegen ihn ſich erfreuen können — mit andern Worten, in jeder bürger— lichen Geſellſchaft muß eine Begränzung der gegenſeitigen *) Es verdient erwähnt zu werden, daß Hoffmann von Fallers— leben ſich am Abend als geübten Schützen bei dem Scheibenſchießen bewährte. Er gewann einen Preis und dieſer beftand in einem Prachtexemplar der Verfaſſung, in ſchönem Einbande. em TAI. Rechte und eine Ordnung beſteben, welche dem Einzelnen, jo wie der Geſammtheit möglich macht, alle Anlagen, welche die Natur in uns gelegt, die zarte Seite des Gemüths, ſo wie unſere geiſtige Kraft, nach allen Richtungen ungeſtört zu entwickeln und auszubilden und uns auch im äußern Leben einen Zuſtand von Wohlſein zu gründen. Die Ordnung, welche dies alles möglich machen und begründen ſoll, muß durch eine, wie immer eingerichtete, Staatsgewalt gehandhabt werden, und in dieſem Sinne kann man mit Wahrheit ſagen, daß ſo wenig eine Regierung ohne ein Volk denkbar wäre, ebenſowenig auch ein Volk oder eine bürgerliche Geſellſchaft ohne eine Regierung gedacht werden könnte. Die Einrichtungen dieſer Staatsgewalt, welche das Volk in ſeinen geſellſchaftlichen Verhältniſſen leiten, die Ordnung handhaben und die Freiheit ſichern ſoll, — mit andern Worten: die Verfaſſung des Staats iſt nun, ſo weit die Geſchichte reicht, ſtets und überall als ein Gegenſtand des höchſten menſchlichen Intereſſe erſchienen, und eben darum als ein Gegenſtand, um den ſich zugleich alle Leidenſchaften ſchaaren, um den ſich edle und unedle Triebe ſtreiten: neben wahrem Freiheitsſinn und auf— opfernder Liebe für das Vaterland auch Herrſchſucht, Ehrgeiz und der böſe Geiſt der Verneinung. Bald ſehen wir Völker unterdrückt durch einzelne Deſpoten, bald die Freiheit und den Rechtsſtand der Einzelnen gefährdet durch eine noch desſpotiſchere Pöbelherrſchaft, bald jedoch unter den verſchiedenſten Formen Freiheit mit Ordnung und Gerechtigkeit glücklich gepaart, ſoweit dies nach den Mängeln, die unſerer Natur ankleben, überhaupt möglich iſt. Ueberall aber und zu allen Zeiten, ſind die Beſtrebungen derjenigen, die an den öffentlichen Angelegenheiten Intereſſe nebmen, nach zweierlei Richtungen thätig: auf der einen Seite die Befeſtigung und Stärkung der Staatsgewalt und ihrer Rechte gegen die Einzelnen, auf der andern Seite Widerſtand gegen dieſelbe, und Ausdehnung der Rechte der Einzelnen, ſo wie der Theilnahme aller Einzelnen an der Staats— gewalt ſelbſt. Welche der verſchiedenen Verfaſſungsformen die beſte ſei, läßt ſich nicht im Allgemeinen beſtimmen, ſondern nur in Bezug auf beſtimmte Völker nach deren Kulturzuſtand und andern Verhältniſſen. Wer wollte behaupten, daß eine und dieſelbe Verfaͤſſung für das alte Athen und für China taugte, oder auch nur für alle Staaten des heutigen Europa! So viel aber iſt klar, daß für Völker, welche einmal einen ſo hohen Grad von Bildung erlangt, bei welchen ſich ſchon ſo viele geiſtige Kräfte entwickelt haben, wie in unſerm geliebten deutſchen Vaterlande, die Verfaſſung, die man die conſtitutionelle oder repräſentative nennt, die entſprechende „daß ſie diejenige iſt, in welcher die Rechte der Individuen mit den Rechten der Geſammtheit am Beten vereinigt find: Das eine Element, — ein mächtiges Königthum, — hat die Kraft und muß die Kraft haben, die Leidenſchaften der Ein— zelnen niederzuhalten, durch feſte Handhabung der Ordnung, die Freiheit der Einen gegen die Anmaßungen der Andern zu ſchützen; und im Vereine mit einer conſervativen Pairie auch dem Ueberflutben einer Umwälzungsluſt, der momentan irr⸗ geleiteten Meinung der Menge einen Damm entgegenzuſetzen. Auf der andern Seite liegt in der mit dem Königthum ver— bundenen Volksvertretung ein Schutz gegen Uebergriff und Mißbrauch der Gewalt. Die dadurch dem Volke zukommende mittelbare Theilnahme an der Leitung ſeiner öffentlichen Ange— legenheiten ſichert gegen Willkürherrſchaft; ſie gewährt eine Vermittelung für ruhige gefahrloſe Reformen im Wege der Ordnung und des Geſetzes. Die davon unzertrennliche geiſtige Bewegung bewahrt in gleicher Weiſe vor der Erſchlaffung, die das Edelſte im Menſchen erſterben läßt, wie vor jener Spannung, des Bogens, welche geräuſchlos bis zu einem Abgrunde führen kann. Zwar mag das reine menſchliche Ge— müth auch mit Wohlgefallen hinblicken auf jene glücklichen patriarchaliſchen Zuſtände, denen ſolche Bewegungen fremd ſind, und wo überhaupt mehr die Liebe herrſcht als das Rechtz aber der Geiſt einer bürgerlichen Geſellſchaft hat ſeine Entwicklungsſtufen, wie der des Individuums, und es wäre den Geſetzen der Natur zuwider, wenn man Formen, welche der Kindesnatur entſprechen, auch für das reifere Alter noch ‘ Ai feſthalten wollte. Kämpfe gegen Naturnothwendigkeiten können — wie jüngſt ein ausgezeichneter deutſcher Staatsmann ſich aus— drückte — nie zum Vortheil der Kämpfenden enden. „Es iſt ein eitel und vergeblich Wagen, zu greifen in's bewegte Rad der Zeit.“ Jedes Geſchlecht hat fein Zeitalter, nach deſſen. Verhält— niſſen und Bedürfniſſen die Regierungsformen und Geſetze ſich richten müſſen. Dahin drängt eine unſichtbare aber unwiderſtehliche Gewalt: Die Gewalt der öffentlichen Meinung. Ich ſpreche nicht von jener Meinung des Tages, die oft durch Leidenſchaften angeregt, nicht im Volke wurzelt, die wankt und durch die Umſtände aufgeklärt in ſich zerfällt; ich ſpreche von jener nachhaltigen öffentlichen Meinung, welcher ein, aus den Bedürfniſſen des Volkes ſelbſt hervor— gegangenes wahrhaftiges Volksbewußtſein zu Grunde liegt, und welchem zugleich ein Rechtsſinn, die öffentliche Moral, zur Seite ſteht. Eine ſolche Meinung iſt ſtark, iſt unwiderſtehlich. Und das eben iſt der Segen der coſtitutionellen Verfaſſung, daß ſie durch ihre Verbindung kräftiger conſerva— tiver und progreſſiver Elemente die Macht gibt, flüchtigen Theorien und Wünſchen, Eingebungen des Augenblicks oder vorübergehenden Meinungen und Stimmungen zu widerſtehen, während eine wahrhaftige, rechtsbegründete und eben darum nachhaltige, ſich bis zur Erfüllung ſtets ſteigernde öffentliche Meinung naturgemäß am Ende mit Erfolg gekrönt wird. — Das eben iſt der Segen der conſtitutionellen Verfaſſung, daß ſie für eine ſolche Meinung den Ausdruck gewährt, und daß ſie die Mittel bietet, der Wirkung derſelben, wenn auch unter geiſtigen Kämpfen, denn doch ohne Störung des öffentlichen Friedens allmählig den Weg zu bahnen. Meine Herrn! wenn die Einen an dieſen Erfolgen verzweifeln, ſo ſind ſie eben ſo kurzſichtig, als jene Andern, welche in den Bewegungen des conſtitutionellen Lebens wegen der darin hervortretenden Leidenſchaften, nichts als Unheil, den Untergang alles Schönen und Edlen erblicken. Die Erſtern ſind entweder von einer unmännlichen Ungeduld getrieben, oder fie verkennen die gewal— tige Natur des fortſchreitenden Menſchengeiſtes; die Andern da— gegen überfeben, daß nun einmal nach der ewigen Weltordnung das Gute nur durch den Kampf mit dem Böſen zu Tag kommen kann, und daß nach dem Naturgeſetze von Action und Reaction auch in der Politik die Ausſchweifungen nur eine Leere und einen Ekel zurücklaſſen, welche die beabſichtigten Wirkungen nicht nur aufheben, ſondern unmittelbar ſogar einen Rück— ſchlag hervorrufen, und ſo als die natürliche Strafe der Uebertreibung ſelbſt erſcheinen. So zeigen ſich auf der einen, wie auf der andern Seite die Schrecken und Klagen großentheils als geſpenſterhaft, und wenn gleich die conſtitutionellen Verfaſſungen auch ihre Schattenſeite haben, ſo theilen ſie damit nur das Loos aller menſchlichen Einrichtungen. Das kann aber unſern Muth nicht ſinken machen, das kann uns die Freude des heutigen ſchönen Tages, an dem wir unſer Verfaſſungsfeſt feiern, nicht trüben. Beſitzen wir das, was nach der Unvollkommenheit der menſchlichen Einrichtungen überhaupt, und nach unſern beſondern Verhältniſſen das erreichbar Beſte iſt, ſo haben wir allen Grund, uns deſſen zu freuen. Und in der That! — dieß beſitzen wir an unſerer Verfaſſung wirklich. Jedenfalls wirkte ihre Verleihung einen rieſenhaften Fortſchritt in der Entwickelung unſeres Staatslebens, in der Begründung und Befeſtigung unſeres Rechtszuſtandes. Sie hat ſeit dem Vierteljahrhundert ihres Beſtandes ſchon Großes geleiſtet. Blicken wir hin auf unſere, während dieſer fünfundzwanzig Jahre unter ſichtbarer Einwirkung der Verfaſſung ſo gut geordneten Finanzen, — betrachten wir, welche ungeheuere Summen zu Anlagen, die des Landes Wohlfahrt befördern, verwendet wurden, namentlich zu Flußcorrectionen, zu Häfen, zu Straßen und in neuerer Zeit zu Eiſenbahnen; betrachten wir ferner die ungeheuren Summen, welche die Staatskaſſe zu Ablöſung alter Abgaben, die auf vielen Landestheilen hafteten, jo wie als Beitrag zur Zehntablöſung aufgewendet bat, und wie doch darneben von Staatslaſten, namentlich binſichtlich verſchiedener Akziſe, binfichtlich der Weggelder, 2 Straßenfrohnden und der Salzſteuer, ſo Vieles aufgehoben, oder wenigſtens gemindert wurde, ſo dürfen wir wohl ſtaunen, daß aller dieſer Verwendungen und Nachläſſe obnerachtet, unſere Finanzen in einem ſo gedeihlichen Zuſtande ſich befinden! Blicken wir ferner hin auf die unter dem Einfluſſe der Verfaſ— ſung in unſerer Staatsverwaltung überhaupt empor gekommene Ordnung, Lauterkeit und Gerechtigkeit, auf die in ſo vielen und wichtigen Zweigen des öffentlichen Lebens verbeſſerte Geſetzgebung; betrachten wir dabei noch, daß in Folge der regern Theilnahme am Staatsleben, wodurch der Bürger, wie ſeine Rechte, ſo auch ſeine Pflichten kennen lernt, die Achtung vor dem Geſetze, der Meinungskämpfe obnerachtet, im Ganzen nicht gemindert, ſondern ſelbſt erhöht wurde, und wir werden im Hinblicke auf alles dieſes mit Recht die Segnungen preißen, die der 22. Auguſt 1818 über uns gebracht hat. Meine Herren! Ich glaube aus Ihrer Seele zu ſprechen, wenn ich Ihnen darnach ein Hoch auf unſere Verfaſſung vorſchlage: auf daß ſie gedeihe und erſtarke zur Wohlfahrt des Landes, zur Befeſtigung der Freiheit, der Ordnung und der Gerechtigkeit. Unſere Verfaſſung lebe hoch! Den dritten Toaſt brachte der Abgeordnete, Obergerichts— Advokat Weller der Einigkeit der Deutſchen mit folgendem Vortrage: „Bei der Feier unſeres Verfaſſungsfeſtes müſſen wir auch des Wohles unſeres geſammten deutſchen Vaterlandes gedenken! Man klage uns nicht der Gleichgültigkeit hiergegen an, weil wir es unterließen mit unſern Brüdern im Norden von Deutſchland in den jüngſt vergangenen Tagen den Vertrag von Verdun, als Gedächtnißtag der tauſendjährigen Selbſt— ſtändigkeit Deutſchlands, zu feiern. Wir erfreuen uns gleich ihnen dieſer Selbſtſtändigkeit, allein wir erblickten in dieſer durch Bruderkriege herbeigeführten Theilung der fränkiſchen Monarchie kein Symbol der Selbſtſtändigkeit Deutſchlands. Deutſchland war ſelbſtſtändig, fo lange es die Geſchichte kennt. — Hi — Das Reich Karls des Großen, welches Deutſchland, Frankreich und Italien umfaßte, war eine deutſche Eroberung; in dem ganzen Frankenreiche herrſchten nur Deutſche, und Deutſchland wurde daher nicht erſt ſelbſtſtändig, als es an Italien und Frankreich zwei ſchöne Provinzen verlor. Auch blieb nach dieſer Trennung bei dem deutſchen Urlande die Kaiſerkrone und die Macht. Die ſächſiſchen Ottone, die Kaiſer aus dem fränkiſchen Stamme, die Hohenſtaufen, ſchrieben der Chriſtenheit ihre Geſetze vor. Deutſche Tapferkeit allein war es, die damals Europa rettete, daß es nicht arabiſch, nicht mongoliſch wurde. Noch zählt Deutſchland vierzig Millionen Bewohner, noch iſt des Deutſchen Tapferkeit und Kraft ſprichwörtlich, der Fleiß, die Mäßigkeit, die Ausdauer, die Treue deſſelben, wie zu unſerer Väter Zeiten. Doch ſahen wir Deutſchland bis zur Schmach des Rhein— bundes erniedrigt, ſahen es der Mündungen ſeiner Flüſſe beraubt, ohne Nationalflagge, ohne Kriegsflotte von dem Welthandel ausgeſchloſſen, während unſere Nachbarn, England, Frankreich und Rußland, mit ihrer Macht den Erdkreis umſpannen, die ſie bereits über China's Meere und Mauern ausgedehnt haben. In der Erkenntniß der Urſache dieſer Uebel liegt der ſicherſte Weg zu deren Heilung. Sie war die Zwietracht der einzelnen deutſchen Stämme unter ſich. Das deutſche Volk lieſt mit Kummer, daß ſeit drei Jahr— hunderten jedes Blatt ſeiner Geſchichte mit Bruderblut beſchrieben iſt, vergoſſen durch Deutſche an Deutſchen; erſt aus Religions— baß, dann zur Befriedigung von Sonderintereſſen; es hat hieraus gefunden, daß feine Wiederberſtellung auf die Stufe, die ihm unter den Staaten Europa's gebührt, nur in der Einigkeit zu finden iſt. Dieſe, durch die höchſte Noth erſt erzeugte Einigkeit bat im Jahre 1813 die Fremdenherrſchaft kräftig gebrochen; kaum 2 * zwei Jahre waren hierzu nöthig und zweimal wehten die deutſchen Banner von den Zinnen des Pantheons und der Notre⸗Dame herab. Die Bundesakte gewährte in ihren Artikeln 13 und 18 als Lohn hierfür und als Garantien zu deren Erhaltung ſtändiſche Verfaſſungen und Preßfreiheit; als mäch— tige Hebel der deutſchen Nationalität und der Erkenntniß deſſen ſtaatsrechtlicher Zuſtände, wodurch die Heilung der Uebel Deutſchlands vorbereitet werden ſollte. Die ſtändiſchen Verhandlungen, ſo weit ſie beſtanden und die Preſſe, ſoweit ſie durfte, haben auch in dieſer Beziehung ſchon Vieles gewirkt, ſie haben das deutſche Volk überzeugt, wie Noth es thut, alle Sonderintereſſen dem allgemeinen Wohle unterzuordnen; daß es ohne Einigkeit für Deutſchland keine Hoffnung, keine Zukunft gibt. Daher kommt die heute gezeigte allgemeine Theilnahme und Liebe für dieſe unſere Verfaſſung und ihre Ausbildung. Ich wiederhole die Worte jenes edlen deutſchen Kaiſerſohnes: Es lebe das einige Deutſchland frei und ſtark wie ſeine Berge.“ Den vierten Toaſt brachte Herr Obergerichtsadvokat v. Soiron einem kräftigen, muthigen Volke, wie folgt: „Wir feiern heute ein ſchönes, aber ein ernſtes Feſt, deſſen Veranlaſſung uns zu ernſten Betrachtungen auffordert. Der hohe Werth, die beſondern Vorzüge und der wohl— thätige Einfluß unſerer Verfaſſung ſind ſchon von zwei Rednern geſchildert worden; daß beide nicht zu viel geſagt, beweiſt die große Begeiſterung, mit welcher unſer Verfaſſungsfeſt heute im ganzen Lande gefeiert wird. Allein die beſte, frei— ſinnigſte Verfaſſung kann nur die Grundlinien des Vertrages zwiſchen Fürſt und Volk enthalten; die Aus führung muß der Geſetzgebung im Einzelnen überlaſſen bleiben, deren Aufgabe es iſt, durch die nöthigen Staatseinrichtungen das Fortbeſtehen des Staatsgrundgeſetzes zu verbürgen und deſſen 8 Zuſicherungen zu verwirklichen. Nur eine Zuſicherung iſt es nämlich, wenn es in unſerer Conſtitution heißt: Eigenthum und perſönliche Freiheit ſtehen unter dem Schutze der Verfaſſungz nur ein feierliches Verſprechen iſt es, daß die Juſtiz unab- bängig ſein ſoll, daß Niemand anders als in geſetzlicher Form verhaftet werden darf; mehr nicht als eine ſchwache Hoff— nung gibt uns der Art. 17, welcher ſagt, daß die Preßfreiheit nach den künftigen Beſtimmungen der Bundesverſammlung gehandhabt werden wird; ein leerer Schall iſt die in der Verfaſſungs-Urkunde ausgeſprochene Verantwortlichkeit der Miniſter und Staatsdiener, wenn man dieſe Beſtimmung für ſich allein betrachtet. Sollen Eigenthum und perſönliche Freiheit wirklich geſchützt, ſoll die Juſtiz wirklich unabhängig, ſollen die Miniſter und Staatsdiener wirklich verantwortlich ſein, ſoll Preßfreiheit beſtehen, ſo ſind dazu Geſetze erforderlich, und die Beobachtung dieſer Geſetze muß durch Staatseinrich— tungen geſichert werden, welche die Verletzung derſelben unmöglich machen. Betrachten wir nun unſere Staatseinrichtungen und Geſetze, ſo müſſen wir bald einſehen, daß uns noch Manches fehlt, was zur Verwirklichung und Bewachung der in der Verfaſſung ausgeſprochenen Grundſätze unentbehrlich iſt. Noch ſind die Richter, in deren Händen ſich die Gerechtigkeitspflege befindet, welche alſo die Juſtiz repräſentiren, nicht unverſetzbar, noch können ſie in den erſten fünf Jahren ohne Anführung eines Grundes entlaſſen, ja dieſe Friſt kann ihnen nach Umſtänden, welche nur die Staatsgewalt zu beurtheilen berufen iſt, ſogar noch verlängert werden. Noch iſt die Juſtiz in erſter Inſtanz mit der abhängigen Polizei und Verwaltung verbunden; noch hängt es von dem Ausſpruch der Staatsgewalt ab, zu ent— ſcheiden, welche Gegenſtände Juſtiz- oder Verwaltungsſachen ſind. Die Juſtiz iſt daher noch nicht, wenigſtens noch nicht vollkommen unabhängig. Kein Geſetz beſtimmt die Vorausſetzungen, welche vorhanden ſein müſſen, wenn ein Bürger verhaftet werden ſoll; kein N Geſetz ſetzt die Formen feſt, unter welchen allein dies gefcheben darf. Vielmehr iſt der wichtigſte Theil der Geſetzgebung über die Verbrechen und deren Beſtrafung und über das dabei zu beobachtende Verfahren bei uns gerade der mangelhafteſte, obgleich durch ihn die perſönliche Freiheit bis zur Vernichtung beſchränkt, das Recht auf Ehre, ja ſelbſt das Leben in Frage geſtellt wird. - Bei verſchloſſenen Thüren wird die Gerechtigkeit geübt, und doch widerſpricht der Gerechtigkeit nichts mehr als die Heimlichkeit. Die Richter müſſen über Freiheit, Ehre und Leben der Bürger entſcheiden, ohne den Angeklagten geſehen, ohne ſeine eigene Vertheidigung und die ſeines Vertreters ſelbſt gehört zu haben, ohne die Beweiſe ſeiner Schuld oder Unſchuld unmittelbar prüfen zu können. Von der Staatsgewalt ernannte Richter haben das „Schuldig“ oder „Nicht ſchuldig“ auszuſprechen, obgleich die Erfahrung in den verſchiedenen deutſchen Provinzen jenſeits des Rheins längſt bewieſen hat, daß der freie Bürger beſſer geſchützt iſt, daß die Rechtspflege ein höheres Vertrauen genießt, wenn jeder Ausſpruch nur von vollkommen unabhängigen Bürgern, von Geſchwornen, ausgeht. Auf einigen Landtagen haben ſich unſere Kammern mit einem Geſetz über das bei Anklagen gegen die Miniſter oder andere Staatsdiener wegen Verfaſſungs-Verletzungen zu beobachtende Verfahren beſchäftigt; allein noch zur Zeit iſt ein anwendbares Geſetz in dieſer Beziehung nicht zu Stande gekommen; wenn daher unſere Miniſter die Verfaſſung verletzen, ſo ſind ſie zwar verantwortlich, allein ſie können nicht ange— klagt werden. Was nun endlich die arme Preſſe betrifft, fo gibt uns nicht blos die Verheißung in der Verfaſſung, ſondern ſchon das Beſtehen einer Repräſentativverfaſſung das Recht, die Aufhebung der Cenſur für alle Zeiten zu begebren; dieſes Recht iſt ſogar ein angebornes Menſchenrecht zu nennen. [Wer wird, ohne mit der gefunden Vernunft in Widerſpruch zu kommen, das Recht der Menſchen, ſich ihre Gedanken mitzutheilen, auf andere Weiſe beſchränken wollen, als durch Beſtrafung geſetzwidriger Aeußerungen. Und wenn der menſchliche Geiſt einer Erfindung, wie die Buchdruckerkunſt, fähig war, durch welche die Gedankenmittheilung in der größten Ausdehnung möglich wird, — iſt es dann nicht ein Frevel am menſchlichen Geiſt, ein Frevel am göttlichen Funken in der menſchlichen Bruſt, wenn man den Gebrauch einer göttlichen Erfindung noch weiter beſchränken will als dadurch, daß man den verbrecheriſchen Mißbrauch beſtraft.] Darf eine gedankenmörderiſche Einrichtung, wie die Cenſur, welche ihrer Natur nach nur auf Willkür gegründet ſein kann, in einem Verfaſſungsſtaat beſtehen, welcher das Gegentheil aller Willkür ſein ſoll; in einem Staat, deſſen Bürgern das Recht gegeben iſt, zur Geſetzgebung mitzuwirken, und die Staatsverwaltung zu beaufſichtigen; in einem Staat, in welchem nach dieſer ſeiner Grundverfaſſung die größtmögliche Gedankenmittheilung als unentbehrliches Bedürfniß erſcheint? Oder ſollen wir vielleicht an die Gefahren der freien Preſſe glauben? Sollen wir vergeſſen, daß in allen Verfaſſungs— ſtaaten, die deutſchen abgerechnet, die Preſſe ohne Gefahr für das Beſtehen der öffentlichen Ordnung frei iſt? Sollen wir vergeſſen, daß wir wenige Monate in Beſitz der Preßfreiheit waren, und daß in jener an ſich gefährlichen Zeit keine Staats— erſchütterungen bemerkbar wurden? Sollen wir vergeſſen, daß die Deutſchen nur zu beſonnen ſind, und folglich auch die Preßfreiheit ertragen können? Ich fürchte nicht, daß Sie mir entgegnen werden: zu was ſolche trübe Betrachtungen am Tage der Freude? zu was ſolche ſchmerzliche Erinnerungen an Dinge, welche wir nicht ändern können? Nein, ich bin feſt überzeugt, Sie theilen meine Gefühle, Sie ſind einverſtanden mit mir, daß nur ſolche Empfindungen uns des Beſitzes einer freiſinnigen Verfaſſung würdig machen, und daß es ein erlaubtes Mittel gibt, unſere [57 urn 7 — — mangelhaften Zuſtände zu verbeſſern, daß das Volk ſelbſt, ſeine kräftige Geſinnung, ſein Stolz auf die Freiheit, die es bereits errungen, ſein eifriges Verlangen nach den freiſinnigen Inſtitutionen, die ihm noch gebühren, daß der thätige Antheil des ganzen Volkes an der großen Sache des Fortſchrittes jenes Mittel iſt, dem kein Hinderniß auf die Dauer widerſtehen kann. Drum wollen wir uns in dieſer feierlichen Stunde gegen— ſeitig die Verſicherung geben, Nichts unverſucht zu laſſen, um auf geſetzlichem Weg die Verwirklichung deſſen zu erlangen, was uns unſere Verfaſſung verbeißt; drum wollen wir anſtoßen auf ein unverdroſſenes muthiges Vorwärtsſtreben des ganzen Volkes — ein kräftiges muthiges Volk lebe hoch! — Der fünfte von Herrn Gemeinderath Hoff: „Es liegt in der Natur der Sache, daß, als vor 25 Jahren Baden in die Reihe conſtitutioneller Staaten trat, die Anzahl Derer, welche den ganzen Werth dieſes Ereigniſſes zu begrei— fen verſtanden, vielleicht gering genannt werden konnte, im Verhältniß zur Geſammtmaſſe der Bevölkerung; gering, gegen die Anzahl Derer, welche heute mit Ernſt und Aufmerkſamkeit den Blick auf die Ausbildung und Entwickelung des conſtitu— tionellen Lebens in unſerm Lande werfen. Gleichwohl erregt es faſt unſere Bewunderung, und wir können uns eines gewiſſen Stolzes kaum erwehren, wenn wir zurückblicken und ſehen, welche Kraft und welch' hohen Schwung die Volksvertretung gleich beim Beginnen bei uns entfaltet hat; es drängt ſich uns dadurch die Ueberzeugung auf, daß die Manner, welche damals die Träger und Bewahrer der unſterblichen Ideen unveräußerlicher Volksrechte waren, tief durchdrungen ſein mußten von der Wichtigkeit der Sendung, wozu ihre Zeit ſie berufen hatte, denn wir ſahen aus den Wahlurnen Namen hervorgehen, welche ſeitdem der Stolz ihrer Nation geworden ſind, und welche als Sterne erſter we IS 2 Größe glänzen werden jo lange, und wo immer, Deutſchlands, ja der Welt verdiente Bürger werden genannt werden. Auf allen bisherigen Ständeverſammlungen ſehen wir Deputirte eifrig bemüht, den materiellen Wohlſtand des Volkes zu heben; doch, hieß es denn nur das materielle Wohl allein befördern, als ſie daran arbeiteten, die Vermächtniſſe des Mittelalters, die Reſte der Leibeigenſchaft, die Frohnden, die Zehnten, und ſo manche abenteuerliche alte Abgabe auf dem Wege der Geſetzgebung zu beſeitigen? erhoben ſie, indem ſie das Volk von ſolchem Drucke befreiten, es nicht auch zu einem freiern geiſtigen Selbſtbewußtſein? Das aber iſt der große Vorzug der Repräſentativverfaſſung, daß durch ſie nothwendig geſchehen muß, was in einem rein monarchiſch, oder, wie man ſo gerne ſagt, patriarchaliſch regierten Staate nur geſchehen kann. Zu aller Zeit erkannten Badens Volksabgeordnete, daß ihre Aufgabe eine höhere ſei, als nur für die materiellen Güter allein zu ſorgen; deshalb fanden auch die geiſtigen Intereſſen, die Gemeingüter der ganzen Menſchheit, ſtets durch ſie eine Pflege und Vertheidigung wie nirgendwo beſſer, und wir wiſſen ja, daß Badens Kammern hierin allen deutſchen Ständeverſammlungen ſtets als ein leuchtendes Vorbild galten. Auch von ihrer Standhaftigkeit haben ſie ſchon Proben abge: legt, in einer Zeit, wo ein Gewitter ſich zuſammenzog, deſſen Stürme den jungen, kräftig heranblühenden Baum unſerer Verfaſſung zu knicken, wo nicht zu entwurzeln drohten. Ja, meine Herren! es gehört mehr als gewöhnlicher Muth dazu, auch in unſern Tagen, auf ſolcher Stelle, einer mächtigen herrſchenden Parthei ſtandhaft die Stirne zu bieten; es ſtanden bisher dem deutſchen Deputirten, für den Fall ſeines Unter— liegens nicht viele belebende Hoffnungen zur Seite, ja nicht einmal die, daß er ungeſtört in den ſtillen Kreis ſeiner Familie zurückkehren könne; ein mitleidiges Achſelzucken, ein frommer Seufzer iſt Alles, was er hoffen durfte für eine zerſtörte Eriftenz, Verfolgung und endloſe Plackerei. 1 Dank darum und Ehre den Männern, welche bisher ſo treu und redlich für die Sache des Volkes wirkten. Dank und Ehre dem Andenken der Männer unter ihnen, welche bereits heim— gegangen ſind, — durch den heutigen Tag legen wir einen friſchen, und — gebe Gott — unverwelklichen Kranz auf ihre Gräber nieder. Dank und Ehre den Männern, welche heute noch ihre Thätigkeit, ihren Geiſt und ihre Wiſſenſchaft — unſerm Wohle widmen — nicht allein ihnen, deren Name die Kunde durch die Welt trägt, auch jenen, deren minder in die Augen fallende Thätigkeit deshalb nicht minder ſegensreich, nicht minder dan— kenswerth iſt; Ehre Ihnen und Dank! Sie leben hoch!“ Unter den übrigen Trinkſprüchen erwähnen wir noch folgender: Von Herrn Heinrich Hoff, Buchhändler: [Meine Herren! Das ſchöne erhebende Feſt, welches wir heute feiern, iſt nicht nur ein Feſt der Vergangenheit, in Rückblick auf die herrlichen Früchte, welche unſere Verfaſſung ſeit ihrem 25jährigen Beſtehen ſchon getragen hat, ſondern auch und mehr noch, ſprechen wir es aus, ein Feſt der Zukunft, das beleben und ſtärken ſoll, der Zukunft, nicht nur für Baden allein, für das ganze deutſche Vaterland. Weil es ein ſolches iſt, ſo laſſen Sie uns in die nächſte Zukunft blicken. Ich will an unſer heiteres aber auch ſo ernſtes und bedeutungs— volles Feſt eine ernſte Mahnung und Erinnerung knüpfen. Wiſſen Sie, daß nächſtes Jahr Deutſchland ein 25jähriges Jubiläum feiern kann? Am zwanzigſten September nächſten Jahres 1844 können die ſogenannten Karlsbader Beſchlüſſe, unrühmlichen Andenkens, im Jahre 1819 auf fünf Jahre erlaſſen, ihr 25jähriges Beſtehen feiern, ſie, die die große Reaktion in Deutſchland begannen, die die Kerker bevölkerten, das Wort knechteten, die Preſſe in tiefe Feſſeln ſchlugen. Erinnern Sie Sich, wie im vergangenen Jahre die Motion u ii — unſeres edlen Abgeordneten Welker über die Aufhebung dieſer Ausnahmsgeſetze und die Wiederherſtellung des geſetzlichen, durch die Bundesakte ſelbſt feierlich zugeſicherten, Rechtszu— ſtandes, und die Verhandlungen unſerer zweiten Kammer über dieſen Gegenſtand, die ungetheilte Aufmerkſamkeit und freudigſte Senſation in ganz Deutſchland erregten. Ganz Deutſchland wird alſo nächſtes Jahr am 20. September einen trüben, ſchweren Trauertag erleben, an dem die Vaterlandsfreunde in allen Theilen Deutſchlands ihre Häuſer mit dem ſchwarzen Trauerflor umhüllen mögen; oder aber, es kann ein allgemeines Freudenfeſt der Aufhebung dieſer Ausnahmsgeſetze feiern. Wollen wir aufrichtig ſein, ſo müſſen wir geſtehen, daß die Hoffnung für letzteres zur Zeit noch eine geringe iſt, und daß wir wohl eher den Trauertag, als das Freudenfeſt erwarten müſſen. Aber kommt es auch nicht in nächſter Zeit, ſo muß es doch kommen, es muß bald kommen, und darum bringe ich ein Lebehoch „den Männern in allen Gauen des großen Vaterlandes, in Norden, Süden, Oſten und Weſten, die durch Wort, Schrift und That bemüht ſind, die Aufhebung jener Beſchlüſſe herbeizuführen, und den geſetzlichen Rechts- und Verfaſſungs-Zuſtand in Deutſchland wieder herzuſtellen.“ Sie leben hoch!] Von dem Abgeordneten, Herrn Oberhofgerichtsadvokat Mördes: „Von mehr als Einer Seite iſt mit Recht bereits angedeutet worden, wie es ſich am heutigen Erinnerungsfeſte zieme, nicht blos dem Zuge freudetrunkener Gefühle ſich zu überlaffen, ſondern der hehren Bedeutung dieſes Tages vor Allem den Blick zuzuwenden. Es gilt nicht allein, der Pietät und herkömmlichen Sitte ihren Tribut darzubringen, nein, meine Herren! ein heiliges Denkmal ſoll jedem Badener in das Herz geſenkt werden, an dem er ſich erhoben fühle wie zur Liebe, Treue und edler Pflichterfüllung gegen ſein Vaterland, ſo zum muthigen Freibeitsſtolze in der Bewahrung des eigenen Rechts. ir WR Für die alſo genährte, ſittliche Kraft des Volkes bedarf es aber der erwählten Organe zur thätigen Mitwirkung am Gemeinwohle und nach dem Weſen unſerer Repräſentativ— Verfaſſung ſchließt ſich mit dieſer Wahl die unmittelbare Theilnahme der Geſammtheit. Welch' einen Kreis von Rechten und von Pflichten umſchließt demnach das Mandat eines Deputirten?! —!, welche Aufforderung für das Gewiſſen, die Einſicht, den Muth und die Ehre eines jeden Staatsbürgers, in ſolch' entſcheidendem Momente ſeine Mündigkeit zu bewähren, durch ſeine freie, jeder berückenden Einwirkung nach allen Seiten unzugängliche Wahl feiner Vertreter?! —! Eine freundliche Stimme aus Ihrer Mitte prieß uns ſo eben die gelungenen Reſultate in der bisherigen Zuſammen— ſetzung der zweiten Kammer und beſcheidet ſich mit vertrauens— vollem Hoffen auf die Zukunft. Wer unter uns ſollte dieſe Hoffnung nicht theilen, meine Herren! nimmermehr darf aber auf ſie allein die fernere Stellung Ihrer Abgeordneten und durch dieſe des Volkes eigenes Geſchick gebaut werden! Darin eben liegt der unſchätz— bare Werth unſerer freiheitathmenden Verfaſſung —, darin der ruhmwürdige Hochſinn ihres unſterblichen Gründers, daß ſie eine geſetzliche Bahn eröffnet für den Kampf zwiſchen den beiden höchſten Elementen alles Volkslebens, zwiſchen Freiheit und Ordnung, anſtatt deren Ausgleichung dem einſeitigen Willen der Staatsgewalt anheim zu geben. Für dieſen Kampf nun die rüſtigſten intellectuellen und moraliſchen Kräfte aufzuſuchen — das iſt die Aufgabe der Wahlen für Ibre Abgeordneten, und deren Ergebniß ſomit das ſelbſt beſtellte Unterpfand für den Segen und die Früchte der Verfaſſung! Schmach, verdiente Schmach dem Volke, das aus Verblendung oder Schwäche ſelbſtverrätheriſch ſein koſtbarſtes Bollwerk verläßt. Auf daß aber unſer ſchönes Vaterland dieſe Erniedrigung niemals treffe, trinke ich die Geſundheit — 8 — Derer, die mit beſonnener Thatkraft, mit unbeſtechlicher Pflichttreue, der wichtigſten ihrer Rechte eingedenk, ihre Wahl— ſtimmen dem Heil des Ganzen weihen.“ Von Hrn. Obergerichtsadvokat Dr. Eller: Erlauben Sie mir ein Lebehoch zu bringen — es gilt dem Bürgerthum. — Fünfundzwanzig Jahre beſteht jetzt unſere Verfaſſung, fie wird fortbeſtehen, weil ſie 25 Jahre beſteht, — ſie wird nicht untergehen, nicht langſam dahin ſiechen und ſterben, nicht gewaltſam gemordet werden, wie andere, deren Beſtehen kürzer war, weil ſie ſchon 25 Jahre beſtanden hat, weil ſie feſtgewurzelt iſt im Bürgerthum. Dem Bürgerthum gebört die neuere Zeit, das Bürger— thum iſt in ihr der Vertreter des Fortſchritts, der natur— gemäßen Entwickelung ſo wie in anderen Zeiten andere Stände deren Vertreter waren. Faſt ein Jahrtauſend hindurch hat das Bürgerthum gekämpft um ſeine Exiſtenz gerade mit dem Stande, der vor ihm das geiſtige Leben Europa's vertreten hatte. Dieſe Kämpfe waren nicht immer unblutig, — noch ſind ſie nicht beendigt, aber mit anderen Waffen werden ſie jetzt gefochten, nicht mehr mit denen der Gewalt, ſondern des Ge— ſetzes, nicht mehr auf dem Boden der Willkühr, ſondern dem des Rechts und der Verfaſſung. Dort kämpft, dort ſiegt das Bürgerthum. Ganz Europa zeigt uns das, und auch in unſerem deut— ſchen Vaterlande iſt es ſo, wird es ſo ſein. Aber eben darum ſind die Gefahren noch nicht vorüber, welche in unſerem Vaterlande den Verfaſſungen drohen, Ge— fahren, an welche die nahen Vorgänge in einem Bruderlande nur allzulebhaft erinnern. i — 30 — Diefe Gefahren drohen nicht von Seiten der Fürſten, denn ihre Intereſſen waren ſtets, wie die Geſchichte lehrt, wie zu allen Zeiten die Weiſen unter den Fürſten ausgeſprochen haben, eins mit denen der Völker, eins mit denen des Bürgerthums. In den Verfaſſungen begegnen ſich beide, in den Ver— faſſungen, die mit gleichem Schutze den Thron und die Familie umgeben und beide mit unauflösbaren Banden aneinander— knüpfen, ſo weit ihre Geſchichte reicht. Daß dies mit unſerer Verfaſſung der Fall iſt, daß ſie gegeben wurde, um Thron und Volk gegen den gemeinſamen Feind zu ſchützen, iſt keinem Badener, keinem der die Geſchichte unſerer Verfaſſung kennt, ein Geheimniß. Dieſer gemeinſame Feind (ich brauch ihn nicht zu nennen — ſein Name lebt in Aller Munde), dieſer iſt es von dem allein unſeren Verfaſſungen Gefahren drohen. Er iſt es, der ſich in die Räthe der Fürſten drängt, ihre Perſon umgibt; er iſt es, der in einer hohen Verſammlung ſeinen Sitz genommen, welche die Geſchicke Deutſchlands leitet. Dort, allüberall vertritt er ſeine Intereſſen, indem er glau— ben macht, er vertrete die Throne, er vertrete das Vaterland. Conſervativ nennt er ſich und ſein Streben iſt Zerſtörung, Bedrohung feierlich verbürgter Rechte ſeine Wirkſamkeit. Auf dieſem Wege können die Rechte der Throne nicht geſchützt werden, ihr Schutz gemeinſam mit dem der Ver— faſſungen liegt in dem Bürgerthum. Das Bürgerthum der neueren Zeit iſt ausgezeichnet durch ſeine Intelligenz, durch ſeinen Rechtsſinn, durch ſeine An— hänglichkeit an Thron und Verfaſſung. In ihm iſt Streben nach fortſchreitender, gleichmäßiger ruhiger Entwickelung, in ihm kräftiges Hinſteuern nach dem Ziele des wahren Gemein— wohls, nach der Förderung der wahren Intereſſen der Zeit auf geſetzlichem Wege, durch geſetzliche Mittel. Das Bürgerthum iſt wahrhaft conſervativ, denn es will nicht Rechte zerſtören, nein ſchützen und unter ihrem Schutze das Volkswohl fördern. Gefeſſelt an den Staat durch Beſitz, durch Anhänglichkeit an den Thron, durch Liebe zur Ver— faſſung, zur Ordnung, zur wahren Freiheit, will es den - Fortſchritt, will es die Verwirklichung der Verheißungen und Anſprüche der Zeit, wie Alles was nicht eigenſüchtig den Tod des Vaterlandes will. Es gibt Leute, welche das Bürgerthum Pöbel, ſein Streben nach Fortſchritt unruhige Neuerungsſucht nennen. — Ich frage Sie: Iſt das der Pöbel, der kämpft für die bei— ligſten Güter des Menſchen, für Freiheit in Schrift und Wort, für Licht und Recht, der in Kunſt und Wiſſenſchaft die glän— zendſten Reſultate erringt, der glüht für alle hohen und ſchönen Ideen der Zeit und fie unabläſſig zu verwirklichen ſtrebt? Iſt das unruhige Neuerungsſucht, die feſthaltend an beſchwo— renen Verfaſſungen, treu geſchworenen Eiden, fortbauen will auf dem gelegten Grunde, damit einſt das Haus ſchützend die ſpäten Enkel umgebe und dieſe, wenn ſie einſt der Früchte dieſes Wirkens genießen, ſegnend der Väter gedenken, die ſie mühſam gepflegt. Das thut, das will das Bürgerthum, ihm gehört die Gegenwart, ihm die Zukunft. Darum ruf ich ein Hoch dem Bürgerthum, dem intelli— genten, verfaſſungstreuen, recht- und freiheitliebenden Bürger— thum. Das Bürgerthum lebe hoch. — Von Herrn Walesrode aus Königsberg: „Meine Herren! Der glücklichſte Zufall meines Lebens hat mich von Königs— berg her zu einem Feſt geführt, das nicht blos ein badiſches, ſondern im bedeutungsvollſten Sinne des Wortes ein deutſches zu nennen iſt. Auch ich bin ein Deutſcher, wenn auch unſere vaterländiſche Polizei mich hier einen deutſchen „Ausländer“ nennen ſollte. Auch in Königsberg, außerhalb den Grenzen des deutſchen Bundes, fühlen wir uns Ihnen nahe und innig verwandt. Ihre Märtyrer find unſere Märtyrer, Ihre poli— tiſchen Leiden werden von uns eben ſo ſchmerzlich gefühlt, als Ihre politiſchen Freuden uns ermuthigen und erheben. Darum glaube auch ich hier, nicht als Fremder, ſondern als Einer der Ihrigen, im Namen meiner Königsberger Geſin— nungsfreunde berechtigt zu ſein, Ihnen den herzlichſten Feſtes— gruß zuzurufen, und ein Lebehoch zu bringen den wackern, freiſinnigen Kämpfern in der badiſchen Kammer, wie allen wackern, geſinnungstüchtigen Badenern. Sie leben hoch!“ Die Verſammlung, welche ſich durch dieſe Vorträge und Toaſte innerlich gehoben fühlte, ſang das dieſem Abſchnitte vorgedruckte Lied von Hoffmann von Fallersleben. Dem Dichter ward ein donnerndes Hoch gebracht, wofür er dadurch dankte, daß er mehrere ſeiner Gedichte theils vortrug („Lied eines abgeſetzten Profeſſors“ und „das freie Wort“), theils in ſeiner eigenthümlichen, ergreifenden Weiſe ſang („Alles mit hoher obrigkeitlicher Erlaubniß“). Alle Anweſenden wurden unwiderſtehlich zu lauter Begeiſterung fortgeriſſen, wie nur der wahre Volksdichter, der Sänger und Seher, ſie der tiefſten Bruſt zu entlocken vermag. Herr Hofrath Hecker gab durch einen Toaſt Anregung, eine Sammlung für die Familie der Herrn Profeſſor Jordan zu veranſtalten; es kamen über 200 fl. zuſammen. Wir ſchließen dieſe Beſchreibung mit dem Bemerken, daß die hieſigen Bürger und Einwohner in ſchöner und geſchmack— voller Ausſchmückung der Häuſer gewetteifert hatten. Die Fahnen, Blumen, Kränze, Büſten, Teppiche u. ſ. w. gaben der Stadt ein wahrhaft feſtliches Anſehen. II. Schwetzingen. Der Gemeinderath und Ausſchuß hatten, mit Beiziehung einer Anzahl Bürger, ein Comité gebildet, von welchem die Anordnungen ausgingen und Einladungsſchreiben an die Ortſchaften des Amtsbezirks erlaſſen wurden. Am Vorabend verkündete Glockengeläute und Kanonendonner das Feſt; unter die Armen wurde Geld ausgetheilt. Am Morgen des feſtlichen Tages waren die meiſten Häuſer, beſonders in den Straßen, durch welche der Zug ſich bewegen ſollte, mit Laubgewinde, Blumen, Fahnen und Büſten geſchmückt. Gegen 9 Uhr verſammelten ſich die Bürger vor dem Rathhauſe; im Saale waren die Mitglieder des Comité und die Feſtordner anweſend, welche die Ankommenden aus den Drtfchaften empfingen. Der Abgeordnete Mathy, eingeladen, um die Feſtrede zu halten, war, begleitet von zwei Mitgliedern des Comité, ebenfalls eingetroffen. Aus Oftersheim kam mit dem Kerne der Bürger die Schuljugend, geleitet von ihrem Lehrer; es kamen Männer aus Hockenheim, Brühl und einigen andern Dörfern; vor Allem zeichnete ſich Secken— heim aus; auf laubgeſchmückten Wagen zogen 200 Schulkinder, von Männern geleitet; zwölf Jünglinge, trefflich beritten, mit grünen Mützen und Binden mit den Landesfarben, eröffneten den Seckenheimer Zug, welchen eine große Anzahl Bürger mit ihrem wackern Bürgermeiſter Hörner ſchloſſen. Um neun Uhr ſetzte ſich der Zug unter Glockengeläute von dem Rathhauſe durch die Straßen des Städtchens in 3 Bewegung. Voran die Schuljugend, an welche ſich die Seckenheimer Reiter anſchloſſen; dann vier Mädchen, welche die Verfaſſungs-Urkunde auf einem Kiſſen trugen, hinter ihnen, in der Mitte der Bürgermeiſter Welte von Schwetzingen und Hörner von Seckenheim, — der Abge— ordnete Mathy. Endlich in langer Reihe die Männer, welchen ſich die Staatsdiener anſchloſſen. Sämmtliche in den Bierbrauereien beſchäftigte Gewerbsgehülfen, gleichförmig gekleidet und mit einer Gewerbsfahne, machten den Schluß. Als der Zug vor dem Rathhauſe wieder ankam, hatte ſich eine dichtgedrängte Menſchenmaſſe eingefunden; alle Fenſter, Giebel, Mauern, Bäume waren beſetzt, ja an der Seitenwand eines Hauſes war das obere Mauerwerk herausgenommen, um Raum zum Sehen und Hören zu ſchaffen. Muſik vom Balkone des Rathhauſes empfing den Zug, der ſich auf dem Platze aufſtellte. Die Zahl der Anweſenden betrug gegen 3000 Köpfe. Ein Feſtlied wurde geſungen. Bürgermeiſter Welte erklärte ſodann die Bedeutung der Feier und erwähnte der Wohlthaten, welche das Land der Verfaſſung, der Gabe des Großherzogs Karl, zu verdanken habe; er verlas die Eingangsworte und bemerkte, daß ſich Jeder mit dem Inhalt durch die in großer Anzahl an die Schuljugend vertheilten Abdrücke bekannt machen könne. Hierauf betrat der Abgeordnete Mathy die Rednerbühne und hielt nachſtehenden Vortrag: Männer, Mitbürger, Freunde! Wir ſind verſammelt unter Gottes freiem Himmel, um die Erinnerung an den Tag zu feiern, an welchem vor fünf und zwanzig Jahren das Grundgeſetz des Staates erlaſſen wurde. . Nicht wir allein; — mit uns zu gleicher Stunde ſchaaren ſich im ganzen Lande in hundert Verſammlungen Tauſende und Zehntauſende um feſtlich geſchmückte Rednerbühnen. — 85 — Und auf dieſe Rednerbühnen beriefen die Bürger, wo es möglich und genehm war, ihre Vertreter. Dort die Vertreter des Wahlbezirkes und der Geſinnung — ſo war auch ich aufgefordert, am Geſtade des Bodenſee's zu meinen Wählern zu ſprechen —, hier die Vertreter ihrer Geſinnung allein, und darum habe ich das Wort in Eurer Mitte, für den Mann, der eure Geſinnung von 1831 bis 1842 ſo ausgezeichnet repräſentirt hat und der in dieſem Augenblicke in Griesbach, an der Wiege der Verfaſſung, zu dem Volke ſpricht, das ihn ehrt und liebt. So widmet für einige Augenblicke meinen Worten eure Aufmerkſamkeit. Ihr habt die Urkunde in Händen, welche heute vor 25 Jahren eine edler Fürſt unterzeichnet hat, auf dem Sterbelager. unterzeichnete, weil er nicht von hinnen ſcheiden wollte, bevor er ſeinem Volke eine feierliche Zuſage erfüllt hatte. Ehre ihm, dem edlen Fürſten! Was enthält dieſe Urkunde, warum achten wir ſie ſo boch? Ich will verſuchen, dies in einem Gleichniſſe darzu— legen. Denkt euch einen Hausvater, umgeben von ſeiner Familie. So lange die Söhne klein und unmündig ſind, ſagt er ihnen, was ſie thun und laſſen ſollen und ſtraft ſie, wenn ſie gegen ſein Gebot handeln. Sind ſie herangewachſen, ſo beräth ſich der Vater mit ihnen über die Angelegenheiten des Geſchäftes und der Familie und hört auf ihren Rath. Denkt euch den Vorſteher einer Gemeinde. Er entſcheidet nicht allein über die Intereſſen der Bürger, ſondern er zieht ſie Alle, oder die gewählten Räthe bei und verfährt nicht nach Willkür, ſondern nach den Geſetzen, nach der Gemeinde— verfaſſung. Ja, blicken wir höher hinauf und betrachten die göttliche Ordnung im Weltall, in der Natur. Nachdem der Schöpfer 1 ſein: „Werde!“ geſprochen, läßt er die Geſetze walten, die er gegeben. Tag und Nacht, Sommer und Winter folgen in unverbrüchlicher Ordnung. Pflanzen, Thiere und Menſchen entſtehen, leben und vergehen nach feſt beſtimmten Regeln; wo aber der Menſchengeiſt lebt, da iſt er frei in ſeinem Willen und beſtimmt ſich ſelbſt zum Guten oder zum Böſen. — Das iſt die göttliche Verfaſſung, die nicht verletzt werden kann. Aehnlich ſoll es auch in dem Staate ſein, wo ein Volk unter einer Regierung mit gemeinſamen Einrichtungen lebt. Iſt das Volk mündig geworden, dann paßt nicht mehr die Form, wo der Wille eines Einzigen Alles entſcheidet. Dann ziemt es ſich, daß Alle theilnehmen an den öffentlichen Angelegenheiten, Jeder in ſeinem Kreiſe. Dem Regenten bleibt die Staatsgewalt, aber er übt ſie aus unter feſtgeſetzten Beſtimmungen. Den Bürgern, welche Pflichten genug für den Staat zu tragen haben, werden auch Rechte zuerkannt: auf Sicherheit der Perſon und des Eigenthums, Gleichheit vor dem Geſetz, das Recht ihre Vertreter zu wählen, welche mit der Regierung die Angelegeaheiten des Landes berathen, und ohne deren Zuſtimmung kein Geſetz erlaſſen, keine Steuer erhoben werden darf. Die Urkunde, worin die Beſtimmungen aufgezeichnet ſtehen, unter welchen der Regent die Staatsgewalt ausübt, welche den Bürgern ihre Rechte im Staate zuſichert, und zugleich angibt, in welcher Weiſe ſie dieſe Rechte ausüben, — dieſe Urkunde enthält die Verfaſſung. Sie ſetzt einen Rechts— zuſtand an die Stelle der Willkür, damit der Einzelne geſichert ſei in der Anwendung feiner Kräfte und Kenntniſſe zum redlichen Erwerbe, — damit das Wohl des ganzen Landes gefördert werde durch einträchtiges Zuſammenwirken der Regierung und des Volkes. Hat die Verfaſſung bisher dem Wunfche ihres Gebers entſprochen, „alle Staatseinrichtungen zu einer höberen Voll— kommenheit zu bringen?“ „ Dieſe Frage führt mich zurück zu jenem Tage, an welchem die erſte Ständeverſammlung eröffnet wurde, zum 22ten April 1819. Die Regierung legte auf dieſem erſten Landtage unter andern ein Gemeindegeſetz und ein Geſetz über die Aufhebung der Leibeigenſchaftsabgaben vor. In der Kammer wurden Anträge geſtellt, die wichtige Verbeſſerungen in der Geſetz— gebung, Verwaltung und Beſteuerung zum Gegenſtande hatten. Dahin gehören die Anträge: auf Preßfreiheit und ein Geſetz über die Verantwortlichkeit der Miniſter, die beiden wichtigen Bürgſchaften für den gewiſſenhaften Vollzug der Verfaſſung. Ferner die Motionen auf: Beſſerſtellung der Schullehrer, Trennung der Rechtspflege von der Verwaltung, Oeffentliches und mündliches Gerichts verfahren, Einführung der Geſchwornengerichte, Verbeſſerung der Rechts verwaltung, Aufhebung der körperlichen Züchtigung. Endlich die Anträge auf: Ablöſung des Zehnten, Abſchaffung der Frohnden, Verminderung des ſtarken Wildſtandes, Errichtung von Leihanſtalten und Sparkaſſen auf dem Lande, Abſchaffung der Vermögensconfiscationen, Ein Geſetz gegen den Zinswucher. Unter dieſen, von der Regierung vorgelegten oder von der Kammer in Antrag gebrachten Gegenſtänden ſind manche in das Leben getreten; andere ſtehen noch zu erwarten. Baden hat eine Gemeindeordnung, um welche uns große conſtitutionelle Staaten beneiden; ſie bewährt ſich als vortreffliches Geſetz überall da, wo die Bürger tüchtig und fähig ſind, ihren Haushalt zu ordnen und zu führen. — 38 — Die alten Abgaben, welche aus der Leibeigenſchaft herrührten, auf der Jagd- und Forſthoheit beruhten, oder den Charakter einer Steuer an ſich trugen, ſo wie die alten Abgaben der Juden ſind aufgehoben. Manche unter Euch erinnern ſich wohl noch an Leibſteuer und Kopfzins, — Beſthaupt und Hauptrecht, — Faſtnachthennen und Salz— ſcheiben — Rauchhühner und Herdrecht, Vogtrecht, Fauthaber — und wie die Namen alle hießen; ſie ſind verſchwunden aus der Reihe der Laſten. — Die Grundgülten und Zinſen ſind für ablösbar erklärt, doch bedürfen noch einige Beſtim— mungen, beſonders über die Drittheilspflicht, einer Verbeſſerung. Der Blutzehnt und der Neubruchzehnt ſind aufge— hoben; die Ablöſung des allgemeinen Zehnten mit Staats— beitrag iſt in vollem Gange. — Die Frohnden ſind abgeſchafft. Die Zeit iſt vorbei, wo Tag für Tag eine Anzahl Männer auf das Amthaus mußten, um Botengänge zu thun, wo die Bürger das Wild zuſammentrieben, wo ſie eine Menge Hand- und Fuhrdienſte leiſten, und darüber ihre eigene Arbeit verſäumen mußten. Ein Wildſchadengeſetz gewährt einigen Schutz und Entſchädigung; es würde beſſer ausgefallen ſein, wenn das Jagdvergnügen nicht zu ſehr berückſichtigt worden wäre. In der Rechtspflege ſind die wichtigſten Verbeſſerungen noch zu erwarten; doch ſind die Prügel abgeſchafft und wir, wie unſere Brüder unten am Rhein, wollen ſie unter keiner Bedingung wieder haben. Es iſt zu erwarten, daß Geſetz— entwürfe über Trennung der Juſtiz von der Verwaltung, öffentliches und mündliches Gerichtsverfahren in Strafſachen und ein Strafgeſetz, dem nächſten Landtag zur Berathung vorgelegt werden. Das Schul- und Unterrichts weſen iſt durch Geſetze geordnet, ebenſo die Verhältniſſe der Lehrer; noch weit entfernt, alle gerechten Anſprüche befriedigt zu ſehen, dürfen doch die Lehrer vertrauen, daß es beſſer werde. TE. Unter den Inſtitutionen, welche uns noch fehlen, bemerken wir gerade diejenigen, welche man Bürgſchaften (Garantien) der Verfaſſung nennt, weil fie Gewähr leiſten ſollen, daß dieſelbe treu gehalten werde; nämlich ein Geſetz über die Verantwortlichkeit der Miniſter und die Befreiung der Preſſe von der Cenſur. — Die Kammern haben zwar das Recht, die Miniſter wegen Verletzung der Verfaſſung anzuklagen; allein über das Verfahren ſchweigt das Geſetz. — Die Freiheit der Preſſe beſteht darin, daß Jeder ſeine Gedanken und Erfahrungen drucken laſſen darf, auf eigene Gefahr und Verantwortlichkeit hin. Wo die Preßfreiheit beſteht, da find die Beamten höflich und hüten ſich, ihre Gewalt zu mißbrauchen, weil ſie wiſſen, daß jedes Unrecht zur öffentlichen Anzeige kommen kann. Statt deſſen ſteht es jetzt in dem Belieben eines Mannes, der Cenſor heißt, Gedanken und Anzeigen vor dem Druck zu vertilgen und ſie nicht unter die Leute kommen zu laſſen. Das iſt nicht Recht, das iſt Willkür. [Die Preßfreiheit iſt den Deutſchen in der Bundesakte zugeſichert; in Baden haben wir fie gehabt; wir werden ſie wieder bekommen, aber nicht mehr für Baden allein, ſondern für Deutſchland und dann wird ſie uns Nie— mand mehr rauben.] Ich will nicht länger fortfahren mit der Aufzählung der Früchte, welche die Verfaſſung dem Lande ſchon gebracht, und deſſen, was das Land von ihr noch zu erwarten hat. So viel ſteht feſt, wir haben ihr Vieles zu danken; ſie iſt und bleibt die wohlthätige Inſtitution, welche nur der gehörigen Pflege und Ausbildung bedarf, um unſere öffentlichen Zuſtände noch weiter zu verbeſſern. Die Regierung kann dabei nicht Alles thun. Wenn das Volk ſich läſſig zeigt und gleichgültig, dann iſt es gerade als ob keine Verfaſſung beſtünde. Dann kommen Zuſtände, wie in jenen guten alten Pfälzer Zeiten, wo Klagen und Bitten im Actenſtaub vergraben blieben, wo kein öffentlicher Weg die Bedürfniſſe und Wünſche der Bevölkerung zur 2er NE Kenntniß der Regierung brachte, wo über der Verwendung der Staatseinkünfte ein geheimnißvolles Dunkel lag, wo ohne „Protectionen“ und „Connerionen“ mit Hofdamen und Kammerdienern kein Recht zu erlangen, mit ſolchen Empfehlungen jedes Unrecht durchzuſetzen war; wo der Befehl des Amtmanns und der Stock des Büttels anſtatt des Geſetzes dem Bürger den Weg zeigten, den er zu wandeln hatte. Wir aber wollen dahin nicht zurück, wir wollen vorwärts ſchreiten zu freien, würdigen Zuſtänden auf der Bahn der Verfaſſung und darum iſt es nothwendig, daß die Bürger ihre Rechte kennen lernen und ausüben. Das wichtigſte ſtaatsbürgerliche Recht aber iſt das Wahl— recht. Sie Alle haben die Wahlordnung in Händen. Leſen Sie, wie dort im Eingange ſchon die Erwartung ausgeſprochen iſt, „daß alle Unterthanen, durchdrungen von der Wichtigkeit des Gegenſtandes, ſchon bei dem erſten Wahlact ein gründ— liches Zeugniß ihrer Reife für eine repräſentative, d. h. landſtändiſche Verfaſſung ablegen werden. Dies kann — fo lauten die Worte — nicht beſſer geſchehen, als durch rege Theilnahme an den Wahlhandlungen von Seiten einer jeden Klaſſe von Staatsbürgern, die dabei mitzuwirken auf irgend eine Weiſe berufen iſt; durch würdevolle Ruhe und Ordnung bei dem Vollzuge; durch die verſtändige, umſichtige Auswahl von Männern, die, ausgezeichnet durch bürger— liche Tugenden, Kenntniſſe und Erfahrungen den hohen und ſchönen, aber ſchweren Pflichten eines Abgeordneten gewachſen ſind.“ In dieſen ächt conſtitutionellen Worten liegt doch gewiß die ſtärkſte Aufforderung an alle Bürger, nach eigener, gewiſſen— hafter Ueberzeugung bei den Wahlen mitzuwirken. Wer ſich durch Drohungen oder Verſprechungen beſtimmen läßt, der verdient nicht, Bürger eines conſtitutionellen Staates zu fern. Die Regierung hat in einem Erlaſſe vom 26. November 1830 ausgeſprochen, daß ſie nicht den Gedanken hegen könne, die Eu ae Staatsbürger in einem ihrer wichtigſten Verfaſſungs— rechte zu beſchränken, oder auf die Wahlen zu Gunſten oder zur Ungunſt irgend einer Perſon, durch welche Mittel es auch ſei, einzuwirken. „Im Gegentheil — heißt es dort — es iſt ihr Wille, daß auf die einzelnen Wahlen von Seiten der Regierungsbeamten weder mittelbar noch unmittelbar einge— wirkt werde.“ Mit welcher verdienten Verachtung aber ſolche Wähler, die ſich durch Drohen oder Verſprechen verleiten laſſen, ange— ſehen werden, davon zeugen die Worte eines hochgeſtellten badiſchen Staatsmannes: „Ein Volk, das die Schmach der Wahlbeherrſchung erduldet, iſt nicht werth eine Verfaſſung zu haben.“ Wenn 150,000 Wähler kommen und ſagen, ſie ſeien beherrſcht worden, ſo würde ich ihnen antworten: Das iſt Euere Schuld, ihr waret der ſtärkere Theil. Wenn ein Wahlmann käme und ſagte, er ſei beherrſcht worden, ſo würde ich ihm erwidern: „Schämen Sie ſich, Sie bekennen Ihre eigene Schande. Sie haben geſchworen, nach Ihrer innern Ueberzeugung im Intereſſe des Vaterlandes zu wählen, Ihre Schuldigkeit wäre geweſen, Ihr Mandat zurückzugeben und den Wählern zu ſagen: Ich bin der Mann nicht, der frei wählen kann, wählen Sie einen Andern.“ So haben badiſche Fürſten und Staatsmänner in freier Volkswahl die Grundbedingung für das Gedeihen der Ver— faſſung erkannt, welches dadurch in die Hände des Volkes gelegt wird. Den Landtagen, welche aus freien Wahlen her— vorgingen, haben wir die beſten Geſetze zu verdanken, wäh— rend die andern unfruchtbar geblieben ſind, ja Schaden geſtiftet haben. Möchten alle Bürger dies wohl zu Herzen nehmen. Doch — ich will nicht die erhebende Freude dieſes Tages ſtören durch Erinnerung an trübe Zeiten. Ein beſſerer Geiſt, eine tüchtige Geſinnung, womit die ſchwerſten Kämpfe ſiegreich zu beſtehen ſind, lebt im Volke und bethätigt ſich am heutigen ae Feſte. Dieſer Geift, dieſe Geſinnung ſind die ſicherſten Bürg— ſchaften wiederkehrender Eintracht und ſchönerer Tage. Das badiſche Volk aber verleiht durch den feierlichen Aus— druck ſeiner einmüthigen, conſtitutionellen Geſinnung nicht nur dem Gebäude der Verfaſſung eine unerſchütterliche Stütze, fondern es erfüllt auch eine Ehrenpflicht gegen die deutſchen Bruderſtämme. Dieſe heutige Feier wird weithin ſchallen durch das große deutſche Vaterland. [Sie wird beleben und kräftigen das Streben nach einem geſicherten Rechtszuſtande, in der Form landſtändiſcher Verfaſſungen, welche die Bundes— acte allen Deutſchen verheißen hat. Sie wird beitragen zu dem endlichen Siege des conſtitutionellen Grundſatzes in Deutſchland, damit in Erfüllung gehe, was der Präſident des Bundestags im Jahre 1817 geſprochen: „Daß Deutſchland nur darum mit dem Blute der Völker vom fremden Joche befreit und Länder ihren rechtmäßigen Fürſten zurückgegeben worden, damit überall ein rechtlicher Zuſtand an die Stelle der Willkür trete.“ Ja, wir feiern die Verfaſſung, nicht als ein Gnaden— geſchenk, denn ſolche ſind ohne Werth — ſondern als die Erfüllung einer Zuſicherung, welche das Volk ſtatt uralter, im Drange harter Zeiten verlorner Rechte durch ſchwere Opfer verdient hat. Carl Friedrich hatte ſchon 1808 feinen Entſchluß verkündet, mittelſt einer Landesrepräſentation das Band zwi— ſchen dem Regenten und den Staatsbürgern noch feſter zu knüpfen. Sein Wunſch war es, über ein freies und opu— lentes (wohlhabendes) Volk zu regieren — und wahrlich, es kann einem edeln Fürſten nicht angenehm ſein, einer Schaar von Knechten und Schmeichlern zu gebieten. Nur freie Männer ſchützen Thron und Vaterland in der Stunde der Gefahr, und gehorchen freudig dem Geſetze, zu dem ſie ſelber mit gerathen. Ja, wir lieben die Verfaſſung, weil Jeder, der im Lande lebt, Urſache hat, ſich derſelben zu freuen. 8 Der Fürſt, der ſeinen großen Vater zum Vorbilde ſich genommen und in der Verfaſſung das Mittel erkennt, mit der Wohlfahrt des Landes das Glück des Regenten zu ſichern. Die Diener des Staates — denen die Verfaſſung eine grundgeſetzlich geſicherte Exiſtenz verliehen hat. Alle Bürger zu Stadt und Land, — die in der Verfaſſung ihre Rechte geſichert, ihre Intereſſen gewahrt ſehen gegen Willkür, und durch ſie berufen ſind, mittelſt gewiſſenhafter Ausübung ihrer verfaſſungsmäßigen Rechte mit— zuwirken an der Förderung des Staatswohls. Vor dem heutigen Feſte müſſen die Gegner geſetzlich freier Staatseinrichtungen beſchämt verſtum men. Dieſe Feier wird ſich tief einprägen in alle brave Herzen, auch in die empfänglichen Herzen der Jugend, die hier ver— ſammelt iſt, und dem würdigen Ernſte des Feſtes eine rührende Weihe verleiht; der Jugend, welche uns, die Väter, mahnt mit dem lautloſen, aber eindringlichen Gebot der Sitte und des Gewiſſens, zur männlichen Bürgertugend, damit wir nicht in Schande beſtehen vor dem kommenden Geſchlecht. Ich ſehe Männer um mich her, bewegt von tiefem patriotiſchen Gefühle. Dieſem Gefühle laut en Ausdruck gebend, fordere ich Euch auf mit mir zu rufen: Heil unſerer Verfaſſung, Heil dem Andenken des Fürſten, der ſie gegeben, Heil dem Großherzog Karl! Nach Beendigung dieſes Vortrags, der einen tiefen Ein— druck auf die Verſammlung hervorbrachte, wurde die letzte Strophe des Feſtliedes geſungen: So bringt ein Hoch, dem Kleinod hell von Schimmer, Des Bürgerwohles feſtem Grund, Das Fürſt und Volk geeinet hat für immer In 1 Treue heil'gem Bund! „ Hoch die Verfaſſung! fo ton’ es 1 8 Lal „ Hoch unſres Wohles Unterpfand! „, Unter dem begeifterten Hochrufe trennte ſich die Ver— ſammlung; Verfaſſungsbüchlein (und Bretzeln) wurden unter die Schuljugend vertheilt. Auf freiem Platze unweit des Amt— hauſes war eine Hütte aufgeſchlagen, worin um Ein Uhr hundert ſieben und ſiebzig Gäſte ſich zum Feſtmahle vereinigten, welchem die Staatsdiener ebenfalls beiwohnten. Ein freudig ernſter Sinn belebte das Mahl, bei welchem folgende mit Böllerſchüſſen begleitete Toaſte ausgebracht wurden: Seiner Königlichen Hoheit dem Großherzog Leopold, vom Bürgermeiſter Welte in Schwetzingen. Dem Andenken des Großherzogs Karl, der die Ver— faſſung gegeben, — vom Altbürgermeiſter Helmreich von Schwetzingen. Der Verfaſſung, — von dem Abgeordneten Mathy. Allen verfaſſungstreuen Bürgern, insbeſondere den Abgeordneten, welche die verfaſſungsmäßigen Rechte des Volkes vertheidigen und ſchützen — vom Bürgermeiſter Hörner von Seckenheim. Zuletzt brachte Altbürgermeiſter Helmreich den Aus— wärtigen, welche das Feſt durch ihre Gegenwart verherrlichen halfen, ein Hoch, und ſprach dabei das Bedauern aus, daß von zwölf Bürgermeiſtern des Amtsbezirks nur Einer erſchie— nen ſei (Hörner). — Das Wetter konnte ſie nicht abgehalten haben, denn dies war dem Feſte hold. Daſſelbe ſchloß, wie es begonnen, in ernſter Freudigkeit, und die Erinnerung daran wird nicht vergehen, ſondern die freie bürgerliche Geſinnung kräftigen im Amte Schwetzingen. Ueber Verſchiedenes, was der Feier in Schwetzingen vorher gegangen und was ſie begleitete, ſind uns Deſiderien und Fragen zugekommen, wovon wir Einige mittheilen: J) Iſt es richtig, daß die eilf Bürgermeiſter der Amtsorte des— halb wegblieben, weil ihnen zu erkennen gegeben wurde, man werde ſie nicht gern bei der Feier ſehen? Es fehlte nicht an Bemerkungen hierüber; z. B. daß Einer ſo viel werth ſein könne, wie eilf; daß hier das Verhältniß der zwölf Apoſtel umgekehrt erſcheine u. ſ. w. 2) Sit es richtig, daß die Ortsdiener, namentlich in Plaͤnkſtadt und Oftersheim, die Einladungen des Schwetzinger Comits's den Bürgern auf folgende Weiſe mittheilten: „Da iſt eine Einladung zum Feſt nach Schwetzingen; es geht aber kein Menſch hin, da werdet Ihr wohl auch nicht gehen?“ 3) War es angemeſſen, dem wadern Bürgermeiſter Hörner von Seckenheim, weil er unterlaſſen, die bezirkspolizeiliche Erlaubniß zum Läuten und Schießen einzuholen (die man bei andern Gelegenheiten nicht verlangt hatte), bösliche Abſicht zu unterlegen, und ihn mit Arreſt zu bedrohen? 4) War die Verfaſſungsfeier wirklich, wie in amtlichen Er— laſſen geſagt wurde, ein Privatfeſt? — Unter Privat: feſten verſteht man ſonſt ſolche, die eine Perſon, oder eine Familie betreffen, z. B. Taufe, Hochzeit, Geburtstag. Eine Feier, woran die meiſten Bürger eines Landes im Freien theil— nehmen, ſcheint doch unmaßgeblich den Charakter der Oeffent— lichkeit einigermaßen an ſich zu tragen. 5) Warum verlas Bürgermeiſter Welte nur die Eingangs- worte der Verfaſſung, während das Programm ſagte: Die Verfaſſungsurkunde wird verleſen? 6) Es fiel auf, daß der Gaſthof zum Pfälzer Hof (poſt), der einzige war, der kein Fähnlein, keine Blume als Feſtſchmuck ausgeſtellt, ja der nicht einmal die Straße vor dem Hauſe gefegt hatte, während er doch das Feſtmahl lieferte u. ſ. w. III. Meinheim. Das Comité war aus der Gemeindebehörde mit Zuzug anderer Bürger gebildet. — Der Feſtordnung gemäs wurde am Vorabend auf der herrlich gelegenen Burg Windeck das Geſchütz gelöſt; am Morgen wiederholte Salven, Feſt— geſang und Gockengeläute. An dem Zuge nahmen die Schüler, der Geſangverein, die Zünfte, die Staats- und Gemeinde— beamten, die Bürger und Einwohner, Theil. Die Verfaſſungs— urkunde wurde in dem Zuge getragen, der ſich zum Gottesdienſte und hierauf vor das Rathhaus begab, wo er mit Muſik empfangen wurde. Der Bürgermeiſter verlas nach kurzer Anrede die Verfaſſungsurkunde, worauf Obergerichtsadvokat Dr. Hecker, der Abgeordnete des Bezirks, folgenden Vortrag hielt: Bürger! Freundel Der bedeutungsvollen Tage im Leben eines Volkes ſind wenige. Bedeutungsvoll aber iſt der Tag, an dem ein ganzes Volk die unerſchütterliche Anhänglichkeit an ſeine freiſinnigen Inſtitutionen feierlich erklärt und ſich damit den Freibrief ſeiner Mündigkeit ſelbſt ausſtellt; denn der Grad der Theilnahme eines Volkes an einer freiſinnigen Verfaſſung iſt der Maas— ſtab ſeiner ſittlichen Bildung. Weithin durch das Land ſchallt der Jubelruf freier Männer— herzen und lodern die Freudenfeuer des Friedens von den >. Bergen, denn heute vor 25 Jahren wurde ein Fürſtenwort gelöſt, das uns die Verbriefung der einzigen Rechte des Menſchen und Bürgers zugeſagt hatte. Werfen wir einen Blick auf die Entſtehungsgeſchichte unſerer Verfaſſung. Als der Mann zweier Jahrhunderte, Napoleon Bonaparte, über Land und Leute ſchaltete, als den Siegespreis ſeines glücklichen Schwerts, als er Kronen vergab und Länder ver— theilte, wie ſein Eigen, als die Throne der deutſchen Fürſten zitterten vor dem Machtgebot des Sohnes des Anwalts von Ajaccio, da ließen die Fürſten den Nothruf erſchallen an das biedre deutſche Volk, damit es rette, was die ſtehenden Heere nicht retten konnten. Und der Jüngling und der Mann legten die friedliche Wehre zur Seite und griffen zum Schwerte und ſchlugen den Dränger. Damals gelobten die deutſchen Fürſten in der Stunde der Noth, die Völker frei, froh und glücklich zu machen, und ſie zu berufen zur Mitwirkung am ſchweren Amte des Regierens und in der Acte des deutſchen Bundes im 13. Artikel wurde verheißen: In allen Bundesſtaaten wird eine landesſtändiſche Ver— faſſung ſtattfinden. Sehnſüchtig harrte das an den Kriegswunden blutende und von den Opfern erſchöpfte Volk der Erfüllung der Ver— heißung entgegen, lallein die Fürſten zögerten, denn die Zeit der Noth war vorüber]. Unter den Fürſten, die das gegebene Wort erfüllten, war Großherzog Carl von Baden und hat es ſelbſt in den Eingangs— worten zur Verfaſſungs-Urkunde erklärt. Nicht verſprechen, ſondern gegebenes Wort löſen, iſt eines Fürſten würdig. Seit 25 Jahren leben wir unter der Verfaſſung, und fragen wir uns, was iſt das Weſen und die Bedeutung einer Volksrepräſentation? Die Verfaſſung iſt der Schild des Volkes und feines guten Rechts, ihre Grundſätze find bürgerliche Freiheit, Gleichheit vor dem Gefege, Achtung vor dem Eigenthum, ſittliche Ausbildung des Volkes. Das Volk, der Staat, iſt nicht eine Heerde willenloſer Knechte, nicht das Eigenthum Eines oder Einiger. Der Staat iſt ein geſell— ſchaftlicher Verein, ſein Zweck die allgemeine Wohlfahrt. Wie in jedem Vereine das Wohl Aller nur erzielt wird, wenn Alle zuſammen wirken, nicht wenn Einer vorſchreibt und die Andern blos ſtumme Pflichtenträger ſind; ſo im Staate, und darauf beruht das Weſen der Verfaſſung: auf der Mitwirkung des ganzen Volkes im Amte des Regierens. Denn Einer und Einige können irren oder Böſes wollen und kein Beſitz ſtrebt mehr nach Ausdehnung, als der der Macht, darum ſoll der Wille Aller erkundet, die Zuſtimmung Aller gefordert werden. Schon bei unſern Vätern galt der Satz: Wo wir nicht mit rathen, Da wollen wir auch nicht mit thaten. Jene alten Verfaſſungen aber litten an dem Gebrechen, daß nur Stände, Adel, Geiſtlichkeit und Städte, ſelten der Stand, der die Scholle im Schweiße ſeines Angeſichts baut, der ehrenwerthe Bauernſtand, vertreten war. Es war folglich keine Vertretung des ganzen Volkes vorhanden, wie in unſerer Verfaſſung, die jeden unabhängigen Bürger zur Theilnahme am Regierungswerk beruft. Eine repräſentative Verfaſſung, wie die uns von Großherzog Karl ertheilte, entſpricht aber dem Prinzip des Chriſtenthums. Arm und hilflos kommen wir in die Welt und gehen daraus, ohne etwas mit uns zu nehmen; alle ſind Brüder und gleich, und folglich iſt nur eine ſolche und nicht eine Verfaſſung eine gerechte, die nur gewiſſe Stände zur Beſchließung der allgemeinen Wohlfahrt beruft. Die Wohlthaten eines ſolchen Grundgeſetzes ſind aber: 1) Die Stände halten Wache bei demſelben und dem Geſetze, und verhindern deſſen Untergrabung und Sturz. 18 2) Wer ſteuert, wer einen Theil ſeines Erworbenen abgibt zum allgemeinen Beſten, der kann auch verlangen, mitzuſtimmen und zu wiſſen, wozu er es gebe und wohin es verwendet werde; wie ein Hausvater, der einen Schaffner über ſein Vermögen geſetzt hat, dieſen frägt, wenn er Geld verlangt, wozu? und wenn er es verwendet hat, wohin? Das iſt das Steuerbewilligungsrecht der Stände; [das zwar ein Bundesbeſchluß nur innerhalb gewiſſer Schranken gelten laſſen will, die aber noch keine Volkskammer anerkannt hat.] 3) Eine weitere Wohlthat der Verfaſſung iſt, daß kein Geſetz ohne Zuſtimmung der Stände zu Stande kommen kann, und daß einem ohne ſie Erlaſſenen keinerlei Kraft beiwohnt. Dieſes Recht der Stände iſt aber die natürliche Folge der eben gegebenen Entwickelung, daß der Staat ein geſellſchaftlicher Verein zu dem Zwecke der allgemeinen Wohlfahrt ſei, der nur durch die Zuſtimmung Aller oder der Mehrzahl erreicht werden kann. 4) Eine weitere Wohlthat der Verfaſſung iſt die Con— trole des ganzen Staatshaushalts, welcher das geheimſte Treiben der Beamten nicht entgehen kann, und die Verant— wortlichkeit der Miniſter für jede ihrer Handlungen, die Befugniß, ſie wegen Verfaſſungsverletzungen in Anklageſtand zu verſetzen. Leider iſt bei uns das Verfahren über eine ſolche Anklage zwar berathen worden, aber noch kein Geſetz zu Stande gekommen. 5) Ein wichtiges Recht endlich, Bürger, das ihr nicht theuer genug achten könnt, iſt das Petitionsrecht, das Recht, Beſchwerden über Rechtskränkungen an die Kammer zu bringen, die prüft, und wenn ſie die Beſchwerde gegründet erkennt, die Krone zur Abhülfe veranlaßt. Durch dieſes Recht kann Jeder, der verkümmert, verfolgt oder verletzt iſt, die unrecht— mäßigen oder geſetzwidrigen Handlungen zur öffentlichen Kunde bringen und die Hülfe wird ihm nicht fehlen. Niemand kann Euch das Petitionsrecht verkürzen oder rauben, kein Beamter 4 a verbieten, Petitionen bei der Kammer einzureichen, ohne ſich einer Verfaſſungsverletzung ſchuldig zu machen. Wer möchte alle die Wohlthaten einer repräſentativen Verfaſſung aufzählen; ſie wirken auf uns, ſelbſt ohne daß wir es wahrnehmen; es genüge an dieſer Aufzählung. Was haben wir bereits durch die Verfaſſung erreicht? Geordneten Finanzhaushalt. Jeder Bürger kann Einſicht gewinnen in das feine Räderwerk der Staatsmaſchine, ſie liegt in den Budgets offen vor ihm da, und er kann vertrauensvoll ſteuern, wenn er weiß, wozu. Der Boden iſt entfeſſelt von den Laſten, die herüber gekommen ſind aus der finſtern Zeit des Mittelalters, wo das Fauſtrecht galt und der Aberglaube. Nicht ferner läßt der Landmann den zehnten Theil des Products ſeiner Arbeit für Andere liegen oder fröhnt der Bürger, wie im Joche; die Zeichen der Knechtſchaft, die Leibeigenſchaftsabgaben ſind vernichtet, von Gülten und Zinſen kann der Boden durch Ablöſung frei gekauft werden. Hochwichtig, faſt wie die Verfaſſung ſelbſt, iſt die Gemeinde— ordnung, und des Bürgers erſte Pflicht, ſich mit ihr genau zu befreunden und ihr rege Theilnahme zu weihen; denn die Gemeinde iſt der Staat im Kleinen. Hier wie dort wird ein Budget berathen und bewilligt, die höchſte Ertragbarkeit des Vermögens zu bewirken geſucht, die Beamten gewählt, das Gemeinwohl zum Ziele geſetzt. Die Gemeinde iſt die Vorſchule der politiſchen Bildung. Durch die Gemeindeordnung iſt dem Bürger der Stempel der Unmündigkeit abgenommen, die Vormundſchaft gelöſt worden, unter der er früher duldete, frei verfügt er über Vermögen und ſchaltet im gemeinſamen Haushalt als freier Genoſſe. — Wer Recht ſucht in Civilrechtsſtreitigkeiten, bat nicht mehr Urtheile zu exwarten, gebaut auf die einſeitige Auffaſſung eines Gerichtsmitgliedes, das bei verſchloſſenen Thüren den — 1 — Fall vortragt. Oeffentlich und mündlich dringt das lebendige Wort zum Geiſte der Richter und vertrauend ihnen, vertrauend dem erwählten Anwalte, kann die Partie dem Spruch ent— gegen ſehen. Das Schulgeſetz hat nothdürftig der Stellung der Lehrer vorgeſorgt, den Lehrgang geordnet; ein Forſtgeſetz die Cultur der Waldungen geſichert; ein Injuriengeſetz vor Beleidigungen geſchützt. Bei dem heutigen Anlaſſe alle die Geſetze, die unter der Verfaſſung erlaſſen wurden, die tauſend Verordnungen über Steuern, Abgaben und ſonſtige Verhältniſſe zu erwähnen, die wenigſtens eine Norm aufſtellen im Haushalt, iſt unmöglich. Was können wir aber und was müſſen wir noch erreichen? Wir müſſen erreichen den freien Austauſch des Gedankens durch die Preſſe, [das geiſtige Henkeramt der Cenſur muß enden und wird enden], denn tauſend Mittel der Vervielfälti— gung ſind gegeben und tauſend ſchnelle Verkehrswege ſind geöffnet, auf denen mit dem fernſten deutſchen Bruder Anficht und Gedanken gewechſelt werden können, welche man vergebens zu erſticken ſich bemüht. [Müſſen die deutſchen Regierungen nicht das geben, was ſie uns nicht vorenthalten können, und wäre es nicht weiſer, in Zeiten geben, als ſpäter nicht ver— jagen können!. Wir müſſen erreichen, daß nicht ferner über Leben und Tod, Ehre, Vermögen und guten Namen bei verſchloſſenen Thüren nach der einſeitigen Anſicht eines oder zweier Richter entſchieden werde, von Richtern, die den Angeſchuldigten nie geſehen, nie ihn, nie die Zeugen gehört haben, die nach todten Buchſtaben, einſeitig aufgefaßten und niedergeſchriebenen Protocollen und Acten richten über Leben und Tod. Jeder ſoll ſteuern nach Vermögen, drum müſſen wir ein gerechteres Beſteuerungsſyſtem erringen. Nicht fürder ſoll der Landmann von der verpfändeten Hütte mehr ſteuern, als der reiche Rentner, der vielleicht nur von 500 fl. die Steuern gibt. 4 * Ei ah, Ebenſo foll jeder Bürger die Waffen tragen müſſen für das Vaterland, und nicht der Sohn des Armen allein dazu verdammt ſein, weil der Sohn des Reichen ſich loskaufen kann. Wir bedürfen alſo eines gerechteren und beſſeren Wehr— ſyſtems. Dieſes iſt es, was uns vorerſt Noth thut. Mit dieſen Einrichtungen, mit voller Lehrfreiheit allein kann ſich ein wahrhaft ſittlichgroßes freies Volk entwickeln. Wie können wir das aber erreichen? Durch eiſernes Feſthalten an der Verfaſſung, durch Streben nach deren Entwickelung. Wer ſich von ihr ein Jota rauben läßt, der iſt ein unwürdiges Glied einer conſtitutionellen Staatsbürgerſchaft, ſein Name ſoll ausgerottet ſein aus der Zahl der Bürger als der eines ſchlechten, unwürdigen Knechts. Dem entſchiedenen Volkswillen kann keine weiſe Regierung widerſtehen. Seht die waffenloſe Schwalbe, wenn der Raub— vogel ſie verfolgt. Die Schwalben ſchaaren ſich, ſtemmen ſich ihm entgegen und er muß entfliehen. Dies ein Bild der Entſchiedenheit des Willens eines waffenloſen Vogels. w Wir können das Angeführte aber erreichen, nicht nur durch Feſthalten deſſen, was wir beſitzen: aufmuntern müſſen wir den Nachbar, den Freund und theilnehmen am öffentlichen Leben, beſonders dem Gemeindeleben; endlich durch Erziehung unſerer Kinder. Der Vater erblicke in dem Kinde nicht den Unterthan feines Willens, ſondern den künftigen Bürger, er flöße ihm die Theilnahme für Berfaffung und Recht, fo wie es zu den Unterſcheidungsjahren gekommen iſt, gleichſam mit dem erſten Weine ein. Laſſen wir unſere Kinder ſtatt des Aus— wendiglernens nutzloſen Tandes die Verfaſſungsurkunde aus— wendig lernen. Wählen wir endlich unabhängige wahre Abgeordnete des Volkes, geſinnungstüchtige Männer, die dem Wohle des Volkes und nicht ſelbſtiſchen Zwecken dienen, nicht ſolche, die kaum gewählt, nur zu erjagen ſuchen Rang und Titel, Amt und Ehre und Gold, denn das ſind Verräther am Volke. Die 1 Vertreter des Volkes heißen Landſtände, weil ſie für das Land ſtehen ſollen und nicht für ihr ſelbſtiſches Intereſſe; und wie ein Abgeordneter nicht ſein ſoll, ſagt ein großer deutſcher Mann, einſt Mitglied einer badiſchen Behörde, er ſagt: die Landſtände ſollen keine ſtumme Schöffen und ſchweigende Schult— heißen, nicht Jaherrn oder Poſtulatdiener, nicht lebendige Berichte, welche die Regierung einfordert, der Landtag kein Gaukelſpiel ſein. Darum trete Jeder hin zur Wahl, die Ver— faſſung in der Hand und wähle ohne Menſcheufurcht. Und was wir dann auf dieſe Weiſe erringen, nicht uns allein erringen wir es, ſondern für alle deutſchen Brüder, denn was hier anſchlägt, hallt dort wieder, und wenn wir in dieſem Streben verharren, jo ſehe ich vor mir in der Zukunft ein großes, freies und glückliches Volk von weiſen Geſetzen regiert. So wollen wir uns denn an dieſem feierlichen Tage geloben und verſprechen feſt zu halten an der Verfaſſung unwandelbar, ſie zu vertheidigen in Noth und Tod als unſer heiligſtes Gut! Rufen wir aus ein Hoch der Verfaſſung, ein Hoch dem edlen Geber, den Manen des Großherzogs Karl ein drei— faches Hoch!!“ + Dieſem Vortrage folgte ein Chorgeſang; Exemplare der Verfaſſungsurkunde wurden unter die Anweſenden vertheilt; die Armen erhielten Brodſpenden. Um Ein Uhr fand im Pfälzer Hof ein Feſtmahl ſtatt und Abends leuchtete ein Feuer von der Schloßruine weithin in das Land. Aus den umlie— genden badiſchen und heſſiſchen Ortſchaften hatten ſich die Bewohner zahlreich eingefunden. IV. Neckargemünd. Die Anordnung des Feſtes war den ſchon beſchriebenen ähnlich; aber das Erhebende der Feier lag nicht in den äußeren Veranſtaltungen, ſondern in dem Geiſte, der die ganze Volks— Verſammlung beſeelte. — Der Feſtzug ging unter Böllerſchüſſen und Glockengeläute durch die geſchmückten Straßen nach dem Feſtplatze, einem reizend gelegenen Wieſenthale, wo ſich die Verſammlung um die ſchön verzierte Rednerbühne ſchaarte. Nachdem ein Feſtlied geſungen und der wichtigſte Theil der Verfaſſungsurkunde verleſen war, beſtieg der Abgeordnete Baſſermann die Tribüne und hielt nachſtehende Feſtrede *): Meine Freunde! In dieſem Augenblick, in dem ich hier unter Gottes freiem Himmel vor Euch ſtehe, um ein freies Wort zu Euch zu reden, feiern 100 und aber 100 Gemeinden im Lande den heutigen Tag: den Tag, an dem vor einem Viertel Jahrhundert dem Lande die Verfaſſung zu Theil ward. Die Feier dieſes Tages, ſie iſt ein ſchönes Feſt, das uns auffordert zu einer Vergleichung wie es war vor der Verfaſſung und wie es jetzt iſt. „) Hier zum erſtenmal mitgetheilt. de Ta Blicken wir in die fernſte Vergangenheit, in die ältefte Zeit; ja das war eine freie Zeit. Unſere Urältern, die alten Deutſchen, ſie waren freie Männer. Sie waren nicht bevor— mundet von Leuten, die ſie nicht wollten, nein, unter freiem Himmel, in großen Volksverſammlungen wählten ſie ihre Anführer, unter freiem Himmel hielt das Volk Gericht und gegen ſeinen Willen konnte nichts geſchehen. Dies war eine ſchöne Zeit und die Geſchichte rühmt von den damaligen Deutſchen, daß ſie die tapferſten, die tugendhafteſten, die charakterfeſteſten Männer der Erde waren. Sobald aber die Menſchen ſich verweichlichten, die Sitten ſich verderbten, ging auch allmählig die Freiheit unter; und es kam eine Zeit, da Niemand in Deutſchland mehr frei und ſicher war, als die Mönche in ihren reichen und feſten Klöſtern und die Herren auf ihren Burgen. 9 * Innere Kriege verheerten das Land, der Bürger ſuchte ſich hinter ſeiner Stadtmauer zu ſchützen; der Bauer aber war ſchutzlos preisgegeben, von übermüthigen Söldlingen niedergetreten; wahrlich, er war das elendeſte Geſchöpf auf Gottes reicher Erde. In jener trüben Zeit, da nicht mehr auf freien Volks— verſammlungen die Beamten gewählt wurden, da nicht mehr des Volkes Wille Geſetz war, in jenen Zeiten war es, wo die Mächtigen alle Laſten von ſich abwälzten, wo der Bürger und der Bauer Alles tragen mußten, wo man die Steuern und Leiſtungen theils erfand, theils nach Deutſchland ver— pflanzte, die da heißen, Fruchtzehnten, Blut-, Neubruch-, große und kleine Zehnten, Wachs-, Bienen- und Honig— zehnten, Jagdfrohnden, Gerichts-, Straßenbau-, Militair— Frohnden, Beifuhr und wie ſie alle heißen, und wo für das Land Willkühr, ſtatt Geſetz galt und Amtmann und Büttel die Despoten des Landmanns waren. Erinnern Sie ſich noch, meine Freunde, dieſer traurigen Zeit? dieſer abſcheulichen Steuern? Nun ſeit warn find die ungerechten Steuern abgelöſt oder abgeſchafft? Seit dem Beſtehen unſerer Verfaſſung, deren fünfundzwanzigſten Geburtstag wir heute feiern. Aber darum wollen wir ihn auch feiern, dieſen ſchönen Tag. Wenn nun Jemand fragt, worin liegt denn das eigentliche Weſen der Verfaſſung, wodurch ſie fähig wird, ſolche Wohl— thaten hervorzubringen, jo iſt die Antwort die: darin, daß ſeit der Verfaſſung nicht mehr die Großen allein, die Miniſter und Herren, über das Land nach Belieben ſchalten und walten; ſondern daß ſeit der Verfaſſung auch das Volk ein Wort mitzureden hat, und zwar von Nechtst een denn ich frage Euch, meine u wenn irgend Jemand zu Euch käme und ſpräche: hört, in Euere Familienangelegenheiten, in Euer Hausweſen ſollt Ihr kein Wort mitreden, das beſorge ich, ohne Euch zu fragen; was würder Ihr dem antwöktefſe Gewiß würdet Ihr ihm antworten: laſſe mich nur meine eigenen Ange— legenheiten ſelber beſorgen, das verſtehe ich am beſten. Nun, meine Freunde, alle Regierungsangelegenheiten ſind Landes— angelegenheiten, ſind des Volkes eigene Angelegenheiten, und ſo verſteht auch Niemand des Volkes Angelegenheiten beſſer zu verwalten, als eben das Volk ſelbſt. Iſt das nicht Jedem ſo klar, wie dieſe Sonne? Weil aber nicht das ganze Volk, weil nicht alle Bürger des Landes zuſammen die Geſchäfte beſorgen können, ſo wählen wir unſere Vertreter und gerade weil kein Geſetz gemacht werden kann, weil keine Steuern aufgelegt werden können ohne dieſe, und weil die Vertreter des Landes alle Beſchwerden des Volkes ausſprechen, weil ſie nicht unterlaſſen, das zu verlangen, was dem Volke Noth ſ thut, und weil dies, wenn ſie es ſtandhaft immer verlangen, auf die D Dauer doch nicht verweigert werden kann, — darum, meine Freunde, hat die Verfaſſung ſo gute Früchte getragen, gerade darum feiern wir ſie heute. Darum gerade, iſt auch klar, daß Alles auf die Vertreter des Volkes ankommt, — und da dieſe vom Volke gewählt werden, — daß Alles auf das Volk ankommt! Dies ſehen wir auch, wenn — . — wir einen Blick auf die Geſchichte unſerer Verfaſſung werfen. Ich will bei ihrer Geburt anfangen. Als Napoleon unſer ſchönes Vaterland, unſer herrliches Deutſchland unterjochte, o da war eine ſchwere, eine ſchmach— volle Zeit. Wie bedauere ich Euch, Ihr älteren Männer, »die Ihr jene traurige Zeit erleben mußtet, jene Zeit, in der ſelbſt deutſche Fürſten den Fahnen des Feindes folgten. So wie das deutſche Volk unterjocht war, ſo waren es auch ſeine Fürſten. Napoleon war der Herr, und er verjagte ſie aus ihren Ländern oder ſchnitt ſie ihnen zu, wie es ihm beliebte. Da ſeufzten ſie unter dem Joch, und wünſchten, daraus erlöſt zu werden. Sie fühlten, daß ihre Soldaten nicht, daß nur das Volk ſie retten könne, und zu dem deutſchen Volke ſprachen ſie: rettet unſere Throne und wir geben Euch Freiheit, geben Euch freie Verfaſſungen. Das deutſche Volk, für dieſen Kampfpreis begeiſtert, griff zum Schwert, vergoß heldenmüthig fen Blut, und der Feind ward verjagt. So entſtanden die Verfaſſungen, jo entſtand auch unſere. Großherzog Karl hielt ſein Wort, und unterzeichnete die Verfaſſung heute vor 25 Jahren. Ehre ihm dafür, Ehre aber vor Allem den tapferen Deutſchen, die ſie erkämpften auf dem blutigen Schlachtfeld. Als jo die Verfaſſung geboren war, zeigte ſie ſogleich, daß ſie nicht als ſchwächliches Kind auf die Welt gekommen. Gleich auf dem erſten Landtag verlangten freiſinnige Abgeordnete, was dem Volke Noth that. Sie verlangten Abſchaffung der Frohnden und alten Abgaben, Ablöſung des Zehnten, ein Landwehrgeſetz, damit nicht der Reiche ſich los— kaufe und der Arme allein als Soldat diene, eine freie Gemeindeordnung, Aufhebung der Cenſur, öffentliches und mündliches Gerichtsverfahren, Verminderung der Abgaben u. ſ. w. Doch ging die Regierung des damaligen Großherzogs Ludwig nur auf das Wenigſte ein und es kam der zweite — — — Landtag 1822. Auf dieſem wollte die Kammer nicht ſo viel Geld für das koſtſpielige Militär bewilligen, als gefordert war. Die Regierung, von früherer Zeit her keinen Wider— ſpruch gewohnt, löſte die Kammer auf, und forderte das Volk auf, neue Deputirte zu wählen und zwar ganz Andere als die bisherigen. Auch die Beamten wurden aufgefordert, die Bürger für die Wahlen zu bearbeiten. N Die guten Bürger gehorchten, wie die guten Schaafe und es gab zwei Landtage, 1825 und 1828, wie man ſie nicht zahmer wünſchen kann. Jene zahme Ständeverſammlung ward denn auch benutzt, um die Verfaſſung ſelbſt abzuändern. Ja in jener Zeit lebte im Volke noch ſo wenig Ueberzeugung von dem Werthe einer Verfaſſung und von den Rechten, die dem Volke gebühren, daß es ſelbſt Gemeinden im Lande gab, die ſich verleiten ließen, um Aufhebung der Verfaſſung zu peti— tioniren. Da kam das Jahr 1830. In jenem Jahre wollte Carl X. König von Frankreich, den Franzoſen das freie Wort der Preſſe nehmen. Das wackere franzöſiſche Volk aber hatte einen entgegengeſetzten Willen und verjagte den König. Dieſes Beiſpiel wirkte auch auf Deutſchland, auch das deutſche Volk fühlte, daß es in vielen Stücken ganz gegen ſeinen Willen regiert werde. Das Gefühl, daß nicht das Volk der Regierung, ſondern die Regierung des Volkes wegen da ſei, ward lebendig und mächtig, und die Regierungen mußten damals dem Volks— willen nachgeben. In jener ſchönen Zeit hatten daher auch die deutſchen Ständeverſammlungen ſo viel Gewalt, Gutes durchzuſetzen, und zu dieſer Ständeverſammlung in Baden, zum Landtag 1831, fielen die Wahlen durchgängig freiſinnig aus. Daher geſchah es auch, daß auf dieſem Landtag, welchem unſer jetzt regierender Großherzog mit Freundlichkeit entgegen kam, die wohlthätigſten Geſetze zu Stande gebracht wurden. Damals war es, wo die abſcheulichen Frohnden abgeſchafft wurden, wo der edle v. Rottek auf Ablöſung der Zehnten — — drang, die dann auf dem nächſten Landtag erfolgte, damals war es, wo durch das Preßgeſetz die Preſſe frei wurde, ſo daß jede Klage des Bürgers und Bauers laut werden konnte, und die Beamten, die oft ſo grob ſind, die höflichſten Men— ſchen wurden. Damals ward das Geſetz über Ehrenkränkung beſchloſſen, die neue Civilprozeßordnung, die ſo wohlthätig iſt, weil ſie die Prozeſſe bedeutend abkürzt; der Accis auf Hammel— und Schweinenfleiſch aufgehoben, die Prügel, dieſe entehrende Strafe, verbannt und was am wichtigſten iſt, die Gemeinde— ordnung wurde erlaſſen, dieſes wohlthätige Geſetz, das, wenn von den Bürgern gehörig gehandhabt, die Verwaltung der Gemeinde gänzlich von der Vormundſchaft der Amtleute befreit. Solch' reiche und ſchöne Früchte brachte der Landtag 1831. Aber gewiß, er hätte ſie nimmermehr gebracht, wenn nicht alle dieſe Geſetze ſchon auf dem erſten Landtage von frei— ſinnigen Deputirten verlangt worden wären. Aber jene ſchöne Zeit, wo man die Forderungen des Volkes beachtete, ging vorüber, und auf den Landtagen 1833, 1835 und 1837 geſchahen Rückſchritte; die Gemeindeordnung ward verändert, ſo daß darnach der Reiche in der Gemeinde mehr Wahlrecht hat, als der Arme. Das Preßgeſetz war ein— ſeitig zurückgenommen worden und frühere Zuſicherungen für eine freie Criminal-Gerichts-Ordnung blieben unerfüllt. Auf den Landtagen 39 und 40 ging der Krebsgang immer ſchneller bis zu den bekannten Urlaubsverweigerungen, bis zu dem letzten Wahlkampfe. Hier aber, meine Freunde, bewährte ſich die Verfaſſung, unſere vortreffliche Wahlordnung, als ein köſtlicher Schild. Anders als 1825, ließ ſich die Mehr— heit der Bezirke dießmal nicht wie gute Schaafe leiten, und legte das Zeugniß ab, daß das Volk Fortſchritte in der politiſchen Bildung und in Charakterfeſtigkeit gemacht hat. Gott weiß was man Alles mit einer zahmen Kammer durchgeſetzt hätte, aber das badiſche Volk ſchickte eine kräftige Majorität in die Kammer. Frei ſprach ſie ſich aus über das — 0 Syſtem der Regierung, über die Willkür der Amtleute, über das abſcheuliche geheime Gerichtsverfahren, über die große Maſſe Soldaten, die wir ernähren müſſen, und darüber, daß nicht Jeder, wie in der preußiſchen Landwehr Soldat ſein müſſe, — über die ungleiche Beſteuerung u. ſ. w. Aber, meine Freunde, mehr kann die Kammer nicht thun und hier will ich mich gegen diejenigen erklären, die ſo oft ſagen: was nutzen uns all' die ſchönen Reden in der Kammer, es bleibt doch Alles nach wie vor. Ach, wie kurzſichtig ſind dieſe Menſchen! Was würdet ihr zu einer Gemeinde ſagen, die zu ihrem Bürgermeiſter ſpricht: Lieber Mann, da haſt du die Gemeindekaſſe, was brauchen wir den Gemeinderath und den Bürgerausſchuß, die da viele Worte machen, weißt du was, die brauchſt du in Zukunft gar nicht mehr zu hören, mach' du mit unſerm Geld, was du willſt. Wahrlich, und wenn der Bürgermeiſter der bravſte Mann wäre, ihr würdet ſagen, dieſe Gemeinde iſt verrückt. So wohlthätig es aber iſt, daß Gemeinderath und Ausſchuß dem Bürgermeiſter gegen— überſtehen, damit nichts gegen den Willen der Gemeinde geſchehe, eben ſo wohlthätig iſt es, daß die Vertreter des Volks der Regierung gegenüber ſtehen, damit nichts gegen den Willen des Volks geſchehe. Leſet die Geſchichte des vorigen Jahrhunderts; da hatte man in Deutſchland keine ſolche Ständekammern, wie jetzt, und wie wurden damals die Staatsgelder für Schlöſſer und Gärten, für Maitreſſen und Lurus aller Art verſchwendet. Jetzt aber, wo nach unſerer Verfaſſung kein Geld ohne Be— willigung der Stände ausgegeben werden darf, jetzt kommt dieß nicht mehr vor. Alſo, Uebles verhüten kann unſre Kammer jedenfalls, und das iſt ſchon unendlich viel werth; aber freilich, ſie kann nicht immer ſogleich gute Geſetze durchſetzen, denn wenn auch das Volk durch ſeine Vertreter einſtimmig forderte, daß auch die Kapitaliſten beſteuert werden, oder das Heerweſen volksthüm— lich werde, daß die Preſſe wieder frei werde, oder daß alle gerichtlichen Verhandlungen öffentlich und mündlich fein müſſen, ich ſage, wenn dies von dem Volke durch ſeine Vertreter auch einſtimmig verlangt wird, ſo kann nach unſerer Ver— faffung auch das wohlthätigſte Geſetz nicht zu Stande kommen, ſobald die erſte Kammer, wo der Adel ſitzt, oder ſobald der Großherzog Nein ſagt. Wenn daher ein ſolches wohlthätiges Geſetz nicht zu Stande kommt, ſo ſind dann nicht die Depu— tirten Schuld daran, ſondern diejenigen, die Nein ſagen. Aber ſolche wohlthätige Geſetze, wenn ſie nur ſtandhaft und fortwährend verlangt werden, kommen dadurch doch endlich zu Stande, denn durch die Reden in der Kammer bildet ſich die öffentliche Meinung, und dieſe öffentliche Meinung iſt auch eine Gewalt, welcher am Ende Alles weichen muß, wie wir im Jahre 1831 geſehen haben. Habe ich nun aber in meinen bisherigen Worten Euch gezeigt, welche große Wohlthaten die Verfaſſung durch die Wahl der Volksvertreter bringen kann, und ſchon in ſo rei— chem Maaße gebracht hat, ſo iſt an ſich klar, daß dieſe Wohlthaten von der Wahl dieſer Volksvertreter, alſo vom Volke abhängen. Meine Freunde! Unſere Verfaſſung iſt blos ein Körper. Die Rechte, die fie dem Volk gewährt, find nur Glieder, Arme und Beine. Wir können mit unſern Gliedern Gutes und Böſes verrichten, wir können mit unſern Händen ſäen und erndten, wir können ſie aber auch zum Böſen gebrauchen. Es kommt auf den Geiſt an, der in dem Körper wohnt, wie er die Glieder benützt. So auch die Verfaſſung; ſie kann zum Fluch und zum Segen führen, es kommt alles auf das Volk an, wie es die Verfaſſung benutzt. Je beſſer das Volk, je kräftiger, je tugendhafter, um ſo ſchöner werden die Früchte ſein, die die Verfaſſung bringt. Wenn daher oft gefragt wird: wann wird es beſſer werden? ſo kann man antworten: wenn die Menſchen, wenn wir beſſer werden, dann werden auch die Zeiten beſſer werden, denn die Menſchen machen die Zeit ſelbſt. — 6 Die Engländer ſind frei, die Franzoſen ſind freie Völker, warum? weil ſie entſchloſſen und tapfer ſind und ſich keine Knechtſchaft gefallen laſſen. So auch bei uns: wenn wir uns Alles gefallen laſſen, wenn wir unſere Rechte nicht gebrauchen, wenn wir uns vor jedem Beamten tief bücken und blindlings thun was er ſagt, wenn wir ſtatt charakterfeſte Männer, bequeme Haſenfüße ſind, die lieber Alles gehen laſſen, wie es geht, nur damit wir kein unangenehmes Wort zu hören brauchen, nur damit uns Niemand ſchief anſieht; wenn der Bauer nicht fühlt, daß er es iſt, der die Erde pflügt, und im Schweiße feines Angeſichts die Frucht baut, ohne die kein Miniſter und kein Fürſt leben kann, wenn der Bürger nicht fühlt, daß er durch ſein hartes Handwerk die Steuern erſchwingt, ohne die keine Paläſte gebaut und keine Wachtparaden gehalten werden können, wenn fie nicht fühlen, daß fie der nährende, die Andern aber der verzehrende Stand ſind, dann freilich iſt es kein Wunder, wenn man vor Bürger und Bauer, alſo vor dem Volke, keine Achtung bat, und ſich um feine Begehren und Wünſche nicht bekümmert. Dann freilich werden die Zeiten auch nicht beſſer werden. Wenn aber Bürger und Bauer ihre Rechte kennen und ſich darauf ſtützen, wenn ſie nicht vor jedem Beamten erſchrecken, und auch in der Amtsſtube ſich nichts gefallen laſſen, wenn ſie namentlich bei der Wahl der Wahlmänner und der Land— ſtände ſich nicht irre machen laſſen, ſondern wirklich unabhängige kräftige Männer wählen: Dann, meine Freunde, dann wird es beſſer werden. Es gibt Leute, die da glauben, wenn ſie nur nicht ſtehlen oder um Geld betrügen, ſo ſeien ſie rechtſchaffene Männer, und es für keine Sünde halten, bei Ausübung ihres Wahl— rechts, gegen irgend Jemand gefällig zu ſein, ſtatt nach ihrer Ueberzeugung zu wählen. Aber wahrlich, dieſe Leute ſündigen. Es gibt Leute, die, wenn ihnen ein Nachtheil droht, oder wenn einfältige Menſchen ſagen, es drohe ihrer Stadt ein Nachtheil, — 08 — ſobald nicht Dieſer oder Jener gewählt werde, es giebt Leute, welche gegen eine ſolche Drohung ihre Ueberzeugung verkaufen, und doch meinen, ſie ſündigen nicht. Aber wahrlich ſie ſün— digen. Denn was lehrt uns die chriſtliche Religion? Lehrt ſie uns, wir ſollen aus Furcht vor Schaden, aus Furcht vor Menſchen, wir ſollen um des Vortheils oder Nachtheils willen gegen unſere Ueberzeugung, gegen unſer Gewiſſen handeln? Nein! Unſere Religion lehrt uns, Du ſollſt Deinem Gewiſſen mehr folgen, als den Menſchen. Darin allein beſteht die Tugend. Als Luther gen Worms zog, um vor dem kaiſer— lichen Reichstage die Wahrheit zu verkünden, wurde ihm auch geſagt: gehe nicht hin, Dir droht Gefahr. Er aber antwor— tete: Und wenn ſo viel Teufel in Worms ſind, als Ziegel auf den Dächern, ich ginge doch hin. Und ſo wollen wir uns auch nicht fürchten vor den Großen und Mächtigen, ſondern rechtſchaffen und wahrhaftig handeln, und nicht blos im häus— lichen Leben, nein auch im öffentlichen Leben. Schande über die, die da ſagen, wir bekümmern uns um politiſche Angelegenheit nicht, wir gehören zu keiner Par— thei; meine Freunde, jeder rechtſchaffene Mann muß zu der Parthei der Furchtloſigkeit und Wahrheit gehören, zu der Parthei, die da arbeitet an der Verbeſſerung der öffentlichen Zuſtände, an der Verbeſſerung des allgemeinen Wohls, und die dafür Arbeit, Mühe und Opfer nicht ſcheut, und die allen Verſuchungen von Verſprechungen und Drohungen trotzt. Dieſe Parthei der Rechtſchaffenen muß ſich noch vergrößern, ſie muß wachſen, und alle guten Bürger ſollen ihre kleinen Zwiſtigkeiten vergeſſen, ſich in ihr vereinigen, dann, dann meine Freunde werden auch die Zeiten beſſer werden. Und darum wende ich mich an Euch, ihr Bürgersſöhne. Auf Euch, die Ihr die Bürgerſchaft dieſer Stadt und Gegend bilden werdet, auf Euch ruht die Hoffnung einer beſſeren Zukunft. Seid tugendhaft im Häuslichen wie im Oeffentlichen, werdet furchtlos und wahr, kurz werdet Männer im wahren Sinne des Worts, und die Verfaſſung wird dann noch ſchönere . Früchte tragen, und die Sache des Guten und Wahren wird dann nichts mehr zu fürchten haben. Daß der Eindruck dieſer Worte mächtig war, konnte man an den vielen naſſen Augen ringsumher wahrnehmen. Nachdem noch dem Geber der Verfaſſung ein Hoch gebracht, ein zweites Feſtlied abgeſungen, und eine Anzahl von Exem— plaren der Verfaſſungsurkunde vertheilt war, bewegte ſich der Zug in der feierlichſten Stimmung nach dem Gaſthof zur Pfalz, wo eine große Anzahl ſich zu einem Feſteſſen verei— nigt hatten. Hier brachte der Rathsſchreiber einen Toaſt auf Se. königliche Hoheit den Großherzog Leopold, der Feſt— redner auf die wackern Bürger Neckargemünds aus, und nachdem noch mehrere Lieder geſungen worden, und dem Abgeordneten Baſſermann ein Hoch gebracht war, nahm derſelbe herzlichen Abſchied, und fuhr in freundlicher Beglei— tung nach ſeiner Vaterſtadt zurück. V. Eberbach. Der zweiundzwanzigſte Auguſt, der Tag des 25jährigen Jubiläums unſerer Verfaſſung, nahte heran, und alsbald vereinigte ſich eine Anzahl Bürger hieſiger Stadt, um ſich über die würdige Begehung dieſes wichtigen Feſtes zu berathen. Ein Comité ward, wie ſich nicht anders erwarten ließ, aus Männern zuſammengeſetzt, welche ſich dazu eigneten, zur Verherrlichung des Tages Vorkehrungen zu treffen, wie ſie der hohen Bedeutung der Feſtlichkeit angemeſſen waren. Der Vorabend des Feſtes wurde mit Kanonendonner und Choralmuſik, letztere vom Kirchthurme herab, begrüßt und an die ärmere Klaſſe wurde Brod vertheilt. Der Abend war aber ein trüber und regneriſcher und das Gemüth wurde durch die feierliche Muſik und den Schall der Kanonen, welche in unſern Bergen mächtig widerhallten, noch melancholiſcher geſtimmt. Der Morgen brach an, und welch' ein Morgen! Der Herr, der größer iſt, als alle Fürſten der Erde, ſchien ein Wohlgefallen zu haben an dem Feſte der Verfaſſung, welche das Wohl von Tauſenden ſo nahe berührt, denn der Himmel zeigte ſich in ungetrübter Reinheit und die Sonne im vollen Glanze; ſie verſendete ihre wärmenden Strahlen auf ein Volk, das ſich mit Recht zu den beglückten zählt, denn es war ihm beſchieden, den Tag des 25jährigen Beſtehens ſeiner Verfaſ— ſung anbrechen zu ſehen, einer Verfaſſung, welche durch ihre Berückſichtigung der Bedürfniſſe der Zeit ſo ſehr geeignet iſt, die Wohlfahrt der Bürger zu befördern. Als Morgens fünf 5 ee Uhr die Kanonenſalven ertönten und die Reveil die Straßen der Stadt durchzog, da mochte wohl manches Herz durch die Bedeutung des Tages in Rührung verſetzt worden ſein! Wie ſebr die hohe Bedeutung dieſes Tages im hieſigen Bezirke anerkannt wurde, beweiſt die Theilnahme, die ſich unter allen Klaſſen für das Feſt zeigte. Im Zuge ſchloſſen ſich dem Bürgermilitär die Veteranen an, auf deren Fahne ſich eine freiſinnige Umſchrift befand und an deren ſtolzen und zufriedenen Blicken man ſehen konnte, daß ſie nicht wenig von der Ehre des Tages auf ſich bezogen und das auch mit Recht, waren doch ſie die Vorkämpfer für die Freiheit des Vaterlandes. Einen beſonders erhebenden Anblick gewährte jener Greis, den Jungfrauen mit einem Kranze umgaben, und der auf ſeidenem Kiſſen die Urkunde der Verfaſſung trug; es waren aber auch feine Worte, daß er jetzt gerne ſterbe, da er dieſen Tag erlebt habe! Ein ſchöner Gedanke war es wohl, die Urkunde von einem Manne tragen zu laſſen, der von den bewegten Zeiten von Deutſch— lands Unterjochung bis zu deſſen Wiederbefreiung als von erlebten ſprechen kann, und daß man, indem man ihn mit weißgekleideten Jungfrauen umgab, auf den Wunſch hindeutete, die durch unſern Großherzog auf die Bevorwortung der Kammer in ihrer urſprünglichen Reinheit wiederhergeſtellte Urkunde fortan gleich dem Bilde der Jugend unverletzt und rein gehalten zu ſehen! Die Zünfte hatten ſich ſämmtlich angeſchloſſen und“ folgten in ſtattlichen Reihen ihren Fahnen mit den verſchiedenen Emblemen. Die Schiffer beſonders thaten ſich hervor; bedeckt mit dem Schifferhute, bekleidet mit den kurzen dunkeln Matroſenjacken und den weiten weißen Beinkleidern ſahen ihre ſonnverbrannten Fahnenträger gar kühn aus. Die Comitémitglieder waren an Kokarden kenntlich. Der Umzug ging mit Ruhe und Würde vor ſich und endete vor dem decorirten Rathhauſe, von deſſen Balkone vor und nach der Feſtrede vaterländiſche Lieder, vom Sängerverein vorgetragen, gleich Orgeltönen herausbrauſten. Die Feſtrede = MM = ſelber wurde vom Balkone herab geſprochen von Jakob Heuß mit einer gewaltigen, die innerſten Gefühle erregenden Stimme und einer Würde, wie ſie nur das innige Bewußtſein, Worte der Wahrheit zu verkünden, verleihen kann; ihr Inhalt war folgender; Meine verehrten Mitbürger! Wir feiern heute einen wichtigen Tag, den Tag der 25jährigen Exiſtenz unſerer Verfaſſung. Fünfundzwanzig Jahre ſind es heute, daß der hochſelige, allen Badenern unvergeßliche Großherzog Karl die Verfaſſung unterzeichnete. Fünfundzwanzig Jahre ſind es heute, daß dieſer edle Fürſt uns auf die Bahn des conſtitutionellen Lebens führte, die Bahn, auf welcher alle politiſch mündige Völker wandeln. — Es war der 16., 17. und 18. October des ruhmvollen Jahres 1813, als die deutſchen Völker ſich bei Leipzig dem Freiheits— tode weihten. Ströme von Blut wurden der deutſchen Freiheit wegen vergoſſen und der Donner von mehr als 1200 Kanonen erſchütterte in doppelter Beziehung das deutſche Vaterland; da ſiegte endlich das Recht über die Gewalt, der Freiheits— feind aus Weſten ward verjagt vom deutſchen Boden und unſerem Vaterlande die erwünſchte Ruhe zu Theil. Da entſtand zur Sicherung und Erweiterung der deutſchen Freiheit die uns Allen bekannte deutſche Bundesakte. Im F. 13. derſelben heißt es: In allen deutſchen Bundesſtaaten ſoll eine landſtän— diſchs Verfaſſung eingeführt werden. Wenn ſchon dieſer Paragraph heute noch nicht in ſeiner ganzen Wirkſamkeit in einigen Staaten unſeres Vaterlandes eingeführt iſt, ſo hatten wir Badener dennoch das Glück, einen der edelſten Fürſten ſeiner Zeit zu beſitzen, der nicht ſäumte, ſein gegebenes Fürſten— wort, das ihm heilig war, zu erfüllen. Deßwegen unterzeich— nete dieſer edle und hochherzige Fürſt den 22. Auguſt 1818 in Griesbach die Verfaſſungs-Urkunde. Der heutige Tag iſt uns deßhalb von großer Wichtigkeit, weil wir durch die erhaltene Verfaſſung als politiſch mündig erklärt wurden. Wie könnte aber auch eine ſchönere Belohnung dem edlen Geber 5 * — 68 — zu Theil werden, als der heutige Tag, an welchem das ganze verfaſſungstreue Volk Badens Ihm ſeine Huldigungen darbringt. Leider ſollte der edle Fürſt die Früchte ſeiner Verfaſſung nicht mehr erleben — ein früher Tod riß ihn zu bald für ſein treues Volk hinweg. — Sein Nachfolger Ludwig war dazu beſtimmt, den erſten Landtag zu eröffnen, was am 22. April 1819 geſchah. Zu den ſchönſten Erwartungen berechtigte die Eröffnungsrede, denn unter den ſchönen Stellen, die ſie enthielt, iſt folgende gewiß merkwürdig: „Heilig ſei uns der Sinn, ſowie der Wortlaut unſerer Verfaſſung, in ihren Gränzen können und wollen wir des Vaterlands Wohl ſuchen und auf ewige Zeiten begründen; ich werde Gerechtigkeit und Ordnung mit Kraft handhaben und die Conſtitution bis auf den letzten Buchſtaben gewiſſenhaft erfüllen, darauf gebe ich Ihnen mein heiliges Fürſtenwort.“ Auch über den guten Willen der Stände ſind die ſprechendſten Beweiſe vorhanden, davon zeugen die Motionen über Preßfreiheit, Einführung der Geſchwornengerichte und Trennung der Juſtiz von der Admini— ſtration u. ſ. w. Gegenſtände, die leider heut zu Tage noch größtentheils fromme Wünſche ſind. Leider traten ſchon am erſten Landtage ſtörende Ereigniſſe in die Bahn des jungen, conſtitutionellen Lebens und die Kammer wurde vertagt. — — — Es erſchien das Jahr 1830. Allenthalben verſpürte man Unruhen, doch blieb das Land Baden frei davon. Da ward im Jahr 1831 der fünfte Landtag durch die Perſon unſeres jetzigen Großherzogs eröffnet. Seine erſten Worte waren: „Mit Vertrauen eröffne ich heute zum erſten Male die Stände meines Volkes.“ Es ſind dies ſchöne Worte, die in jener ſturmbewegten Zeit nicht jeder Fürſt ſagen konnte, denn mancher Thron zitterte damals. Glücklich waren die Reſultate des Landtags, das freie Wort, das uns zwar längſt ſchon verheißen, aber nicht gegeben war, ward von dem edlen Fürſten ertheilt auf Anſtehen der Kammer; ebenſo die Aufhebung der Herrenfrohnden und eine Gemeindeordnung, wie ſie kein deutſcher Staat beſſer aufzuweiſen hat. Verhält— niſſe verſchiedener Art haben uns die Preßfreiheit wieder 1 entzogen. — — — Der zehnte Landtag zeichnete ſich nicht minder durch die kräftige Wahrung der Wahlfreiheit aus. — — — Wir kommen jetzt zum letzten Punkte der Rede, nämlich wie die Abgeordneten und das Volk ſich gegen einander verhalten. Der Abgeordnete wird mittelbar durch die wahlberechtigten Bürger gewählt. Jeder Bürger- bat das Recht, ſich ſeine Wahlmänner zu wählen, und dieſe wählen alsdann den Abgeordneten. Darum muß ein mündiges Volk, das ſich einer Verfaſſung werth zeigen will, mit größter Vorſicht bei der Wahl der Wahlmänner zu Werke gehen, und nur unabhängige, freimüthige und von ächter Vaterlands— liebe beſeelte Männer wählen, nicht aber, wie es leider fo oft geſchieht, politiſch Unmündige, die keinen Begriff von der Verfaſſung haben; hat man nun politiſch mündige Männer zu Wahlmännern gewählt, ſo kann man ruhig ein gutes Reſultat erwarten, denn man darf verſichert ſein, daß ein Mann, der dem Fortſchritte huldigt, aus der Wahl hervor— gehen wird. Und hat das Volk eine Kammer konſtituirt, die aus lauter ſolchen Männern beſteht, dann wird Glück und Wohlſtand innerhalb ſeines Landes emporblühen, dann erſt werden die Früchte in dem conſtitutionellen Garten reifen. — — — Aber meine Freunde, es iſt noch ein weiter Weg, den das Volk zu machen hat, bis es auf die Höhe der politi— ſchen Mündigkeit gelangt. Die Beweiſe liefern hiezu gar viele Thatſachen, und die verſchiedenen Wahlen, auf welche ſich dieſe Behauptung ſtützen läßt. Doch ſeien wir vorſichtig in Allem, zeigen wir nur einigermaßen guten Willen und es wird auf dem Wege zur Mündigkeit ſchnell vorangehen. Wählen wir tüchtige Gemeindevorſtände, denn ſie ſind es, die die Mittel des Volkes in Händen und zu verwalten haben. Wählen wir tüchtige Abgeordnete, ſie ſind es, ohne welche keine Ausgaben gemacht, ohne welche keine Geſetze in Vollzug kommen können. Weit davon entfernt, unſere Verfaſſung als das Muſter der höchſten Vollkommenheit zu preiſen, können wir mit rückhaltsloſem Bedenken fagen, daß uns noch Manches fehlt. Das Recht aber, was uns darum der uns allen unvergeßliche Großherzog Karl zugeſichert hat, das wollen wir zu erhalten ſuchen, an das müſſen wir uns krampfhaft feſtkllammern, das haben unſere wackern Volksvertreter ebenſo gethan. Und haben wir es endlich ſo weit gebracht, tüchtige und freimüthige Volksvertreter an unſere Spitze geſtellt zu haben, dann meine verehrten Mitbürger und Freunde, wird der Sinn unſerer Verfaſſung zur Wahrheit! Gedenken wir jetzt noch des großen Mannes, der die Urſache zu unſerem— heutigen Feſte iſt. Längſt ſchon birgt zwar die Gruft ſeine irdiſchen Ueberreſte, die Handlung aber, die Er aus Liebe zu ſeinem Volke vollführt, entlockt heute ſeinem jubelnden Volke Tauſende von Segnungen. Auch wir, die wir heute in ſo ſchöner Eintracht hier verſammelt ſtehen, können dem Würdigen kein ſchöneres Dankopfer bringen, als ein Gleiches zu thun. Wohlan denn: Dem Geber der Verfaſſung ein dreifaches Hoch! Dieſe Rede wurde, ſo ſchwer ſie unter der Scheere der Cenſur“) gelitten hatte, mit allgemeinem Jubel aufgenommen; das am Schluſſe derſelben einſtimmig ausgebrachte Hoch auf den Stifter der Verfaſſung war wohl die rühmlichſte Aner— kennung ſeiner Verdienſte um das Land. Ebenſo begierig wurden auch von den verſammelten Bürgern die 300 Exem— plare der Verfaſſungsurkunde aufgenommen; die nähere Kennt— nißnahme vom Vertrage des Fürſten mit ſeinem Volk wird den Bürgerſinn kräftigen, und je mehr der Bürger an politi— ſcher Ausbildung gewinnt, um ſo beſorgter wird er für die Wahrung der koſtbaren Rechte ſein, welche ihm in der Urkunde zugeſtanden ſind. Nach der Vertheilung der Urkunden gingen die Verſam— melten auseinander, um ſich in den verſchiedenen Gaſthäuſern zum geſelligen feſtlichen Mahle wieder zuſammen zu finden; da wurde manches begeiſterte Wort geſprochen, um, gleich dem Saamen, der auf guten Boden gefallen iſt, einſt aufzu— *) Nicht der Zeitung scenſur, ſondern der Redecenſur, die an den wenigſten Orten gehandhabt oder geduldet wurde. gehen als gereifte Frucht, wenn Tage kommen, wo es gilt für Freiheit und Recht zu Felde zu ziehen. Beim Feſteſſen im leining'ſchen Hof wurde die Reihe der Toaſte durch Conrad Knecht, Comité-Mitglied, mit einem auf den jetzt regierenden Großherzog eröffnet, dem er einen zweiten auf das Volk folgen ließ. Wir können jedoch leider die ſchönen anſprechenden Worte des Redners, wegen Abweſenheit deſſelben, hier nicht wörtlich wiedergeben. Nach ihm erhob ſich Jakob Heuß, und mit ihm die ganze Verſammlung in der geſpannteſten Erwartung, um die Worte des beredten freimüthigen Mannes zu vernehmen; er ſprach mit Energie: Meine Herren! Es möge uns erlaubt fein, Ihnen bei“ Gelegenheit des heutigen Feſtes folgenden Toaſt vorzuſchlagen: Die Säulen unſerer Conſtitution find unſere Stände, fie ſind es, welche vom Vaterlande dazu berufen werden, die Verfaſ— ſung zu ſtützen, zu wahren und die Segnungen, welche ſie bietet, für des Volkes Wohl in Anſpruch zu nehmen. Unſere gegenwärtige zweite Kammer, hervorgegangen aus gewaltigem Wahlkampfe, iſt in ihrer Majorität unſtreitig als das Organ des allgemeinen Volkswillens zu betrachten, und es gebührt dem Volke für das ruhmvolle Beſtehen dieſes Kampfes, womit es ſeine treue Anhänglichkeit an die Verfaſſung beurkundet hat, die ehrendſte Anerkennung. Das Volk hat ſich aber auch nicht getäuſcht in ſeinen gewählten Vertretern. Furchtlos, keine Opfer ſcheuend, iſt ihr Streben ſtets darauf gerichtet, die Verheißungen der Verfaſſung, deren 25jähriges Jubiläum wir heute feiern, zur Wahrheit zu machen, und das geiſtige und materielle Wohl des Landes im Sinne des Fortſchritts zu befördern. Ihnen alſo, den Vertretern des badiſchen . Volkes, den Säulen der Verfaſſung, die wir mit Stolz in großer Anzahl als Ehrenſäulen Badens bezeichnen dürfen, zu dankbarer Anerkennung ihres Strebens ein dreifach donnernd Hoch! — Und donnernd war auch das Hoch, das von den Anwe— ſenden ausgebracht wurde. Was vom Herzen kommt, gebt >, wieder zum Herzen und dieſe Verſchmelzung war in dem drei Mal erſchallenden Hoch auf die kühnen Vertheidiger der Volksrechte, auf die würdigen Männer, welche der Stolz ſind jedes freiſinnigen Badeners. Es war bekannt, daß auch Chriſtian Bußemer, ein warmer Verfechter geiſtiger Freiheit, einen Toaſt vorbringen werde und er that es, der unerſchrockene Mann, in ergreifenden Worten, die gewiß die Sympathie der Brüder im Vaterlande eben ſo ſehr erregen werden, als ſie die Gemüther ſeiner Mitbürger, zu denen er ſprach, bewegten. Seine Worte lauteten: Meine Herren! Ich erlaube mir nun auch, nachdem vor mir ſo viele ſchöne Worte geſprochen wurden, noch einige wenige hinzuzufügen. Ich bedaure jedoch, daß der Gegen— ſtand, auf welchen ſich meine Worte beziehen, ein frommer, obwohl gerechter Wunſch iſt, und es vielleicht auch noch län— gere Zeit bleiben wird, — ich meine die Freiheit der Preſſe. Im verfloſſenen Jahrzehnt ſahen wir zwar ſchon einmal als Frucht der Verfaſſung, die wir heute feiern, die Freiheit des Wortes kräftig emporblühen, als plötzlich ein Sturm, der aus Norden kam, die zarte Pflanze unbarmherzig zerknickte. Die junge Pflanze wurde zwar zerknickt, meine Herren, allein die Wurzel iſt noch nicht abgeſtorben, im Gegentheil, ſie hat ſeitdem, trotz daß der Boden unfruchtbar war, dennoch zugenom— men, und zwar ſo, daß ſie vielleicht beim nächſten Emporblühen eine ſo kräftige und ſichere Stütze haben wird, daß ſie kühn dem Sturme trotzen kann. Wir wollen keine Preßfrechheit; die Freiheit des Wortes aber in der unzweideutigſten Bedeu— tung zu verlangen, das iſt eines der Rechte, die dem deut— ſchen Volke zugeſichert, leider aber nicht verwirklicht ſind. Die Sprache iſt ganz das Volk, fagt der edle [Märtyrer] Sander, und die Worte dieſes braven Deutſchen ſind Wahr— heit. Frei ſoll das Volk, frei ſoll auch die Sprache ſein. Der jetzige Zuſtand der Preſſe iſt eines jeden Deutſchen unwür— dig, denn wehe muß es jedem guten Patrioten thun, die Früchte ſeines Geiſtes unter die Vormundſchaft eines launigen ee Cenſoren geftellt zu ſehen. Doch meine Herren, die Ge— ſchichte lehrt uns, wie ſchon ſo manche Schranke gefallen iſt, und mit prophetiſcher Gewißheit wage ich, vorauszuſagen, daß auch dieſe Schranke fallen werde, denn iſt das Volk einmal mündig, ſo ſind ſeine geiſtigen Vormünder unnöthig. Wahrhaft, ein wahrer Freudentag wird es für das ganze deutſche Volk ſein, wenn einſt der letzte Cenſor aufhören wird, die Produkte des Geiſtes mit ſeiner Scheere zuzuſtutzen; möge dieſer Tag bald erſcheinen. Ich ſpreche daher den innigſten Wunſch aus, daß die Freiheit der Preſſe ihre Fit— tiche recht bald über das ganze deutſche Vaterland ausbreiten möge, und erſuche Sie, meine Herren, gleich mir das Glas zu ergreifen, und mit mir einzuſtimmen, wenn ich ausrufe: Die Freiheit der Preſſe, Sie lebe hoch! Und wer ſollte in einen ſo gerechten Wunſch nicht ein— ſtimmen? Die Verſammlung bethätigte ihre Theilnahme auf unverkennbare Weiſe, und es war ſichtbar, daß, während ſo gehaltvolle und inhaltſchwere Worte geſprochen wurden, manches Herz vor Begeiſterung nicht weniger gepocht hat, als das der Redner. Wir übergehen die minderwichtigen Toaſte, welche mehr einzelnen Theilnehmern am Feſte galten, und erwähnen nur noch desjenigen auf das badiſche Volk, welcher von Buchhalter Schuſter (Würtemberger) beim Comité angeſagt war, der aber aus verſchiedenen Gründen unterblieb, [von denen Einer namentlich der war, daß der Beamte verbot, die Toaſte fer— ner mit den üblichen 3 Kanonenſchüſſen zu begleiten.] Derſelbe lautet: „Herren! fremd auf dieſem Boden, jedoch ſympathiſirend mit der freien Geſinnung, wie ſie vom edeln badiſchen Volke gehegt wird, erhebe ich mich, um das würdige Streben der— ſelben anzuerkennen. Ein Vierteljahrhundert iſt verfloſſen, ſeit in dieſem Lande eine Verfaſſung geſchaffen iſt, die nicht weniger dem Geiſte der Zeit entſpricht, als ſie die Wohl— ne fahrt der Bürger erhöht. Wie ſehr es aber auch werth ift, unter Geſetzen zu leben, die von ihm ſelber ausgehen, hat das badiſche Volk [bekundet in den Tagen, wo Zuſtände herauf— beſchworen werden wollten, welche der freien Richtung der Zeit entgegentreten ſollten. In jenen Tagen hat es, Recht und Geſetz beachtend, ſelbſtſtändig und unerſchrocken gehandelt, es hat durch ſeine Vertreter zur Regierung Worte geſprochen, welche deutlich ausdrückten, daß es ſeine Rechte erkannt habe, und daß es dieſelben zu wahren wiſſe. Siegreich hervor— gegangen aus dem ſchweren Kampfe für ſeine theuerſten, ſeine heiligſten Intereſſen, war es dem badiſchen Volke und] mit ihm dem geſammten deutſchen Vaterlande klar geworden, daß Deutſchland ſtark fein werde im Innern und mächtig nach Außen durch Einheit; es war ihm aber auch klar geworden, daß es zu dieſer Einheit nur gelangen könne durch Freiheit in Wort und Schrift, durch Gleichheit im Geſetz, durch Oef— fentlichkeit und Mündlichkeit im Gericht. Im Beſitze dieſer ihm durch die Bundesakte zugeſicherten Rechte wird Deutſch— land ftarf ſein, es wird ſich mächtig genug fühlen, jenen Natio— nen gegenüber zu ſtehen, welche glauben, ſich zu Lenkern der Völkergeſchicke aufwerfen zu müſſen. In dem Streben, ſo wichtige Bundesbeſchlüſſe zur Wahrheit zu machen, geht das badiſche Volk ſeinen deutſchen Brüdern voran, indem es keine Anſtrengung ſcheut, um das hohe, koſtbare Gut: „geiſtige Freiheit“ und dadurch „deutſche Einheit“ zu erringen. Mit Bewunderung blickt darum der deutſche Bruder, blickt das Ausland auf das badiſche Volk, welches, dem Geiſte des Fort— ſchrilts huldigend, kein Hinderniß groß genug findet, um ſich in ſeinen ehrenhaften Beſtrebungen aufhalten zu laſſen. Das badiſche Volk, das freie Geſinnung begt, das rühmlich an ſeinen Rechten feſthält, das unermüdet um freie Zuſtände kämpft, das muthige, hochherzige, freiheitliebende badiſche Volk lebe hoch!“ Mögen dieſe Worte hier ſtehen zum Zeichen, daß dem biederen badiſchen Volke auch im Bruderſtamme Herzen entgegen— ſchlagen, und daß deſſen Streben auch in andern Gauen des deutſchen Vaterlandes gebührend geſchätzt werde. Herr J. Heuß brachte der Majorität der zweiten Kammer ein Hoch, worauf ſich der Bezirksbeamte (Hübſch) zurückzog. Alle übrigen Staatsdiener blieben, die Theilnehmer ſchloſſen ſich enger an einander, und die Feier ging mit Frohſinn und doch würdig zu Ende. Der Sangverein führte Geſänge aus, in welche die ganze Geſellſchaft mitunter einſtimmte. Die Haltung der Bürgerſchaft bei dem Feſte war ausgezeichnet, und die Theilnahme allgemein. Nur die beiden Bürgermeiſter fehlten bei dem Feſtmahle, was um ſo mehr auffiel, als vorher kund geworden war, daß Einer von Beiden den Toaſt auf Se. königl. Hoheit den Großherzog ausbringen werde. Auch machte die Verweigerung der Erlaubniß zu einem Balle [von Seiten des Beamten] einen übeln Eindruck; es wurden ver— ſchiedene Gründe vorgeſchützt, doch hätte man der Jugend das unſchuldige Vergnügen nicht verſagen ſollen, ſchon um der Jungfrauen willen, welche durch ihre Theilnahme ſo viel zur Verherrlichung des ſeltenen Feſtes beitrugen. Die Feſtrede mußte dem erſt ſeit Kurzem eingeſetzten Herrn Bezirksbeamten zur Cenſur vorgelegt werden, um, wie er ſich ausdrückte, das Conſtitutionsfeſt nicht zu einem Oppo— ſitionsfeſt werden zu laſſen, und Manches wurde geftrichen “). Die Vorlage der vorkommenden Toaſte wurde ebenfalls gefor— dert, aber verweigert. Sämmtliche, zum Vertheilen beſtimmte Eremplare der Verfaſſungsurkunde mußten zur Einſicht vor— gelegt werden. 9 *) Man konnte doch nur auf dem Papier ſtreichen und nicht dem Redner aus dem Munde. Dieſe Redecenſur iſt wirklich neu und ſelten. VI. Wiesloch. Das Feſt wurde auch in dem Städtchen Wiesloch in erfreulicher Weiſe begangen. Glocken und Böller begrüßten es am Vorabend und bei Anbruch des Tages, während ein Muſikchor, paſſende Stücke ſpielend, durch die Straßen zog. Um 8 Uhr verſammelten ſich die Theilnehmer auf dem Platze vor der katholiſchen Kirche, von wo aus ſich der Zug durch die Hauptſtraße nach dem Marktplatze in Bewegung ſetzte. Die neuen Fahnen der Zünfte wehten ſtolz durch die Luft; die Zimmerleute mit dichten Bärten, ſtraffem Schurzfell, die blanke Axt auf der Schulter, ſchritten, Veteranen gleich, den übrigen Zünften voran. Die Verfaſſungsurkunde, paſſend verziert, wurde auf einem roth ſammetnen Kiſſen von dem jüngſten Bürger getragen, dem zwei Fahnenträger innerhalb der Reihen feſtlich gekleideter Jungfrauen zur Seite gingen. Auf dem Marktplatze wurde eine Feſthymne von dem Gefang- verein unter der Leitung des verdienſtvollen Lehrers Meyer gut ausgeführt. Hierauf begab ſich der Zug in den ſinnvoll geſchmückten Rathhausſaal, wo Bürgermeiſter Rech folgende Anrede hielt: Hochzuverehrende Verſammlung! Theure Mitbürger! Wir feiern heute den Tag, an dem vor einem Viertel Jahrhundert der Grund unſerer dermaligen Verfaſſung gelegt wurde, eine Verfaſſung, würdig des Gebers — würdig der Beſchenkten. a Hatte die deutſche Bundes-Acte ſchon, die Verdienſte der Nation im großen Freiheitskampfe und Siege würdigend — auf ihre reifen Einſichten ſowohl, als ihre, dem Deutſchen unverletzliche Treue gegen ſeinen Fürſten vertrauend — eine allgemeine Repräſentativ-Verfaſſung feſtbeſtimmt, ſo war es unſerem in Gott ruhenden Großherzog Karl vorbehalten, ſolche in's Leben treten zu laſſen. Dank und Ehre dem hochherzigen Fürſten für dieſe Gabe! Er fand ſein Volk hierzu reif und würdig, und er hat ſich nicht getäuſcht. Er ſollte leider nicht mehr Zeuge ſein, wie ſich ſein Volk deſſen freut und dankt, wie es ſeinen würdigen Standpunkt erkennt, zu den Angelegenheiten des Landes mit— zuwirken, und welche ſchöne Früchte dieſe Ausſaat in dieſem Zeitraum getragen! Wir haben eine treffliche Gemeindeordnung und ein Geſetz über die Rechte der Bürger, ſo wie eine neue bürgerliche Prozeßordnung; Aufhebung der Frohnden, Zehnten und aller an Leibeigenſchaft erinnernden Abgaben; wir haben ausgedehn— tere Gewerbfreiheit, Handel und Landwirthſchaft; wir erhalten Rechenſchaft über alle Staatseinnahmen und Ausgaben, und haben zu deren Regulirung, zum Vollzug der Conſcription, ſo wie aller zu des Landes Beſtem e Verfügungen mitzuwirken. Einen eben fo hochherzigen und würdigen Nachfolger jenes Fürſten verehren wir gegenwärtig in unſerm regierenden Großherzog Leopold. Er pflegt dieſe Pflanze mit väter— licher Treue und Sorgfalt, auch er iſt von gleichem Eifer für ſeines Volkes Wohl — von gleichem Vertrauen auf deſſen Treue und Einſicht beſeelt, und von gleichem Wunſche, die Bande des Vertrauens zwiſchen Fürſt und Volk feſter zu knüpfen und auf dieſem Wege die Staatseinrichtungen auf einen höheren Grad der Vollkommenheit zu bringen. Wir wollen uns dieſes Vertrauens werth zeigen, in der Wahl unſerer künftigen Volksvertreter, in der pflichtmäßigen Ausübung aller Bürgertugenden, in ungeheuchelter Treue gegen den Regenten, Achtung gegen Geſetz und Vorgeſetzte, Friedens- und Ordnungsliebe und warme Liebe zum Vaterland. Denn ſo nur kann und wird der Segen unſerer Verfaſſung ein dauernder ſein. Heilig ſei uns dieſe Gabe, heilig das Andenken an den bochberzigen Geber und Preis und Ehre ſei dem würdigen Erhalter derſelben, dem allverehrten, bürgerfreundlichen Groß— berzog Leopold! Er lebe hoch! Gemeinderath Braun verlas nun die beiden erſten Ab— ſchnitte der Verfaſſung und ſprach ſodann: Sei mir gegrüßt du feſtlicher, feierlicher Tag! Sei mir dreimal gegrüßt du Tag, geweiht dem Andenken des Sieges, errungen über trübe Vorurtheile. Seid gegrüßt, Bürger Wieslochs — meine Mitbürger; auch Ihr geehrte Männer im Dienſte des Staates. Es hat dieſer Tag das Herz eines guten Fürſten regiert, deſſen Geſchlecht noch über uns in Segen und Liebe berrſcht — väterlich waltet! Ihm — dieſem edlen Zweig vom edlen Stamme — unſerm allverehrten Großherzog Leopold müſſen wir zeigen, wie wir empfangener Wohlthaten würdig ſind, indem wir für Ihn unſere innige Verehrung mit Herz und Mund an den Tag legen; in Ihm ſein Geſchlecht, von dem uns die Verfaſſung ausgehändigt worden — dieſes heilige Gut! — ehren; Ihm zeigen, wie unſere Herzen noch jetzt, nach bereits entſchwundenen 25 Jahren, eben ſo dankbar ſchlagen als am erſten Tage — dem geſegneten, deſſen wir uns heute in der Erinnerung erfreuen. Zeigen wollen wir, daß wir werth ſind der Gabe, durch warme Anhänglichkeit, in den Tagen, wo die Sonne des Glücks ihm freundlich lächelt, wie in den Tagen — die Gott verbüte! — wo dunkle Wetter ſich über ihm erbeben, ibn umgeben könnten. In ſolchen ernſten Stunden wird ſich die alte Treue wieder erproben — die nie verläugnete! Sein Volk wird ſich um ihn ſchaaren mit Muth und Kraft, zu Schutz und Trutz! Es mögen um ihn grollen die Donner — an der Bruſt ſeiner Getreuen werden die Blitze zerſtieben, wie Spreu vor dem Hauch des Windes. Wir haben begriffen, welch hohes Gut uns in der Ver— faſſung geworden, wir haben erkannt die geſegneten Früchte die ſie bereits getragen. Geachtet vom Auslande erhebt ſich mit Würde und Stolz der Badener, ſtolz auf dieſe Gabe, ſtolz auf ſeine volksfreundliche Fürſten, ſtolz auf ſeine Gemeinde— ordnung — das aus ihr erzeugte Kind — das in fremde Zungen übertragen und geſchätzt wird. Die Rechte der Menſchheit, ihr von der Natur angewieſen, ſind nun geſichert — im niederſten Stande geehrt. O! leſet ſie mit Aufmerkſamkeit, Badener! die gold'nen Worte Eurer Verfaſſung! „Die ſtaatsbürgerlichen Rechte der Badner ſind gleich“ jagt §. 7. und die folgenden $$. „Gleich ift die Beſteuerung. Gleich ſind die Anſprüche an Aemter, ſelbſt gleich die Militair— pflicht“ — mit wenig Ausnahmen — kein höherer Stand iſt bevorzugt. Die roſtige Feſſel alter Jahrhunderte, welche freie Bewe— gung und männliche Thatkraft lähmte — ſie iſt gefallen, zerbrochen. „Grundlaſten, Dienſtpflicht, Leibeigenſchaft — ſagt Euch der §. 11. — hat ein menſchlich fühlender Fürſt aufgehoben. Eigenthum und perſönliche Freiheit ſteben für alle auf gleiche Weiſe unter dem Schutze der Verfaſſung, und §. 14: Die Gerichte ſind unabhängig — unabhängig von jeder höhern Einmiſchung. $. 15. Niemand darf in Kriminalſachen feinem ordentlichen Richter entzogen werden.“ Kein willkührlich angeordnetes Gericht kann ihn richten. Niemand kann anders als in geſetzlicher Form verhaftet und Br länger als 24 Stunden im Gefängniß feſt gebalten werden, ohne über den Grund ſeiner Verhaftung vernommen zu ſein. $. 18. Jeder Landeseinwohner genießt der ungeſtörten Gewiſſensfreiheit — Seine Gottesverehrung gleichen Schutz. $. 19. Die politiſchen Rechte der drei chriſtlichen Religions- theile find gleich u. ſ. w. Eine Fülle von geſicherten Segnungen! Wie der gefiederte Segler der Lüfte, wenn ſich ihm das beengende Käficht erſchließt, friſche Luft ihn anweht, fühlt ſich der Bürger neu gekräftigt! — Aber auch Euch unſern Dank, Ihr wackern Vertreter des Volkes, die Ihr berufen ſeid, in Gemeinſchaft mit der Re— gierung die Verfaſſung zu ſchützen und ſie geſchützt habt mit Muth und Beharrlichkeit. — Eine halbe Welt zollt Euch dafür ihre Bewunderung! Wir, noch am Morgen der Verfaſſung, dürfen dennoch einem heitern hellen Tag, einer ſchönen Zukunft entgegen ſehen. Was noch nicht Alles in Erfüllung gegangen ſein ſollte, wird ein volksfreundlicher Fürſt in Erfüllung gehen laſſen. Ein herzliches Hoch Ihm! ein gleiches der Verfaſſung und den Volksvertretern! Beide Vorträge wurden mit Beifall aufgenommen und vierhundert Exemplare der Verfaſſungsurkunde vertheilt. Der Zug begab ſich nun in die evangeliſche Kirche, wo vor dem Dankgebete von dem Herrn Vicar einige, der hohen Wichtigkeit des Feſtes angemeſſene gehaltvolle Worte geſprochen wurden. Wegen großer Zahl der Theilnehmer wurden in zwei Gaſthöfen Feſtmahle gehalten, wobei unter Böllerſalven meh— rere Toaſte ausgebracht wurden. ne. In dem Gaſthaus zu den drei Königen: Von Hrn. Oberamtmann Bleibim haus: dem bürger— freundlichen Großherzog Leopold, dem Beſchützer und Erhalter der Verfaſſung! Von Bürgermeiſter Rech: der Verfaſſung, mit dem Wunſche, daß ſie uns und unſern Kindern und Enkeln reiche Früchte tragen möge. In dem Gaſthauſe zum Adler von Bürgern: Ein Toaſt auf den Großherzog Karl, den Stifter der Verfaſſung! Ein Toaſt auf Se. K. Hoh. den Großherzog Leopold, als Wiederherſteller und Beſchützer der Verfaſſung! Auf das verfaſſungstreue, einträchtige und eifrige Wir- ken der Regierung und der Landſtände, zum Heile für Fürſt und Vaterland! Das Rathhaus, das auf Säulen ruht, war mit Blumen⸗ gewinden geſchmückt und Abends prachtvoll erleuchtet; es ftellte einen Licht-Tempel dar, von großartiger Wirkung. Zum Schluſſe fand ein zahlreich beſuchter Ball im Rathhausſaale und im Adler ſtatt. Den Armen wurde Brod, Fleiſch und Wein geſpendet. VII. Mosbach. Ein Comité, welches ſich nach dem Vorſchlag des Bürgermeiſters gebildet hatte, ordnete dieſes Volksfeſt an und lud ſchon am erſten Auguſt die Einwohner Mosbach's und der umliegenden Ortſchaften zu reger Theilnahme ein. Am Abend des 21. Auguſt verkündeten Glockengeläute und Kanonendonner das Herannahen des Feſtes, welches am folgenden Tage auf gleiche Weiſe begonnen wurde; Choräle, mit Blechinſtrumenten ausgeführt, erſchollen am frühen Morgen des Feſttages, nach— dem die Glockentöne verhallt waren, vom Rathhausthurme herab und deuteten an, daß ein Feſt des Friedens gefeiert werde. N Der herrliche Zug, den das Comité angeordnet, ſetzte ſich um 10 Uhr vom Marktplätze aus in Bewegung, durchſchritt die Hauptſtraße, deren Häuſer beinahe alle mit Blumen und Laubkränzen geſchmückt waren, nahm am Schießplatze die Staatsdiener in ſeine Reihen auf und kehrte dann, die in herrlicher Blüthe ſtehenden neuen Gartenanlagen berührend zu dem erſten Ausgangspunkte zurück. Es war ein erhebender Anblick. Voran zogen acht junge, mit Schärpen geſchmückte Männer, in ihrer Mitte der Fahnenträger; dann folgten acht Mädchen, von denen die zwei jüngſten, Kinder von neun Jahren, die Verfaſſungsurkunde auf einem Kiſſen trugen; nach dieſen der Feſtredner, begleitet von zwei Mitgliedern des Comité; hierauf der Gemeinderath und Bürgerausſchuß; hinter dieſen die Staatsdiener, an welche ſich ſämmtliche Zünfte anſchloſſen, angeführt von der Hasmersheimer Schifferzunft und alle mit neuen Fahnen verſehen. Auf dem Marktplatze erwarteten die Lehrer, welche inzwiſchen mit der Schuljugend dort eingetroffen waren, den rückkehrenden Feſtzug. Nachdem der Zug ſich aufgeſtellt und ein Männerchor das Lied: „Was iſt des Deutſchen Vaterland?“ ꝛc. geſungen hatte, gab der Bürgermeiſter Teubner einige Erläu— terungen über die Bedeutung des Feſtes. Hierauf betrat Hr. Hofgerichtsadvokat Junghanns, den das Comité mit Abhaltung der Feſtrede beauftragt hatte, die Rednerbühne und ſprach folgende Worte: Meine Freunde! Bald ſind 30 Jahre entronnen, ſeit das deutſche Volk in vielen Schlachten und durch die größten Aufopferungen und Ent— behrungen ſich die Freiheit von einem fremden Joche erkämpfte, das ſchwer auf ihm gelaſtet hatte. Damals erkannten die deut— ſchen Fürſten, daß ihre Völker mündig geworden ſeien. Denn freiwillig und aus eigenem Antriebe ergriffen Tauſende und Hunderttauſende von deutſchen Männern und Jünglingen die Waffen, um für ihre politiſche Selbſtſtändigkeit zu ſtreiten. Es verließ der Bauer den Pflug, der Künſtler die Werkſtätte, der Kaufmann das Waarenlager, der Edelmann ſein Schloß und der Gelehrte Bücher und Schriften. Alle verſammelten ſich unter den vaterländiſchen Fahnen und ließen ſich, einer dem andern gleich, unter die Zahl der Krieger einreihen. Gerne unterwarfen ſie ſich der militäriſchen Ordnung, ſchnell befähigten ſie ſich durch Uebung und Geſchick zu brauchbaren Soldaten, mit Beharrlichkeit ertrugen ſie die größten Beſchwer— den, mit glühender Vaterlandsliebe ſtürzten ſie ſich auf den Feind, und bald hatten ſie ihr hohes Ziel erreicht. Wer nicht ſtreiten konnte, legte ſich ſchwere Opfer auf und trug mit Geduld und ohne zu klagen die großen Laſten, welche ihm aufgebürdet werden mußten. Männer und Frauen, Jünglinge und Jungfrauen, Greiſe und Knaben, alle ſtrebten mit Eifer und Ausdauer nach der Erreichung eines und deſſelben 6 * mi a er Zieles, nach der Befreiung von dem fremden Joche. Ja die ganze deutſche Nation ſchien einen einzigen uner— ſchütterlichen Willen zu haben. Damals erkannten die deutſchen Fürſten, daß ihre Völker mündig geworden ſeien und daß ihnen eben deßhalb ein größerer Grad von politiſcher Freiheit gebühre. Die Fürſten, welche mit den Völkern ein Bündniß zur Wiedereroberung der deutſchen Freiheit geſchloſſen hatten, geſtanden nun den Völkern das Recht zu, bei der Ausübung gewiſſer Theile der Staatsgewalt durch Stellver— treter mitzuwirken. Mit edler Freimüthigkeit bekannten zuerſt die zwei größten deutſchen Staaten auf dem Wiener Congreſſe, daß der politiſche Culturzuſtand des deutſchen Volkes es noth— wendig mache, daß in allen deutſchen Staaten eine durch Grund verträge beſtimmte Verfaſſung errichtet werde. Sie erklärten die Einführung einer landſtändiſchen Verfaſſung in jedem deutſchen Bundesſtaate für ein unabweisbares Bedürfniß, für eine Nothwendigkeit, welche aus dem Geiſte der Zeit ber- vorgehe, und für eine gerechte Forderung der deutſchen Nation. Die meiſten kleineren deutſchen Staaten und Fürſten gaben ſofort ihr Einverſtändniß mit dieſen Grundſätzen zu erkennen und verlangten, daß aller und jeder Willkür, wie im Ganzen durch die Bundesverfaſſung, ſo im Einzelnen in allen deutſchen Ländern durch die Einführung landſtändiſcher Verfaſſungen vorgebeugt werde. Namentlich ließ der verewigte Großherzog Karl von Baden im Dezember 1814 dem Wiener Congreſſe durch ſeinen Geſandten eröffnen: „daß er ſich entſchloſſen habe, als dem Geiſte des Zeit— „alters angemeſſen, eine ſtändiſche Verfaſſung einzuführen „und ſeinen Unterthanen die Bewilligung der directen „ſowohl als der indirecten Steuern, die Mitaufſicht „auf deren Verwendung, die Theilnahme an der Ge— „ſetzgebung und das Recht der Beſchwerdeführung „gegen Mißbräuche der Staatsdiener zu geſtatten.“ Dieſes im Angeſicht von ganz Deutſchland gegebene Ver— ſprechen ging im Jahr 1818 in Erfüllung. Sie werden fragen: warum nicht früher? und ich balte mich, damit auch nicht der entfernteſte Argwohn aufkomme und das Andenken an den verewigten Fürſten verdüſtere, verpflichtet, Ihnen hierüber Aufklärung zu ertheilen. Schon im December 1814 beauf— tragte der Großherzog Karl einige durch Verſtand, Kenntniſſe und Einſicht hervorragende Männer mit dem Entwurfe der ſeinem Volke verſprochenen Staatsverfaſſung. Das wichtige und ſchwierige Werk war nach Ablauf eines Jahres ſo weit gediehen, daß der verehrte Fürſt am 16. März 1816 die erſte ſtändiſche Verſammlung des Großherzogthums auf den 1. Auguſt des genannten Jahres anordnete. Der verklärte Fürſt gab ſich damals der Hoffnung hin, daß noch vor dieſem Ter— mine die übrigen Bundesfürſten über gleiche Grundzüge für alle deutſchen Landesverfaſſungen ſich mit ihm vereinigen würden, ſo daß ein und derſelbe Geiſt alle Verfaſſungs— Urkunden durchdringen könnte. Er ſah in dieſer Ueberein— ſtimmung eine Garantie für die Dauer und die gleichmäßige Fortbildung aller deutſchen Grundverfaſſungen. Sein ſchöner Wunſch wurde aber nicht erfüllt. Er vertagte deßhalb durch ſein Ediet vom 29. Juli 1816 die Verkündigung der ſtän— diſchen Conſtitution auf unbeſtimmte Zeit. Als aber die von ihm ſo ſehnlich gewünſchte Uebereinkunft bis zum Auguſt des Jahres 1818 immer noch nicht zu Stande gekommen war, glaubte er ſeinem Volke die Wohlthaten einer Grundverfaſſung nicht länger vorenthalten zu dürfen. Von körperlichen Leiden gebeugt, auf ſein nahes Ende hinblickend, wollte der edle Fürſt nicht aus dieſer Welt ſcheiden, ohne das ſeinem Volke gegebene Wort erfüllt zu haben. — Am 22. Auguſt des Jahres 1818, alſo gerade vor 25 Jahren, unterzeichnete er die Verfaſſungs— Urkunde und ließ ſie auch ſofort ſeinen Unterthanen verkünden, für ſich und ſeine Nachfolger verſprechend, ſie treulich und gewiſſenhaft zu halten und halten zu laſſen. Dieſe Ver— faſſungsurkunde wurde nicht nur in Baden, ſondern im ganzen deutſchen Vaterlande mit Jubel aufgenommen; freiſinnig und gerecht wie ſie iſt, erhielt ihr Inhalt den Beifall aller redlichen Männer, aller, die ihre Zeit verſtanden und verſtehen u wollten. In der That entſpicht fie auch allen Anforderungen, welche man damals an eine Grundverfaſſung eines deutſchen Landes machen konnte. Nach ihr ſind die ſtaatsbürgerlichen Rechte der Badener gleich in jeder Hinſicht, wo die Verfaſſung nicht namentlich und ausdrücklich eine Ausnahme begründet. Die Miniſter und ſämmtliche Staatsdiener ſind für die genaue Befolgung der Verfaſſung verantwortlich. Alle Badener tragen ohne Unterſchied zu allen öffentlichen Laſten ber, Alle Befreiungen von directen und indireeten Abgaben find aufgehoben. Eigenthum und perſönliche Freiheit der Badener ſtehen für alle auf gleiche Weiſe unter dem Schutze der Verfaſſung. Die Gerichte ſind unabhängig innerhalb ihrer Competenz. Niemand darf in Criminalſachen ſeinem ordent— lichen Richter entzogen, Niemand anders, als in geſetzlicher Form verhaftet werden. Alle Vermögens-Confiscationen ſind aufgehoben. Die Preſſe ſoll ſich frei innerhalb der Schranken beſtimmter Geſetze bewegen. Jeder Landeseinwohner genießt ungeſtörter Gewiſſensfreiheit. Die 63 Abgeordneten der Städte und Aemter werden von erwählten Wahlmännern gewählt und beinahe alle Staatsbürger, die das 25. Lebensjahr zurück— gelegt haben, dürfen Wahlmänner wählen und ſind als ſolche wählbar. Alle 2 Jahre muß eine Ständeverſammlung ſtatt— finden. Die Landſtände ſollen nach unſerer Verfaſſung über Gegenſtände ihrer Berathungen nach eigener Ueberzeugung abſtimmen; ſie ſollen keine Inſtructionen und keine Befehle annehmen. Ohne Zuſtimmung der Stände kann die Regierung keine Auflage ausſchreiben und erheben, kein Anlehen gültig machen, keine Domänen veräußern und kein Verfaſſungs— und Landesgeſetz geben oder abändern. Dagegen haben die Kammern das Recht, den Großherzog um den Vorſchlag von Geſetzen zu bitten; ſie haben das Recht, Mißbräuche in der Verwaltung zu rügen und Miniſter und andere Mitglieder der oberſten Staatsbehörden wegen Verfaſſungsverletzung anzu— klagen. Die Sitzungen der beiden Kammern ſind öffentlich, oͤffentlich ſind ſie, damit eine lebendige Wechſelwirkung zwiſchen Volk und Kammer ſtattfinde, und damit jeder Staatsbürger un ME re ſich überzeugen könne, ob die Stände in ihren Reden und Abſtimmungen den Volkswillen, oder ob ſie den Willen der Miniſter darſtellen. ö Die im Jahre 1819 verſammelten Landſtände nahmen deßhalb die Verfaſſung, wie ſie gegeben war, mit freudigem Herzen, als einen unverletzlichen Staatsgrundvertrag an. Sie betrachteten ſie als den Anker, an dem das Heil aller Badener fortan ruht, feſt und unerſchütterlich, wie der Boden der mütterlichen Erde, die uns trägt und nährt. Dieſer Charakter unſerer Grundverfaſſung hat ſich 25 Jahre hindurch bewährt, und darum feiern wir heute mit Jubel den Tag, an welchem die Verfaſſung uns gegeben wurde, den Tag, an welchem dieſe herrliche Schöpfung des Zeitgeiſtes das Licht der Welt erblickte. Möge ſie nach Jahrhunderten noch blühen, beſchirmt von Vernunft und Recht, dieſen beſtändigſten unter allen Größen! Möge ſie wurzeln in der öffentlichen Meinung, in dem ſich frei ausſprechenden moraliſchen Urtheile der großen Mehrheit der Verſtändigen aus allen Volksklaſſen! Möge ſie ſich fortbilden mit dem Geiſte der kommenden Zeiten, und immer gleichen Schritt halten mit der Einſicht und dem Culturzuſtande des badiſchen Volkes! Dann wird die Verfaſſung und die aus ihr hervorgegangene Volksvertretung unter allen Umſtänden die ſicherſte Stütze des Staates und des Thrones ſein. Dann bleibt ſie ein feſtes Gewölbe, von welchem der Regent erhaben über alle Parteien und über alle Stürme der Zeiten getragen wird. Dann verbürgt ſie dem Fürſten fortwährend den hohen Grad von Heiligkeit und Unver— letzbarkeit, der dem Oberhaupte eines conſtitutionellen Staates gebührt. Dann wird ſie der Regierung immer Gelegenheit verſchaffen, Worte der Wahrheit zu hören; ſie wird jede Willkürherrſchaft fern halten, und in dem Volke wird ſie die Treue ſtählen für Fürſt und Vaterland. Meine Freunde! Es war der laut verkündete Wille des erhabenen Gründers unſerer Verfaſſung, daß ſie feſt und = e dauerhaft fei, und das Glück des Einzelnen und des Ganzen ſicher ſtelle. Ehren wir dieſen heiligen Willen, halten wir feſt an dem Geiſte und an dem Buchſtaben dieſes Staats— grundvertrages; vergeſſen wir nie, daß dieſer Vertrag unſer gemeinſames und theuerſtes ſtaatsbürgerliches Eigenthum iſt, und bewahren wir vor Allem unſere politiſche Mündig— keit! — Dann ſoll und wird uns Niemand unſere Krone rauben! Meine Freunde! Laſſen Sie uns wiederholt des edlen Fürſten gedenken, der uns dieſes koſtbare Gut gegeben hat. — Treu in der Erfüllung ſeines Wortes, hinterließ er uns ein Vermächtniß, durch welches er die innigſte Liebe zu ſei— nem Volke beurkundete. Heil dem Andenken des Verklärten, er höre nie auf zu leben in unſeren Herzen, und nie verſiege ihm die Quelle des Dankes in unſerer Bruſt. Die Manen des verewigten Großherzogs Karl, ſie leben hoch! Nach Beendigung dieſes Vortrags wurde die Verfaſſungs— Urkunde verleſen, von welcher ſodann das Comité 300 Exem— plare unter die Bürger und Schüler vertheilte. Mit einer freudig ernſten Stimmung trennte ſich die Verſammlung. Dieſer Sinn verbreitete ſich auch über das Feſtmahl, an welchem mehr als 200 Perſonen Theil nahmen. Unter den während des Mahles ausgebrachten Toaſten galt der erſte Sr. königl. Hoh. dem Großherzog Leopold, der zweite der Verfaſſung, der dritte den Volksvertretern und der vierte dem badiſchen Volke. Von auswärts her waren am zahlreichſten die Haßmers— heimer und Schefflenzer erſchienen, deren Geſinnungstüchtigkeit ſich ſchon ſeit längerer Zeit bewährte. Das herrliche Wetter erweckte den Gedanken; daß der Himmel unſerer Verfaſſung hold ſein müſſe! Die Erinnerung, welche das Feſt zurückließ, wird bleibend ſein und in mancher Bruſt die Verfaſſungstreue und das Streben nach politiſcher Selbſtſtändigkeit kräftigen. VIII. Heidelberg. Se, blieb hinter keiner Stadt zurück, was die dußern Zeichen der Feier betrifft; die Bürger zeigten, daß ſie wußten, um was es ſich handle. Der Zug bewegte ſich zuerſt in die heil. Geiſtkirche zum Gottesdienſte, dann auf den Platz vor dem Muſeum, wo die Bühne für den Redner errichtet war. Bürgermeiſter Ritzhaupt begrüßte die Verſam— melten, machte aufmerkſam auf die Bedeutung des Feſtes, welches darthun möge, daß wir der Verfaſſung aus Ueber— zeugung anhängen, nicht aus einer Laune der Zeit, wie Gegner behaupten, und ſchloß mit einem Hoch auf den Wie— derherſteller der Verfaſſung, den Großherzog Leopold. Herr Uhrmacher Stieffel verlas einige Abſchnitte der Verfaſſung, worauf Herr Poſſelt, Abgeordneter der Stadt, folgenden Vortrag hielt: Fünfundzwanzig Jahre ſind es heute, daß ein edler Fürſt die Verfaſſung gegeben, und es ziemt uns wohl in der Fülle unſerer Freude über ſolchen koſtbaren Beſitz, daß wir dieſen Tag feierlich begehen. Theure Mitbürger! Wenn ich es wage, heute, an dem Tage, wo Aller Herzen von Freude und Dank durchdrungen ſind, öffentlich hier aufzu— treten und den Gefühlen, die unſere Bruſt durchwogen, Worte zu geben, ſo thue ich es nur mit Schüchternheit, mit Befan— genheit. Nur mit Zagen habe ich den dringenden Bitten 2, meiner Freunde nachgegeben, wohl wiſſend, daß Viele unter Ihnen die hohe Bedeutung des heutigen Tages mit beredterer Zunge ihnen vor die Seele führen könnten; doch die Hoffnung auf Ihre Nachſicht, meine vielfachen und langjährigen Erfab- rungen, und vor Allem das Bewußtſein, daß, wenn auch Einer mit größerer Beredtſamkeit, doch Keiner mit größerer Wärme der Ueberzeugung von der hohen Wohlthat unſerer Verfaſſung ſprechen könnte, giebt mir den Muth dazu. Ja, meine Mitbürger, ich habe ſie durchlebt, jene ſchweren, aber zugleich erhebenden Tage, welche dem Geſchenke des verewigten Fürſten vorangingen. Zwar war unſer badiſches Vaterland in ſeiner politiſchen Entwicklung durch die weiſe Regierung ſeines unvergeßlichen Fürſten Carl Friedrich hoch beglückt. Auch er konnte von ſich rühmen, daß er die Hand am Pulſe der Zeit hatte. Wie manches Geſchenk haben wir feiner Umſicht, feiner weiſen Fürſorge zu danken! Aber auf dem geſammten deutſchen Vaterlande laſtete ein ſchwerer, gemeinſamer Druck, den die Vorſehung über uns verhängt zu haben ſcheint, damit das deutſche Volk ſich ſeiner Kraft bewußt werde. Aus dem Schooße des Unglücks erzeugt ſich der Muth, und zum Himmel empor ſchlägt die Flamme kühner Thaten, um künftigen Zeiten und Geſchlechtern als eine Feuerſäule der Tugend und ſelbſtaufopfernden Vaterlands— liebe zu leuchten. So gedenken wir jetzt mit Freude jenes Lichtes, das aus dem Dunkel einer verworrenen Zeit hervorgebrochen, als das deutſche Volk die fremden Ketten abgeſchüttelt hatte und zum Bewußtſein gekommen war, daß es im Innern anders werden müſſe. - Damals war es, als in unſerm deutſchen Vaterlande das Beſtreben erwachte nach geſetzlicher Beſtimmung der öffentlichen Gewalt. Man erkannte, daß für den Werth des Menſchen, für den Antheil eines Jeden an den Vortheilen und Laſten u u der Staatsgeſellſchaft ein anderer Maßſtab angelegt werden müſſe, als der aus den Zufälligkeiten der Geburt entlehnt iſt. Bei den großen Anſtrengungen, die in jenen ſchweren Kriegszeiten von den Staaten gemacht werden mußten, ſchärfte ſich die Aufmerkſamkeit der Steuerbaren auf die Zwecke, wozu ihre Beiträge verwendet wurden. Ein Jeder fing an zu berechnen, wie viel von einer unnöthigen Ausgabe der Regie— rung ihn ſelbſt treffe. Die Anſprüche wurden immer dringender auf ein gleiches Verhältniß zwiſchen den Vortheilen und Laſten des Staates. Man forderte, daß gleichem Verdienſte gleiche Belohnung zu Theil werde, daß kein Verdienſt ohne Belohnung bleiben, aber auch keine Belohnung ohne Verdienſt ertheilt werden ſolle. Auf dieſe Weiſe fühlte ſich das deutſche Volk, nachdem es für das höchſte Gut, für die Freiheit, ſein Herzblut vergoſſen hatte, herangereift zu einem ſicheren Urtheile über das, was dem Staate Noth thue. Auch die Fürſten hatten dies erkannt in jener Zeit der Noth und der kräftigen Erhebung des Volkes. Der 13. Artikel der Bundesacte giebt dafür den ſicherſten Beleg. Doch, als die Zeit der Noth vorüber war, da ſuchten Viele, die ſich in die Ideen und Verhältniſſe der anders gewordenen Zeit nicht finden konnten, und darunter Manche, welche durch ihre hohe Stellung im Staate ſelbſt auf die Regenten einwirken konnten, dieſe gerechten Forderungen als ein Erzeugniß der Thorheit und mißverſtandener Theorien darzuſtellen. Sie, wollten in jenem Rufe nach Verfaſſungen unausführbare Schwindeleien müſſiger Köpfe, oder vorſätzliche Verbreitung ſchädlicher Irrthümer erkennen, durch welche die Völker in ihrem Vertrauen zu ihren Regierungen irre geführt und zur Unzufriedenheit und Widerſetzlichkeit aufgewiegelt würden. Pre 9 Allein, meine Mitbürger, liegt nicht gerade in einer guten Verfaſſung, dieſem Palladium der Freiheit des Volkes, zugleich die größte Macht einer guten und weiſen Regierung, die dadurch in der öffentlichen Meinung eine unberechenbare Kraft erhält? Dies erkannte, unter den Drohungen einer bedenklichen Zeit, jener edle, hochherzige, weislich berathene Fürſt, Groß— berzog Karl, den die gütige Vorſehung auf den Thron unſeres ſchönen Vaterlandes, des glücklichen Baden, geſetzt hatte. Er hat, ſeine Pflicht und ſeine hohe Stellung erkennend, ſein fürſtliches Wort fürſtlich gelöſet. Er hat kurz vor ſeinem leider ſo früh erfolgten Hinſcheiden ſeinem Volke, das er liebte ehrte und achtete, dem er vertraute und vertrauen konnte, deſſen Bildung und Intelligenz er kannte und richtig würdigte, eine Verfaſſung gegeben, und ſich dadurch in den Herzen ſeiner dankbaren und glücklichen Bürger ein ewig dauerndes, hell leuchtendes Monument ſeiner Fürſtengröße und ſeines wahrhaft fürſtlichen Sinnes geſetzt. Dieſe Verfaſſung enthält in ihrer Anordnung die feſteſte Baſis politiſcher und bürgerlicher Freiheit, des Blühens und Gedeihens bürgerlicher Wohlfahrt und zugleich die Bürgſchaft für die Dauer dieſes glücklichen Zuſtandes. Sie iſt mit Weisheit zum Theil in einer ſolchen Allgemeinheit abgefaßt, daß ſie nicht nur einer weiteren Ausbildung und Entwicklung fähig, ſondern daß dieſe die nothwendige Folge davon iſt. Soll ich Ihnen nun, meine Mitbürger, alle die koſtbaren Rechte aufzählen, welche dieſes Staatsgrundgeſetz den Bürgern gewährt, ſoll ich deren unberechenbaren hohen Werth auch nur kurz hier entwickeln? Ich kann dies nicht thun, ſo ſehr es mich auch dazu drängen möchte, die mir heute gegebene Zeit iſt dazu viel zu kurz. Ich muß mich darauf beſchränken, einige der Wichtigſten mit kurzen Worten zu berühren. Vorerſt das Koſtbarſte, das Edelſte derſelben, das Recht der Mitwirkung an der Geſetzgebung, das uns allein ſchon die Bürgſchaft unſerer Freiheit und der Dauer unſeres 5 Glückes giebt. Kein gegebenes Geſetz kann abgeändert, kein neues erlaſſen werden, ohne die Zuſtimmung der drei Factoren des Regenten, der erſten und der zweiten Kammer. Wahre Freiheit kann nur da beſtehen, Glück und Wohlfahrt der Bürger nur da blühen, Sicherheit für den Beſtand dieſes Glückes nur da gefunden werden, wo das Geſetz herrſcht und nur das Geſetz. Welcher gute, vernünftige Bürger wird nun nicht gerne dem Geſetze, dem ſelbſt berathenen, ſelbſt gegebenen Geſetze freudigen und willigen Gehorſam leiſten? Das zweite gleich hochwichtige Recht iſt das Recht der Steuerbewilligung, das nach der organiſchen Einrichtung unſerer Verfaſſung zumeiſt in der Hand der zweiten Kammer liegt. Das Volk hat dadurch das Recht, durch ſeine ſelbſt gewählten Vertreter den Staatshaushalt genau prüfen zu laſſen, und zu erfahren, ob die von ibm entrichteten und oft mit ſaurer Mühe und Schweiß zu erringenden Steuern auch wirklich zum wahren Wohle des Landes verwendet, ob ihm nicht zu viele auferlegt, ob ſie nicht zu unnützen, vielleicht gar ſchädlichen Zwecken verwendet werden. Und wird nicht jeder vernünftige Bürger den ihn in einem gerechten Verhält— niß treffenden Antheil an den zum Staatshaushalte nöthigen Koſten gerne und willig entrichten? Das dritte hochwichtige Recht, das Petitionsrecht, giebt auch dem geringſten der Bürger, wenn er ſich in ſeinem verfaſſungsmäßigen Rechte gekränkt glaubt, das Recht, ſich an die verſammelte Ständekammer öffentlich zu wenden und deren Hülfe und Schutz anzurufen, die ihm auch, wenn er wirklich darin gekränkt iſt, gerne und kräftig gewährt wird. Dieſes öffentlich auszuübende Petitionsrecht hat aber noch einen weiteren unſchätzbaren Werth für die Regierten. Denn ein ſolches mögliches öffentliches Enthüllen jedes ſchweren Dienſt— mißbrauches, jedes harten, ſchnöden und ungerechten Behan— delns der Dienſtuntergebenen, jeder Schlechtigkeit, wird mehr geſcheut, ängſtlicher und ſorgfältiger vermieden, als ſelbſt ſchwere Strafe, die im Stillen getragen wird. — 4 — Das Recht der freien Preſſe, des unbeſchränkten Aus— druckes des freien Gedankens durch Schrift und Druck, das uns die Verfaſſung, wenn gleich unter gewiſſer Beſchränkung, gleichfalls zugeſichert, hätte ich, ſeiner hohen Wichtigkeit wegen, an die Spitze meiner Aufzählung ſetzen ſollen. Allein eben dieſe Beſchränkung hat uns bis jetzt noch nicht zum Genuſſe deſſelben gelangen laſſen. Wir wollen die Hoffnung feſthalten, daß wir durch die gemeinſamen und kräftigen Beſtrebungen aller Edlen und Erleuchteten im deutſchen Volke endlich das große Ziel erreichen werden. Die übrigen, nicht minder wichtigen Rechte, welche die Verfaſſung uns gewährt, als: das Recht der Gleichheit Aller vor dem Geſetze, die Unabhängigkeit der Gerichte, der Schutz der perſönlichen Freiheit und des Eigenthums, vollkommene Gewiſſensfreiheit, und viele andere mehr, muß ich, der Kürze der Zeit wegen, unerörtert laſſen. Werfen wir nun einen Blick auf die weitere Entwicklung unſeres Landes auf der Grundlage dieſes Staatsgrundgeſetzes, ſo dürfen wir vor Allem nicht außer Acht laſſen, daß es zu einer Zeit erſchien, wo die Integrität und ſelbſt die Eriftenz des Großherzogthums bedroht ſchien. Wie ganz anders iſt es indeſſen geworden, wie ſehr haben ſich inzwiſchen die verſchiedenen Landestheile zu einem Ganzen zuſammen verbunden und wie ſicher ruht nun unſer erhabenes Fürſtenhaus im Geſammtbeſitze des Landes! Zwar hatte die zarte Verfaſſungspflanze im Anfange manchen rauhen Froſt, manchen heftigen Sturm zu beſtehen, ſo daß eine Zeit war, wo ſie verwelken und verdorren zu wollen ſchien. Aber nie ſind in unſerem Volke die Wurzeln des Baumes der Freiheit ganz vertrocknet. Nach trüber, rauher Zeit folgte heiterer Himmel, als unſer wohlwollender Landesfürſt den Thron beſtieg, und ein treuer Rathgeber ihm zur Seite ſtand, den wir nie genug betrauern können. Von da an war die Geſchichte unſeres Landes, wir dürfen es ohne Ruhmredigkeit ſagen, der Glanzpunkt in der politiſchen k — 95 — Geſchichte Deutſchlands. Aus einer freien Wahl, wobei die Regierung eine erklärte Nichteinmiſchung beobachtete, ging eine Volkskammer hervor, die der treue Ausdruck des Geſammt— willens war. Die Regierung war voll des redlichſten Willens, beſonders für materielle Intereſſen, wenn ſie ſich auch bei politiſchen Fragen durch äußere Verhältniſſe beengt fühlen mochte. Als die erſten und hauptſächlichſten Reſultate will ich nur anführen die Abſchaffung der Staatsfrohnden, die Gemeinde— ordnung und das Zehntablöſungsgeſetz. Wie wichtig find fie für das Wohl des Landes! Gewiß waren jene Landtage, auf denen dieſe Geſetze zu Stande kamen, und auf welchen ein ſo kräftiges Streben nach den erſten Gütern des politiſchen Lebens, nach Preßfreiheit, nach Oeffentlichkeit und Mündlichkeit des Gerichtsverfahrens, nach Trennung der Juſtiz von der Admini- ſtration, nach Verbeſſerung des Schulweſens, nach einem Geſetze über die Verantwortlichkeit der Miniſter ſich kund gab, von der allergrößten Bedeutung nicht nur für Baden, ſondern für ganz Deutſchland. Man erblickte eine parlamentariſche Erſcheinung, die man in Deutſchland noch nie, und ſelbſt in Ländern von älterer conſtitutioneller Ausbildung nur ſelten geſehen hatte. Ich will Sie nun nicht ermüden mit der Geſchichte deſſen, was auf den bisherigen Landtagen geſchehen; wenn aber auch nicht alle unſere Hoffnungen, nicht alle unſere Erwartungen in Erfüllung gegangen ſind, ſo iſt doch Vieles geſchehen für materielle, Staats- und nationalwirthſchaftliche Intereſſen. Es liegt in der natürlichen Entwickelung des menſchlichen Geiſtes, daß einem raſchen Fortſchritte wieder dieſe oder jene Hemmung begegnet, damit die Kraft ſich ſtähle und das Er— rungene nachhaltiger werde. So ſtehen wir jetzt wieder an der Zeit, wo der hohe Werth unſerer Verfaſſung richtiger erkannt, beſſer gewürdigt wird. Daß bei der wieder erwachten lebhafteren Theilnahme ee am Berfaffungsleben, an der Wirkſamkeit der Ständeveſamm— lung, an der weiteren Entwicklung und Ausbildung unſerer Verfaſſung ſich die verſchiedenſten Meinungen und Anſichten kund geben und Geltung zu verſchaffen ſuchen, liegt in der Natur dieſer Verhältniſſe und darf uns nicht auffallen. Wo viele Menſchen über eine Sache zu urtheilen, zu entſcheiden haben, wird ſich immer dieſe Verſchiedenheit der Meinungen, der Anſichten äußern. Eine Grundbedingung aber muß an Jeden geſtellt werden, der behaupten will, zum Mitſprechen berufen zu ſein: Redlichkeit der Geſinnung. Dieſe kann aber auch bei verſchiedener Meinung gleich gut und rein ſein. Darum, meine Mitbürger, laſſet uns dieſelbe ehren, laſſet vor Allem uns hüten, einer Verdächtigung der Geſinnung unſer Ohr zu leihen. Laſſet uns das heutige ſchöne Feſt eine Veranlaſſung, eine große Aufforderung ſein, die zwiſchen uns hin und wieder wankend gewordene Eintracht, das hin und wieder getrübte Vertrauen wieder herzuſtellen, aufs Neue zwiſchen uns wieder recht zu befeſtigen. Eintracht, einträchtiges, harmoniſches Zuſammenwirken aller Beſſeren iſt die Grundbedingung des Gelingens aller politiſchen und bürgerlichen Beſtrebungen. Laſſet uns feſt halten in Eintracht, laſſet uns aber auch die Klippen vermeiden, an welche uns unklare Begriffe oder Mißverſtändniſſe verleiten könnten. Mögen die Einen nicht jedes Streben nach Reformen, nach Abſchaffung alter oder neuer Mißbräuche und Ungerechtig— keiten mit dem bequemen Verdammungsurtheile des Revolutio— nären von ſich weiſen. Mögen die Andern nicht das Heil ſuchen im Umſturz des Beſtehenden und in der Herrſchaft der Menge, die ihre Leidenſchaften, ihre Vortheile und ihre Unwiſſen— heit auf den Thron ſetzen möchte. Möge die gütige Vorſebung unſerem erhabenen Landes— fürſten ſtets wohlwollende und erleuchtete Rathgeber zur Seite rn ſtellen, die im Vereine mit den Vertretern des Landes, den Repräſentanten des Geſammtwillens des Volkes, durch zeit— gemäße Reformen, durch Wahrung geiſtiger und materieller Intereſſen das wahre Wohl des Landes fördern. Dann wird jede freie Regung und Bewegung der Staats— angehörigen und der unbeſchränkte Ausdruck des freien Ge— dankens nie zu fürchten ſein. Möge ſodann das Gefühl ſtets mehr erwachen, daß wir Deutſche nur eine Nation ſind, deren Stämme in Eintracht und Liebe feſt zuſammen halten müſſen. Dann werden wir, wenn alle Fürſten und Völker deutſcher Zunge in dieſem Sinne das Rechte und Wahre erſtreben, ſtark ſein gegen jeden äußeren Feind. Ihr, Lehrer der Jugend, erfüllet die Gemüther der Euch Anvertrauten mit inniger Liebe zum heimiſchen Lande, indem Ihr ihnen Alles, was es nur Herrliches in ſeinen Gränzen hat, vor Augen ſtellt. Führet ſie zur Betrachtung der herr— lichen Gaben der Natur und zur geſchichtlichen Würdigung der dem deutſchen Volke eigenthümlichen Tugenden. Haltet ihnen vor die ſchönen und edlen Beſtrebungen derjenigen, die ſich um das deutſche Vaterland verdient gemacht haben, es ſeien Fürſten oder Bürger des Staates, damit eine wahre patriotiſche Geſinnung in ihnen erſtarke. Möge, meine Mitbürger, an dem heutigen frohen Feſte jeder Badener von dem unſchätzbaren Werthe unſerer Ver— faffung recht durchdrungen werden, möge er, mit Stolz und Dank auf dieſelbe blickend, in ſeinem Herzen geloben, ihr treu zu ſein, an ihr zu halten immerdar, wahre und ver— nünftige Freiheit zu ehren, den Geſetzen und geſetzlichen Anordnungen freudigen und willigen Gehorſam zu leiſten, Gerechtigkeit zu handhaben in Urtheil und Handlung, in Wort und Werk, die errungenen hohen Güter zu bewahren mit Mäßigung und Muth, alle Beſtrebungen mit Beſonnenheit 7 a und wahrer Vaterlandsliebe zu verfolgen, — dann werden wir uns der Früchte unſerer Verfaſſung ſtets mehr erfreuen. Den Thron unſeres Vaterlandes ſchmückt ein Fürſt, erfüllt von Liebe, von Wohlwollen zu ſeinem Volke, zu ſeinem treuen, ihn liebenden, innig verehrenden Volke. Er hat auf das Feierlichſte gelobt, die Verfaſſung zu handhaben und handhaben zu laſſen. Er handelt im Geiſte ſeines unvergeßlichen Vaters, des unſterblichen Karl Friedrich, und des edlen Gebers der Verfaſſung, er wird deren weitere Entwicklung und Aus— bildung zum Wohl und Glück unſeres Vaterlandes ſchützen und ſchirmen. Das Andenken jenes hochherzigen, edlen Fürſten, des Großherzogs Karl, des Gebers der Verfaſſung, des Wohl— thäters unſeres Vaterlandes, ſei von uns mit innigſter Liebe und Dankbarkeit, mit jubelnder Freude geſegnet! Es ſei uns heilig, wir ehren es immerdar und ewig hoch, hoch, hoch! Im Saale der Harmonie verſammelten ſich um 1 Uhr mehr als 250 Theilnehmer. Die allgemeine Stimmung gab ſich in zahlreichen Trinkſprüchen kund, von denen wir mehrere ausheben. Herr Bürgermeiſter Ritz haupt brachte das erſte Hoch Sr. fünigl. Hoheit dem Großherzog Leopold; Herr Hofrath Schweins, Prorector, — den Fürſten aus dem badiſchen Hauſe; Herr Geh. Rath und Stadtdirektor Deurer — dem Erbprinzen Ludwig; Herr Abg. Poſſelt — der großher— zoglichen Familie. Der Univerſität brachte Herr Rechtsanwalt Küchler einen Toaſt mit folgenden Worten: „Es iſt mir heute der ehrenvolle Auftrag zu Theil gewor— den, Namens meiner Mitbürger ein Hoch auszubringen der Anſtalt, welche ſeit Jahrhunderten Heidelberg bervorſtrahlen machte vor andern Städten des deutſchen Landes, ein Hoch auszubringen den Männern, welche gegenwärtig den Ruhm unſerer Hochſchule, die Zierde unſeres Vaterlandes bilden, deren Namen unter den erſten glänzen, wo irgend Männer der Wiſſenſchaft genannt werden. Ich erfülle dieſen Auftrag mit um ſo innigerer Freude, als ich ſelbſt mich rühmen darf, ein Schüler dieſer Anſtalt zu ſein, und noch Männer in dieſem Kreiſe ſehe, welche ich als meine Lehrer zu verehren das Glück hatte. Mit gerechtem Stolze, meine Herren, rühmt ſich Heidel— berg eine der älteſten Hochſchulen Deutſchlands zu beſitzen; denn es waren von jeher die Univerſitäten die Träger des Lichtes und der Wahrheit, und unter ihren Lehrern die edel— ſten Vorkämpfer für Recht, Freiheit und Vaterland. Ich will Sie nicht zurückführen, meine Herren, in die Zeiten der Refor— mation und vergangener Jahrhunderte. Nur einen kurzen Blick auf die Tage, die wir zum Theil ſelbſt noch mit erleb— ten. Als in den Zeiten der tiefſten Schmach unſer Vaterland unter den Händen eines fremden Eroberers zerſtückelt wurde, da waren unſere Univerſitäten das einzige Band, welches ſich um das zerſtückte Vaterland ſchlang, und ſeine Trümmer wenigſtens geiſtig zuſammenhielt, da waren es unſere Univer— ſitäten, welche die Schmach am tiefſten fühlten und ihre Abwehr am eifrigſten vorbereiteten. Und als die lang erſehnte Stunde des Kampfes kam, da wandten ſich ihre Lehrer nicht nur mit Feuerworten an die deutſche Nation, ſie zur That entflam— mend, nein es ſind viele von ihnen zu nennen, die ſelbſt mit ihren Schülern auszogen, auf dem Schlachtfelde ihr Wort zu bewähren, und dem Vaterlande die oft geprieſene Freiheit mit dem Schwerte wieder zu erringen. Und als die Waffen ruhten und der Sieg errungen war, aber nicht der verheißene Siegespreis, als dem deutſchen Volke vorenthalten wurde, worauf es ſich mit ſeinem Blute ein Recht erkämpft zu haben glaubte, waren es da nicht die Univerſitäten, welche am kräftigſten auf die Erfüllung jener 8 — 10 — Verheißungen drangen, und nie aufhörten, die Freiheit des Wortes und der Lehre zu vertheidigen? Und [als in neueſter Zeit abermals ein Fürſtenwort nicht gehalten werden wollte] waren es nicht [jene] ſieben Profeſ— ſoren, welche einem königlichen Willen gegenüber von der beſchworenen Verfaſſung nicht weichen wollten, und es vor— zogen, ihre ganze Stellung aufzugeben, als dem geleiſteten Eide einen widerſprechenden entgegen zu ſetzen? Ja, meine Herren, mit Stolz blickt das deutſche Volk ſtets auf ſeine Univerſitäten, mit Stolz Heidelberg heute auf die ſeinige und auf die Männer, welche nicht blos durch Lehre und That der ſtudirenden Jugend auf dem Pfade der Wiſſen— ſchaft glänzend voranleuchten, ſondern auch durch ihre Theil— nahme an dem heutigen Feſte bewähren, daß ſie ſich auch Bürger des Staates fühlen, denen vor allem unſere Verfaſ— ſung heilig iſt und der gewonnene Rechtsboden, den uns nichts wieder entreißen ſoll. Ja, meine Herren, ich erblicke in dieſer Theilnahme eine weitere Gewährleiſtung für unſere Verfaſſung. Denn wenn die erleuchtetſten Lehrer durch die That beweiſen, wie theuer ihnen dieſes Kleinod iſt, muß der Geiſt, der ſie belebt, auch die Jugend durchdringen, und in ihre Bruſt die Ueberzeugung fortpflanzen, daß ſie nur unter dem Schutze der Verfaſſung zu freien Bürgern ſich heranbilden können, und mit ihr dereinſt als Männer ſtehen und fallen müſſen. Ein Hoch daher der Pflegerin und den Lehrern der Wiſſen— ſchaft, des Lichtes und der Wahrheit, des Rechtes und der Freiheit, der uralten Ruperto-Carolina und ihren Profeſſoren ein dreifach donnerndes Hoch!“ 0 Ein Student brachte hierauf folgenden Trinkſpruch: „Meine Herren! Der Grund, warum auch wir Stu— dirende es für unſere Pflicht erachtet haben, an dieſem ernſten und wichtigen Feſte unſere innige und lebhafte Theilnahme zu — 101 — bezeugen, iſt einmal der, um uns nicht gleichgültig zu zeigen gegen öffentliche Angelegenheiten, um auch unſererſeits ein lebendiges Intereſſe, einen regen Eifer für einen verfaſſungs— mäßigen Rechtszuſtand zu beweiſen; aber, meine Herren, wir ſind ganz beſonders hier erſchienen, um uns dankbar der Männer zu erinnern, welche alle und jede Waffen ergriffen, die ihnen die Verfaſſung gab, um uns Deutſchen die Freiheit, das Glück und die Menſchenwürde zu erkämpfen. — Ich ſage uns Deutſchen — denn nicht Baden allein, nein, dem geſamm— ten Vaterlande war ihr ganzes Leben, ihre ganze Kraft gewid— met. Von den Ufern des Bodenſee's bis an den Strand der Oſtſee, überall, ſo weit die deutſche Zunge reicht, haben ihre feurigen und kräftigen Reden für die Palladien des Rechts und der Freiheit in den Herzen aller Deutſchen das lebhaf— teſte Echo gefunden. Daß jene Männer der Nation, meine Herren, vernunft— und zeitgemäßen Anträgen keine Wirkſamkeit, haben verſchaffen können, daß man trotz aller ihrer Beſtrebungen uns heutzu— tage noch das Recht der freien Meinungsäußerung abſpricht, daß man unſre geſammte Literatur und die edelſten Kräfte des Geiſtes von der Laune und Willkür beliebiger Polizei— beamten abhängig macht] daß über die höchſten Güter unſerer Mitbürger: über Freiheit, Ehre und Leben, anſtatt im Ange— ſichte des ganzen Volkes, in geheimen Behältniſſen verhandelt wird — daß wir überhaupt in dem größten Theile unſeres Vaterlandes keine andere Oeffentlichkeit kennen, als die von Oper, Schauſpiel und Concert, und daß wir dieſe betrüben— den Zuſtände bei einem Volke wahrnehmen müſſen, das aner— kannt an der Spitze der europäiſchen Bildung ſteht, und von welchem aus die geiſtig ſittliche Veredlung des Menſchen— geſchlechts ſich über den ganzen Erdball verbreitet, das, meine Herren, kann uns eben ſo wenig entmuthigen in dem Streben und Ringen nach dem nahen Ziele, als der Gedanke, daß wir vielleicht im Silberhaar noch das nicht erndten, was wir als Jünglinge ſchon geſäet. ee Uns iſt das ſchöne Loos geworden, für jene Palladien der Volksfreiheit mit allen unſern Kräften, mit allem unſerm Herzblute bis zum letzten Athemzuge zu kämpfen. Und wenn wir in der Geſchichte für ſolch' tüchtiges und geſinnungskräftiges Handeln ein Vorbild ſuchen, ſo iſt es vor Allen Carl von Rotteck werth, daß wir nach ihm ſchauen, um Charaktergröße zu lernen. Auf das Andenken dieſes wahrhaft großen und edlen Mannes laſſen Sie uns ein lautes Hoch! anſtimmen.“ Ihm folgte ein allgemeines, donnerndes Hoch, in welches die Muſik wirbelnd einfiel. Endlich ging die laut ſchmetternde Muſik in die Melodie des bekannten Rheinweinliedes über, das ſchon ſo oft bei ähnlichen Veranlaſſungen die Gemüther begeiſtert hat. Nach Abſingung deſſelben erhob ſich Herr Director Louis, und machte darauf aufmerkſam, wie in der letzten Strophe dieſes ſchönen Liedes die Worte: Und wüßten wir wo Jemand traurig läge, Wir gäben ihm den Wein — einen ſchönen Zug des deutſchen Gemüthes ausſprächen, das auch in der größten Freude der leidenden Brüder nicht vergäße. Auch das heutige Feſt, das uns mit hoher Freude erfülle, erinnere uns an trauernde Brüder, welche ſich nicht mehr des ungeſtörten Beſitzes ihres koſtbaren Kleinodes, das ſie mit ihrem Eide beſiegelt, erfreuen könnten. Aber auch dort hätten wackere Männer für die Erhaltung dieſes Gutes männlich gekämpft. Ihre Beſtrebungen, wenn ſie auch nicht mit ſieg— reichem Erfolge gekrönt geweſen ſeien, verdienten Anerkennung, und dieſen Vertheidigern des Rechtes und der Heilighaltung geſchworener Eide bringe er ein Hoch aus. Im Geiſte der Verſammelten dankte Herr Winter, Vater, mit folgenden Worten: [Dem Herrn Director Louis ſei mein Dank laut ausge— ſprochen, dafür daß er es gewagt hat, was ich in einem — 103 — meiner Trinkſprüche nur verdeckt berührte (ſ. u. S. 106), heute hier unter uns namentlich und laut auszuſprechen! Ich reiche ihm daher meine Hand zum Danke, daß er der Verhältniſſe Hannovers namentlich in ſeinem Toaſt gedachte, in welchen auch ich gerne und alle Anweſenden mit eingeſtimmt haben. ] Weitere Trinkſprüche waren: Von dem Herrn Abgeordneten Poſſelt: Meine Herrn! — Wenn ich jetzt erſt mich erhebe, um aus der Fülle meines Herzens dem Andenken eines Mannes ein Hoch zu bringen, das bei Ihnen Allen den lebhafteſten, innigſten Anklang finden wird, ſo thue ich es nur deßhalb ſo ſpät, weil ich erwartet hatte, daß es von bedeutſamerer, beredterer Zunge geſchehen werde. — Ich nenne den Namen Winter's, jenes hochgeſtellten, erleuchteten, für das Wohl ſeiner Mitbürger begeiſterten Mannes, deſſen Andenken bei unſeren Kindern und ſpäten Enkeln im Segen und ewig unvergeßlich bleiben wird. 0 + Das Andenken des Staatsminifters Winter ſegnen wir, ehren wir immer und immer hoch, hoch, hoch! Von Herrn Küchler: [Meine Herrn! Unmittelbar an den dahingegangenen Winter erlauben Sie mir einen andern anzureihen, der noch lebt, unter deſſen grauem Haupte noch ein jugendlicher Früh— ling glüht. Nicht dem Miniſter Winter gilt mein Trinkſpruch, ſondern dem Abgeordneten Winter, der wie jener, an der Wiege unſerer Verfaſſung ſtand und gleich beim erſten Land— tage als einer der rüſtigſten Kämpfer auftrat. Wohl ziemte es ſich, unter uns des Todten zu gedenken, der ſich einen Platz des Andenkens in dem Herzen jedes Badeners erworben hat. Möchte er noch an der Spitze der Geſchäfte ſtehen! — Wäre er noch am Leben, es hätte jene — 104 — häufigen Mahnungen an Eintracht und gegenſeitiges Vertrauen, die wir heute gehört haben, nicht bedurft. Eintracht und Vertrauen würden dann nicht unter uns verſchwunden ſein. — Aber neben dem, leider Todten, laſſen Sie uns auch des Lebenden gedenken, den wir hier in unſerer Mitte verehren. Unſerem ehemaligen Abgeordneten Winter, dem Greiſe mit Jugendkraft, dem nimmer müden Kämpfer für Freiheit und Recht, unſerem Vater Winter ein dreifaches Hoch!!] Zwei Toaſte von Studirenden. Der Erſte hieß: „Neben der Verfaſſung, unſerm heute gefeierten, unſchätz— baren Kleinode, welches uns unſere Volksrechte, unſere Men— ſchenrechte ſichert, — neben der Verfaſſung, die, ſo Gott will und wir feſt bleiben, in einer kräftigen Entwickelung uns noch manches heiß Erſehnte bringen ſoll und wird, — neben ihr gelte unſer jetziger Zuruf hauptſächlich den Män— nern, Alten und Jungen, Todten und Lebendigen aller Stämme und aller Länder, welche von jeher in den der Wahrung jener Rechte geweihten Räumen ihrem heiligen Berufe treu geblieben ſind, und ihre Ueberzeugung unerſchütterlich verthei— digt haben; — namentlich aber Jenen, deren Einigkeit nie aufgelöſt werden konnte, deren freies Wort ſich nie beherrſchen ließ, die in allen Wechſelfällen ſich ſelbſt ihr Recht vindizirten, da zu ſitzen, wohin das Vertrauen ſie berufen hatte, und deren kräftige Stimme ſich ſtets in unerſchrockener Conſequenz ausgeſprochen hat. Mögen ihre Worte nimmer des frucht— baren Bodens ermangeln! Trotz dem Raſirmeſſer der Cenſur ſind ihre Worte begeiſternd von Land zu Land gedrungen, und was man vom Rheine her vernommen, ſchallt in tauſend— fachem Widerhall von der Oſtſee und Nordſee zurück! — Möge das Feuer, welches in ihnen lebt, manches Samen— körnlein, das noch in kaum halb bewußtem Zuſtande ſchlum— mert, erwecken und zu kräftiger Entwickelung und nutzreicher Fruchtbringung beleben. Allen unſern wackern Volks vertretern von 1819 an ein Lebehoch!“ — 105 — Der Zweite, der ebenſo wie dieſer mit ſchallendem Beifall aufgenommen wurde, lautete: „Dem Fallen aller Schranken, welche unſere ſittliche und politiſche Entwickelung hemmen, dem hellen Prometheusfunken der Einheit — nicht dem trüben Laternenlichte, welches die Diplomatie als Abwehrſchild über Land und Waſſer hinaus— reckt], (dies blendet nur Fledermäuſe und Motten), nein! dem hellen Sterne, dem immer klarer werdenden Bewußtſein der Nothwendigkeit einer Einheit Deutſchlands — dem großen, freien, Einen Deutſchland!“ Von Herrn Küchler: „Bei dem heutigen Feſtzuge hatte ich die Ehre, die ſtudi— rende Jugend, die an demſelben Theil nahm, zu geleiten. Erlauben Sie mir, meine jüngeren Freunde, einige wohl— gemeinte Worte, Worte der Warnung, an Sie zu richten. Leicht wird das Herz des Jünglings von allem Großen und Schönen ergriffen, und nie pocht es ſtärker, nie wallen ſeine Pulſe feuriger, als bei dem heiligen Namen der Frei— heit. Wehe dem, den eine ſolche Begeiſterung nicht erfaßt, oder in deſſen Bruſt ſie erlöſchen kann! Aber, meine Herren, die Flamme die zu hoch aufſchlägt, erliſcht bald, und mehr auch die überſprudelnde, nachhaltloſe Begeiſterung, die wie ein Champagnerrauſch ſchnell verfliegt und nur Hefen zurück— läßt. — Mäßigung iſt es, meine jungen Freunde, die ich Ihnen empfehle, Mäßigung, damit die Begeiſterung nachhal— tig bleibe, und das ganze Leben hindurch die Bruſt erwärme! — Mäßigung rufe ich Ihnen aber auch noch aus einem anderen Grunde zu. Leicht überſieht die Jugend die uns gezogene Schranke des Geſetzes und verliert, zum Himmel aufſtrebend, den feſten Boden des Rechtes unter ihren Füßen. Ich habe das Recht und die Pflicht, Ihnen dieſes in ſo feier— licher Stunde zuzurufen. Auch ich ward einſt von jener Jugendbegeiſterung hingeriſſen, die den bedächtigeren Sinn verachtend, alles Beſtehende gering ſchätzt, jede Schranke — 106 — überſpringen, jedes Hinderniß, das den ſchönen Planen und Träumen oft unausführbarer Staatseinrichtungen im Wege ſteht, vernichten zu müſſen glaubt. Ich habe jene ſchönen Träume bitter gebüßt, und manches Schickſal iſt über mein Haupt hingegangen, bis aus Täuſchung und Enttäuſchung die ruhige und feſte Ueberzeugung hervorging, daß nur auf dem feſten Boden des Rechtes unter dem Schilde, und mit dem Schwerte des Geſetzes für den Fortſchritt für Freiheit und Glück des Vaterlandes gekämpft werden kann. Es iſt nicht die Bedenklichkeit des Alters, die mich ſolche Worte an Sie richten läßt; denn Sie ſehen, ich bin ſelbſt noch jung und hoffe, wenn das Vaterland zum Kampfe rufen wird, das Schwert noch mit rüſtigem Arme handhaben zu können. Es iſt die Liebe, die wahre Liebe zur guten Sache und zu Ihnen, meine jungen Freunde. Sie werden ſie nicht verkennen. [Der Streiter, der im Kampfesübermuthe die Reihen ver— läßt, und ſich blind in die Feinde ſtürzt, geht nutzlos verloren. Die Schaar, die in gleichem Schritte und geordneter Linie vorwärts ſchreitet, wird ſiegen. Vorwärts, meine Herren, vorwärts iſt unſere Loſung. Aber vorwärts in geſchloſſenen Reihen und mit beſonnenem e keine Lücke, keine Blöße dem Feinde bietend. Darum ein Hoch dem Fortſchritte, dem Fortſchritte auf dem Boden des Rechtes, dem ſteten Fortſchritte unter dem Schilde und mit dem Schwerte des Geſetzes. Hoch!“ Wir ſchließen mit folgendem Trinkſpruche von Herrn Winter, Vater: „Verehrte Herren und liebe Mitbürger! Wir haben mit Ruhm, Lob und Dank des Schöpfers unſerer Verfaſſungs— Urkunde gedacht. Gedenken wir auch ehrend und in gerechter Dankbarkeit des Großherzogs Ludwig. Meine hieſigen Freunde und Mitbürger werden mir das Zeugniß geben, daß aus meinem Munde nie eine Lobhudelei gekommen iſt. Zwar habe ich von einem der Redner hier den Namen Ludwig — 107 — ausdrücklich ausſprechen hören, es ſchien mir auch, als ſeie damit der hochſelige Großherzog Ludwig gemeint geweſen, aber nur ſo beiher deſſen gedacht worden. Auch Ihm, dem Großherzog Ludwig heute ein ehrendes Andenken! Er hatte das Verdienſt, die Freude, den Ruhm, unſere Ver— faſſung ins Leben zu führen, und ich erlaube mir, Sie heute darauf wieder aufmerkſam zu machen, mit welcher ſchönen Anſicht, mit welcher guten Geſinnung Er, der Verewigte, es gethan hat, denn wir können und ſollen es rühmen, daß in der ganzen Reihe der badiſchen Regenten nie Einer ein Despot war. Ich erlaube mir, Ihnen die Eingangsworte des Reſeripts, mit welchem Großherzog Ludwig bald nach ſeinem Regierungs— antritt die Abgeordnetenwahlen am 23. Dezember 1818 zum erſtenmale im badiſchen Lande angeordnet hat, vorzuleſen und wieder in Erinnerung zu bringen, ſie ſind für uns ſehr wichtig, und ich will wie ein Seher reden und heute ſagen: ſie ſind für Baden ſehr bedeutend und werden es über kurz oder lang noch mehr werden, zudem ſind es Fürſtenworte, an die man ſich ja halten ſoll und halten kann: „Ludwig von Gottes Gnaden, Großherzog zu Baden, Herzog zu Zähringen, Landgraf zu Nellen— burg, Graf zu Hanau ꝛc. Im Augenblicke, da Wir zum Vollzug der Wahlen, für die beiden Kammern Unſerer Landſtände, die nöthigen Anordnungen tref— fen, iſt es Uns angenehm, die gewiſſe Hoffnung nähren zu können, daß alle Unſere Unterthanen, durchdrungen von der Wichtigkeit des Gegenſtandes, ſchon bei dieſem erſten Acte, der aus der Landes ver— faſſung hervorgeht, ein gründliches Zeugniß ibrer Reife für eine repräſentative Verfaſſung ablegen werden.“ Ein hochgeſtellter Mann im Staate hatte einmal in der zweiten Kammer unſerer Landſtande kühn zu behaupten gewagt: — 18 — „Baden habe keine repräſentative Verfaſſung, ſondern nur eine ſtändiſche“; ich will den Namen dieſes hochgeſtellten Mannes hier jetzt mit Stillſchweigen verehren, aber man hätte ihm jene Fürſtenworte gleich entgegen halten ſollen; warum es nicht geſchehen, weiß ich nicht. Unſer Wahlgeſetz iſt wie unſere Verfaſſungsurkunde vortrefflich, und eigentlich zu ihrer Belebung die ſchöne Grundlage. Neben anderen die Wahl— freiheit ſichernden Beſtimmungen, ertheilen Verfaſſung und Wahlgeſetz auch den Staatsdienern das unſchätzbare Recht, als Abgeordnete in die Kammer gewählt werden zu können. Ich hoffe, ſie werden es ſich nie wieder entreißen laſſen, nicht laut, nicht leiſe, in keinerlei Weiſe. Jener hochgeſtellte Mann, von dem ich ſchon geſprochen, ſprach auch einmal in der zweiten Kammer davon, „daß der deutſche Bund nur ein Bund der Fürſten unter ſich ſei“ ꝛc. Ich halte es nicht für erlaubt, zu bezweifeln, daß dieſer Bund auch im Völkerintereſſe geſchloſſen worden iſt. Jedenfalls aber ſollen ſich reichen, und reichen ſich nun auch die Völker, die deutſchen Stämme, zu einem gemeinſamen Bunde in ihrer Weiſe die Hände, durch die Eiſenbahnnetze, mit der Dampfſchiffahrt, und vor Allem durch den großen deutſchen Zollverein. Ich will Sie nicht mit anderen wohl— thätigen Früchten unſeres Verfaſſungslebens ermüden, es ſind derſelben heute ſchon viele wichtige uns genannt worden, viele haben wir noch zu erwarten. Nur einige Wünſche erlaube ich mir ſchließlich noch auszuſprechen, nachdem ich das viele Gute, was ſchon geſchehen iſt, dankbar anerkenne. Vieles iſt geſchehen auch für unſere geiſtigen Intereſſen, für unſere Hoch— ſchulen, für unſere höheren Bürgerſchulen, Lehranſtalten und Volksſchulen. Alles konnte nicht auf einmal geſcheben. Hoffen wir: daß in der Folge noch mehr geſchehen werde. Und ſo iſt mein 1. Wunſch: öffentliches und mündliches Verfahren. 2. Wunſch: es möchten endlich auch die Volksſchulleh— rer in der That eine ihren Leiſtungen, ihrem Berufe angemeſſene — 109 — Beſoldung erhalten, und nicht, wie bisher, leider nur einen geringen Taglohn von 24 kr. 3. Wunſch: eine die Militärlaſt erleichternde Land— wehrverfaſſung. 4. Wunſch: Wenn nun und nachdem unſere Literatur und namentlich unſere Tagesliteratur, die Tagesblätter, laäͤngſt bewieſen haben, daß ſie mit Sitte und Anſtand auch das Decorum nach Außen zu beobachten wiſſen, ſo hoffe ich und wünſche, daß man uns endlich das von Gott geſchaffene und uns mit Recht gehörende freie Wort, das man uns nur vorübergehend entziehen zu müſſen behauptete, wieder nicht ſchenken, ſondern zurückgeben werde. 5. Wunſch: es möchten unſere wahrhaft deutſchen Fürſten ſich vereinigen, des lieben Friedens wegen, im Bereiche Deutſchlands einen verfaſſungsloſen und rechtloſen Zuſtand ferner nicht zu dulden! So faſſe ich nun vorerſt Fürſt und Volk zuſammen, wie es ſein ſollte, — denn was wäre denn auch ein regierender Fürſt ohne ein Volk? — und bringe mein Lebehoch! allen Denen, die von Herzen heute mit uns dieſes große Feſt feiern, alfo dem ganzen badiſchen Volke ein dreifaches Lebehoch! IX. Weitere Feſte im Unterrheinkreis. Noch an vielen Orten dieſes Kreiſes fand die hohe Feier ſtatt, wenn auch nicht überall mit der gleichen allge— meinen Begeiſterung, welche die meiſten der vorgeſchriebenen Feſte durchwehte. Hier und da wirkten falſche Einflüſterungen, als ob die Regierung die Feier nicht gerne ſehe, während ſie das Gegentheil offen erklärt hatte; an einzelnen Punkten zeigte ſich auch, daß es noch Leute gibt, welche von dem Daſein der Verfaſſung wenig wußten. Doch ſind dieſer Ausnahmen ſo wenige, daß ſie nicht in Anſchlag kommen, ſondern im Gegentheile die Wahrheit noch ſtärker hervorheben, daß weitaus die große Mehrheit der Bürger die volle Bedeu— tung des conſtitutionellen Lebens erfaßt hat. Wir gedenken in kürzeren Umriſſen noch einiger Feſte, ohne bei jedem Einzelnen zu wiederholen, was allen gemein war, wie die Vorfeier, die Ausſchmückung der Häuſer, die Ordnung der Züge, Läuten und Schießen, Volksgeſang und Vertheilung der Verfaſſungsurkunde. In Philippsburg, wo ein Theil der Schuljugend im Zuge Lanzen mit den badiſchen Farben trug, hielt Bürger— meiſter Heintz die Feſtrede, nachdem das Lied: „Was iſt des Deutſchen Vaterland“ geſungen war. Bei dem Mahle im Einhorn verſammelten ſich gegen hundert Gäſte, Bürger und Beamte; doch war kein Bürgermeiſter aus dem Amtsbezirke erſchienen. Toaſte wurden ausgebracht auf die Großherzoge — 11 — Leopold und Carl, und (von H. Schumann) auf die Verfaſſung, ihr Gedeihen und die Erfüllung ihrer Verhei— ßungen. In Ladenburg fand ebenfalls eine beſcheidene Feier ſtatt! Ein Herr aus Mannheim ſoll einige Tage zuvor mit wichtig thuender Miene abgemahnt und geaußert haben, die Main⸗Neckarbahn, welche bei Ladenburg über den Neckar geführt werden ſoll, werde eine andere Richtung nehmen, wenn das Feſt dort begangen werde. Es war aber Niemand ſo dumm, dieſen Unſinn zu glauben. Die Dörfer Seckenheim, Käferthal, Sandhofen u. a. hatten Feſtlichkeiten veran— ſtaltet. — Aus Neckarbiſchofsheim wurde berichtet: Der Feier waren hier gewiſſe Hinderniſſe im Wege, über deren Nicht— berückſichtigung man ſich erſt ſpät vereinigen konnte; deſſen ungeachtet iſt es dem raſtloſen Eifer unſeres thätigen Bürger— meiſters gelungen, die Feier in einer Art, welche ihm alle Ehre macht, zu Stande zu bringen. Es mangelte nichts von Allem, was anderwärts zur Verherrlichung des Tages geſchah. In dem Zuge trug der jüngſte Bürger die Verfaſ— ſungsurkunde; die Zünfte und der Liederkranz hatten ſich angeſchloſſen, aus der Zahl der Staatsdiener waren die beiden Geiſtlichen und der Vorſtand des Amtsreviſorats der Einla— dung gefolgt. Auf dem Marktplatze wurde das Lied: „Was iſt des Deutſchen Vaterland“ geſungen. Der Bericht fährt dann fort: „Nach dieſem Liede ſprach unſer Mitbürger, Rechtsanwalt Hormuth, welcher die Tribüne beſtiegen hatte, zu den Ver— ſammelten über die Entſtehung und den Werth der Verfaſſung für Badens Bürger, las aus der Verfaſſungsurkunde die wichtigſten Stellen ab und brachte mit den Anweſenden dem Gründer der Verfaſſung ein dreimaliges Hoch. Hierauf ſang der Liederkranz das Lied: „Töne aus voller Bruſt.“ Nach Beendigung des Geſanges fuhr der Sprecher, indem er der = Me Abänderung der Verfaſſung im Jahre 1825 und deren Wieder— herſtellung durch unſern Großherzog Leopold, auf Veran— laſſung der Kammer vom Jahr 1831 gedachte, fort und rief mit der verſammelten Menge unſerm geliebten Landesfürſten, als Wiederherſteller der Verfaſſung, ein dreimaliges Lebehoch. Die Sänger ſtimmten nun das Lied an: „Stehe feſt, o Vater— land.“ Nachdem der Geſang beendigt war, theilte der Bürgermeiſter unter die Feſttheilnehmer eine Anzahl Verfaſ— ſungsurkunden aus, wonach ſich jene wieder in feierlichem Zuge zum Rathhauſe zurück begaben und hier unter Jubel und Muſik die Verfaſſungsurkunde deponirten. Mit den Fahnen wurden nach Beendigung des Zuges das Rathhaus und die äußerſten Häuſer des Städtchens und die Gaſthäuſer, in denen ſich die Bürger ſpäter verſammelten, geſchmückt. Eine Anzahl Einwohner wohnte einem Feſteſſen in dem Gaſthauſe zur Roſe, wo ſpäter auch der Liederkranz ſich einfand, und bis zum ſpäten Abend das Feſt verherrlichte und erheiterte, bei. Auch leuchtete am Abend auf dem höchſten Punkte unſeres Gebirges ein weithin erſichtliches Freudenfeuer. Es war ein ſchöner Tag, der in unſerer und unſerer Nach— barn Bruſt die Liebe zur Handhabung der den Bürgern Badens zuſtehenden verfaſſungsmäßigen Rechte und zur Erfül— lung aller geſetzlichen Obliegenheiten aufs kräftigſte wieder anregte und für alle Zeit ſtärkte.“ Aus Tauberbiſchofsheim meldet ein Schreiben: „Wenn wir auch das Verfaſſungsfeſt nicht mit der Leben— digkeit und in der Ausdehnung feiern konnten, wie dies in den meiſten andern Bezirken geſchehen iſt, ſo fehlte es doch nicht an der Ueberzeugung, daß auch uns die Verfaſſung eine Wohlthat iſt und bei fernerem Beſtehen und weiterer Entwick— lung immer mehr werden wird. Der anbrechende Feſttag wurde durch Muſik begrüßt, welche die Stadt durchzog. Gegen 8 Uhr wurde in der Pfarrkirche ein feierliches Hoch— amt gehalten, welchem alle Beamten, ſämmtliche Gemeinde— räthe und eine anſehnliche Volksmenge beiwohnten. Um Ein 1 Uhr zahlreiches Feſtmahl. Der Bezirksbeamte brachte einen paſſenden Toaſt aus, dem Muſik und Böllerſchüſſe folgten. Auch bei Uns wird dieſes, obſchon in beſchränkten Grän— zen gehaltene Feſt, nicht ohne gute Folgen bleiben. Der Bürger kennt die hohe Bedeutung deſſelben und entnimmt ſie noch weiter aus den Beſchreibungen der andern Bezirke und den dort gehaltenen Reden. — Er vergleicht den Jubel und die lebendige Theilnahme an dieſen Orten mit jenen zu Tau— berbiſchofsheim, und die gleiche Liebe zur Verfaſſung, die er mit andern Bürgern in ſich trägt, wird ihn auch beſtimmen, die würdige Haltung und die Verfaſſungstreue des ganzen Volkes zu theilen.“ — In Adelsheim, wo Bürgermeiſter Ernſt die Feſtrede hielt, wurde der Tag feſtlich begangen; Hr. Oberhofgerichts— rath und Obervogt Peter brachte dabei folgenden Trinkſpruch den Manen des Großherzogs Karl, des erhabenen Stifters unſerer Verfaſſung: Meine Herren! Die Verfaſſungsurkunde, wie ſie heute vor 25 Jahren aus der Hand dieſes weiſen Fürſten hervorging, [befriedigt noch nicht alle Anſprüche, welche an die Staatsordnung eines aufgeklärten Volkes gemacht werden können, und doch] wurde [fie] von den Badenern mit gerechtem Jubel, vom Auslande mit Bewunderung begrüßt. Denn ſie war es, die — eine der erſten in dem frei gewordenen Deutſchland, — dem Volk eine Wirkſamkeit bei der Verwaltung der großen Angelegenheiten des Landes einräumte, dem Volk, das bis jetzt wie unmündig behandelt war. f Die in der moraliſchen Natur des Menſchen tief begrün— dete Nothwendigkeit des Fortſchreitens iſt in dieſer Urkunde jo offen als feierlich zugeſtanden. Der hochherzige Urheber der Verfaſſung war, wie die Eingangsworte uns verkünden, von dem aufrichtigſten Wunſche durchdrungen, alle Staats— einrichtungen zu einer höhern Vollkommenheit zu 8 — 114 — bringen; und zu dieſem Ziele ſoll die Verfaſſungsurkunde den Weg bahnen. Zugleich wurde (im F. 64.) feſtgeſetzt, daß mit Zuftim- mung einer Mehrheit von zwei Drittel der anweſenden Ständeglieder einer jeden der beiden Kammern die Verfaſ— ſungsurkunde ergänzt, erläutert oder abgeändert werden kann. In ſolcher Weiſe, auf der einen Seite jedem übereilten Rütteln an dem Grundgeſetze vorbeugend, auf der andern Seite aber der unwiderſtehlichen Macht des Lichtes und der Geſittung vertrauend, hat der Großherzog Karl, auf deſſen Bildniß wir mit Begeiſterung ſchauen, den Keim der fried— kichen Entwicklung in die Verfaſſungsurkunde ſelbſt nieder— gelegt. ö Geſtatten Sie mir nun, meine Herren, daß ich Ihnen von dieſer Urkunde noch einige beſondere Stellen vorführe: Den F. 65, dahin lautend, daß zu allen — die Freiheit der Perſonen oder das Eigenthum der Staatsangehörigen betreffenden allgemeinen neuen Landesgeſetzen die Zuſtimmung der Kammern erforderlich iſt. In Zukunft wird alſo der freie Bürger des Staates nur unter ſolchen Geſetzen ſtehen, die er als gerecht und als nützlich ſelbſt erachtet, für die er durch ſeine erwählten Stellvertreter ſelbſt geſtimmt hat. Den $. 53. Des Inhalts: „Ohne Zuſtimmung der Stände kann keine Auflage ausgeſchrieben und erhoben werden;“ — zwar ein — im deutſchen Vaterland uralter Grundſatz, der aber hier ſeine Sanktion von Neuem erhielt, und der in die Hände der Volksvertreter eine Gewalt legt, die mit Einſicht, Gewiſſenstreue und Feſtigkeit angewendet, für das allgemeine Wohl eine Fülle der wichtigſten Folgen erzeugen muß. Den F. 17 endlich, der im Einklang mit der Bundesakte, das Recht des Badeners auf Preßfreibeit anerkennt —; — 115 — dieſes Recht, mittelſt des Druckes ſich an Tauſende und an Tauſendmaltauſende ſeiner Mitmenſchen zu gleicher Zeit zu wenden und ihnen mitzutheilen, was man für wahr, für recht, für heilig hält, — auf Preßfreiheit, ſage ich, die aufrichtig geſchützt, für ſich allein, den Werth aller Conſtitu— tionen der Welt aufwiegt. Ja meine Freunde und Mitbürger! Die Verfaſſungsurkunde, welche der edle Karl uns hinterließ, ſie enthält genug, um die Bruſt des Badeners mit den glühendſten Empfindungen der Dankbarkeit und des Stolzes zu ſchwellen. Das Andenken dieſes Fürſten lebe ewig hoch! Herr Amtsphyſikus Metzger brachte ein Hoch dem Groß— herzog Leopold, dem Wiederherſteller der Verfaſſung; Bür— germeiſter Ernſt dem ganzen Vaterlande, ſeiner Verfaſ— ſung und den würdigen Vertretern des Volkes. Auch in Sins heim und dem Städtchen Neudenau fanden Feſtlichkeiten ftatt; dagegen haben wir aus Buchen, Walldürn, Wertheim, Borberg und Krautheim — meiſt ftandes- und grundherrliche Gebiete — keine Nachricht erhalten. Cs waren aber viele Männer aus dieſen Bezirken in andern Orten anweſend, und mehrere hatten ſogar den weiten Weg nach Mannheim nicht geſcheut, um Zeugen zu fein von der Jubelfeier der Verfaſſung. Wahrhaft erfreulich lautet dagegen aus jenem Landestheile ein Bericht aus Merchingen im Baulande, welchen wir zum Schluſſe dieſes Abſchnittes mittheilen. Morgens 8 Uhr zog die Gemeinde Merchingen, nachdem der mit einer geſchmackvollen Fahne verſehene und feſtlich geordnete Liederkranz des würtembergiſchen Ortes Schön— thal mit Muſik eingeholt worden war, und nach feierlicher Aufnahme mehrerer Bürger von den benachbarten Orten Ballenbergr und Erlenbach in den Feſtzug, der nur eine Viertelſtunde entfernten Gemeinde Hüngbeim entgegen. * Zu Wahrhaft rührend war nun der Anblick, wie ſich bie Feſtzüge der beiden Gemeinden, jeder in gleich ſchöner Ordnung, voraus der Gemeinderath und Bürgerausſchuß, dann die. Lehrer mit der Schuljugend, hernach die Fahne, dann die ſieben mit weißen Kleidern und rothgelben Abzeichen und kleinen Fähnlein geſchmückten Kinder, von welchen ſechs das mit Blumenkränzen gezierte Prachtexemplar der Verfaſſungs— urkunde tragende in ihrer Mitte führten; hierauf die Vetera— nen und endlich die Bürger im Sonntagsgewande und die übrigen Feſttheilnehmer, alle das gedruckte Feſtlied in der Hand, und Alle in den großartigen, durch das Thal gewaltig hinſchallenden Chor einſtimmend, auf der Gemarkungsgränze einander begegneten; wie dann die beiden Bürgermeiſter hervortraten, der von Hüngheim ſprechend: „Die Bürger von Hüngheim entbieten den Bürgern von Merchingen ihren Gruß und erklären, den hohen Feſttag mit ihnen in Gemeinſchaft feiern zu wollen,“ ſich die Hände reichten, während vom Sängerchor das Mozart'ſche „Brüder reicht die Hand zum Bunde“ ertönte. Dies Alles konnte Niemand ſehen, ohne im Innerſten ſeines Herzens ergriffen zu werden. Nun bewegte ſich der Doppelzug nach dem Orte Merchingen und hier durch die Hauptſtraßen bis auf den Feſtplatz unter ſtetem Glockengeläute, Böllerdonner und Geſang des Feſtliedes mit abwechſelnder Muſikbegleitung. Im Hintergrunde des Feſtplatzes war eine ſehr geſchmack— volle, unter Leitung des Bezirksförſters Müller zu Mer— chingen erbaute Pyramide von ungefähr 30 Fuß Höhe errichtet, und vor derſelben eine ſchön geſchmückte Rednerbühne ſo ange— bracht, daß ſie mit jener ein ſehr gefälliges Ganze bildete. Die beiden wallenden Fahnen mit der badiſchen Hausfarbe wurden zu beiden Seiten der Gemeindefahne an der Spitze der Pyramide aufgeſteckt. Bürgermeiſter Etzel von Merchingen, der thätige Beför— derer des ganzen Feſtes, beſtieg nun zuerſt die Rednerbühne, und legte in einem ausführlichen Vortrage mit feſter, lauter Stimme den Begriff, den Werth und durch Vorleſen der wid): tigften $$. aus den verſchiedenen Titeln der Verfaſſungsurkunde, den Inhalt derſelben und eine kurze Geſchichte ihrer Entftehung und ihrer Entwickelung klar vor Augen. Das am Schluſſe der Rede auf Großherzog Karl ausgebrachte Hoch wurde zuerſt vom Volke mit Begeiſterung aufgenommen, und dann noch einmal mit kunſtgerechtem Vortrage vom Sängerchore in dem „Toaſt“ von Meth ſeſſel wiederholt. Nachdem nun noch von demſelben Sängerchore Uhland's „Dir möcht' ich dieſe Lieder weihen, geliebtes deutſches Vaterland u. ſ. w.“ vorgetragen worden war, beſtieg Oekonom Kar! von einem benachbarten Hofe, Marienhöhe genannt, ein freiſinniger, wackerer Churheſſe, der ſich mit aller Liebe für das ganze Feſt intereſſirte, die Rednerbühne, und ſprach in. deutlichem Vortrage zuerſt über Veranlaſſung und Bedeutung des Feſt— tages, dann von der Nothwendigkeit einer ernſtern und regern Theilnahme, von mehr Bürgerſinn und Gemeingeiſt im Volke ſelbſt, damit der Segen der Verfaſſung einen fruchtbaren Boden finde und gedeihen könne. Sein am Schluße der Rede ausgebrachtes „Hoch“ auf die Verfaſſung wurde mit derſelben Begeiſterung aufgenommen und erwiedert, wie der erſte. Der tiefe Eindruck, den die Redner auf die Zuhörer aus allen Ständen gemacht haben, war ſichtbar, allgemein der Aus— druck der Zufriedenheit und des Wohlwollens. Der Sängerchor trug nun noch, abwechſelnd mit Vorträgen der Inſtrumen— talmuſik, paſſende vierſtimmige Geſänge vor, und zog dann in Begleitung Derjenigen, die ſich zu einem Feſteſſen verei— nigen wollten, ſingend vor das Gaſthaus zum Adler, welches am Eingange und im Speiſeſaal feſtlich geſchmückt war. Das Eſſen, an welchem gegen 60 Perſonen, unter dieſen auch willkommene Gäſte aus dem benachbarten Königreich Würtemberg, Antheil nahmen, wurde gewürzt durch die Chöre und Quartetten der Sänger, ſo wie durch die Toaſte, die in großer Anzahl ausgebracht wurden; unter dieſen: auf unſern Großherzog Leopold, auf Würtemberg, auf die zweite Kammer, auf Herrn v. Itzſtein u. ſ. w. — 18 — Frohſinn, heitere Laune und feſtfeierliche Gemüthsſtimmung wechſelten mit ernſten Geſprächen und heitern Scherzen, das geſellſchaftliche Vergnügen dieſes Tages vollkommen zu machen. Wie im Leben ſelbſt, ſo waren hier in dieſer Geſellſchaft alle Stände und alle Anſichten über Kirchen- und Staatsleben vertreten; verſchieden im Amte und in den Gaben war Alles eins im Geiſte, im Geiſte der Liebe zu Volk und Fürſt, zu Recht und Geſetzmäßigkeit, zur conſtitutionellen Entwicklung des ſocialen Lebens. Die gemeinſchaftliche Feier der rein evang. proteſtanti— ſchen Gemeinde Merchingen und der rein kathol. Gemeinde Hüngheim zeigte zugleich, wie dieſe benachbarten Gemeinden ohne alles confeſſionelle Entgegenſein mit einander in Liebe und Eintracht leben, und daß die Verſchiedenheit in der Gottes— verehrung niemals die Einheit in warmer Theilnahme für die Intereſſen des Vaterlandes aufheben oder nur ſtören könne. . Zweite Abtheilung. Verfaſſungsfeier im Mittelrheinkreis. Yo num 5 a.” E73 = * 1 1 * * ih 5 „ r 8 N IR an ö E „ “ . 3 - u „ Er „ * 5 * * 8 * va Pro . * J. Bruch al. Hier war, außer den gewöhnlichen Anordnungen, am Vorabende das Rathhaus erleuchtet und ſinnig geſchmückt. Unter Anderm ſah man am oberſten Stockwerke in Transparent die vier Kreiſe (Seekreis, Ober-, Mittel- und Unter-Rhein⸗ kreis), in deren Mitte ein Bündel Pfeile, mit dem Eichen— kranz und den Landesfarben umgeben, auf die Kraft der Einigkeit deutete. Darüber prangte das Stadtwappen und unter demſelben eine Tafel mit der Inſchrift: Wir ſind ein einig Volk von Brüdern, In Pflicht und Treue wie in Rechten gleich. Die Fenſter des mittleren Stockwerks trugen den Namen Karl, umgeben mit einem Blumenkranze in Brillantfeuer, in der Mitte das badiſche Wappen, darunter eine große Gedächtniß— tafel, die Eingangsworte der Verfaſſung enthaltend, und auf beiden Seiten innerhalb der Thor-Niſchen von einem Strahlen— lichte und Kränzen umgeben, die Bildniſſe der Großherzoge Karl und Leopold. Vor denſelben loderte auf vier Säulen griechiſches Feuer, welches das Ganze zauberiſch beleuchtete. Der Feſtzug, bei welchem die Verfaſſungsurkunde, von zwölf Mädchen mit Kränzen umgeben, vorangetragen wurde, erſtreckte ſich in bedeutender Länge; faſt alle bürgerliche Beamten nahmen Antheil. Nach dem Gottesdienſte kehrte der Zug auf das Rathhaus zurück, wo Gemeinderath Sieber folgende Rede hielt: 10 ; 2911 A . . Wichtig und von höchſter Bedeutung iſt der Tag, zu deſſen Feier Sie heute verſammelt ſind. Dieſe Feier gilt der Erinnerung an einen Tag, an welchem den badiſchen Staats— bürgern ihr höchſtes Gut, die Verfaſſung, von einem Fürſten verliehen wurde, deſſen hochherzige Geſinnung ihn antrieb, lieber ein freies Volk nach feſt beſtimmten Grundſätzen zu regieren, als über eine Maſſe von willenloſen Menſchen zu herr ſchen. Darin gerade liegt der Vorzug der konſtitutionellen Mo— narchie vor dem abſoluten Königthume, daß dort der Staat als der Verein freier vernünftiger Menſchen, die zur Ver— folgung der höchſten Zwecke des Menſchengeſchlechtes zuſam— mengetreten ſind, erſcheint, in welchem die Staatsgewalt den fortwährenden Auftrag hat, im Namen der Geſammtheit und unter Mitwirkung derſelben, beziehungsweiſe ihrer Vertreter, dieſe Geſammtheit zu regieren und auf Erreichung der Staats- zwecke hinzuwirken, während in dem abſoluten Königthume die höchſte Gewalt als das Geſetz erſcheint, und nur dieſe ein Recht hat, während die zum Staate vereinigten Mitglieder nur Pflichten haben und der oberſten Staatsgewalt unter— worfen ſind. 7 Eingedenk der feierlichen Verheißungen, welche die Herr: b ſcher ihren Unterthanen gaben, als es galt, den vaterländiſchen Boden von fremder Gewaltherrſchaft zu befreien, eingedenk des Fürſtenwortes, welches die Völker in den großen Kampf rief, in den Kampf, der nicht blos der Befreiung von der Macht des fremden Eroberers galt, ſondern in welchen die Völker laut des Verſprechens ihrer Fürſten die innere bürger— liche Freiheit, die ſie im Drange der Zeiten verloren hatten, durch ihren Sieg wieder erringen ſollten, knüpfte der hoch— berzige Großherzog Karl, als er ſchon in nicht großer Ferne den Tod herannahen ſah, noch ein Band, das ihm auch nach dem Tode noch die Liebe ſeines Volkes verſichern mußte. Gleichwie ſein erhabener Aeltervater durch Aufhebung der Leibeigenſchaft, wodurch er fein badiſches Volk für eine + 1 rn vernünftige Freiheit vorbereitete, ſich einen Tempel der Unfterb- lichkeit in den Herzen feiner Unterthanen und ihrer Nach- kommen errichtete, ſo ſuchte ſein würdiger Enkel durch ein Staatsgrundgeſetz die bürgerliche Freiheit der Badener zu begründen, er ſicherte ihre ſtaatsbürgerlichen Rechte, unpar— teiiſche Juſtizpflege, gab dem Volke Antheil an der Geſetz— gebung, das Recht, die Staatsverwaltung hinſichtlich der voll— ziehenden Gewalt zu kontrolliren, und führte ſie ein in die Reihe der Völker, welche ihres göttlichen Urſprungs würdig ſind. — Heute, meine Herren und konſtitutionellen Bürger, ſind es 25 Jahre, daß jener würdige Nachfolger Karl Friedrichs im Bade Griesbach die Verfaſſung unterzeichnete, ein Staats- grundgeſetz, welches in ſeinen Hauptbeſtimmungen das Gepräge von Ideen trägt, welche dem ächten Repräſentativgeſetz hul— digen, und deſſen Ausbildung der kommenden Zeit überlaſſen war. Mit jubelndem Empfange wurde dieſe Verfaſſung im Lande begrüßt, ſie, die urſprünglich, wenn auch in Folge feierlichen Fürſtenwortes doch immer anfänglich als Geſchenk ertheilt wurde, und welche durch die Zuſtimmung aller ſeit— herigen Kammern um ſo mehr den Charakter einer vertrags— mäßigen erhielt, als auch ihrem Verſprechen eine Gegenleiſtung des Volkes, der muthige Freiheitskampf gegen fremde Gewalt— herrſchaft gegenüberſtand. Jubel, meine Herren, erfüllte vor 25 Jahren alle badiſchen Gauen, und knüpfte feſter das Band zwiſchen Fürſt und Volk, jubeln wollen wir auch heute, nachdem wir während eines Vierteljahrhunderts die Segnungen eines ſolchen Grundgeſetzes * genoſſen, nachdem wir unſere bürgerliche Freiheit durch die ſelbe beſtärkt, den Staatshaushalt geordnet, Handel und Gewerbe blühen ſehen. Erlauben Sie mir, meine Herren, Ihnen die Eingangs— worte der Verfaſſungsurkunde, aus welcher eine ächt wohl— wollende Geſinnung ihres Gebers hervorleuchtet, ſowie den - mM - zweiten Titel über die ftaatsbürgerlichen und politiſchen Rechte der Badener, den bei weitem wichtigſten Theil des Ganzen vorzuleſen: (dies geſchah ſofort.) Gleiche ſtaatsbürgerliche Rechte und gleiche Verpflichtungen, Schutz des Eigenthums und der perſönlichen Freiheit, Unab— hängigkeit der Gerichte in bürgerlichen Nechtsſtreitigkeiten ſowohl als in Criminalſachen, Freiheit des Gewiſſens und der Preſſe, dies ſind die Vortheile, welche unſer Staats— grundgeſetz uns bietet, deſſen Anwendung mit um ſo geringeren Schwierigkeiten verknüpft iſt, als eine freiſinnige Wahlordnung eine allgemeine Vertretung ſämmtlicher Staatsbürger ſichert, indem Jeder ohne Rückſicht auf Vermögens- oder Grundbeſitz bei der Wahl der Volksvertreter ſtimmberechtigt iſt. Wohl iſt der Zeitraum, ſeitdem wir unter dem Schirme einer ſolchen Verfaſſung leben, noch nicht ſehr groß, allein dieſer Umſtand, meine Herren, darf uns nicht abhalten, unſere Freude über ein Ereigniß kund zu geben, dem wir die geſetz— liche Feſtſtellung unſerer Rechte verdanken, von welchem an eine neue Epoche in unſerer Geſchichte beginnt. Iſt auch der Zeitraum, ſeit welchem unſer Staat unter die konſtitutionellen Monarchien gehört, noch nicht ſehr groß, ſo hat doch dieſer kleine Zeitraum ſchon zur Genüge bewieſen, daß unter dem Schirme dieſer Verfaſſung bürgerliche Freiheit emporblüht, daß Handel und Gewerbe in Aufſchwung kommen, und daß der Staatshaushalt geordnet wird, mit einem Worte, daß der Stifter der Verfaſſung ſich nicht getäuſcht hat, wenn er dadurch alle Staatseinrichtungen zur höheren Vollkommen— heit bringen wollte. Werfen wir einen kurzen Blick zurück auf das, was mit Hilfe unſerer Verfaſſung geleiſtet wurde, ſo wird uns, wenn auch noch viele Unvollkommenheiten ſich unſerm Auge zeigen, doch die Hoffnung beſeelen, daß den kommenden Geſchlechtern noch größere Segnungen bevorſtehen. — 125 — Ich erinnere Sie, meine Herren, an die Geſetze über Ablöſung des Zehntens und der Frohnden, wodurch die Land— wirthſchaft von hemmenden und drückenden Laſten befreit wurde, an die Gemeindeordnung und das Geſetz über die Rechte der Gemeindebürger, — Geſetze, die bei allen gebildeten Nationen als Muſter von Freiſinnigkeit gelten, die bei gehöriger An— wendung das Emporblühen des bürgerlichen Lebens zur Folge haben müſſen, — an eine Prozeßordnung, welche jede richter— liche Willkür verbannt, an das Expropriationsgeſetz, wodurch auf der einen Seite die Rechte des Eigenthümers geachtet, und auf der andern Seite die öffentlichen Intereſſen gewahrt ſind. Wenn auch das Geſetz, welches uns Preßfreiheit gewährte, wieder zurückgenommen wurde, wenn auch viele freiſinnigen Anträge der Volkskammer keine Erhörung fanden, ſo iſt doch hieran nicht unſere Verfaſſung die Schuld, ſondern andere Verhältniſſe traten hier in den Weg. In Ausſicht ſteht uns noch das Geſetz über Trennung der Juſtiz von der Adminiſtration, und dadurch Unabhängigkeit der richterlichen Gewalt von der vollziehenden; erwarten dürfen wir einen den Anforderungen der Zeit entſprechenden Strafeoder an die Stelle mittelalterlicher Geſetze, und eine Strafprozeßordnung, gegründet auf Anklageverfahren, Oeffent— lichkeit und Mündlichkeit, und damit ein Geſetz über die per— ſönliche Freiheit. Wenn wir ſolche Reſultate einer Repräſentativverfaſſung ſehen, ſo müſſen wir ſie als unſer heiligſtes Gut betrachten, denn ſie hat uns zu freien Bürgern gemacht, deren höchſte Gewalt das Geſetz iſt, und denen ohne ihre Mitwirkung kein neues Geſetz gegeben werden darf. Sind wir aber heute doppelt glücklich im Gefühle unſerer Rechtsſicherheit, ſo ſoll auch ihm der erſte Dank gelten, welcher uns dieſe Rechtsſicherheit verliehen hat, und indem ich Sie, meine Herren, bitte, ſtets treu und feſt an der Verfaſſung zu 2. MR halten, ſie zu pflegen und ihrer würdig ſich zu zeigen, lade ich Sie ein, dem Andenken des erhabenen Gebers ein Hoch zu bringen. Ja, dieſem Andenken, meine Herren, erſchalle ein donnern— des Hoch!! Nach dem Vortrage wurden 500 Exemplare der Verfaſ— ſungsurkunde vertheilt; die Schüler erhielten ein kleines Ge— ſchenk, den Armen wurde Brod und Fleiſch geſpendet. Bei dem Mahle im Gaſthofe zur Fortuna, fanden ſich gegen 150 Bürger aus der Stadt und Umgegend ein. In dem Saale erblickte man die Bildniſſe der Großherzoge Karl und Leopold, fo wie der Abgeordneten v. Itzſtein, Sans der, Welker, Hoffmann und Baſſermann, mit Blumen umwunden, dazwiſchen auf zwei Gedächtnißtafeln der zweite Titel der Verfaſſung. Der erſte Toaſt galt dem Wiederherſteller und Beſchützer der Verfaſſung, dem bürgerlich freundlichen Großherzog Leo— pold — ausgebracht von dem Abgeordneten der Stadt, Gemeinderath Schmidt. Den zweiten Toaſt brachte Herr Dr. Brentano, wie folgt: In dem Kreiſe konſtitutioneller Bürger, welche verſammelt ſind, das Wiegenfeſt einer freiſinnigen Verfaſſung zu feiern, bebt ſich die Bruſt des Patrioten und ſein Herz bewegt ſich mit verdoppeltem Schlage, wenn es ihm vergönnt iſt, von dem höchſten Gute des Staatsbürgers zu ſprechen. Wir haben heute Vormittag, als wir zur ernſten Feier verſammelt waren, die Betrachtungen über die Wichtigkeit des Tages vernommen, wir haben gelebt in der Erinnerung an die großen Vortheile, welche unſer Staatsgrundgeſetz uns bereits geboten, wir haben mit froher Hoffnung in die Zu— kunft geblickt, bei dem Gedanken an das Gute, das wir in politiſcher Beziehung noch erwarten. Wir wollen aber auch Man — jetzt, wo wir zur Jubelfeier verſammelt find, unfere Freude aussprechen darüber, daß wir Bürger eines konſtitutionellen Staates ſind, wir wollen jubeln über unſer eigenes Glück, und berzlich das Gleiche wünſchen unſern deutſchen Bruder— ſtämmen, welchen die Sonne ächt bürgerlicher Freiheit noch nicht aufgegangen iſt. Heute vor 25 Jahren, meine Herren, führte uns ein erhabener Fürſt durch einen Federzug ein in die Reihen der gebildeten Völker, nicht ferner mehr ſollten wir willenloſe Werkzeuge der Staatsmaſchine, nicht ferner ſollten wir rechtloſe Unterthanen ſein, — nein, der Stifter der Verfaſſung wollte nicht herrſchen über Unterthanen, er wollte regieren über ein mündiges Volk, dem er ſeine uralten Menſchenrechte wieder— gab, — das Recht: mitzuſprechen bei der Verwaltung der Staatsangelegenheiten, mitzuſtimmen bei den wichtigſten Fragen der Regierung. Er gab uns Theil an der Geſetzgebung, ſo daß das badiſche Volk nur nach den Geſetzen behandelt wird, denen es ſelbſt ſeine Zuſtimmung ertheilt. Um aber auch dieſe Rechte wirkſam ausüben zu können, um eine ächte ganz unverfälſchte Landesrepräſentation zu erzielen, ſind uns ausgedehnte Wahlrechte verliehen, ſo daß es in der Hand des Volkes liegt, die gehörige Handhabung der Verfaſſung zu ſichern. Aber, meine Herren, ſo wie der Stifter der Verfaſſung, welcher ſich in den Herzen ſeines Volkes ein unvergängliches Denkmal des Dankes geſetzt hat, dem Volke Rechte verlieh, welche vorher allein mit der Krone verbunden waren, ſo entäußerte er ſich damit auch eines Theils ſeiner Verantwort— lichkeit, welche natürlich auf diejenigen überging, deren Rechte erweitert wurden. Deßhalb, meine Herren, wenn es ſchon an und für ſich Pflicht der Menſchen iſt, auf der Stufe der moraliſchen ſowohl als der politiſchen Bildung voranzuſchreiten, iſt der Bürger eines conſtitutionellen Staates doppelt verbunden treu — 128 — zu halten an ſeinem Palladium, ſeine Verfaſſung zu hegen, ängſtlich und eiferſüchtig über ihre Beobachtung zu wachen, um ſo mehr als wir auch die Pflicht auf uns haben, den kommenden Geſchlechtern ihre Vortheile in vergrößertem Maß— ſtabe zu überliefern. Unſere Verfaſſung iſt gegründet auf ächt konſtitutionelle Ideen; vollkommen, meine Herren, iſt ſie aber nicht, doch iſt durch ſie ſelbſt der Weg zu ihrer Ausbildung gebahnt, und darum wollen wir uns geloben, ſie zu achten, zu ſchützen und für ihre Wirkſamkeit auf jedem geſetzlichen Wege zu wirken, hauptſächlich durch die Wahl wackerer und unabhängiger Volksvertreter. So bringen Sie denn, meine De unſerm höchſten Gute, unſerer von ſo vielen ſegensreichen Folgen begleiteten Ver— faſſung einen Jubelruf, rufen Sie mit mir aus deutſcher Bruſt: Unſere Verfaſſung, hoch! Hierauf brachte Herr Sieber folgenden Toaſt aus: Meine Herren! Obſchon die Herren Redner vor mir, all die Wohlthaten und guten Eigenſchaften der Verfaſſung, deren 25jähriges Alter wir heute zu feiern ſo glücklich ſind, zur Genüge hervor— gethan haben, ſo glaube ich doch noch Folgendes beifügen zu dürfen. — Es iſt für uns, meine Herren, ja für die ſämmt— lichen Bewohner unſeres Vaterlandes von großer Beruhigung, wenn wir in der erlauchten Perſon unſeres Landesvaters, S. königl. Hoheit des Großherzogs Leopold, den Beſchützer und Bewahrer dieſes Kleinods erſehen, und Sie, meine Herren, ja das ganze Vaterland wird dies mit mir dankend anerken— nen. Nicht minder, meine Herren, muß ich Sie auf unſere Volksrepräſentanten aufmerkſam machen, die in jeder Beziehung das Vertrauen derjenigen, von welchen fie zu einer ſo wichti— gen Stellung berufen ſind, rechtfertigen, und Sie, meine Herren, werden mit mir ſchon ſehr oft ſich zu überzeugen Gelegenheit gehabt haben, daß dieſen braven Männern kein Opfer zu groß, ja, kein Verluſt zu herb iſt, wenn es dem Rechte des Volkes gilt. Es wäre nur zu wünſchen, daß wir uns endlich einmal auf dieſer Stufe befänden, all' die Wohl: tbaten und den großen Nutzen einzuſehen, der aus einer wackern Volkskammer hervorgeht, es würden alsdann die bos— haften Stimmen von ſelbſt verſtummen, die da ſagen, die Land— ſtände koſten das Land nur Geld und fruchten dem Volke nichts; meine Herren, ich füge meiner zwar wortarmen, jedoch nicht ganz gehaltloſen Rede ein Symbol bei, das heißt: Einigkeit! Verbannung aller Parteiſucht! dadurch glaube ich, das Ziel zu erreichen, nach welchem ächt konſtitutionelle Bürger ſtreben müſſen. Ich erlaube mir, meine Herren, dieſen wackern, dieſen unermüdlichen und unerſchrockenen Volksmännern, den badiſchen Volksvertretern, aber auch denen außerhalb unſeres Vaterlandes, insbeſondere denen von Sachſen, ein Hoch zu bringen. Unter den weiteren Trinkſprüchen gedenken wir des von Herrn Gemeinderath Jung ausgebrachten Hoch auf die Preßfreiheit, mit der Mahnung, keine Gelegenheit vorbei— gehen zu laſſen, ohne das Begehren der Bürger für die Befreiung der Preſſe von der Cenſur öffentlich auszuſprechen; ſchließlich brachte Hr. Dr. Brentano ein Hoch auf den Abgeordneten v. Itzſtein, der ſeit langer Zeit unter den vorderſten Kämpfern für die gute Sache und als kräftiger Vertheidiger gegen Eingriffe in die Verfaſſung ſteht, von dem der Antrag auf Wiederherſtellung der Verfaſſung (1831) und die Erklärung gegen die verſuchten Beſchränkungen der Wahlfreiheit (1842) ausgingen. Dieſer Toaſt wurde mit ſtürmiſchem Jubel aufgenommen und das Feſt ſchloß als ein ſchönes Zeichen der verfaſſungstreuen Geſinnung, welche die Bürger der Stadt Bruchſal beſeelt. 7 II. Durlach. Das Feſt in Durlach, der wohlhabenden, gewerbſamen Stadt, darf, ſowohl was die äußern Anſtalten, als was den würdigen Sinn und warmes Gefühl betrifft, jedem andern an die Seite treten. Ohne durch Beſchreibung der Feſt— anftalten zu wiederholen, was in andern Städten vorgekommen, tbeilen wir folgende Reden und Toaſte mit. Auf dem Feſtplatze vor dem Schloſſe redete Bürgermeiſter Morlock zu dem zahlreich verſammelten Volke: Hochverehrliche wertheſte Verſammlung! Unſer geliebtes Vaterland begeht heute ein hochwichtiges Feſt. Fünf und zwanzig Jahre ſind dahin gegangen, ſeit der unvergeßliche Großherzog Karl, der theuere Enkel Karl Friedrichs, eine Verfaſſung unterzeichnete, nach welcher er das Land zu regieren heilig verſprach und ſeinen erhabenen Nachfolgern zu regieren zur unverbrüchlichen Pflicht machte. Wie viel Heil dieſe Verfaſſung dem Vaterland brachte, zu welchem Woblftand fie es erhob, wie viel jeder Staats- und Gemeindebürger durch dieſelbe gewonnen hat, das kann nur von Undankbaren verkannt werden. Mit tiefem Schmerzgefühl müſſen wir es beklagen, daß der fürſtliche Stifter den Tag nicht erlebte, wo ihre Wirkſam keit ins Leben überging, und daß er der ſchönen Früchte ſich nicht mehr erfreuen durfte, welche ſein Conſtitutionsgeſetz — 131 — bezweckte. Ihm werde die gerührte Anerkennung aller jetzt lebenden Bewohner Badens, unſerer Kinder und Enkel zu Theil! Was er dem Ziele ſeines Lebens ſo nahe noch wollte, das hielt ſein Nachfolger in der Regierung, Großherzog Lud— wig, ſein Oheim, in Ehren, und erklärte ſich als den erſten, welchem dieſe Conſtitution heilig ſein müſſe. Und mit welcher gewiſſenhaften Sorgfalt der jetzt regierende Großherzog Leo— pold dieſes erſte Statut würdigte, das verſtehen Alle, welche ſein edles Herz kennen, das für das Wohl des Landes und ſeiner Bewohner ſchlägt. Darum ſteigert ſich aber auch die Liebe und Anhänglichkeit an ihn und an das erhabene Re— gentenhaus und wir Alle ſind bereit des Fürſten unermüdetes Wirken für das Geſammtwohl mit einer Treue zu ehren, die der Tod beſiegelt, wenn es Noth thut. Im Genuſſe dieſer heilbringenden Verfaſſung ſteht das Vaterland, ſtehen auch wir nun 25 Jahre und indem wir zurückblicken auf das, was ſie herbeiführte, was durch ſie gefördert und feſtgeſtellt worden iſt, ſchwebt uns Karl, der Stifter derſelben, vor Augen und erſcheint uns am politiſchen Himmel als einer der hellglänzendſten feurigſten Sterne. Und indem unſer Auge alle Staaten im deutſchen Vaterlande der Reihe nach überblickt, preiſen wir unſer geſegnetes Baden als eines der glücklichſten Länder, denn freudiges Leben und Wirken begegnet unſern Blicken vom Bodenſee bis an die Ufer des Mains und des Neckars, des Landes Wohlſtand mehret ſich, immer neue Erwerbsquellen werden ihm geöffnet, Landbau, Handel und Gewerbe blühen, die Künſte gedeihen, die Wiſſen— ſchaften werden geſchätzt und Gerechtigkeit und Friede herrſcht in Hütten und Paläſten. Darum feiern wir das erſte Jubelfeſt der Conſtitution im Hochgefühl der reinſten Freude, darum feiern daſſelbe die Beamten des Staats, der Kirche und Schule, die Bürger der Städte und Dörfer. 9 * — 132 — Ja! Ihm, dem verklärten Stifter der Verfaſſung, wünſchen wir die Vergeltung des Himmels. Ihm bringen wir den Dank unſerer Herzen. Aus tauſendfachem Munde der feſtlich Verſammelten töne es darum jetzt wieder, wenn ich dem Andenken an Großherzog Karl ein dreimaliges Hoch! weihe. Die hierauf in der evangeliſchen Stadtkirche von Herrn Pfarrer Sachs gehaltene Predigt können wir, ihres trefflichen Inhaltes wegen, zwar nicht vollſtäͤndig, aus Mangel an Raum, doch im Auszuge mittheilen. — Als Tert war gewählt: Ev. Lucä, Cap. 12. Vers 48. Welchem viel gegeben iſt, bei dem wird man viel ſuchen; und welchem viel befohlen iſt, von dem wird man viel fordern. Nach einem erhebenden Eingange deutet der Redner auf die Nothwendigkeit, die Wohlthaten der Verfaſſung dem Geiſte zu vergegenwärtigen, indem Manchem vielleicht nur dunkle Gefühle vorſchweben, oder eine völlige Unbekanntſchaft mit denſelben bei Anderen obwalte, beruhend auf der Unkenntniß der früheren Zuſtände. Ja, es mögen vielleicht Manche es ſich kaum zum klaren Bewußtſein gebracht haben, was denn eigentlich die Verfaſſung ſei. Dieſen ſei geſagt, daß ſie iſt eine geſetzliche Beſtimmung des Verhältniſſes des Regenten und des Volkes zu einander; eine Erklärung, in welcher Art und Weiſe ein Fürſt ſein Volk regieren wolle; eine Darlegung der beiderſeitigen Rechte und Pflichten. Durch die Verfaſſung iſt uns Viel gegeben, darum wird aber auch Viel von uns gefordert. Die erſte Frage, was uns durch die Verfaſſung gegeben ſei, beantwortet der Redner mit zwei Worten: Freiheit und Gleichheit. Er verwahrt ſich gegen die Verdächtigung, als ob hiermit eine Widerſetzlichkeit gegen die beſtehende Ord— nung und Obrigkeit ausgeſprochen ſei. „So viel Irriges und Thörichtes zügelloſe Menſchen dabei dachten und wünſchten, ſo u kann die Sache ſelbſt nicht für unrichtig erklart, nicht mußfannt und nicht verdächtigt werden. Denn Menſchen, denen der Schöpfer Freiheit des Willens anerſchaffen hat, und die von ihm als freie Weſen behandelt werden; Chriſten, welche der . Gottes ſelbſt frei gemacht hat; Bürger, deren Fürften r Zwangsherrſchaft entſagt haben, — ſollten die nicht von 55 reden dürfen? — Ferner: Menſchen, die in Anſehung ihres Urſprungs, ihrer körperlichen und geiſtigen Krafte und Fähigkeiten, ihrer Bedürfniſſe und Beſtimmung einander gleich ſind; Chriſten, die durch ihre Religion wiſſen, daß vor Gott kein Anſehen der Perſon gilt; Bewobner eines Landes, in welchem der Unterſchied der Rechte und Pflichten geſetzlich aufgehoben iſt — ſollten die nicht von Gleichheit reden dürfen?“ — Es wird nun ausgeführt, wie uns durch die Verfaſſung Freiheit von drückender Willkürherrſchaft, jo wie von Glau— bens- und Gewiſſenszwang gegeben wurde, nachdem ſchon 1783 Karl Friedrich die Leibeigenſchaft i und das Segenswort ausgeſprochen: Ich will herrſchen über ein freies Volk. Fand dieſes Wort auch Mißbilligung bei andern deutſchen Fürſten, jo ward es doch freudig begrüßt von allen’ Bewohnern des Landes. — Mit der Gleichheit, welche die Verfaſſung gegeben, iſt nicht gemeint die Aufhebung alles Unterſchiedes in der bürgerlichen Geſellſchaft; aber wodurch chriſtliche Staaten immer mehr den Grundſätzen des Chriſten— thums huldigen, das iſt die Anerkennung der Gleichheit in Rechten und Pflichten. Es gab Zeiten, wo die Völker nur Pflichten hatten; von Rechten ſollten ſie nichts wiſſen. Dieſe Zeiten ſind Gottlob vorüber. Auch nach unſerer Verfaſſung ſind alle Badener gleich in Rechten und Pflichten, in Auſprüchen auf Aemter; alle dürfen mit ihren Bitten und Klagen vor den Fürſten und die Volksvertreter kommen. Alle dürfen durch Männer aus ihrer Mitte zur Geſetzgebung mitwirken, Alle haben gleiche Pflichten. f Was dafür von uns gefordert wird, faßt der Redner abermals in zwei Worte zuſammen: Dank und Treue. Wenn ſchon die 1 mlichen Geſetze des Anſtandes für jede, noch ſo geringe Wohlthat Dank erheiſchen, ſo verdient ſolchen noch in viel höherem Grade eine ſo große Wohlthat, wie die Verfaſſung iſt; nur ſchmählicher Undank gegen den fürſtlichen Geber wäre es, wenn wir uns Tadel erlauben wollten. Wir vergeſſen auch als Chriſten nicht, von den Mittel-Urſachen zur erſten und letzten Urſache aller Dinge, zu Gott aufzublicken und zu ſprechen: danket dem Herrn, denn er iſt freundlich und ſeine Güte währet ewiglich; der die Herzen der Könige und Fürſten in ſeiner Hand hat und ſie leitet zum Heil ihrer Völker! — Was außer dem Dank von uns gefordert wird, das iſt Treue — dem Fürſten, der Verfaſſung und dem Geſetz. Als Chriſten kennen wir nichts Heiligeres, als das Evangelium, und die Stiftungen Jeſu Chriſti, beſonders das heil. Abend— mahl, — und als Bürger kennen wir nichts Heiligeres nach dem Fürſten, als die Verfaſſung. Dieſes Grundgeſetz muß Allen ein koſtbares Kleinod ſein, um ſo mehr, als es das Vermächtniß eines in der Blüthe ſeiner Jahre ſterbenden Fürſten iſt; wer dürfte es wagen, die zerſtörende Hand an dieſes Vermächtniß zu legen! „Keinen von uns treffe der Vorwurf des Verraths an dem Fürſten, der Treuloſigkeit gegen die Verfaſſung, des Ungehorſams gegen die Geſetze! Nein, wir Alle, zunächſt Ihr, die Ihr vorzugsweiſe den Namen der Staatsdiener traget, aber auch Ihr, liebe Bewohner unſerer Stadt, Ihr Bürger der Nachbarorte, Ihr Feſtgenoſſen Alle, — wie wir bisher, jeder in ſeinem Kreiſe zum Wohle des Vaterlandes beigetragen haben, ſo ſoll es auch künftig unſer Streben ſein, den Ruhm eines ruhigen, ſeinem Regenten ergebenen, feiner Verfaſſung treuen, dem Geſetze gehorſamen Volkes zu bewahren. Heil alsdann unſerm theuern Fürſten! Heil dem ganzen Vaterlande! Heil allen ſeinen Bürgern! Heil auch unſerer lieben Stadt! Amen.“ Dies iſt in kurzen Abriſſen der Gedankengang, der durch ihre ſchöne Ausführung ergreifenden Kanzelrede. ee Bei dem Feſtmahle in der Karlsburg, woran 132 Gaͤſte Theil nahmen, wurden nachſtehende Toaſte ausgebracht: Von Bürgermeiſter Morlock: Wir haben auf dem Feſtplatze dem theueren Andenken an den höchſtſeligen Großherzog Karl, den fürſtlichen Geber unſerer ſchätzbaren Verfaſſung, mit tauſendfachem Munde ein donnernd Hoch! angeſtimmt; es geziemet ſich aber auch, daß wir dem jetzt regierenden Großherzog Leopold, dem fürſt— lichen Beſchützer der Verfaſſung, in welchem ſich alle Rechte der Staatsgewalt vereinigen, deſſen Perſon in der Verfaſſungs— Urkunde für heilig und unverletzlich erklärt iſt und der bei ſeinem Regierungsantritt die feierlichſte Erklärung abgegeben hat, daß die Verfaſſung eine Wahrheit werden ſolle — ich ſage: es geziemet ſich, daß wir mit den Gefühlen der tiefſten Verehrung, der reinſten Liebe und des feſteſten Vertrauens unſere Stimme zu einem Lebehoch für ihn erheben. Darum gilt mein Trinkſpruch ihm, dem theuerſten Landes— Vater: Großherzog Leopold lebe hoch! Von dem Abgeordneten der Stadt, Hrn. Kaufmann Blei— dorn: Nachdem Sie unſerm edlen und erhabenen Großherzog und feinem Hauſe fo eben ein jubelndes Hoch gebracht haben, gebührt wohl an dem heutigen Feſttage der zweite Trinkſpruch der Königin des Feſtes, der Verfaſſung! Was wäre Baden und fein Volk obne fie? Ihr ver— danken wir die großen politiſchen Rechte: Gleichheit vor dem Geſetze, Theilnahme an der Geſetzgebung und das Steuer— bewilligungs-Recht durch unſere Kammern, nebſt dem Petitions— Rechte und jenem der Beſchwerde, Schutz im Eigentbume und der perſönlichen Freiheit. Eine ihrer ſchönſten Früchte iſt die Gemeindeordnung, welche die Gemeinden mündig und felbit- ſtändig machte, und wenn der Bürger nach und nach ſeine Rechte kennen lernt, einen kräftigen Bürgerſtand bilden wird. ee Aber auch die materiellen Vortheile find groß, welche uns die Verfaſſung brachte. Ich erwähne nur der Frohnden und alten Abgaben, welche verſchwanden und des Zehntens, der abgelöſt iſt, Laſten, welche neben den ordentlichen Steuern dem Bürger immer drückender wurden, der nun aber ſeinen Boden frei weiß und mit doppelter Luſt bearbeitet. Die Verfaſſung iſt das Schild unſerer Rechte und Frei— beiten. Sie ſei jedem Bürger theuer und es iſt deſſen heilige Pflicht, dieß durch immer lebendiger werdende Theilnahme an allen deßfallſigen Angelegenheiten, an den Wahlen und an den landſtändiſchen Verhandlungen zu beweiſen. Dann wird die Verfaſſung gedeihen und immer ſegens— reicher wirken, und es werden dann Tugend, Religion und Ehre uns zu einem freien, opulenten, geſitteten und chriſtlichen Volk noch immer mehr heranwachſen machen und ſo die Wünſche Karl Friedrichs, des weiſen Fürſten, in ſeiner Dankſagung an's Volk zur Wahrheit werden. Unſere Verfaſſung lebe hoch! Von Herrn Pfarrer Sachs von Durlach: Liebe Feſtgenoſſen und Mitbürger! Den dritten Trinkſpruch an dem heutigen ſchönen Feſte glauben wir ſchuldig zu ſein den Männern, welche durch die Verfaſſung berufen ſind, in Gemeinſchaft mit der Regierung des Großherzogs, des Vater— landes Wohlfahrt im Auge zu haben; den Männern, welche einen ſo inhaltſchweren Eid abzuleiſten aufgefordert werden, den anzuführen hier wohl am Platz ſein dürfte: „Ich ſchwöre Treue dem Großherzog, Gehorſam dem „Geſetze, Beobachtung und Aufrechthaltung der Staats— „Verfaſſung, und in der Ständeverſammlung nur des „ganzen Landes Wohl und Beſtes, ohne Rückſicht auf „beſondere Stände oder Claſſen, nach meiner innern „Ueberzeugung zu berathen: So wahr mir Gott helfe „und ſein heiliges Evangelium!“ — 137 — Alſo den ehrenwerthen Männern, welche dieſen ihren gewichtigen Eid zum Grundſatz ihrer Beſtrebungen machen, und ſomit als die treueſten Anhänger des Großherzogs, als die gehorſamſten Beobachter des Geſetzes, als die feſteſten Stützen der Verfaſſung, als die uneigennützigſten Freunde des Vaterlandes durch Wort und That in den beiden Kammern der Landſtände je und je ſich bewähret haben und künftighin ſich bewähren werden; Dieſen ehrenwerthen Männern helfe Gott in ihrem erha— benen Berufe und ihnen ſei ein dreifaches Hoch!!! gebracht. Die Landſtände leben hoch!!! Vom Herrn Pfarrer Raupp von Söllingen: Meine Herren! Es ſind bereits drei vaterländiſche Toaſte, auf das Wohl Sr. königl. Hoheit des Großherzogs Leopold, auf die Verfaſſung und auf die natürlichen Vertreter der letztern, die Stände des badiſchen Vaterlandes — ausgebracht worden. Erlauben Sie mir, daß ich dieſen patriotiſchen Wün— ſchen auch noch die meinigen hinzufüge. Heute an dem hoch— gefeierten Tage, der uns Alle zu ſo hoher vaterländiſcher Freude begeiſtert, feiert eine große Anzahl von Ausländern aus allen Gegenden der Windroſe, insbeſondere aber eine große Anzahl von deutſchen Brüdern anderer Staaten mit uns das Andenken an jenen wichtigen Tag, an welchem uns vor 25 Jahren das Landesgrundgeſetz gegeben worden iſt; und Viele mögen uns Badener wohl ob des heutigen hoch— feſtlichen Tages beneiden. In den vielen Bädern unſers von Gott geliebten Vaterlandes weilen heute ſo Viele, welche in ihrer Bruſt wohl auch den Gedanken hegen, daß auch ſie in ihrem betreffenden deutſchen Vaterlande ein ähnliches frohes Feſt feiern könnten; und ſie feiern in dieſem Gedanken ihre eigene Verfaſſung, wo ſie ihnen ſchon gegeben iſt. So wie aber fie unſer heutiges Vaterlandsfeſt mit uns feiern, fo feiern wir mit ihnen in unſerm Geiſte auch das Gedächtniß an die Verfaſſungen von ganz Deutſchland, und zugleich die Hoff— nungen, welche ſich für die Zukunft daran knüpfen. Sie werden u deßhalb Alle mit mir einſtimmen, wenn ich in dieſer Erin: nerung und zugleich in dieſer Hoffnung allen landſtändiſchen Verfaſſungen Deutſchlands und zugleich der gehofften Einheit unſeres deutſchen Vaterlandes ein lautes Hoch erſchallen laſſe! Sie leben — Deutſchland lebe hoch! Von Herrn Dr. Schenkel, praktiſchem Arzt: Wenn ein Welterſtürmer mit ſeinen Hunderttauſenden Länder erobert und Völker in Feſſeln ſchlägt, ſo feiert wohl auch der knechtiſche Eigennutz und die kriechende Schmeichelei ihre Feſte — aber die Schamröthe drückt ihnen das Brandmal der Lüge auf. Heute! wie ganz anders iſt es hier in unſerem freund— lichen Kreiſe, und im ganzen theuern Vaterlande! — In jedem Auge der Strahl der Freude, in jeder Männerbruſt überwallender Dank und edles Hochgefühl! Dort in Griesbach's ſtillem Felſenthale, wo bei der heilenden Najade der Leidende Erquickung trinkt für ſeines Körpers Schmerzen — dort ſtieg vor 25 Jahren aus dem Herzen eines edlen, zu früh verklärten Fürſten auch ein Heil— quell auf, und floß wie ein belebender Strom in die Seelen der Landeskinder, ſtillte die letzten Nachwehen der entſchwun— denen Leibeigenſchaft, und löſchte ihre ſcharfen Muttermale aus; dort öffneten ſich die ſchon ermattenden Vaterarme des kaum drei Monate uns noch vergönnten Karl, zum feierlichen ſegnenden Abſchiede von ſeinem heißgeliebten Volke, und Er reichte ihm ſein heiliges Teſtament — die Verfaſſungs-Urkunde — um, wie er ſelbſt darin bezeugt „Die Bande des Ver— trauens zwiſchen Uns und Unſerem Volke immer feſter zu knüpfen!! — Hochverehrte Herren! Deutſche Männer! Ohne Rührung, ohne Erhebung feiert kein Freund des Vaterlandes dieſes theuere Feſt. Nicht ohne Rührung, denn es iſt der Segen, den ein ſterbender Vater auf das Haupt ſeiner für mündig erklärten Kinder legte; nicht ohne Erhebung, denn unter Deutſchlands vielen Bruderſtämmen war Badens Stamm der Erſte, dem ſich zum Thron die Schranken öffneten, und der gewürdigt ward, ein freies Volk zu ſein! Heil dem Fürſten, der ſein Volk ſo ehrt! Heil dem Volk, das dieſer Ehre werth! Hoch lebe Badens Fürſtenhaus und Volk im Ein— klang der Verfaſſungstreue! Hoch! Hoch!! Das Andenken dieſes Tages wird in Durlach nie ver— geſſen werden. Zu bemerken iſt noch, daß auch in den zum Bezirke gehörigen Dörfern Weingarten und Wilferdin— gen das Feſt im beſten Geiſte feierlich begangen wurde. Man gedachte dort insbeſondere des früheren, freigewählten Abgeordneten des Bezirkes, — Hoffmann und ſeiner wackern Collegen. Aus Wilferdingen wurde berichtet: In unſerem Orte traten viele achtbare Verfaſſungsfreunde aus dem Bürger— ſtande zuſammen, um die Feier zu begehen. Wir haben keine Böller, aber fünfundzwanzig Gewehrſchüſſe verkündeten feierlichſt den Morgen, der den fünfundzwanzigjährigen Beſtand der Verfaſſung begrüßte. Am Mittage wurde ein feſtliches Mahl im Gaſthauſe zum weißen Roß abgehalten. Ernſt und Frohſinn herrſchte; vieles Gute und manches Schlimme, was wir und wohl das ganze Land in den 25 Jahren unſeres Verfaſſungslebens erfahren haben, wurde beſprochen, und vor Allem ſei hier noch erwähnt, daß wir, in würdigen Toaſten, den wackern Landesvertretern, den Männern des Volkes mit lautem Hoch unſern Dank und unſere Achtung dargebracht haben. III. Bretten und Gochsheim. Der 22. Auguſt brach mit feierlicher Ruhe an, ein Feſttag ſchöner und ernſter als irgend ein Sonn- oder Feier— tag. Aus allen Ortſchaften der Umgegend ſah man am früheſten Morgen Karavanen feſtlich gekleideter gutgeſinnter badener Bürger nach Bretten wallen; ihre Geſpräche waren ernſt und von der Verfaſſung!! — Das Rathhaus faßte kaum die Gäſte. — Die Bürger, die Beamten, die Geiſtlichen und die Schuljugend bewegten ſich in faſt unendlichem Zuge ſtill und feierlich vom Rathhauſe ins Gotteshaus, wo eine, dem Feſte vollkommen angemeſſene und des Gegenſtands würdige Rede gehalten wurde. Dem Redner herzlichen Dank, der nicht nur fühlte, ſondern auch wußte, was er zu ſagen hatte! Nach dem Gottesdienſt begab ſich der Zug in gleicher Ordnung ins Rathhaus, um die Feſtrede zu hören, welche Herr Rechtsanwalt Reich vortrug, wie ſolgt: Bürger! Das Feſtkomité hat mich beauftragt, eine dem heutigen Tage angemeſſene Rede zu halten. Dieſem ehrenvollen Auf— trage genüge ich hiermit. Diejenigen, welchen ich zu breit bin, mögen mich mit der Reichhaltigkeit des Stoffes entſchul— digen; diejenigen, denen ich zu wenig ſage, mögen bedenken, daß ich kein Collegium über Staatsrecht leſe, daß ich zum Volke ſpreche. Ich beginne mit einer kurzen geſchichtlichen Einleitung: Der Redner führte hier in kräftigen Zügen Napoleons Uebermacht und Sturz, Deutſchlands Schmach und endliche Befreiung den Zuhörern vor die Seele und fuhr dann fort: Wem anders hatten die deutſchen Fürſten die Befreiung von der Fremdberrſchaft zu verdanken, als ihren Völkern, die ihr Gut und Blut für ſie geopfert? Ihnen wollten ſie ein Pfand der Liebe und des Vertrauens für die in den Tagen der Verſuchung und des Kampfes bewährte Treue geben, ſie faßten den Beſchluß, in ihren Staaten als Schutzwehr gegen willkürliche Herrſchaft und ungeſetzliche Ausartung der Regierungsgewalt, landſtändiſche Verfaſſungen einzuführen. So entſtand der Artikel 13 der deutſchen Bundesakte, ſo iſt die Sonne der deutſchen Freiheit aus der ruſſiſchen Niederlage, aus dem heiligen Kampfe bei Leipzig empor— geſtiegen, ſo der blutigſten Saat die herrlichſte Frucht entſproſſen. Der Großherzog Karl von Baden, erſt durch die rheiniſche Bundesacte völlig ſouverän erklärt, war bei jener Beſchluß— faſſung ſelbſt zugegen. Nachdem er im Jahr 1816 ſein Ver— ſprechen wiederholt hatte, hielt er im Jahr 1818 fein fürſt— liches Wort; er ertheilte am 22. Auguſt dieſes Jahres eine landſtändiſche Verfaſſung — um mich ſeiner Worte zu bedienen — „nach ſeiner innern, freien und feſten Ueberzeugung, um die Bande des Vertrauens zwiſchen Fürſt und Volk immer feſter zu knüpfen und auf dieſem Wege alle Staatseinrichtungen zu einer höhern Vollkom— menheit zu bringen.“ An der Spitze der Verfaſſung ſteht der Grundſatz der Gleichheit aller Badener vor dem Geſetze. Der Reiche und Vornehme kann die Geſetze jetzt nicht mehr ungeahndet mit Füßen treten. Nicht Geburt, nicht Religion tritt dem badiſchen Bürger hemmend in den Weg; er hat Anſprüche auf alle Militär- und Civilämter, ſei er der Sohn des ärmſten Bettlers, ſei er der Sprößling eines alt adeligen Geſchlechtes, bekenne er ſich zu welcher chriſtlichen Confeſſion er wolle. re Der badiſche Bürger iſt geſchützt gegen Willkür der Staats— beamten durch die Oeffentlichkeit der landſtändiſchen Verhand— lungen und das ihm eingeräumte Recht, Beſchwerden vor das Forum der Kammer zu bringen. Sein Grundeigenthum iſt gegen eigenmächtige und willkür— liche Eingriffe gewahrt, er muß ſeinen Grund und Boden nur nach vorheriger Entſcheidung durch das Staatsminiſterium und vorheriger Entſchädigung und nur zu öffentlichen Zwecken abtreten. Kein Zwang findet gegen ihn ſtatt, zu einer oder der andern chriſtlichen Confeſſion ſich zu bekennen; denn es herrſcht Gewiſſensfreiheit. Der badiſche Bürger kann nicht mehr aus Laune des Richters gefänglich eingezogen und Wochen lang unverhört gelaſſen werden, denn der Verhaft muß in geſetzlicher Form und das Verhör innerhalb zwei mal 24 Stunden vorgenom— men werden. Seine bürgerlichen Rechte ſind geſichert, komme er in Konfliet mit wem er wolle: alle Kabinetsfuſtiz iſt verboten, die Gerichte ſind innerhalb der Gränzen ihrer Zuſtändigkeit für unabhängig erklärt und auch der Staatsbeutel muß ſein Recht bei den Landesgerichten ſuchen. Für die ſichere und feſtere Stellung des Staatsdieners iſt durch die Dienerpragmatik geſorgt. Die Verfaſſung verleiht dem Bürger aber noch wichtigere Rechte. Kein Geſetz, betreffe es Leben, Freiheit, Ehre oder Eigenthum, kann ohne Mitwir— kung der vom Volke erwählten Vertreter zu Stande kommen. Keine Auflage kann ohne Zuſtimmung der Landſtände ausge— ſchrieben oder erhoben werden. Die Volksrepräſentanten haben die Ueberwachung des Staatsvermögens, der Einnahmen und Ausgaben; ſie baben das Recht, Mißbräuche in der Verwaltung De an der Regierung anzuzeigen und die Miniſter und höchſten Staatsbeamten wegen Verletzung der Verfaſſung und verfaſ— ſungsmäßiger Rechte in Anklageſtand zu verſetzen. Dieſe Rechte ſind die kräftigſten Schutzmauern und Bürg— ſchaften gegen Mißbräuche, Unterſchleife und Willkürlichkeiten. Die landſtändiſche Verfaſſung hat in Baden auch ſchon die ſchönſten Früchte getragen. Alles, was an ein knechtiſches Verhältniß erinnert, die Leibeigenſchaftsabgaben, Beſthaupt, Todesfall, Herrenfrohnden, Jagdfrohnden und wie man dieſe Dinge alle heißt, ſind abgeſchafft. Studienfreiheit iſt eingeführt und nicht Geburt und Reich— thum berechtigen allein mehr zur Wiſſenſchaft. Wir hatten ein mit vieler Mühe errungenes, wenn auch jetzt wieder abgeſchafftes Geſetz über Preßfreiheit. Wir haben ein Ehrenkränkungsgeſetz; eine bürgerliche Prozeßordnung mit Oeffentlichkeit und Mündlichkeit, gehörig verſtanden und gehandhabt, eine wahre Wohlthat für den Bürger; eine Gemeindeordnung, wie ſie kein Staat Deutſch— lands aufzuweiſen hat, nach welcher der arme Bürger wie der Reiche, wenn auch nur mittelbar, an der Verwaltung des Gemeindevermögens Theil nimmt; ein Wildſchadengeſetz, wornach der Bauer über den Haſen geſtellt iſt; ein Geſetz über Widerſetzlichkeit gegen die öffentliche Gewalt und ein Gensdarmeriegeſetz, wodurch dem Staate Mittel zur Auf— rechthaltung der Ruhe und Ordnung an die Hand gege— ben ſind. Wir haben ein Geſetz: über Aufhebung der Drittelspflicht, über die Beförſterung der Privatwaldungen, über Verwaltung und Verfaſſung der Amortiſations-Kaſſe. Wir haben: eine Dienerpragmatik für Offiziere und Militärbeamte, ein Volksſchulgeſetz, durch welches für die geiſtige und ſittliche Bildung der Kinder, ſowie für die Beſſerſtellung der Volksſchullehrer geſorgt werden ſoll, ein = ae Zehntablöſungsgeſetz, wodurch der Grundeigenthümer Alleine herr des Erwachſes ſeines Grundes und Bodens wird, ein Eiſenbahngeſetz zur Erleichterung des Verkehrs und Erweite— rung des Handels. Werfen wir einen Blick in die Zukunft, ſo werden wir als wahrſcheinlich annehmen, oder wenigſtens doch hoffen dürfen, daß wir alsbald erhalten: ein Geſetz über Trennung der Juſtiz von der Adminiſtration; eine Criminalprozeß— ordnung, auf Oeffentlichkeit und Mündlichkeit gebaut, ſo daß ſich der Bürger von der Schuldhaftigkeit oder Unſchuld ſeines in Unterſuchung genommenen Mitbürgers, über die Art wie die Unterſuchung geführt und das Urtheil erlaſſen wird, ſelbſt überzeugen kann. Wir werden ein Geſetz erhalten, wornach die nach dem Artikel 18 der deutſchen Bundesacte zugeſicherte Preßfreiheit uns ertheilt wird. { Preßfreiheit, Mitbürger! iſt, wie Klüber ſagt, in conſtitu— tionellen Staaten ein weſentlicher Beſtandtheil der Verfaſſung, ſie iſt der Wächter derſelben, der Wächter der bürgerlichen Freiheit und des allgemeinen Rechtszuſtandes, ſie iſt für jede Staatsregierung das ſicherſte und richtigſte Mittel, die Stimme des Volkes und die Urtheile der Verſtändigern im Volke zu erfahren, Staatsgebrechen und gerechten Beſchwerden abzuhelfen, nothwendiges aber nützliches Beſſeres einzuführen. Wir werden auch ein Geſetz erhalten, durch welches der $. 8. der Verfaſſung: daß alle Badener ohne Unterſchied zu allen öffentlichen Laſten beitragen erfüllt wird. Bis jetzt giebt der reiche Kapitaliſt von ſeinen Kapitalien keine Abgabe. Er genießt aber gleich allen andern Bürgern den Staatsſchutz für ſeine Perſon, ſowie für ſein Vermögen, ja, was das letztere betrifft, durch die Menge von Geſetzen und rechtspolizeilichen Anſtalten zur Sicherung der Kapitalien noch in einem vorzüglichern Maße als dieſe. — | Wenn er aber jo große Vortheile hat, warum ſoll er nicht auch an den Laſten beizutragen verpflichtet ſein? Durch Einführung der Kapitalſteuer tritt eine Erleichte— rung für den übrigen Theil der Staatseinwobner ein, die durch das auf ſie allein gelegte Gewicht der heutigen ſchwe— ren Staatslaſten nicht nur gedrückt, ſondern wirklich beinahe erdrückt werden. Alles dieſes, die zugeſicherten Rechte, die erhaltenen Geſetze ꝛc. verdanken wir der Weisheit und Großherzigkeit des Stifters der Verfaſſung, dem unvergeßlichen höchſtſeligen Großherzoge Karlz er hat den Grundſtein zu einem Gebäude gelegt, an deſſen Vollendung zu arbeiten unſere Pflicht iſt. Dank Ihm, der ſein Volk für politiſch mündig erklärt hat, Dank Ihm, der lieber über Freie als Knechte regieren wollte, Dank Ihm, der die kräftigſten Schutzwehren gegen willkürliche Herrſchaft, gegen ſchrankenloſe Bedrückung aufge— führt hat; Dank aber auch den Männern, die mit ausdauern— dem Eifer, mit heldenmäßiger Vaterlandsliebe, mit Uner— ſchrockenheit, ja öfters mit Aufopferung ihrer Stellung die gegebenen Geſetze auf verfaſſungsmäßigem Wege errungen haben. Unſere freiſinnige Verfaſſung und ihre getreuen Verfechter haben den badiſchen Staat dem Auslande als einen Muſter— ſtaat hingeſtellt. Möge allen deutſchen Staaten ein gleiches Kleinod gegeben werden, dann und nur dann werden wir, wenn auch unter verſchiedenen Staatsoberhäuptern, doch der Geſinnung nach eine deutſche Nation bilden. Bürger! Heute an dem Tage, an welchem vor 25 Jahren die Verfaſſung uns ertheilt wurde, wollen wir uns das Ver— ſprechen geben, dem Vaterlande treu, dem Geſetze gehorſam, und eifrig zu ſein in der Beobachtung und Aufrechthaltung der beſtehenden Landesverfaſſung, mit Muth und Ausdauer, ja mit Aufopferung unſeres Guts und Bluts für deren Inte— grität zu kämpfen; wir wollen feierlich geloben, feiner Zeit Volksvertreter zu wählen, denen die Rechte des Volkes und 10 — 146 — die Rechte des Fürſten gleich ehrwürdig und heilig, die unab— hängig und unerſchrocken ſind, welche ihren Privatvortheil dem allgemeinen Beſten nachſetzen, die mit Kraft und edlem Frei— muthe ohne Zittern den Feinden des Volkes, den Feinden der Verfaſſung entgegen treten. So feiern wir den heutigen Tag im Geiſte und würdig des Fürſten, der das badiſche Volk in die Reihe der gebildeten und freien Völker eingeführt hat. Dem Andenken dieſes Fürſten, dem Andenken des Höchſt— ſeligen Großherzogs Karl ein Hoch! Der Redner hatte ein ſtilles und aufmerkſames Auditorium und ſeine Begeiſterung ging auf Alle über. Viele Männer hörte ich ſagen, ſo frei ſei noch nie hier geſprochen worden und Mancher dankte dem Sprecher mit biederm Händedruck, was auch wir thun! Um 1 Uhr verſammelte ſich eine faft aus 200 Männern beſtehende Geſellſchaft zum Feſteſſen, deſſen Anordnung Lob verdient, da der Gaſtgeber Geſchmack und Sinn an den Tag legte und Eifer zeigte für die gute Sache. Auch ihm meinen Dank. Man wird lange ſuchen, bis man Aehnliches ſieht, wie ich's geſehen in dieſen altersgrauen Mauern. Bürger, Bauern und Beamte, Geiſtliche, Männer jeden Alters und Standes ſaßen bunt nebeneinander an zwei faſt unabſehbaren Tafeln. Jeder fühlte ſich an ſeinem Platz, Keiner dachte an den lächer— lichen, Selbſtſtändigkeit trübenden Ständeunterſchied. Die Geſpräche waren lebhaft und handelten meiſt von der Ver— faſſung und ihren Folgen. Der Bürgemeiſter hätte dem ſeligen Großherzog Karl ein Hoch gebracht, wenn er nicht ſtecken geblieben wäre und wir danken dem Bürger, der ihm und der Geſellſchaft aus der Verlegenheit half. Hierauf brachte ein wohlgeſinnter Bürger einen kräftigen und paſſenden Toaſt auf die Verfaſſung und der Oberamtmann ließ S. K. H. den Großherzog Leo— pold leben. — 147 — Die Geſellſchaft blieb lange beiſammen und wir ſchulden ſchließlich Jedem unſeren aufrichtigen Dank, der dieſe Zeit benützte, einem etwa noch nichts oder weniger denkenden Theilnehmer, deren übrigens Gottlob wenige waren, Belehrung gegeben und ihn aufmerkſam gemacht zu haben, daß und warum dieſer Tag der größte für jeden Bürger iſt und bleibt. Noch iſt zu bemerken, daß auch das Städtchen Gochsheim das Feſt in ſchöner Weiſe feierte. 10 * IV. Ettlingen. Das Verfaſſungsfeſt iſt hier unter einer ſo allgemeinen regen und begeiſterten Theilnahme der Bürger und Einwohner gefeiert worden, daß dadurch jedem Unbefangenen klar erſicht— lich werden mußte, dieſes Feſt ſei kein gewöhnliches, oder wie man mehrfach glauben machen wollte, von einer Partei zur Verherrlichung ihrer Grundſätze und ihrer Häupter dictir— tes, ſondern es ſei hervorgegangen aus dem innern ſich ſeines Weſens bewußten Triebe des Volkes, das die ihm verliehenen Rechte zu ſchätzen weiß, und den feſten Entſchluß hat, ſie in ihrem vollen Umfange, ſo weit es zum Wohle des Ganzen gereicht, auszuüben. Schon am Vorabende des Feſtes hatte ſich eine Anzahl hiefiger Bürger vereinigt, um durch Anzünden eines Freuden— feuers die Theilnahme hieſiger Stadt an dieſem wahrhaften Volksfeſte den umwohnenden Mitbürgern zu verkünden, und als man auf dem hierzu beſtimmten Hügel angekommen war, eröffnete ſich Jedem, in dem nicht aller Sinn für Edles und Schönes erſtorben war, ein wahrhaft erhebender und groß— artiger Anblick, als überall, blickte man nach Norden oder Süden, am Rande des Gebirges die Feuerſäulen ſich erhoben, zum Wahrzeichen, daß hier im ſchönen Thale des Rheines ein braves, treues, ſeiner Rechte ſich bewußtes und ihren Werth ehrendes, durch ſie beglücktes, dankbares und einiges Volk wohne. Das Feſt ſelbſt hatte auf die im Programm bezeichnete Weiſe Statt. Der Zug zur Kirche gewährte durch ſeine Ein— — 149 — fachheit und Vermeidung alles Gepränges, bedeutungsvoll durch die allgemeine Theilnahme, einen ſchönen, Fräftigenden Anblick. Die Häuſer, an denen der Zug vorbeikam und noch mehrere Andere, waren ohne die geringſte Aufforderung hierzu von den Eigenthümern feſtlich geziert worden. Nachdem die im Programm bezeichnete Urkunde des Markgrafen Carl Fried— rich, ſo wie die einzelnen Beſtimmungen der Verfaſſungs— Urkunde von dem Bürgermeiſter verleſen waren, nach alter, ehrwürdiger, deutſcher Sitte unter Gottes freiem Himmelszelt, wurde durch Seminar-Direktor Hermanuz die Feſtrede gehalten. Der Redner bemerkte im Eingang derſelben, daß bei den Alten die löbliche Sitte geweſen, alle wichtige Ereigniſſe im Volks-, Staats- und Religionsleben durch beſondere Feſte zu feiern, um dieſelben auf dieſe Weiſe recht lebendig und ſicher in's Bewußtſein des Volkes zu bringen. Dieſer löb— lichen und weiſen Sitte ſei man aus derſelben Abſicht nun auch bei Anordnung und Begehung des heutigen Feſttages gefolgt, und es wäre ſogar am Platze, daß der 22. Auguſt jeden Jahres, wenigſtens in einem jeden Hauſe, zu einem Familienfeſte erhöht werde, wo durch den Vater den Kindern und Untergebenen die Bedeutung des Tages auseinandergeſetzt, und die Herzen der Familie erwärmt und begeiſtert werden zur Liebe und Anhänglichkeit an die Verfaſſung, und dadurch auch zur Liebe für Fürſt und Vaterland. Der Redner richtete dann ſein Augenmerk auf die Ein— gangsworte der Verfaſſungsurkunde: „Von dem aufrichtigſten Wunſche durchdrungen, die Bande des Vertrauens zwiſchen Uns und Unſerem Volke immer feſter zu knüpfen, und auf dem Wege, den wir bierdurd bahnen, alle unſere Staats— einrichtungen zu einer höhern Vollkommenheit zu bringen, haben wir nachſtehende Verfaſſungsurkunde gegeben, und verſprechen feierlich für Uns und Unſere Nachfolger ſie treulich und gewiſſenhaft zu halten und halten zu laſſen.“ Hieraus entwickelte er nun folgende 3 Momente, welche im Verlauf der Rede weiter ausgeführt wurden: — 150 — 1) Die Verfaſſung iſt ein Band des wechſelſeitigen Ver— trauens zwiſchen Fürſt und Volk. 2) Die Verfaſſung iſt die Bahn zu höherer Vervoll— kommnung aller Staatseinrichtungen. 3) Die Verfaſſung iſt ein feſtes Staatsgebäude, das nicht heute aufgebaut, und morgen wieder nieder— geriſſen werden kann. g Der Redner wies nach, wie kein Verein unter den Men- ſchen Beſtand hat, den nicht das Band des wechſelſeitigen Vertrauens umſchließt, wie der höchſtſelige Großherzog durch die Gabe der Verfaſſung, welche zu den freieſten deutſchen Verfaſſungen gehört, deutlich den aufrichtigen Wunſch bewieſen habe, die Bande des Vertrauens zwiſchen Fürſt und Volk feſter zu knüpfen, wie dies auch ſein Nachfolger durch viele Thatſachen bewieſen, und wie daher auch das Volk mit uner— ſchütterlichem Glauben und ungeſchwächter Treue an der Ver— faſſung und an dem fürſtlichen Hauſe feſtzuhalten, und durch ſein ganzes Verhalten, insbeſondere durch rege Theilnahme an Allem, was die Erfüllung der Verfaſſung, und die Wohl- fahrt des fürſtlichen Hauſes und des Vaterlandes betreffe — zu zeigen habe, daß es werth ſei, eine ſolche Verfaſſung zu beſitzen. Rückſichtlich des zweiten Punktes wurde gezeigt, wie durch keinen Verein, deſſen Grundgeſetz nicht eine vernünftige, zeit— gemäße Fort- und Weiterbildung nach allen Seiten hin ſei, wahre Bildung und ſichere Wohlfahrt erreicht werden könne, wie die Verfaſſung die Beſtimmung habe, eine Bahn des Fortſchrittes zu ſein, und wie ſie ſelbſt ein Fortſchritt in der Entwicklung und Bildung unſeres Staates ſei. Es wurden ſodann die vielen und ſchönen Früchte, welche die Verfaſſung bis dahin getragen hat, aufgezählt. Damit die Verfaſſung immer mehr Wahrheit werde, ruft der Redner den väterlichen Rath Carl Friedrichs in das Andenken: „Seid fleißig, ſeid tapfer, liebet euer Vater— land; ſeid ſparſam ohne Geiz und fliehet den Lurus, der das Vermögen verzehrt und die Seele verdirbt; erziehet eure Kin— — 151 — der zur Tugend, und lehret fie wahrhaft fein und die Lüge haſſen; gehet mit gutem Beiſpiele voran, ihr ſeid es ihnen ſchuldig; ſie find der Segen eures Hauſes, die Stütze eures Alters, die Stärke des Staates, wenn ſie Tugend, Religion und Ehre kennen.“ Endlich zeigte der Redner, wie die Verfaſſung ein feſtes unumſtößliches Staatsgebäude ſei, und worin die Garantieen für dieſe Feſtigkeit zu ſuchen ſeien, und ſchloß mit einem Hoch auf den Stifter und Gründer der Verfaſſung ſammt ſeinen treuen Nachfolgern, in welchen das ganze Volk mit lautem Rufe einſtimmte. Bei dem Feſteſſen, dem über zweihundert Perſonen aus allen Klaſſen der Bevölkerung beiwohnten, herrſchte die ſchönſte Heiterkeit. Es wurden folgende Toaſte ausgebracht: 1) Dem Andenken des Gründers der Verfaſſung. 2) Dem Wieder— herſteller der Verfaſſung, unſerm Großherzog Leopold. 3) Der Verfaſſung. 4) Unſerm hochverehrten Deputirten v. Itzſtein. 5) Allen jenen Männern, die ſowohl im Großherzogthum Baden, als auch im ganzen deutſchen Vaterlande dahin wir— ken, daß alle bis jetzt in unſerer Verfaſſung enthaltenen, und noch nicht erfüllten Beſtimmungen in Vollzug geſetzt wer— den, [und daß allen deutſchen Bruderſtämmen die zugeſicherten Verfaſſungen nun einmal ertheilt werden möchten], überhaupt allen jenen Männern, ſeien ſie unter den Räthen der Fürſten, oder auf den Sitzen der Deputirten, oder ſchmachten ſie in den Kerkern, die dahin wirken, oder gewirkt haben, daß die Deutſchen eine ſreie, nach Innen und Außen kräftige Nation werden mögen. 6) Auf das Fortleben der deutſchen Helden— kraft, die in den Befreiungskriegen der Fremden Joch abge— ſchüttelt, und auf die deutſche Jugend, daß ſie dieſen Muth und dieſe Kraft auf die kommenden Geſchlechter übertragen möge. 7) Dem Andenken des großen Bürgers Carl von Rotteck. 8) Von einem anweſenden Sachſen dem badiſchen Volke und ſeinen Vertretern. 9) Unſern Beamten, die wegen ihres verfaſſungstreuen Wirkens, ſich die Achtung des ganzen Amtsbezirks erworben haben. Die Geſellſchaft blieb bis ſpät in die Nacht verſammelt, wo dann ein Ball das Feſt beſchloß. Mehrere Häuſer waren illuminirt. Sehr auffallend und bedauerlich war bei dieſer allgemei— nen Theilnahme, daß durch Handlungen Einzelner, denen ihre Stellung einzugreifen erlaubte, einige Gereiztheit in die ſonſt ſo heitere allgemeine Stimmung gebracht wurde, und die einem ſolchen Feſte fremd bleiben ſollte. [So widerſetzte ſich, als ſämmtliche anweſenden Mitglieder des Comité ein— willigten, daß die Verfaſſungsurkunde dem Zuge vorangetragen werden ſollte, der Bürgermeiſter Ulrich auf's Hartnäckigſte, erklärend, er werde ſich vom Feſte zurückziehen, wenn man die Verfaſſung mittrage, und verließ wirklich, als der Zug beginnen ſollte, das Rathhaus. — So verbot der Pfarrer, nach Angabe des Bürgermeiſters, das Eintragen der Ver— faſſungsurkunde in die Kirche, hielt ſtatt des vom Comité beſchloſſenen feierlichen Gottesdienſtes ein einfaches Amt und unterſagte das Te Deum abzuſingen, ließ ſogar, während ſämmtliche Beamte und Bürger noch in der Kirche waren, am Altare die Lichter auslöſchen. Doch der geſunde und kräftige Sinn unſerer Bürger hat ſich auch da wieder gezeigt, indem fie ſich durch das Benehmen jener beiden Herren | nicht ſtören ließen, und es werden wenige Bezirke aufzuweiſen fein, wo unter den 200 Perſonen, die an dem Feſtmahle Theil nahmen, eine größere Herzlichkeit geherrſcht hat. Für die Familie des Hrn. Profeſſors Jordan wurden namhafte Beiträge geſammelt. V. Gernsbach, das Murgthal, Baden und Steinbach. Schon am Vorabend des Feſttages wurden in Gerns— bach die Armen geſpeiſt und durch Böllerſchüſſe und Glocken— geläute der Feſttag verkündet. Das Fefteomite hatte ſchon mehrere Tage zuvor ein Programm ausgegeben und den Abgeordneten des fünfundzwanzigſten Aemterwahlbezirks, Advo— katen Sander, eingeladen, die Feſtrede zu halten, was dieſer annahm. Am Morgen des 22. Auguſt verſammelte ſich der Feſt— zug. Voran die Muſik des Bürgercorps; dann weiß gekleidete Mädchen paarweiſe mit Blumenguirlanden, wovon zwei zu Anfang ihres Zuges die Büſte des Großherzogs Karl, und zwei am Ende deſſelben die Verfaſſungsurkunde auf einem prächtigen Kiſſen trugen. Ihnen folgte unmittelbar der Feſt— redner mit zwei Mitgliedern des Comité zur Seite; ſodann der Gemeinderath, die Staatsdiener und Zünfte mit ihren Fahnen und die übrigen Einwohner des Murgthals, welche ſich zahlreich eingefunden hatten. Der Zug begab ſich auf den Marktplatz, wo nach Abſingung mehrerer, auf den Tag Bezug habender Geſänge, und nach Verleſung der Verfaſſungs— urkunde der Bürgermeiſter Driſſler dem Andenken des Groß— berzogs Karl ein Lebehoch ausbrachte, in welches Alles drei Mal einſtimmte. Dann begab ſich der Zug in die evangeliſche Kirche, in welcher der Stadtpfarrer Schellenberger eine gediegene, den Beifall Aller ſich erwerbende Rede hielt. Von da aus ging der Zug wieder auf den Marktplatz zurück, wo — 154 — die Verfaſſungsurkunde in mehreren hundert Eremplaren ver— theilt wurde. Die Feſtrede wurde bei dem Mahle abgehalten, zu wel— chem ſich an hundert Gernsbacher Bürger und Einwohner des Murgthals vereinigten. Nachdem dem Großherzog Leopold ein Lebehoch ausge— bracht worden war, erhob ſich der Feſtredner, und indem er die Verſammlung mit den Worten zum Sitzen einlud, daß, wenn ein Volksabgeordneter zum Volke ſpreche, das Volk ſitze und der Redner ſtehe, begann er: Was iſt es wohl, was heute Morgen dieſe zahlreiche Menſchenmenge herbeiführte? Was drängt das Volk? Was wogt die Stadt? Was iſt es wohl, was dieſe hochanſehn— liche Verſammlung hier vereinigt? Das muß wohl ein hohes freudiges Ereigniß ſein! So iſt es auch. Wir, die Bürger von Gernsbach, wir, die Bürger des Murgthals, feiern heute das 25jährige Jubiläum unſerer Verfaſſung. Heute vor 25 Jahren war es, wo der Großherzog Karl, eingedenk ſeiner Zuſicherungen und von der Ueberzeugung beſeelt, daß es einem wahrhaft edlen Fürſten gezieme, die ſeinem Volk in der Stunde der Gefahr gethanen Verſprechen und Zuſicherungen auch dann zu halten, wo das aufgeſtandene Volk die Gefahr bekämpft und mit ſchweren Opfern, mit Gut und Blut beſiegt bat; heute vor fünfundzwanzig Jahren war es, wo der hoch— herzige Großherzog Karl dem badiſchen Volke feine land— ſtändiſche Verfaſſung ertheilte. Wenn es nun ein ſchöner, insbeſondere im geſammten deutſchen Vaterland geltender Brauch iſt, für alle wichtigen und freudigen Ereigniſſe im Privatleben, wie im öffentlichen, ihren 25jährigen Beſtand zu feiern, ſo war es gewiß am badiſchen Volke, den 25jährigen Beſtand ſeiner Verfaſſung, ſeiner Rechte und Freiheiten im Staate zu feiern. Ueberall im Vaterland und ausgegangen vom Volk wird daher heute dieſer Feſttag gefeiert. Kein braver ſelbſtſtändiger Badener bleibt zurück, und ſo hat ſich auch Gernsbach und das ganze herrliche Murgthal auf eine würdige, Herz und Geiſt erhebende Weiſe dieſer Feier angeſchloſſen. Und wenn mir, dem vieljährigen Abgeordneten des Murgthals, der ehrenvolle Ruf wurde, mit meinen ſchwachen Worten die Gefühle von Ihnen Allen auszudrücken, die Sie heute beſeelen, ſo nahm ich dieſen Ruf um ſo freudiger an, als er mir eine öffentliche Gelegenheit darbot, mit meinen geringen Kräften zur Verherrlichung deſſen beizutragen, was, wie die Verfaſſung, jedem Badener das Höchſte und das Heiligſte iſt, was die Grundlage des Staates iſt. Sicherlich verdient es aber unſere Verfaſſung, vom Volke hoch und heilig gehalten zu werden. Wohl iſt das uneingeſchränkte bloße Königthum eine menſchliche Einrichtung, die in der damit verbundenen Stetigkeit und Ordnung, zumal bei einer ausgezeichneten Perſönlichkeit an der Spitze, manches Große bewirkt und ſchafft. Aber in Nichts eingeſchränkt, nur von ſeinem alleinigen Willen, nur von ſeinem bloßen Beſtand für ſich ausgehend, iſt es kein Recht, ſondern nur eine Macht, die ſich am Ende nur durch Gewalt und durch die Furcht des unterworfenen und unter— würfigen Volks, nicht aber durch die Liebe und aufopfernde Anhänglichkeit des durch die Repräſentativ-Verfaſſung zu einem gemeinſamen Staats-Ganzen mit dem Königthum ver— bundenen Volks aufrecht erhält. Will man das Königthum auf eine feſte Weiſe an die Spitze von aufgeklärten Völkern ftellen, jo iſt das ſicherſte Mittel, feine Rechte fo zu beſtimmen, daß ſie den ewig unwandelbaren Grundſätzen des Vernunft— rechts und der menſchlichen Freiheit nicht widerſtreiten, und daß einen freien vernünftigen Mann nichts abhält, ſich ihm anzuſchließen und zu unterſtellen. Dieſes geſchieht im König— thum nur durch eine landſtändiſche Verfaſſung, mit den darin ausreichend beſtimmten Rechten des Volkes, und dieſes iſt vor 25 Jahren bei uns durch unſere Verfaſſung geſchehen. Den Fürſten, als das unverletzliche Staatsoberhaupt, an die Spitze des Staates ſtellend, ertheilt ihm unſere Verfaſſung, und vereinigt in ihm alle Rechte der Staats— gewalt, die er aber nur unter den Schranken der Verfaſſung — 156 — auszuüben hat. Dem Volke dagegen ertheilt ſie vor Allem die Rechtsgleichheit ſämmtlicher Bürger vor dem Geſetz, die Sicherheit ſeines Eigenthums, und den Schutz des Geſetzes für Jeden, unter Ausſchluß aller Willkür. Durch feine Land— ſtände ertheilt ſie dem Volke die wahrhafte Theilnahme an der Geſetzgebung nicht durch bloßen leeren Rath, deſſen Ein— holung man nicht verlangen und deſſen Befolgung man nicht anfordern darf, ſondern durch wirkliche Zuſtimmung mit Ja, und wenn nöthig — auch durch Ablehnung mit Nein. Sie ertheilt ihm in den Ständen das Steuerverwilligungsrccht, die Controllirung des geſammten Staatshaushalts und der ganzen Staatsverwaltung mit dem Rechte der Beſchwerde und ſelbſt der Anklage gegen jede Verletzung verfaſſungs— mäßiger Rechte der Geſammtheit und jedes Einzelnen, welche durch die Regierung geſchehen wäre. So werden die Rechte des Regenten höher geſtellt, und ſo wird ihm in den Landſtänden eine fortwährende lautere und beſſere Quelle der Wahrheit und eine eindringlichere Nachweiſung des durch den Lauf der Zeiten nöthig werdenden Fortſchritts dargereicht, als wenn er ſolche nur durch ſeine [Höflinge und] Beamten hören und vernehmen ſoll. So iſt der Bürger ein gleichberechtigtes Glied der Staats— geſellſchaft, und nicht ein bloßer unterworfener Unterthan, der rechtlos iſt, und deſſen Pflichten willkürlich beſtimmt werden können, ohne daß er nur eine Stelle hat, wo er gegen Ver— letzungen von Oben klagen kann. So ſteht das Volk durch ſeine Vertreter nicht über, nicht in dem Königthum, ſondern neben ihm, als Mitſtimmender in dem, was im Staat als Geſetz gelten ſoll, in dem, was der Staat zu ſeinen Bedürfniſſen nöthig hat, als Wächter der Organe der Regierung. So wird der Staat erhoben und gekräftigt, weil durch Beiziehung des Volks zu allen öffentlichen Angelegenheiten des Staats auch alle Kräfte und Mittel des Volks zum öffentlichen Wohl nutzbar gemacht werden. Deſſen ſind alle Länder Europa's Zeugen, in denen durch eine Repräſentativ-Verfaſſung die Macht des Staats — 157 — verdoppelt und zugleich auf das Feſteſte begründet wird, und deſſen iſt unſere eigene Geſchichte die laute Zeugin. Obſchon ein zwar geſegnetes aber ein kleines Land, haben wir doch ſeit Einführung der Verfaſſung zum Beſten des Landes Ausgaben gemacht und die Mittel dazu gefunden, die wir nicht gemacht und gefunden hätten, wenn wir keine, das Wohl der Bürger begründende Verfaſſung beſaßen. Wir haben die Leibeigenſchafts - Abgaben, den letzten Reſt der Leibeigenſchaft ſelbſt, abgeſchafft, die alten auf dem Grund und Boden ruhenden Hörigkeitslaſten aufgehoben, die Frohn— den verbannt, den Zehnten abgelöſt, und dazu große Mittel aus den Landesſteuern verwendet. Trotz dieſer großen Aus— gaben neben den vielen des laufenden Dienſtes, hat ſich aber unſer Credit erhalten, weil er auf der Ordnung und der Durchſichtigkeit unſers Staatshaushalts ruht und es durch Verwilligung der Staats-Einnahmen und Ausgaben von den Ständen aus durch unſere Verfaſſung verbürgt iſt, daß das Wohl der Geſammtheit die Ausgaben des Staats zu leiten und zu begründen hat. Aber nicht nur Ordnung im Staats— haushalt beſteht, ſondern wir ſind auch durch unſere Ver— faſſung in den durch die neuere Zeit angeforderten beſſern Geſetzen und Einrichtungen in Deutſchland am Weiteſten vorangeſchritten. Wir beſitzen unter Andern eine auf Oeffent— lichkeit und Mündlichkeit gebaute Prozeß-Ordnung und unſere Gemeinde-Ordnung iſt ein freiſinniges Werk, welches in der Unabhängigkeit der Gemeinden von der Vormundſchaft der Verwaltung eine feſte Grundlage der ſelbſtſtändigen Bildung und Stellung des Bürgers ſchafft und darreicht. Wenn wir aber alle dieſe Fortſchritte in den erſten 25 Jahren unſerer Verfaſſung ſehen, ſo dürfen wir mit Zuverſicht hoffen, daß uns die Zukunft noch weiteren Fortſchritten zu— führen wird. Noch mangelt uns Manches, was als eine unbedingte Anforderung der Zeit und als eine nothwendige Folge des Repräſentativſyſtems uns nicht mehr auf die Länge vorenthalten werden kann. Eine zweckgemäße Reform des Gewerbweſens, Trennung der Juſtiz von der Verwaltung, — 158 — Oeffentlichkeit und Mündlichkeit des Gerichtsverfahrens, und vor allem die Preßfreiheit, die Wächterin und ſicherſte Bürg— ſchaft für die Verfaſſung ſelbſt fehlt uns noch und wird uns in Bälde werden, weil überall bei uns und in Deutſchland die Zeit mächtig und laut ihr „Vorwärts“ ruft. Vor dieſen Fortſchritten hat aber Niemand zu bangen, denn das iſt gerade die hauptſächlichſte Wohlthat der beſchränk— ten Monarchie, daß ihre Fortſchritte überall auf dem Wege friedlicher Reform, und nicht gewaltthätiger Staatsumwälzung geſchehen, daß ſie mit Ruhe und Umſicht erlangt, mit reifer Ueberlegung eingeführt werden, und in Uebereinſtimmung aller Staatsgewalten gegeben, eben dadurch auch die Zufriedenheit Aller erwerben und beſitzen. Mag es dabei über das Maß und die Richtung dieſer Fortſchritte zwiſchen den vorwärts ſtrebenden Vertretern des Volks und zwiſchen den zurückhalten— den Organen der Regierung Kämpfe und Zerwürfniſſe ſelbſt ernſtlicher Art geben, ſo werden ſie immer auf dem Boden der Verfaſſung und in ihren Wegen ausgefochten. Der Thron bleibt davon unberührt und die Verwaltung geht ihren geſetz— lichen Gang fort. Und wird auch zu Zeiten die vorwärts— ſtrebende Richtung, wie ſie in den Kammern von 1819 und 1831 beſtand, zurückgeworfen, fo erhebt ſie ſich in ihrer Nach— haltigkeit, Zähigkeit und rechtlichen Begründung ihrer Ver— langen und Anforderungen, wie z. B. in der Kammer von 1842, nur um ſo eifriger und kräftiger und gewinnt immer am Ende den Sieg, weil auf ihrer Seite Recht und Ver— faſſung, Gemeinwohl und bürgerliche Freiheit, gepaart mit weiſer Mäßigung und ſtandhafter Feſtigkeit, ſteht. Dem Thron, der die Verfaſſung ſchützt und aufrecht erhält, die Treue; den Miniſtern — Unterſtützung im Guten, mann— hafter ausdauernder Widerſtand im Böſen; dem Volke — redliche Pflichterfullung und Aufopferung eigenen Intereſſes: Das war immer das Loſungswort aller braven badiſchen Volks— Abgeordneten und ſoll und wird es bleiben, weil mit ihm, aber auch nur mit ihm alles Schlimme verhindert, und alles Gute herbeigeführt wird. — 159 — Daß aber alles Dieſes in ſeiner tiefen Bedeutung für die öffentlichen Zuſtände des Vaterlandes von uns erkannt, daß alles Dieſes vom geſammten badiſchen Volke in ſeiner durch ſeine freiſinnige Verfaſſung vor allen deutſchen Bruderſtämmen vorangeſchrittenen politiſchen Bildung und Mündigkeit ganz wohl begriffen wird, das beweiſt die heutige allgemeine Feier des 25jährigen Verfaſſungstages an allen Orten im Vater— land, von allen ſelbſtſtändigen Bürgern im Vaterland. Das badiſche Volk kennt ſeine Rechte und Freiheiten, und wird ſich fortan in Freud und Leid um ſie zuſammenſchaaren, und legt darin zugleich die beſte Bürgſchaft für den Fortbeſtand und für die wahrhaftige Durchführung und Ausbildung unſerer Verfaſſung öffentlich zu Tage. Das badiſche Volk weiß aber auch, daß es dem hochher— zigen Großherzog Carl für die Ertheilung unſerer freiſinnigen Verfaſſung Lob und Preis ſchuldig iſt. Es weiß ihm Dank dafür, daß er nicht bei bloßen Verſprechen und guten, aber immerhin ungewiſſen Willensverſicherungen ſtehen geblieben, ſondern zur That, zur Erfüllung ſeiner Zuſicherungen geſchrit— ten, und damit dem Volke eine feſte Handhabe für ſeinen und ſeiner Nachkommen guten Willen in der Verfaſſung und in den verfaſſungsmäßigen Rechten des Volks ertheilt hat. Und weil es dieſes weiß, ſo erſchallt aus eines jeden braven Badeners Bruſt, aus eines jeden ſelbſtſtändigen Bürgers Herz, dem Andenken des Großherzogs Carl, dem Vater der Verfaſſung, und unſerer Verfaſſung ein dreimaliges Hoch!!“ Der Jubel, der hier ausbrach, der Donner der Volks— ſtimme, der hier langanhaltend rollte, läßt ſich nicht beſchreiben. Nachdem ſpäterhin der Gemeinderath Schickardt dem Feſtredner einen herzlichen Toaſt ausgebracht hatte, und der Feſtredner noch in zweimaliger Ergreifung des Wortes in bedeutungsvollem Inhalt, insbeſondere in Darlegung deſſen, daß heute jeder Bürger im Staate ſeinen 25jährigen Geburts— tag feiere, und durch kräftigen Bürgerſinn und Bür ger— muth ſich feiner Stellung im Staate würdig zeigen ſolle, verließ er gegen 6 Uhr das herrliche, durch keinen Unfall — 160 — und durch keine Unordnung geſtörte Feſt und erhielt von einer Menge von Bürgern das Ehrengeleite durch die Stadt. Bis Nachts 2 Uhr dauerte in gleicher Ordnung und Ruhe das Feſt, und jeder Theilnehmer verließ daſſelbe mit der Gewißheit, einen ſchönen Tag in ſeinem Leben gefeiert zu haben. Aber nicht nur in Gernsbach und dem Murgthal, welches einen Theil des 25. Aemterwahlbezirks bildet, ſondern im geſammten 25. Aemterwahlbezirk wurde die Feier des Ver— faſſungsfeſtes würdig begangen. Die zu dem Amt Baden gebörenden Orte ſchloſſen ſich der Feier in Baden an, welche für die Stadt und das Amt Baden auf eine ſo ſchöne und herzerhebende Weiſe ſtattfand. Unter den Amtsorten in Baden iſt Sinzheim der bedeutendſte, und feierte deßhalb den Vorabend des Feſtes für ſich durch Freudenſchüſſe und ein freudiges Volksleben bis in die Nacht. In Steinbach mit ſeinen drei Kirchſpiels-Gemeinden Neu— weier, Varnhalt und Weitenung ward aber ein ſelbſtſtändiges Feſt begangen. Schon am Vorabend ward aus freien Stücken ein großer Theil der Stadt beleuchtet, und mit ſinnigen Denkſprüchen geſchmückt. Das Feſt wurde mit Glocken und Böllerſchüſſen eingeleitet. Morgens um 9 Uhr ordnete ſich der große Feſtzug unter Theilnahme der geſammten Bürger— und Einwohnerſchaft, begab ſich in die Kirche zu einem Lob— geſang auf Gott; von da auf das Rathhaus, wo die Ver— faffungsurfunde verleſen, dem Geber derſelben und feinem Andenken ein Lebehoch ausgebracht und ſodann die Verfaſſungs— urkunde vertheilt wurde. Nach Ableſung der Verfaſſung hielt der Bürgermeiſtereiverweſer Stribich eine Rede voll Nach— druck und Wärme, und bei dem ſpäter ſtattfindenden Feſteſſen wurden von tüchtigen Bürgern ſchöne und kräftige Worte geſprochen, zum Beweis, daß man in Steinbach wie überall die Verfaſſung kennt ns hochhält, und mit Freuden die Gelegenheit ergriff, dieſes öffentlich mit Würde Ordnung und darzulegen. VI. Achern. Das Feſt hier war ein Volksfeſt im wahren Sinne des Wortes. Am Vorabend waren alle Häuſer beleuchtet und vor den meiſten hingen ſinnreiche, dem Feſt anpaſſende Sprüche. Bei einbrechender Nacht ward durch Böllerſchüſſe, aufſteigende Raketen, Geläute aller Glocken, die nahe hohe Feier verkündet. Hierauf Bürgermilitärmuſik, an mehreren Orten bengaliſche Flammen, auf den Bergen helllodernde Feuer; in Oberachern, auf den Ruinen des Brigittenſchloſſes und zu oberſt auf dem unfruchtbaren Scheitel der Hornisgründe, welches letzte am Weiteſten hinleuchtete, da man von dieſer Höhe die Gründe in ganz Elſaß bis über Colmar ſchauen kann. Die Leute vom Lande mit den hieſigen Einwohnern durchzogen die Straßen; man ſaß zuſammen und ſang und ſprach und trieb das Beſte. Auch die Beamten hatten beleuchtet, [doch ohne Transparent und ſie mochten ſchon hie und da äußern: Heut haben die Liberalen ihren Tag]. — Am Morgen des Feſtes überraſchte uns das herrlichſte Wetter. Die Feierlich— keiten vollzogen ſich nach dem Programme. Es war ein großartiger Zug, der nach dem Hochamte auf den freien Platz der Stadt ſich begab, wo dann der Abgeordnete Richter, umgeben von der äußerſt zahlreichen Verſammlung, folgende Rede hielt: Meine Mitbürger! Mir wurde der ehrenvolle Auftrag zu Theil, bei dieſem hochwichtigen Feſte, das wir beute begeben, an Sie einige Worte zu richten. 14 > m Wie Sie bereits wiſſen, feiern wir heute das viertelhun— dertjährige Jubiläum unſerer Verfaſſung. Es ſind nämlich heute 25 Jahre, daß der ſelige Großherzog Karl, im Bade zu Griesbach, wo er die Heilquellen zur Wiederherſtellung ſeiner zerrütteten Geſundheit benutzte, die Verfaſſungsurkunde unterzeichnete. Dieſe Verfaſſungsurkunde iſt das Staatsgrundgeſetz unſeres Landes, es iſt die Grundlage, auf welcher der Nechtszuftand aller Badener ruht, es iſt auch das Staatsgeſetz, welches die Perſon des Regenten für heilig und für unverletzlich erklärt und der gegenwärtigen Regentenfamilie die Thronfolge ſichert. Der erſte und oberſte Grundſatz und welcher auch für den Fortbeſtand der Verfaſſung die Garantie giebt, iſt der Grund— ſatz der Gleichheit aller Badener vor dem Geſetze. Dieſer Grundſatz der Gleichheit iſt im allgemeinen in der Verfaſſungsurkunde durchgeführt rückſichtlich der Laſten, rück— ſichtlich der Rechte und Anſprüche, wie die §§. 8. 9. 10. 18. 19. und u. a. m. nachweiſen. Dieſem oberſten Grundſatze der Gleichheit reihen ſich an: die Beſtimmungen über die Sicherheit des Eigenthums und der perſönlichen Freiheit. Nach $. 14. find die Gerichte für unabhängig erklärt innerhalb der Gränzen ihrer Kompetenz. Keine Kabinetsjuſtiz mehr! In Bezug auf die perſönliche Freiheit iſt in §. 15. der Verfaſſungsurkunde feſtgeſetzt, „daß in Kriminalſachen Niemand ſeinem ordentlichen Richter entzogen werden darf,“ er darf nicht von jedem Beamten beliebig eingezogen, in Unterſuchung genommen und von ihm abgeurtheilt werden. Niemand kann anders als in geſetzlicher Form verhaftet werden, d. h. nur auf Vorweiſung des vom zuſtändigen Gericht unterzeichneten Verhaftsbefehls. Tritt nun eine Verhaftung ein, ſo kann der Verhaftete nicht länger als zwei Mal vierundzwanzig Stunden feſtgehalten werden, ohne über den Grund ſeiner Verhaftung vernommen zu ſein; er kann alſo nicht der Vergeſſenheit anheim fallen! — 163 — Nach F. 17. iſt die „Preßfreiheit“ zugeſichert. Ehre und Dank dem Stifter der Verfaſſung! in dieſer Zuſicherung liegt das Anerkenntniß, daß ohne Preßfreiheit, ohne den freien Gedanken-Verkehr, ein conſtitutioneller Staat nicht gedeihen, nicht beſtehen kann. Nach F. 18. iſt jedem Landeseinwohner der Genuß der ungeſtörten Gewiſſensfreiheit zugeſichert; Niemand darf wegen Religionsanſicht verfolgt oder beſtraft werden. Durch die Verfaſſung ſind aber nicht nur die Einzelnen im Staate hinſichtlich des Eigenthums und der perſönlichen Freiheit geſichert, ſondern es ſind den Kirchen, den milden Stiftungen ꝛc., es ſind dem Adel ſeine Berechtigungen ge— ſichert, und nach $. 24. find die Rechts verhältniſſe der Staats— diener durch die Verfaſſung garantirt. Dieſer Klaſſe der Staatsbürger, alſo den Staatsdienern, ſollte der heutige Tag ein beſonders wichtiger Feſttag ſein, ſie ſind unabhängig erklärt, ſie können dieſes ſein, wenn ſie nur wollen! Damit nun aber die uns durch die Verfaſſung zugeſicherten Rechte zur Ausübung kommen und unſere Verfaſſung keine blos papierne bleibe, ſind in ihr ſelbſt die Garantien gegeben. Eine dieſer Garantien ſoll die in §. 7. befindliche Beſtimmung ſein, die da feſtſetzt: die Großherzoglichen Staatsminiſter und ſämmtliche Staatsdiener ſind für die genaue Befolgung der Verfaſſung verantwortlich. Allein dieſe Verantwortlichkeit iſt nur dann eine Garantie, wenn ſie durch ein geſetzlich geſichertes Verfahren durch die Stände, und beſonders durch die zweite Kammer verfolgt werden kann. Eine beſſere an ſich und jetzt die einzige wohl, findet ſich aber in dem in $. 7. der Ver— faſſungsurkunde gegebenen Inſtitute der „Landſtände.“ Meine Mitbürger! Was Landſtände ſind, das wiſſen Sie ſchon längſt; ſie ſind Volksrepräſentanten, um gegenüber der Regierung die Rechte des Volkes auszuüben, und zwar nach eigener Ueberzeugung, ohne Rückficht auf irgend eine Perſon, oder irgend einen erhaltenen Auftrag, wie es der $. 48. beſtimmt und darauf der Deputirte den Eid, wie es der $. 69. der Verfaſſungsurkunde vorſchreibt, ableiſten muß. N — 164 — Die Rechte nun, welche die Landſtände nach unſerer Ver— faſſung auszuüben haben, beſtehen vorzugsweiſe „in der Theil— nahme an der Geſetzgebung.“ Ohne die Stände hat kein neues Geſetz Gültigkeit, es darf ohne ihre Zuſtimmung kein beſtehendes Geſetz aufgehoben, ergänzt oder auch nur erläutert werden. Sodann darf ohne ſie das Auflagegeſetz nicht gegeben ohne ſie dürfen keine Auflagen ausgeſchrieben, keine erhoben werden. Ohne ſie darf kein Anlehen gemacht werden. Ohne Zuſtimmung der Stände darf keine Domaine, welche ja kein Privateigenthum des Regenten, ſondern Staatsgüter find, veräußert werden. Die Landſtände haben das Recht, das Budget, die Staats— ausgaben zu verwilligen und beziehungsweiſe auch zu verweigern, da ein Verwilligungsrecht nur dann ein Recht iſt, wenn ich auch verweigern darf. Die Landſtände haben das Recht der Vorſtellung und Beſchwerde wegen Mißbräuchen in der Staatsverwaltung, ſie können Vorſtellungen und Beſchwerden von den Staatsange— hörigen annehmen und auf Abhilfe bei der Regierung den Antrag ſtellen. Sie haben das wichtige Recht der Anklage gegen die Staatsminiſter und die oberſten Staatsbeamten wegen Verletzung der Verfaſſung oder verfaſſungsmäßiger Rechte. Sie, meine Mitbürger, werden daher ſelbſt einſehen, daß es durchaus nicht gleichgültig iſt, wer Volksvertreter iſt, aus welchen Perſonen die Landſtände, und namentlich aus welchen die zweite Kammer beſteht, da dieſe die Rechte des Volkes gegenüber der Regierung auszuüben [haben, und insbeſondere auch dann, wie die neueſte Geſchichte der Landſtände beweiſ't, gegen volksunfreundliche Regierungen auszuüben]! und zu wahren haben. Wer nun aber Volksdeputirter werden ſoll, das liegt in der Macht des Volkes, das liegt, meine Mitbürger in Ihren Händen; zwar werden, wie Sie wiſſen, die Deputirten nicht unmittelbar vom Volke, ſondern von Wahlmännern gewählt, — 165 — allein dieſe werden vom Volke unmittelbar, alſo von Ihnen, meine Mitbürger, gewählt. Nach F. 36. der Verfaſſungsurkunde haben alle Staats— bürger, welchen nämlich nicht zur erſten Kammer die Wahl— berechtigung zuſteht, das Recht zur Wahl der Wahlmänner und können ebenſo zu Wahlmännern gewählt werden, wenn ſie 25 Jahre alt, Ortsbürger ſind, oder ein öffentliches Amt bekleiden, oder ein ſelbſtſtändiges Geſchaft betreiben. Das Recht zur Wahlmänner-Wahl iſt daher ein großes politiſches, ein ſehr koſtbares Recht! Aus der Art und Weiſe aber wie Sie, meine Mitbürger, wie ein Volk dieſes Recht ausübt, erkennt man auch, ob Sie, ob das Volk dieſes Rechts und überhaupt der Verfaſſung würdig ſind! Wer einem Manne ſeine Stimme zum Wahlmann gibt, obſchon er weiß, daß derſelbe nicht im Sinne des Volkes bei der Wahl des Deputirten ſtimmen wird, der hat ſelbſt, ſo viel an ihm lag, beigetragen, den Landtag ſchlecht zu machen, iſt alſo, wie unſer verewigter Rotteck ſchon im Jahre 1831 ſeinen Mitbürgern zurief, mitſchuldig an allem Schlechten, was von einem ſolchen Landtage ausgeht und an dem Nicht— geſchehen alles Guten, was ein guter Landtag hätte bewirken können! Einem ſolchen pflichtvergeſſenen Wähler ſteht dann nicht mehr zu, ſich über irgend einen Druck zu beſchweren, er hat ja ſelbſt verhindert, oder doch verhindern helfen, daß es beſſer gehe. Ich bitte, meine Mitbürger, doch zu beherzigen, die Stelle des Wahlmannes iſt nicht ein bloßer Ehrenplatz, keine bloße Ehrenſtelle, die man etwa ſeinem Vor— geſetzten oder dem Beamten des Orts überläßt, ſondern ſie iſt eine Stelle des „Vertrauens“, eine höchſt wichtige Bevoll— mächtigung, und das Recht den Wahlmann zu wählen — iſt keinesweges das Recht, irgend Jemand eine Höflichkeit zu erweiſen, oder dadurch Gunſt zu erwerben, ſondern es iſt eine heilige „Verpflichtung“ nach Gewiſſen und Ueberzeu— gung demjenigen ſeine Stimme zum Wahlmann zu geben, welchem man mit Verſtand die beſte Ausübung des Wahlrechts zutrauen kann. — 166 — Meine Mitbürger, wer fo feine Rechte als Urwähler aus— übt, der wählt gute Wahlmänner, und von guten Wahl— männern kann unmöglich eine ſchlechte Kammer geſchaffen werden. Ich kann es Ihnen, meine Freunde und Mitbürger, nicht genug wiederholen, in Euren Händen liegt die Macht, die Verfaſſung zur Wahrheit zu machen, eine wahre, eine unver— fälſchte Volkskammer zu ſchaffen, und aus derſelben die pri— vilegirten Volks .. .... . zu entfernen, welche alle Diejenigen ſind, welche, obgleich ſie den Eid abgelegt haben, nicht nach eigener Ueberzeugung abſtimmen, ſondern aus Nebenrückſichten [etwa auf den Wink eines Miniſters, oder aus ſonſtigen Rückſichten. Nur der iſt ein ächter, nur der iſt ein wahrer Volks— repräſentant, der nur des Volkes Wohl im Auge hält, der ſich nicht ſcheut, ohne Rückſicht auf das Anſehen der Perſon des Vaterlandes Wohl zu vertheidigen, und gegen die Miniſter, wenn es ſie etwa gelüſten ſollte, die Rechte des Volkes anzu— taften, in die Schranken zu treten, und muthig und frei feine Stimme zu erheben; das Gefühl in der Bruſt, auf dieſe Art ſeine Pflicht erfüllt zu haben, iſt dann beſeligend [und ſchmeckt beſſer als alle fürſtlichen Ordenskreuze und Bänder auf der Bruſt. Eine ſolche offene' Sprache, meine Mitbürger, geziemt einem Volksvertreter, geziemt einer Volkskammer. Eine ſolche offene Sprache muß ſelbſt der Regierung, wenn ſie, wie ich vorausſetze, es aufrichtig mit dem Volke meint, erwünſcht ſein, denn Offenheit erweckt Vertrauen, und nur unter gegenſeiti— gem Vertrauen kann etwas Gutes erzielt, und dadurch allein nur die Verfaſſung für das Volk das werden, was fie nach dem Sinne, nach dem Wunſche des Stifters werden ſoll. Es ſoll die Verfaſſung endlich den Weg bahnen, die Staatseinrichtungen zu einer höhern Vollkommenheit zu brin— gen, und dadurch den Wohlſtand des Volkes zu erhöhen. Schön drückt ſich hierüber der verewigte Stifter in der Einleitung zur Verfaſſung aus: — 167 — „Von dem aufrichtigſten Wunſche durchdrungen, die Bande „des Vertrauens Uns und Unſerm Volke immer feſter „zu knüpfen, und auf dem Wege, den wir hierdurch „bahnen, alle Unſere Staatseinrichtungen zu einer höhe— „ren Vollkommenheit zu bringen, haben wir die Ver— „faſſung gegeben.“ Auch deſſen Regierungsnachfolger, der höchſtſelige Groß— herzog Ludwig, dem wir für die im allgemeinen freiſinnige Wahlordnung zum Danke verpflichtet ſind, ſprach im beſe— ligenden Gefühle bei Eröffnung des erſten Landtags die ſchönen Worte: „Ich konnte dem Verlangen nicht widerſtehen, eine Ver— „faſſung baldmöglichſt in's Leben zu rufen, die von dem „Vaterlande mit jo vielſtimmigem Danke und vom Aus— „lande ſelbſt mit allgemeinem Beifall aufgenommen „wurde. „Heilig ſei uns der Sinn, ſo wie der Wortlaut der „Verfaſſungsurkunde, in ihren Grenzen können und wollen „wir des Vaterlandes Wohl ſuchen und auf ewige Zeiten „begründen. Ich werde Gerechtigkeit und Ordnung mit „Kraft handhaben, und die Conſtitution bis auf den letzten „Buchſtaben gewiſſenhaft erfüllen, darauf gebe ich Ihnen „hier mein heiliges Fürſtenwort.“ Auch der damalige Staatsminiſter, äußerte ſich dahin: Seine königl. Hoheit, Großherzog Ludwig, habe ſich ſeinen großen Vater Carl Friedrich zum Vorbilde gewählt, ihn, der in eigenhändiger Schrift an den baden-badiſchen Geheimen Rath die Worte richtete: „Es muß ein unumſtößlicher Grundſatz bei meinen ſpä— „teſten Nachkommen bleiben, daß das Glück des Regenten „mit der Wohlfahrt ſeines Landes unzertrennlich ſei.“ In dieſem Sinne äußerte ſich auch Großherzog Leopold bei der Eröffnung des denkwürdigen Landtags vom Jahr 1831 dahin: „Mit Vertrauen eröffne ich heute zum erſtenmale die Ver— ſammlung der Stände meines Volkes. In dem Augenblicke, ee wo die Vorſehung die Sorge für deſſen Wohl in meine Hände legte, faßte ich den bleibenden Entſchluß, durch redliche Erfüllung der Pflichten meines hohen Berufes dem Vorbilde meines geliebten Vaters nachzuſtreben. Möge ſein Segen über uns walten“ ꝛc. ꝛc. Nach den Aeußerungen dieſer Regenten nun, ſoll durch die Verfaſſung die Wohlfahrt des Landes begründet werden; es kann aber dieſer Zweck nur erreicht werden, wenn der Rechtszuſtand, welcher durch die Verfaſſung eine allgemeine Sicherheit erhalten hat, aufrecht erhalten wird, und aufrecht erhalten wird dieſer Rechtszuſtand nur durch eine gute Kammer, durch tüchtige Volksvertreter. Dieſe Verfaſſung, dieſes Kleinod, wollen wir nun auch erhalten in ihrem ganzen Umfange. Allein damit iſt der Schluß nicht gemacht, wir wollen nicht dabei ſtehen bleiben; durch die Verfaſſung iſt ja, wie der verewigte Stifter derſelben in der Einleitung ſelbſt ſagte, nur der Weg gebahnt, zu einer höhern Vollkommenheit der Staats— einrichtungen, zur Wohlfahrt des Volkes; dazu bleibt uns aber noch manches zu hoffen, zu wünſchen und zu erreichen übrig. Ich erinnere Sie nur an die Preßfreiheit, die uns in der Verfaſſungsurkunde, jedoch unter den noch zu erwarten ſtehenden Bundesbeſtimmungen zugeſichert iſt. [Aber dort liegt gerade der Hemmſchuh der Fortbildung des conſtitutionellen Lebens in Deutſchland. Doch, dies ſoll uns nicht abhalten, die Preßfreiheit zu fordern und dieſe Forderung ſo lange zu wiederholen, bis ſie uns wird; und ſie muß uns werden, ſie iſt ein angebornes Menſchenrecht, ein Urrecht, um das wir nicht, als wie um eine Guade bitten, ſondern das wir als ein Recht verlangen können.] Sie iſt das größte Gut aller Menſchen, das unſchätzbare Mittel, dieſelben zu belehren und Freiheit und Licht zu verbreiten, ohne dieſelbe kann kein conſtitutioneller Staat gedeihen, ſie iſt für dieſen, was für die Pflanzen der Thau! Sie iſt uns durch die Verfaſſung zuge— ſichert, ſie muß uns werden. Die uns Deutſchen inwohnende — 169 — Kraft, und die Alles zermalmende Zeit wird ganz gewiß auch die Hinderniſſe und ſo Gott will, bald, beſiegen. Sodann haben wir Oeffentlichkeit und Mündlich— keit vor Schwurgerichten zu erlangen. Nach dem bei uns beſtehenden geheimen Inquiſitionsver— fahren wird der Angeklagte von Richtern abgeurtheilt, die ihn noch nie geſehen haben, die ihn nicht kennen; und zwar auf Akten hin, welche ohne eine weitere Controle, als die eines in mancherlei Beziehungen abhängigen Aktuars, (denn dieſe werden ja von den Beamten angeſtellt und können auch von ihnen entlaſſen werden) niedergeſchrieben ſind. Sodann hat auch nicht jeder Beamte die Auffaſſungsgabe, daß er die Antworten der Angeklagten gehörig wieder giebt. Endlich ſind die Beamten auch Menſchen, welche ihre Leidenſchaften, wie die andern haben. Gar oft wird der Angeklagte ſchon als der Schuldige angeſehen, man will von ihm das Geſtänd— niß, dieſes erfolgt nicht oder nicht ſobald, da entbrennt die Leidenſchaft, und der Angeklagte wird gepeinigt und gequält. Meine Mitbürger! Fälle ſolcher Art giebt es und Sie kennen gewiß auch ſolche; ich will Ihnen aber nur, um vorzugsweiſe damit die Verwerflichkeit des geheimen Inqui— ſitionsverfahrens vor die Augen zu führen, einen Fall in ihr Gedächtniß zurückführen, nämlich die vor etwa 20. Jahren in Urloffen geſchehene Mordgeſchichte. Die Angeklagten ſaßen viele Monate im Gefängniſſe an Ketten geſchmiedet, ſie wurden auf alle Art gepeinigt und gequält und zu Krüppeln geſchlagen, und waren dennoch unſchuldig, wie der Erfolg der Unterſuchung zeigte, indem dann ſpäter ein Anderer als Mörder hingerichtet wurde. [Was that nun der Staat dieſen zu Krüppeln gepeinigten Bürgern? Einen Bettelbrief ſtellte er aus, welcher ihnen das Recht gab, vor den Thüren mildthätiger Menſchen ein Almoſen zu ſuchen, da ihre Behandlung als Angeklagte ſie zum Arbeiten untauglich gemacht hatte. Solche] Ungerechtigkeiten können bei dem öffentlichen und mündlichen Verfahren nicht vorkommen. Das im Gerichtsſaale verſammelte Volk führt die Controle. Der Angeklagte ftebt perſönlich vor den Richtern, er kann ſich dort ſelbſt oder durch ſeinen Sachwalter vertheidigen, der Gang der Unterſuchung geht raſch vorwärts; iſt er unſchuldig, ſo wird er ſogleich freigegeben, und dadurch, ich will nur den mindeſt nachtheiligen Umſtand herausheben, werden der Staats— kaſſe unzählige Koſten erſpart, der Staatskaſſe, die ſich durch Eure Staatsbeiträge füllt und abermals füllt. Meine Mitbürger, das Volk, welches einmal das Inſtitut der Oeffentlichkeit und Mündlichkeit, das Schwurgericht hat, das läßt es nur mit ſeinem Blute. Ich verweiſe Sie, meine Mitbürger, nur auf die Rheinländer, unſre Brüder. [Obgleich dieſen nach dem Befreiungskampfe dieſes Inſtitut garantirt worden, ſo wurde doch] dem letzten Provinzial-Landtag ein Entwurf vorgelegt, welcher dieſes Inſtitut in ſeinen Grund— pfeilern erſchüttert. Eine Anzahl von Petitionen mit 1000 und abermals 1000 Unterſchriften wurden dem Provinzial— Landtag übergeben, alle auf Verwerfung des Entwurfs und auf kräftiges Wirken für das Beſtehen des Inſtituts, und dieſes verfehlte auch ſeinen Zweck nicht. Der Entwurf wurde entſchieden und kräftig abgelehnt. Meine Mitbürger! dieſe und ähnliche Geſetze haben die Landſtände ſchon ſeit vielen Jahren verlangt und ſie verlangen ſie wiederholt bei dem nächſten Landtag. Unterſtützt ſie durch Petitionen und laßt nicht erkalten den Eifer, den ihr in neueſter Zeit ſo ſchön an den Tag gelegt habt. Beſehet die Ver— faſſungs-Urkunde und leſet ſie ſo lange, bis ſie, wie man zu ſagen pflegt, in euer Fleiſch und Blut übergegangen iſt, dann werdet Ihr die Rechte kennen lernen, die euch zuſtehen, dann werdet Ihr auch die Mittel kennen lernen, fie i handhaben, fie zu erhalten. Dieſe Mittel find die Landſtände, Ihr werdet alſo gute Wahlmänner wählen, und wo gute Wahlmänner gewählt werden, da weicht der Boden nicht, (um mit Peter in ſeinem Schreiben an die Wahlmänner des Amts Kenzingen zu reden,) ich ſage, da weicht der Boden nicht, auf dem die Volksvertreter ſtehen, da iſt der Boden ein Felſen, der, wenn auch alle Regierungen ihre Minen ſpringen laſſen, nicht — 171 — erſchüttert wird; er wird ſo feſt ſtehen, als jener Felſen, auf den Chriſtus ſeine Kirche gebaut hat, und die Verfaſſung wird eben ſo lange beſtehen, als die chriſtliche Kirche. Obgleich nun aber eine ſo gehandhabte Verfaſſung ein koſtbares Gut iſt, ſo ſind wir dennoch nicht in der Lage, dem Stifter für dieſe Verfaſſung als ein Geſchenk zu danken. Meine Mitbürger! die Verfaſſung iſt von Seite des Groß— herzogs Karl die Erfüllung eines heiligen Verſprechens, gegeben in den Zeiten der Bedrängniß Deutſchlands durch den franzöſiſchen Unterdrücker, gegeben für die Beihülfe der deutſchen Völker zur Erringung der Unabhängigkeit Deutſch— lands, der Unabhängigkeit der deutſchen Fürſten und zur Befeſtigung ihrer damals ſchwankenden Throne. Es ſind gewiß noch viele unter Ihnen, welche mit blutigen Waffen in der Hand die Befreiungsſchlacht mitgeſchlagen, vor deren Augen die Verſicherungen geleiſtet wurden. Ich erinnere Sie, meine Mitbürger, an die vielen Proclamationen und namentlich an die von Kaliſch, ich erinnere Sie an das Ver— ſprechen der deutſchen Fürſten, welches ſie auf dem noch von Blut rauchenden Schlachtfelde von Leipzig am 18. Oktober 1813 auf den Knien mit gegen den Himmel gehobenen Händen abgelegt und dann die deutſchen Völker um ihre Hülfe angefleht und ihnen dafür ihre früheren Rechte und namentlich land— ſtändiſche Verfaſſung zugeſichert haben. Wir ſind alſo nicht in der Lage, für ein Geſchenk zu danken, wohl aber ſind wir dem höchſtſeligen Großherzog Karl dafür Dank ſchuldig, daß er einer der erſten deutſchen Fürſten war, welcher ſein männliches Wort löſte und uns eine Verfaſſung gab, welche uns den Weg bahnt zur immer höhern Vollkommenheit der Staatseinrichtungen und dadurch zur Wohlfahrt des Volkes. Durchdrungen von dieſem Gefühle, erhebe ich nunmehr meine Stimme und bringe dem Andenken des verewigten Stifters der Verfaſſung, dem böchſtſeligen Großherzog Karl ein dreimaliges Hoch! = A Um 2 Uhr Feſteſſen im Freien an einer langen Tafel! — Der erſte Toaſt galt dem regierenden Großherzog. Den zweiten brachte Advokat Richter auf das Gedeihen der Ver— faſſung, deren Jugendjubiläum wir begingen, die in der Jugend ſchon fo ſchöne Früchte trug, wie die Aufhebung der Leibeigenſchafts-Abgaben, die Gemeinde-Ordnung, die Zehnt— Ablöſung und wie ſie alle heißen! Der Sprecher berührt dann ihre ſchöne Wirkſamkeit in der Zukunft, wenn die Bürger bis zum fünfzigjährigen Jubelfeſte und fort und fort ſo ernſte Theilnahme dem ſtaatlichen Leben widmen, wie an dieſem Feſttage ꝛc. c. Es folgten Toaſte auf von Rotteck, den Hauptverfechter der Verfaſſung, auf die Volkskammer und ihren Lichtſtern von Itzſtein u. ſ. w., auf die Jugend, die Grundlage des geſitteten Bürgerthums, auf Einführung der landſtändiſchen Verfaſſung in allen deutſchen Ländern ein; Toaſt zu Ehren des Abgeordneten Richter, den dieſer mit einem Hoch erwiderte auf unſere Stadt und Umgegend wegen ihrer regſamen Theilnahme am politiſchen Leben und am Feſte und auf den Fortbeſtand ſolch' ächter Bürgergeſinnung. Man gedachte der Politiſch-Verfolgten, des Jordan, des Behr, [des Peter, Sander, Hoffmann] ze ꝛc. ꝛc. ꝛc. Schön war der Tag. Er ſchloß mit dieſem köſtlichſten Volksmahle, woran Reich und Arm, Jung und Alt Theil nahmen, Jeder gleich fröhlich und vergnügt alle Bürger. Man trennte ſich mit dem ernſten Wunſche, bald wieder ſolch' Feſt zu feiern. — VIII. Vforzheim. Der 22. Auguſt war hier ein Tag der allgemeinen Feier, begünſtigt von dem freundlichſten Wetter, während es die zwei vorhergehenden Tage ſtark gewittert und geregnet hatte; allein ſelbſt der heftigſte Regen am vorhergehenden Tage hielt die Einwohner Pforzheims nicht ab, die Straßen mit Bäumen und Laubgewinden, und die Häuſer von unten bis oben mit Laubwerk, Kränzen, Guirlanden, Draperien, Fah— nen u. ſ. w. zu ſchmücken, ſo daß man am Abend nicht mehr in den Straßen einer Stadt, ſondern in einem Feengarten zu gehen wähnte, denn in den Hauptſtraßen, ſo wie in den meiſten Nebengaſſen und auf dem Marktplatze war auch nicht ein Haus ohne ſolche Verzierung; ſelbſt von dem höchſten Firſt mehrerer Häuſer wehten, wie von hohem Maſte, mächtige Flaggen in den Landesfarben; überall war das Bild oder die Namenschiffre (C) des edlen Gründers der Verfaſſung ange— bracht und bekränzt, und alle dieſe Vorrichtungen waren wie durch einen Zauberſchlag erſtanden. Die ſich kundgebende Regſamkeit erinnert mich an die Worte Schillers in deſſen Lied von der Glocke: Tauſend fleiß'ge Hände regen, Helfen ſich in munterm Bund Und in feurigem Bewegen Werden alle Kräfte kund. Da das Feſtprogramm in keinem öffentlichen Blatte erſchien, ſo liefere ich hier die Einzelheiten des ganzen Feſtes. — 174 — Am Vorabend wurde den Bedürftigen auf Koſten der Gemeindekaſſe Brod und Fleiſch verabreicht, und jedem Bür— ger ein Exemplar der Verfaſſungs-Urkunde zugeſtellt. Bei Einbruch der Nacht verkündete ein Hochfeuer auf dem Wart— berg, begleitet von Böllerſchüſſen, der Nachbarſchaft die Feier des folgenden Tages; in der Stadt ſelbſt aber waren mehrere Straßen feſtlich beleuchtet, und es zeigten ſich manche ſinn— reiche Inſchriften, unter andern folgende: „Dank dem edlen Fürſten, der die Mündigkeit ſeines Volkes anerkannt hat;“ „Verfaſſung, Recht und Wahrheit, deine Säulen, unſer Hort;“ „Heil dem Fürſten, der ſeines Volkes Werth erkannt.“ An demſelben Abende begab ſich der Liederkranz begleitet von Fackel— trägern vor die Wohnung des Abgeordneten Lenz, und brachte daſelbſt dem Andenken des Großherzogs Carl, ſo wie dem genannten Abgeordneten ein Hoch und es wurden abwechſelnd paffende Lieder geſungen. Den andern Morgen 5 Uhr ver— kündeten Böllerſchüſſe die Feier des Tages; von 7 —8 Uhr ließ ſich Choralmuſik von dem Altane des Rathhauſes herab hören. Um 8 Uhr verſammelten ſich die Zünfte auf ihren Zunftſtuben, die verſchiedenen Fabrikarbeiter an den von ihnen gewählten Plätzen, die Schuljugend, ſo wie die Schüler des Pädagogiums in ihren Schulen, der Verein der Turner auf dem Turnplatz, der Liederkranz in ſeinem Vereinslokal, ſämmt— liche Mitglieder der Staatsſtellen, des Gemeinderaths, des engeren Bürgerausſchuſſes, die Fabrikbeſitzer, die Mitglieder des Handelsſtandes und die weiteren Staatsbürger, ſo wie das Fefteomite auf dem Rathhauſe. Von dieſen Sammel— plätzen begaben ſich die Feſttheilnehmer um 8½ Uhr auf den Schulplatz, wo der Zug von dem Feſtcomité und eigens dazu aufgeſtellten Feſtordnern geordnet wurde, und ſich dann von dort aus durch die altenſtädter Straße nach dem Marktplatz bewegte, und zwar in folgender Ordnung: a) drei Zugführer, b) Fahnen mit Begleitung, c) die Schuljugend, d) der Verein der Turner, e) der Liederkranz, k) das Feſtcomité, g) die Mitglieder der Staatsſtellen, h) der Gemeinderath und der engere Bürgerausſchuß, 1) die Fabrikbeſitzer, k) die Mitglie— — Abe der des Handelsſtandes und die übrigen ſtaatsbürgerlichen Einwohner, 1) ſtädtiſche Fahnen mit Begleitung, m) die Zünfte unter Vortritt ihrer Obermeiſter mit den Zunftfahnen, n) die Arbeiter der verſchiedenen Bijouteriefabriken unter Vortritt ihrer betreffenden Kabinetmeiſter; nach dieſen die Arbeiter der übrigen Fabriken, und endlich die von dem Ben— kiſerſchen Hammerwerk, an der Spitze die Bergleute in ihrer Bergmannstracht unter Vortritt des Oberſtaigers mit Fahne. Auf dem Marktplatz wurde der Zug, ſobald er ſich zeigte, mit Muſik empfangen, und ſtellte ſich in einem Halbkreiſe vor der daſelbſt errichteten Tribüne auf, während die Träger der zwölf ſtädtiſchen Fahnen zu beiden Seiten die Tribüne umga— ben, neben welcher ſich auch das Feſtcomité und der Lieder— kranz aufſtellten, während auf der andern Seite die Muſik ihren Platz hatte, die abwechſelnd mit einem zweiten von den Goldarbeitern eigens für ſich beſtellten Muſikchor ſpielte. In Abweſenheit des Bürgermeiſters beſtieg hierauf der Altbürger— meiſter Lenz, Abgeordneter der zweiten Kammer die Tribüne, und erſuchte die hierzu beſtimmte Deputation, die Verfaſſungs— urkunde von dem Rathhauſe herbeizuholen; nachdem dieſe Depu— tation, beſtehend aus einigen Mitgliedern des Feſtcomité, des Gemeinderathes und engeren Bürgerausſchuſſes, und begleitet von den Zugführern und zwei Fahnenträgern, ein Pracht— exemplar der Verfaſſungsurkunde in reichem Einbande herbei— gebracht und dem Abgeordneten Lenz überreicht hatte, hielt dieſer folgende Anrede: „Wir haben uns beute verſammelt, um das 25jäbrige Beſtehen unſerer Verfaſſung zu feiern. Die Zahl der Theil— nehmer an dieſer Feier iſt groß. Es iſt dies ein erfreulicher Beweis, welcher warme und kräftige Antheil bei uns an dem Gedeihen der Verfaſſung genommen wird. Es iſt aber auch ein erhebendes Gefühl, einem Volke anzugehören, deſſen Frei— heiten und Rechte durch eine Verfaſſung feſtgeſtellt ſind, eine Verfaſſung, wie wir ſie in Baden beſitzen. Heute vor 25 Jahren gab der edle Fürſt, der höchſtſelige Großherzog Carl dem badiſchen Volke ſeine Verfaſſung. Dies veranlaßte Freude — 176 — im ganzen Lande und ein Gefühl der innigſten Dankbarkeit. In Pforzheim theilte man dieſes Gefühl und die Freude. Es war ein ſchöner Lohn für das kraftvolle Mitwirken des badi— ſchen Volkes an der Befreiung des deutſchen Vaterlandes von der Schmach und dem Druck, womit der Herrſcher Frank— reichs es belaſtet hatte. In Baden wurde die Verfaſſung auf guten Boden gepflanzt; ſie blühte, ſie reifte und weitere Folge war ihr Gedeihen. Ihr Wachsthum beförderte Vaterlands— liebe, Geiſtesbildung, Aufklärung und Sittlichkeit des Volkes. Bei einem Beſtehen von 25 Jahren läßt ſich ſchon von Erfah— rung ſprechen; eine bewährte iſt die, daß Badens Volk ſich würdig bewieſen hat der Freiheiten und der Rechte, in deren Beſitz es durch die Verfaſſung ſich befindet. Es hat davon nie einen andern, als einen weiſen, rechtlichen und geſetzlichen Gebrauch gemacht. Wir ſind zu der Hoffnung berechtigt, die— ſer ſchöne Zuſtand werde auch ferner fortbeſtehen. Der Geiſt, der unſere herangewachſene Generation beſeelt, bürgt dafür. Laſſen Sie uns als heilige Pflichten betrachten: treue Anhänglichkeit an unſer erbabenes Fürſtenhaus, Verfaſſungs— treue und Achtung vor den Geſetzen. Laſſen Sie es uns aber auch eine heilige Pflicht ſein, beizutragen, daß die Ver— faſſung, welche ſo wohlthätigen Einfluß auf die Wohlfahrt des Volkes hat, in ihrer Reinheit erhalten werde. Beleh— rung über die Rechte und Freiheiten der badiſchen Staatsbürger giebt die Ihnen bereits eingehändigte Verfaſſungsurkunde; einiges Weſentliche daraus wird Ihnen nun vorgetragen werden.“ Hierauf beſtieg ein Mitglied des Feſteomité die Tribüne und als ſolches die auf dem Pult der Tribüne aufgelegte Verfaſſungsurkunde aufnahm und der Verſammlung vorzeigte, ſo erſcholl ein tauſendſtimmiges Hoch, dem Böllerſchüſſe folg— ten. Darauf wurde die Einleitung zur Verfaſſungsurkunde verleſen, an deren Schluß der Liederkranz mit dem Liede: „Wer iſt ein deutſcher Mann“ einfiel; nachdem einige Strophen hievon geſungen waren, wurde mit Verleſung der zwei erſten Titel der Verfaſſung fortgefahren. Auf den Schluß — m 4 derſelben brachte der Abgeordnete Lenz ein Hoch der Ber- faſſung und ein weiteres Hoch dem Andenken des Großherzogs Karl, als Gründer der Verfaſſung. Nachdem die Verfaſſungs— Urkunde wieder auf das Rathhaus zurückgebracht war, begab ſich der Zug, unter Glockengeläute und Böllerſchüſſen, in der früheren Ordnung durch die Brötzinger Straße und zum oberen Schloßthore herein in die Schloßkirche. Hier erhielt die Feier ihre höhere geiſtige Weihe, denn wie nicht nur die Theilnehmer am Feſtzuge ſelbſt, ſondern auch die ganze übrige Bevölkerung während des Zuges durch die Straßen und während der Feierlichkeiten auf dem Marktplatze durchgängig eine ernſte, würdige und feierliche Haltung, die keine Beſchreibung zuläßt, beobachteten, ſo mußte ſich der Ernſt und die Würde an dieſem Orte nur noch ſteigern und ſichtbar bemächtigte ſich der ganzen Verſammlung eine tiefe Rührung und geiſtige Erſchütterung bei dem Gedanken, daß hier die Aſche des edlen Gründers der Verfaſſung rubt, und daß ſein Geiſt der Gruft entſteigen und die zur Feier ſeines edlen Werkes Verſammelten umſchweben dürfte. 5 Nach beendigter kirchlicher Feier bewegte ſich der Zug abermals in der früheren Ordnung zurück auf den Marktplatz, wo das Feſtcomité, die Staatsbeamten, der Gemeinderath und engere Ausſchuß, ſo wie die Fabrikbeſitzer und die Mitglieder des Handelsſtandes vor dem Rathhauſe ſich aufſtellten und der übrige Theil des Zuges unter Muſik vor ihnen defilirte. Hier— mit ſchloß ſich die Feier des Vormittags. Um 1 Uhr fand das Feſteſſen in einer eigens hiezu auf dem Schießplatze errichteten und geſchmückten Hütte ſtatt, und nahmen hieran 260 Perſonen Antheil; übrigens hatten auf dieſem ſehr geräumigen und freundlich gelegenen Platze noch ſehr viele Wirthe und Bierbrauer große und geſchmackvoll verzierte Hütten errichtet, weßhalb dieſer Platz Nachmittags als all— gemeiner Verſammlungsort diente, an dem Frohſinn und allgemeine Heiterkeit herrſchte, unterſtützt durch zwei Muſik— chöre, die ſich von zwei, ebenfalls eigens hiezu errichteten Pavillons herab abwechſelnd hören ließen. 12 8, An Trinkſprüchen wurden in der Feſthütte, und zwar nur bei deutſchem Wein, folgende ausgebracht: Von Oberamtmann Böhme: 1) „Sr. Königl. Hoheit dem Großberzog Leopold, als dem Wiederberſteller der Verfaſſung in ihrer urſprünglichen Reinheit und als deren Beſchirmer und Erhalter.“ Von Rechtsanwalt Schlemmer: 2) Der Verfaſſung in folgenden Worten: „Das uns Allen ſo theure Vermächtniß, das jener edle Fürſt durch ſeinen bald darauf gefolgten Tod beſiegelte; die Verfaſſung, die dem Volke als die Frucht beißen und ſchweren Kampfes, als der Lohn für die großen gebrachten Opfer zu Theil ward; die Verfaſſung, durch welche die Rechte und Pflichten des Regenten und ſeiner Räthe, wie die des Volkes, in ihrer Grundlage feſtgeſtellt ſind; die Verfaſſung, wodurch jener edle Fürſt die Mündigkeit ſeines Volkes anerkannt und die in dem Herzen und Leben des Volkes ſo kräftig Wurzel gefaßt hat, ſie möge, in allen ihren Theilen eine Wahrheit, erſtarken zu einem kräftigen Baum, unter dem die Freiheit und Wohlhabenheit eines Volkes gedeihe, das ſich innerhalb der Schranken des Geſetzes ſelbſtſtändig und frei bewegt.“ Von Gemeinderath Schwarz. 3) „Dem geheiligten Andenken des verewigten Groß— herzogs Karl, dem hochſinnigen Gründer der Verfaſſung; ſein Andenken lebe in uns fort und erhalte uns unerſchütterlich in der feen 4 Von Herrn Finkenſtein. 4) „Der erhabenen Großherzogin, der fürſtlichen Gattin und Mutter! der edelſten Fürſtenfamilie, an deren Spitze Seine Hoheit der Erbgroßherzog, welcher dem badiſchen Volke die ſchönſten Hoffnungen erblühen läßt!“ Von Rechtsanwalt v. Belli: 5) „Dem badiſchen Volke. Eine Verfaſſung iſt in ihrer Jugend, gleich dem Menſchen in ſeinem Kindesalter, mehreren Krankbeitskriſen ausgeſetzt, denen ſie leicht unterliegt. In — 179 — Folge einer ſolchen Kriſis iſt die Tochter unſerer Ver— faſſung, die Preßfreiheit, vor einigen Jahren in der Wiege geſtorben und in Folge ſolcher Kriſis wurde die Schweſter unſerer Verfaſſung, die von Hannover, vor einiger Zeit geradbrecht. Der Grund der Gefahr für ſolche Inſtitute liegt wohl eines— theils darin, daß ihre moraliſchen Wirkungen das Gleichgewicht noch nicht erlangt haben und theilweiſe ſich ſelbſt zerſtören, oder es ſind anderntheils die an ſich wohl geordneten Kräfte des Inſtituts noch zu ſchwach, um dem Andrang von außen zu widerſtehen, ſie unterliegen den feindlich entgegenwirkenden Kräften. Dem Geiſt und der Haltung des badiſchen Volkes, welches ohnedies in geiſtiger Beziehung unter die erſten Völker Deutſchlands zu rechnen iſt, verdanken wir nun, daß unſere Verfaſſung die Gefahren ihrer Jugend bereits glücklich überſtanden und noch mehr, daß ſie eine Kraft erlangt hat, mit welcher ſie ruhig, ſicher und des Sieges gewiß, künftigen Gefahren entgegentreten kann. Für dieſen Geiſt und für dieſe Haltung ſei dem Volke Badens dieſes Hoch gebracht!“ Von Herrn Friedrich Siegle: 6) „Den Ständen „Im engſten Zuſammenhang mit unſerer Verfaſſung, deren 25jähriges Beſtehen wir heute feiern, ſtehen die Stände. Auf ihnen ruht die heilige Pflicht, das koſtbare Kleinod in ſeiner Reinheit zu wahren und geſetz— gemäß fortzubilden. Durch ihr kräftiges Zuſammenwirken wird das geſchaffen, wozu in der Verfaſſung der Grund gelegt iſt; ſie ſind das belebende Element für den todten Buchſtaben. Blicken wir nun zurück auf die vergangenen 25 Jahre, ſo werden Sie, meine Herrn, gewiß von ganzem Herzen mit mir einſtimmen, wenn ich unſeren verehrten Ständen ein drei— maliges Hoch bringe.“ Von Herrn Auguſt Dennig: 7) Deutſchland. Meine Herrn! Noch ein Toaſt! und ein Toaſt ganz aus Ihren Herzen! Doch bitte ich mit deutſchem Weine Ihre Gläſer zu füllen, denn er gilt dem großen deutſchen Vaterlande! 12* — 480 — Meine Herren! Es iſt noch nicht ſo lange, daß ein Toaſt auf Deutſchland beinahe einem verbotenen gleich geachtet war. Gott ſei Dank! jene Zeiten ſind vorüber, und daß ſie vorüber ſind, das iſt es, was wieder allgemeiner und inniger alle Herzen zu dem großen Vaterlande hinzieht! Meine Herrn! Mögen Zeiten wie jene nie wiederkehren! Möge nie wieder in des Deutſchen Bruſt das deutſche Nationalgefühl erkalten! Möge es immer freier und kräftiger in allen Herzen auf— lodern und die Eintracht und die Verbrüderung aller deutſchen Stämme hervorrufen und erhalten, aus welcher allein unſerem großen Vaterlande eine ſchöne, feiner würdige Zukunft erblühen kann! Meine Herren! Deutſchland, unſer Vaterland! Es blühe glücklich, frei und groß! bis an das Ende aller Tage! Deutſchland lebe hoch! 8) Der Stadt Pforzheim. (Ausgebracht von Herrn Buhl aus Ettlingen, z. Z. wohnhaft in Deidesheim:) „Der Stadt Pforzheim, ihren wackeren Bürgern, die begriffen, welche Rechte ihnen durch die Verfaſſung verlieben wurden, und bieder, männlich und entſchieden darnach gehandelt haben als die Frage an Euch geſtellt worden iſt, welchen Werth für Euch die Verfaſſung hat — Euch gilt mein Trink— ſpruch! in Euer Aller Sinn und Herz iſt der Geiſt des erhabenen Dokumentes unverwiſchlich eingeprägt. Das habt Ihr auch heute auf's Unwiderſprechlichſte durch die würdige und allgemeine Theilnahme an der Feier des Tages bewieſen. Ihr könnt mit edlem Selbſtvertrauen jedem Manne kühn in's Antlitz ſchauen! erfreut Euch lange noch des reinſten Bürger— glückes. — Euch bringe ich von ganzem Herzen ein drei— maliges Hoch!“ Ferner wurden noch Toaſte gebracht, dem Abgeordneten v. Itzſtein, als dem Neſtor der zweiten Ständekammer, dem unerſchütterlichen Felſen im Wogendrange; ſodann den beiden Abgeordneten der Stadt Pforzheim, den Herren Hoffmann und Lenz für ihre Geſinnungstreue und männliche Charakter— feſtigkeit. Auch ein Würtemberger brachte folgenden Toaſt: — > — Meine Herren! Im Namen meiner Würtembergiſchen Landsleute erlaube ich mir, Ihre Aufmerkſamkeit für einige Augenblicke in Auſpruch zu nehmen: Jeder brave Würtemberger feiert gewiß, wenn auch nicht hier anweſend, im Geiſte mit Ihnen das ſchöne Feſt, welches das badiſche Volk heute begeht, und deſſen Wichtigkeit ihm gar wohl bekannt iſt; jeder brave Würtemberger nennt mit Stolz diejenigen Männer ſeine deutſchen Brüder, welche mit eben ſo viel Muth und Energie, als redneriſchem Talent die conſtitutionellen Rechte des badiſchen Volkes vertreten und gewahrt haben, und mit mir wird jeder brave Würtemberger in den Wunſch einſtimmen: mögen die beiden Nachbarländer durch Einheit und Harmonie in ihren Geſinnungen immer mehr erſtarken, und wahre Bruderſtaaten fern! Dieſe Bruderſtaaten, Baden und Würtemberg, ſie leben hoch! — Der Frohſinn machte bis ſpät Abends auf dem Schieß— platze ſeine Rechte geltend, jedoch immer in würdiger Haltung. Zum Schluſſe waren in der Stadt wieder die meiſten Häuſer beleuchtet. Der Charakter des ganzen Feſtes war, wie bereits bemerkt, ein ernſter und würdiger und der Totaleindruck ein erfreulicher und erhebender, denn es bekundete ſich die allgemeinſte Theil— nahme und ein reger kräftiger Sinn für conſtitutionelles Leben, ein Sinn, der die hohe Bedeutung des Tages begriff und von ſittlicher und politiſcher Bildung des Volkes und von Achtung vor dem Geſetz zeugt, was wir bereits als die Frucht des conſtitutionellen Lebens betrachten können. La her. Das Verfaſſungsfeſt wurde hier mit aller Würde gefeiert, die der hohe Gegenſtand verdiente. Wir hatten eine Vorfeier und das Hauptfeſt ſelbſt. Die Vorfeier begann am 21. Auguſt, Abends 7 Uhr, zu welcher Stunde ſich die hieſige Einwohner— ſchaft auf und bei dem Rathhauſe verſammelte und in feier— lichem Zuge, unter Begleitung des Bürgermilitärs, des Jäger— corps und der Cavalerie auf den eine halbe Stunde von hier entlegenen Schutterlindenberg ſich begab. Es war ein langer ſchöner Zug, an dem nicht nur die Bürger und ſtaats— bürgerlichen Einwohner, ſondern auch die Jugend und die Frauen Theil nahmen. Schon des Nachmittags, ehe ſich noch der Himmel ganz erheitert hatte, wurden alle Häuſer der hieſigen Stadt mit Blumenkränzen und Standarten auf das freundlichſte geziert, und Jeder, der Arme, wie der Reiche, wetteiferte, ſein Schärflein zum Schmucke des Feſtes beizu— tragen. Nachdem der Zug auf dem Schutterlindenberge, auf deſſen weit hinſchauender Höhe zur Erinnerung an den 22. Auguſt 1818 eine 24 Fuß hohe Säule errichtet worden, angelangt war, ſpielte die Muſik des Jägercorps, ſo wie des Cavaleriecorps abwechſelnd; dazwiſchen wurden von den hieſigen Geſangvereinen verſchiedene patriotiſche Lieder abge— ſungen, bis die Nacht herangekommen war. Eine Anzahl Raketen verkündeten nun weithin dieſe Feier, worauf Advocat Hofer folgende Rede hielt: Verehrte Freunde der Verfaſſung! Wir begehen heute die Vorfeier eines Tages, welcher jedem Vaterlandsfreunde heilig ſein muß, des Geburtstages — 183 — unſerer Verfaſſung. Heißt ihn willkommen und beilig dieſen Tag, der uns zu freien ſelbſtſtändigen Männern machte. Wir ſtehen zwar noch nicht auf der Stufe der Vollkommen— heit der Staatseinrichtung, uns fehlt noch ſo manches Wün— ſchenswerthe. Allein unſere Verfaſſung, die in ibrer. Anlage alle Keime zur Entwicklung des ſchönſten Staatslebens enthalt, iſt nicht Schuld daran, daß uns das von ihr zugeſicherte ſchönſte Menſchenrecht, die Preßfreiheit wieder verkümmert worden, daß die verheißene Miniſterverantwortlichkeit bis jetzt nur eine papierne iſt, und daß uns die von dem Fortſchritt der Zeit gebotene Oeffentlichkeit des Gerichtsverfahrens in Criminal— ſachen vorenthalten wird. Doch nicht meine Aufgabe iſt es, heute ein Weiteres zu ſprechen von den Wünſchen der Verfaſſungsfreunde; dieſes wird morgen bei Begehung des Hauptfeſtes geſchehen. Ich habe einzig über den Zweck des heutigen Feſtes, das nur die Vorfeier des morgigen viel ſchöneren iſt, noch einige Worte an Sie zu richten. Es iſt eine uralte, dem Familienleben entnommene ſchöne Sitte der Völker, wichtige und ſegenbringende Ereigniſſe ihrer Geſchichte durch öffentliche Feſte nach gewiſſen Zeiträumen ins Gedächtuiß der Bürger zurückzurufen, um die Vaterlandsliebe, dieſes edelſte und erhabenſte Gefühl der menſchlichen Bruſt, zu beleben und aufs Neue anzufeuern. Wie im ganzen Lande, ſo ſind auch wir hier, wo ſich der Bürgerſinn für Recht und geſetzliche Freiheit ſo herrlich entfaltet, wo ſo viele wackere Männer für das Glück des Vaterlandes glühen, jener Idee vor Allen und mit ſolcher Theilnahme gefolgt, daß ich wohl ſagen darf, der Werth der Verfaſſung findet nirgends im Lande ſchöneren Anklang, nirgends ſind die Bürger und Bewoh— ner von wahrer Vaterlandsliebe mehr durchdrungen, als in Lahr und deſſen Bezirke. Zum Zeichen unſerer feſten Geſinnung, unſerer Standhaf— tigkeit in der Liebe zur Verfaſſung haben wir jene Säule als Stein der Erinnerung an den ſegenvollſten Tag errichtet, an dem der bochfelige Großherzog Karl, — morgen ſind es 5 25 Jahre — ſeinem Fürſtenworte getreu, uns die Verfaſſungs— Urkunde gegegeben hat. Dieſes Geſetz, welches unſere ſtaats— bürgerlichen Rechte garantirt, welches dem Grundſatze der Freiheit und Gleichheit huldigt und verordnet: Daß die ſtaatsbürgerlichen Rechte aller Badener gleich ſeien; daß alle Badener ohne Unterſchied zu allen öffentlichen Laſten beitragen; daß alle Staatsbürger gleiche Anſprüche zu allen Civil- und Militärſtellen und Kirchenämtern baben; daß Jeder hinziehen kann, wohin er will, ohne vor dem Wegzuge gebrandſchatzt zu werden; daß Eigenthum und per- ſönliche Freiheit Aller auf gleiche Weiſe unter dem Schutze der Verfaſſung Steben; daß alle Cabinetsjuſtiz verbannt fer; daß Niemand in Criminalſachen ſeinem ordentlichen Richter entzogen werden dürfe; daß es keine Vermögensconfiscationen ferner gebe; daß uns Preßfreiheit werde; daß jeder Landes— einwohner ungeſtörte Gewiſſensfreiheit genieße; daß dem Volke ſelbſt ein wichtiger Theil der Geſetzgebung des Landes zuſtehe, — Dieſes Geſetz, ſage ich, bleibe unerſchütterlich. Wir wollen es ſchirmen und ſchützen als das heiligſte Kleinod unſerer Freiheit und Unabhängigkeit; wir wollen es ſchützen mit Gut und Blut, und vertheidigen nach Innen und Außen mit der Kraft des Geiſtes, mit dem Muthe freier Männer und mit dem Schwerte in der Hand, wenn es die heilige Sache des Vaterlandes heiſcht. Dieſes ſei ein heiliger, ja der heiligſte Schwur eines Jeden von uns zum Heile unſeres biedern badiſchen Volkes, ſo wie des geſammten deutſchen Vater— landes! Tretet nun heran, ihr treuen Bürger und Stützen des Vaterlandes! Naht, ihr wackern Jünglinge, ihr geehrte Frauen und Jungfrauen, und ſchließet einen engen Kreis um den erhabenen Stein, den wir heute zur Erinnerung an den glück— lichſten Tag errichtet haben, an dem das badiſche Volk und insbeſondere der Bürgerſtand ſeine Auferſtehung gefeiert hat! Weiber ihn ein zu einem Altare, auf dem wir jährlich dem Geber der Verfaſſung unſere Dankopfer darbringen wollen. — 185 — Du aber ſtehe feſt, o körniger Stein, und trotze den Stürmen und Gewittern der Natur! Sei nicht zu erſchüttern, wie unſere Liebe zum Fürſten, zum Vaterlande und zur Ver— faſſung unerſchütterlich iſt. Keine Frevlerhand entweihe deine Säule, ſo wie auch kein Feind der bürgerlichen Freiheit die Verfaſſung antaſten möge! Der Redner ſchloß mit einem dreifachen Hoch auf das neuerwachte Bürgerthum und auf den kräftigen Bürgerſinn, dem die Anweſenden, deren es einige Tauſende aus Stadt und Land waren, mit lauteſtem Zurufe beiſtimmten. Aufs neue ertönte Muſik und Geſang, während ſchönes Feuerwerk die Gegend beleuchtete. Namentlich verdient aber hier das von unſerm Mitbürger Georg Schaller oben auf dem Denkſtein bereitete große bengaliſche Feuer eine Erwäh— nung. Es war ein ſchöner Anblick, den uns dieſe liebliche blaue Flamme gab, welche auf eine halbe Stunde im Umkreis die Gegend beleuchtete. Zugleich ward ein großes Freuden— feuer auf dem Schutterlindenberge angezündet, von wo man 25 andere Feuer vom Kaiſerſtuhle bis hinunter nach Raſtatt geſehen hat. Gleichzeitig war auch die Schloßruine „Hohen— geroldseck“ von einem großartigen Freudenfeuer der Seel— bacher in Licht geſetzt. Nach 9 Uhr bewegte ſich der Zug wieder in derſelben Ordnung, wie hinauf, zur Stadt zurück, die jetzt in der ſchönſten Beleuchtung daſtand. Faſt alle Häuſer waren beleuchtet, und an den meiſten überdies Trans— parente mit intereſſanten, dem Zwecke des Volksfeſtes ange— meſſenen Inſchriften angebracht. Die Blechmuſik der Bürger— cavalerie, ſo wie die türkiſche Muſik unſeres Jägercorps und noch eine dritte Muſik, die des Volksſchullehrers Cantors Dorner durchzog die Straßen, welche von Tauſenden von Menſchen angefüllt waren. Es war ein ſchöner Anblick, ein frohes und freundliches Gewoge, erhöht durch die ſchönſte Ordnung und Eintracht, welche durch keinen unangenehmen Auftritt geſtört worden iſt. Zu bemerken iſt noch, daß auch die Sommerwirthſchaft unſeres Rappenwirths Schaller, des = A bekannten Bräuers des vorzüglichen Sanderbiers, auf das ſinnreichſte und geſchmackvollſte geſchmückt und beleuchtet war. Am 22. früh 4 Uhr kündigten 25 Böllerſchüſſe das Feſt an. Darauf zog die Muſik des Jägercorps und der Cava lerie mit klingendem Spiele durch die Stadt. Die Verzie— rungen der Häuſer wurden heute noch verſchönert. Es wehten überall Fahnen mit den Landesfarben. Es war ein Rüſten und Drängen, bis ſich um 9 Uhr am Rathhauſe der Feſtzug bildete. Wie im Programme beſtimmt, ſo kam zuerſt die männliche Schuljugend mit einer eigenen türkiſchen Muſik, angeführt von ihren Lehrern; alsdann folgte das Bürger— jagercorps und nun der Träger der Verfaſſungsurkunde, ein kräftiger Jüngling, begleitet von 60 Jünglingen. Alle waren mit landesfarbenen Schärpen geſchmückt und gleich gekleidet. Es war ſchön, dieſe jungen Männer anzuſehen, die mit wür— digem Ernſte den Träger der Verfaſſungsurkunde umgaben, anzeigend, daß die Jugend ſchon von dem Werthe der Ver— faſſung durchdrungen iſt, und daß ſie ſolche in Gefahr der Noth mit feſter Kraft beſchützen werde. Jetzt kam der Gemeinde— rath, den wackern Bürgermeiſter Baum an der Spitze, und die Verfaſſungsfreunde von Stadt und Land. Hier gingen auch die ſtaatsbürgerlichen Einwohner in bürgerlicher Klei— dung, woraus man erkannte, daß das Feſt kein obrigkeitlich gebotenes, ſondern ein Bürger- oder Volksfeſt ſei. Jetzt ſchloſſen ſich die Geſangvereine dem Zuge an, denen ſich die übrigen Mitglieder des Feſtausſchuſſes mit einer weißen Binde um den linken Arm anreihten. Die Zünfte mit ihren vielen ſchönen Fahnen kamen nun, und den Schluß bildete das Bür— gercavaleriecorps zu Pferd. Die Straßen, durch die der Zug ging, wimmelten von Menſchen, darunter viele Land— leute, Frauen und Männer. Die Menſchenmaſſe war ſo groß, daß der Zug ganz umſchloſſen war. Auf dem Feſtplatze angelangt, beſtieg alsbald der Bürger Kaufmann Wilhelm Schubert die Tribüne, las die Titel J. und II. der Ver faſſungsurkunde mit lauter eindringender Stimme vor und ſprach dabei noch einige Worte über den Geiſt und den Werth — 187 — der Verfaſſung ſelbſt. Nachdem inzwiſchen von den Geſang— vereinen und den anweſenden Muſiken Vorträge gehalten, beſtieg Bürgermeiſter Baum die Tribüne und hielt folgende Feſtrede: Verehrte Berfaffungsfreundel Die Freude ftrablt auf jedem Geſichte, die Bruſt eines Jeden hebt ſich höher und ſchwellt von innigem Gefühle. Warum dieß Alles? Warum das Treiben und Drängen, warum das Zuſammenſchaaren des ganzen Volkes? Sie wiſſen dies wohl, meine Freunde, und dennoch ſoll ich, hiezu auserkoren, Ihnen verkünden, was dieſes ſchöne Volksfeſt bedeutet. Wenn Ihnen dies ſo recht geſagt werden ſoll, ſo gleichſam aus dem Herzen und dem Gemüthe eines Jeden heraus, ſo muß ich Ihnen geſtehen, daß hiezu meine Kräfte zu ſchwach ſind, weßhalb ich bei meinem Wagniſſe auf Ihre Nachſicht rechne. Unſer heutiges Volksfeſt iſt eine Offenbarung, ausgegangen von dem hochherzigen, intelligenten badiſchen Volke, daß es reif iſt für die Freiheiten, die es beſitzt und daß es würdig iſt jener Freiheiten, welche ihm längſt verheißen, aber noch nicht gewährt ſind. — Es iſt unſer Feſt eine Urkunde darüber, daß wir unſere Verfaſſung, welche uns in der Form eines Geſchenkes geboten worden, angenommen, und in unſer Blut eingeſchrieben haben; es iſt aber auch eine Urkunde darüber, daß das badiſche Volk weiß, es hat ein Recht, ein wohl— erworbenes, wohlerkämpftes Recht auf ſeine Verfaſſung, auf die darin enthaltenen Freiheiten, ja es iſt eine Urkunde darüber, daß der badiſche Volksſtamm weiß, jeder andere deutſche Volksſtamm hat auch ein Recht auf eine der hohen Bildungs— ſtufe des deutſchen Volkes angemeſſene, freie Verfaſſung. Unſer Feſt iſt eine öffentliche Darlegung der Liebe und Treue zu unſerm angeſtammten Fürſten, zum Wiederherſteller der Verfaſſung, woraus er entnehme, was ſein glorreicher Vater ausſprach, daß das Wohl des Regenten mit dem Wohle des Landes innig vereint ſei, und daß beider Wohl- oder Uebelſtand in Eines zuſammenfließen; woraus er weiter — 188 — entnehme, daß er von der Vorſehung auserſehen iſt, über ein gebildetes, der Freiheit ergebenes und ihrer würdiges Volk zu walten. Unſer beutiges Feſt iſt ferner eine Mahnung an die Regierung, an die verantwortlichen Lenker des Staatsruders, daß das badiſche Volk nur auf dem Wege des Geſetzes wandelt, daß es fortſchreiten will zur vollen, geſetzlichen Freiheit, daß es widerſtrebt jedem Rückſchritte, feſthält an ſeinen Rechten, ſeine Pflichten erfüllt, aber auch von den— jenigen, welche ihm über die Verwaltung ihres Amtes Rechnung ablegen müſſen, die Erfüllung ihrer Pflichten, und namentlich den wahren, aufrichtigen Vollzug der Verheißungen unſerer Verfaſſung verlangt. — Unſer heutiges Feſt iſt endlich die Feier des 25jährigen Beſtehens der badiſchen Verfaſſung. Denken wir uns einen einzelnen Menſchen, hinausge— ſchleudert auf eine unbewohnte Inſel, wo er einſam ſein Leben vertrauert, wo er der Herrſcher und Beherrſchte in Einer Perſon iſt, dieſer Menſch braucht keine Verfaſſung. So wie aber eine Lebensgefährtin ſich zu ihm geſellt, und ſich eine Familie bildet, ſo iſt ſchon das Bedürfniß eines geregelten Zuſtandes vorhanden, es wird dies um ſo reger, wenn dieſe Familie durch Hinzutreten anderer Familien zu einer Gemeinde und viele Gemeinden zu einem Staate heranwachſen. Dieſer Zuſtand eines Staates ruft Rechte und Pflichten hervor, und das Beſtimmen derſelben in Bezug auf die einzelnen Mitglieder des Staates, iſt die Verfaſſung des letztern. Eine ſolche Verfaſſung iſt natürlich verſchieden nach der Kulturſtufe der Staatsmitglieder. Wir kennen die pa— triarchaliſche Verfaſſung eines umherziehenden Hirtenvolkes, wo der Stammesälteſte die einzelnen Stammesangehörigen zuſammenhält. Wir kennen die ungebundenere Verfaſſungs— weiſe eines herumſtreifenden Jägervolkes, wo die individuelle Freiheit des Einzelnen mehr hervortritt; wir bedauern die Beſchränktheit der Einzelnen bei einem Fiſchervolke. — Hat ein Volk das Nomadenleben verlaſſen und feſte Wohnpläge erworben, hat es eine Heimath, ein Vaterland errungen, — 189 — dann entſteht Ackerbau, Gewerbe, Handel, Wiſſenſchaft, es bilden ſich geregelte, ja geſchriebene Staatsverfaſſungen. Bei der kurzen Betrachtung derſelben wollen wir auf unſerm deutſchen Boden ſtehen bleiben. Unſere Altvordern, obſchon nur eingehüllt in Bärenfelle, haben ihren Fürſten gewählt, er war der erſte Freie unter den Freien, er war der Heerführer und in ſeinem Namen wurde Recht geſprochen. Das Chriſtenthum hat die einzelnen Fürſten mit ihrem Heerbanne unter Einen König, unter Einen deutſchen Kaiſer geführt, der dann der oberſte Richter war. Schauen wir umher in unſerm Lande, wir finden allenthalben Plätze, wo das Volk zu Gericht ſaß, wir finden in unſerer Nähe einen Kaiſerſtuhl, bei Heidelberg einen Königsſtuhl, und wer weiß, ob nicht dort oben auf jenem ſchönen Vorhügel, von welchem der geſtern geweihte Ver— faſſungsſtein auf uns herniederblickt, einſtens ein freies Gericht von freien Männern gehalten wurde. Die Staatsverfaſſung war auf Vernunftrecht, Freiheit, Oeffentlichkeit und Wahrheit gebaut, und erſt dann ver— ſchwanden dieſe ſchönen Grundlagen der deutſchen Verfaſſung, als durch römiſche Eindringlinge römiſches, ja kanoniſches Recht das deutſche Volk knechtete. Die Kämpfe um religiöſe und politiſche Freiheit im Mittelalter, hervorgerufen durch erleuchtete Männer und durch die in der allgemeinen Meinung verbreiteten Freiheitsgedanken, konnten die Erbſünde des Pfaffendrucks und Lehenweſens nicht ganz ausrotten und heute noch dauert der Kampf des Freiheits- und Aufklärungs- ſyſtems gegen das Syſtem der Verfinſterung, Heimlichkeit und Verdummung. — Zur Zeit der Unterjochung Deutſch— lands durch einen benachbarten Eroberer erhob ſich das deutſche Volk, es ſchaarte ſich um ſeine Fürſten, welche dem getreuen und biederen Volke Freiheit verhießen. Es blutete, es ſiegte, und hat hiedurch ſeine Freiheit ſich erkämpft, und wenn ſie einzelnen Volksſtämmen nach beinahe 30 Friedensjahren von jenen Fürſten, welche ſie verſprachen, noch vorenthalten iſt, ja wenn ein Nachfolger eines deutſchen Fürſten das Verſprechen — ſeines Vaters zu erfüllen ſich nicht für verpflichtet hält, ſo mögen dieſe bedenken, daß das Volk, wenn es kämpfte, noch immer geſiegt hat und immer ſiegen wird. — Bei uns, meine Freunde, iſt das Verſprechen, dem Volke eine freie Verfaſſung zu geben, von dem verewigten Großherzog Karl vor 25 Jahren gehalten worden. Wir feiern heute den für Badens Geſchichte denkwürdigen Tag, eine Urkunde, eine Verbriefung erhalten zu haben über des Volkes Rechte, Mündigkeit und Bildung. Betrachten wir dieſen Juwel etwas näher, laſſen wir zuerſt ſeine Geſchichte an uns vorübergehen. Gleich wie der Erſtgeborene in einer Familie begrüßt wird, ſo ertönte der Jubel des Volkes bei der Geburt unſe— res erſtandenen Verfaſſungslebens. Seine Taufe war erhaben und ſchön, der Freimuth, die Wahrheit und die Aufklärung vertraten die Pathenſtelle, aber gleich nach der Taufe began— nen die Prüfungen. Verſchiedene Lehrmethoden wollte man in den Schuljahren dieſes Weſens anwenden, es war eine traurige Zeit. Die Jahre 1825 und 1828 find deß Zeuge. Und wer damals ſchon mitgekämpft hat zur Erhaltung der Freiheit, welche unſerm Verfaſſungsweſen inne wohnte, und wer damals ſchon feſtſtand und nicht wankte, den mag heute das freudige Bewußtſein, ein Getreuer geweſen und geblieben zu ſein, lohnen! — Die Zeit der Confirmation bei unſerm bolden Knaben trat im Jahr 1831 ein. Da wurden die bemmenden Schulproben weggeworfen und unſer Jüngling ſchritt, gereinigt von den Schlacken einer in's Dunkel der Ver— gangenheit zu begrabenden Periode hervor, wiederhergeſtellt in ſeiner vollen Kraft. Die Jünglingsjahre floſſen in einer mehr rückgängigen als fortſchreitenden Weiſe vorüber, bis im Jahr 1844 und 1842, als man die Volljährigkeit unſerer Verfaſſung beſchränken wollte, das Volk dieſelbe als einen blühenden Mann anerkannte, und heute erklären wir dieſen Lebensbaum für verlobt und vermählt. Heute feiern wir das Vermählungsfeſt unſerer Verfaſſung mit dem badiſchen Volke; Verfaſſung und Volk ſei von nun an Eins! — 191 — Iſt es denn auch der Mühe werth, wegen unſerer Ver— faſſung ein Jubelfeſt zu veranſtalten? Wie oft hörte man ſchon von Gleisnern und Wohldienern, von Finſterlingen und Lichtſcheuen den Ausſpruch, unſere Verfaſſung habe keinen Werth, ſie erleichtere das Volk nicht, und das Inſtitut der Landſtände ſei zu theuer. Weiſen wir heute ein für allemal dieſe der Dummheit oder Bosheit, dem Knechtſinne oder dem leidigen Privatvortheile entſproſſenen, verächtlichen Redensarten mit Entrüſtung zurück! Und Ihr Zweifler, die Ihr vielleicht bei einem derartigen Ausdrucke eine redliche Abſicht habt, überzeugt Euch heute durch den allgemeinen auf Kenntniß der Verfaſſung gegründeten Volksjubel, daß Eure Zweifel nichtig ſind. Unſere ſchöne Verfaſſung iſt nicht mehr ſo jung, daß ſie noch nicht Wurzel geſchlagen, daß ſie noch nichts gewirkt hätte. Durch ſie erſt haben wir einen Rechtsboden erlangt, auf welchem der Bürger ſich bewegen und fortbilden kann und darf. Alle Willkür, alle Diktatur eines Einzelnen, alle unum— ſchränkte Selbſtherrſchaft iſt verbannt. Die Rechte der Staats— bürger ſind mit wenigen, geſetzlich feſtgeſtellten Ausnahmen gleich. Alle aus der Leibeigenſchaft entſprungenen Beſchrän— kungen ſind beſeitigt. Die aus der Lehnsherrſchaft noch vor— handen geweſenen alten Abgaben, die Frohnden, die Zehn— ten und wie die auf dem Boden und dem Landmanne ſchwer haftenden Laſten geheißen haben, ſind abgelöſt. Die Beitragspflicht zu den öffentlichen Laſten ruht gleichmäßig auf allen Staatsbürgern, die Befreiungen hievon ſind meiſtens aufgehoben. Das Eigenthum, die perſönliche und Gewiſſens— freiheit der Badener ſind gewährleiſtet, die Vermögens— confiskationen abgeſchafft, die Gerichte für unabhängig erklärt. Haben wir nicht unſere auf Oeffentlichkeit gegründete Gemeinde— ordnung erhalten? die Jeder als die Grundlage eines glück— lichen Staatslebens beſchützen und bewahren möge! — Ich würde ermüden, wollte ich die Geſetze alle anführen, welche unſerer Verfaſſung entſproſſen ſind. Aber alle Verheißungen find noch nicht erfüllt. Am beu« tigen Freudentage möchte ich Niemanden trübe ſtimmen, und — 192 — doch darf ich das nicht verſchweigen, was uns noch Noth thut, was uns verheißen, aber noch nicht gegeben iſt, und was wir zu fordern ein unveräußerliches Recht haben. Unſere Miniſterverantwortlichkeit iſt noch ein leerer Schall, denn die Art und Weiſe, wie dieſelbe zum Vollzuge kommen kann, iſt geſetzlich noch nicht beſtimmt. Die Oeffentlichkeit und Münd— lichkeit in der Strafrechtspflege iſt uns, obſchon durch das Wort unſeres geliebten Fürſten zugeſagt, noch nicht geworden. — Die Gerichte ſind noch nicht ganz unabhängig, denn die Unverſetzbarkeit der Richter iſt noch ein frommer Wunſch, weßhalb der ehrenwerthe Staatsdienerſtand noch nicht ſo unab— hängig geſtellt iſt, wie er ſein ſollte. Der Verfaſſungseid, wornach alle Staatsbürger, auch das Militair, zur Aufrechthaltung der Verfaſſung verpflichtet werden ſollten, iſt noch nicht eingeführt, und eines Hauptmittels, um dieſe Rechte leichter zu erlangen, ſind wir noch beraubt, ungeachtet wir dieſes in der Verfaſſung verheißene Recht ein— mal beſaßen. Wir haben noch keine Preßfreihetit! — Der Gedankenmord iſt noch nicht abgeſchafft. Noch beſteht jene verhaßte, mit einem ausländiſchen Worte benannte Einrichtung, die Cenſur, welche weder vor der Vernunft, noch vor der Bildungsſtufe des deutſchen Volkes vertheidigt werden kann. Verehrte Freunde! Ich habe Ihnen nunmehr getreulich geſagt, was, wie ich glaube, mir oblag, aber ich habe es Ihnen nicht allein ſagen wollen! Ich will es auch geſagt haben den Manen des hochherzigen Gebers der Verfaſſung. Du frühverklärter, guter Fürſt, ſchaue mit Liebe und Freude herab auf dein Verfaſſungswerk! auf dein verfaſſungstreues Volk! Stehe im Geiſte bei deinem erlauchten Nachfolger, daß ihm das große Werk der vollſtändigen Ausbildung unſe— rer Verfaſſung gelinge! Erbete ihm von dem Höchſten ver— faſſungsfreundliche Räthe, und laſſe uns Alle voranſchreiten auf der ſchönen Bahn zur Freiheit! Den Manen Carl's ein dreifaches Hoch!!! Als der Redner, welcher während des Vortrages einige Mal durch Beifallruf unterbrochen wurde, geſchloſſen: ſo — 193 — erſcholl ein tauſendſtimmiges Hoch dem Geber der Verfaſſung. Die Rede hatte tiefen Eindruck gemacht. Hierauf wurden 2000 Abdrücke der Verfaſſungsurkunde und das von Advokat Hofer gedichtete Feſtlied vertheilt, welches wir mittheilen: Mel: Wo Muth und Kraft in deutſchen Seelen flammen ıc. Herbei! Herbei, die ihr das Schwert geſchwungen, Das Deutſchland von dem fremden Joch befreit! Euch Helden, die den mächt'gen Feind bezwungen, Euch ſei vor Allen dieſes Lied geweiht: Laßt die Trompeten werben! Für's Vaterland zu ſterben, Zieh'n wir zum Kampf für Freiheit, Recht und Licht, Wir beben vor dem Heer der Feinde nicht. Begeiſtert, wie auch unſ're Väter waren, Für Licht und Recht, Geſetz und Vaterland; So wollen wir uns um die Fahne ſchaaren, Zum heil'gen Krieg, wenn's gilt der Rechte Pfand. Laßt die Trompeten ꝛc. Ihr habt's gehört, wie Deutſchlands Fürſten baten, Das Reich zu retten von dem Untergang! Ihr habt's gehört, und wißt auch, was fie thuten, Hoch lebe Karl, der Fürſten ſchönſter Klang. Laßt die Trompeten ꝛc. Er hat ſein Wort, ſein Fürſtenwort gehalten; Er gab dem Volk den ſchönſten Sieges-Dank, Er hieß die Gleichheit im Geſetze walten Zum Preis der Bürgerſchaar, die für ihn ſank. Laßt die Trompeten ıc. [Das Wort ſei frei! Zwar hat man uns verkümmert Dies Heiligthum, dies ſchönſte Menſchenrecht; Doch haltet feſt, der Rede Freiheit ſchimmert, Wenn Ihr euch weit're Bahn des Geiſtes brecht! Laßt die Trompeten ꝛc. So ſtehet feſt, ihr Guten und Getreuen; Seid ſtark in Eintracht und in dem Geſetz! Seid wache Schirmer, deren wir uns freuen, Daß keine Frevlerhand das Recht verletz'! Laßt die Trompeten ꝛc. 13 — HM. Auf, ſchwört den heil'gen Eid dem Vaterlande, Der Treue Eid für Recht, Geſetz und Licht! Es lebe hoch in jedem, jedem Stande, Der kampfbereit, wenn man die Rechte bricht! Laßt die Trompeten werben! Für's Vaterland zu ſterben, Zieh'n wir zum Kampf für Freiheit, Recht und Licht, Wir beben vor dem Heer der Feinde nicht. Der Feſtplatz war gewiß von 8000 bis 10000 feſtlich gekleideten Menſchen bedeckt. Es war die ſchönſte Ordnung. Die geehrten Frauen, welche zahlreichen Antheil nahmen, batten beſondere Bänke der Rednerbühne gegenüber. Es gab nun verſchiedene Gruppirungen, bis gegen 1 Uhr auf dem Feſtplatze das Mahl folgte. Dieſes wurde unter einem Zelte gegeben, an einer Tafel, die einigen Hunderten Platz gewährte. Nach dem Eſſen folgten die Toaſte, welche alle von der Redner— bühne geſprochen werden mußten. Der erſte galt dem Groß— herzoge Leopold, ausgebracht von dem Major des Jager— corps, Schönfärber Chriſtian Scholder; der zweite der Verfaſſung, geſprochen von Wilhelm Schubert. Er beißt: Verehrte Verfaſſungsfreunde! Die Verfaſſung, deren Jubelfeier wir heute begehen ſchwebt mir vor, wie ein Genius, der da ſpricht: Heil euch, die ihr erwacht ſeid zur Erkenntniß eurer Rechte, aber we he wenn ihr je wieder vergeſſen könnt, was ich euch bin! — Und in der That, was nützt das freiſinnigſte Staatsgrund— geſetz, was nützen die ſchönſten Einrichtungen, wenn der Bür— ger ſie nicht zu würdigen, nicht anzuwenden verſteht? Die Verfaſſung, indem ſie uns das Recht gab, Vertreter auf den Landtag zu ſenden, was wollte ſie Anderes damit, als dem Bürger ſeinen gebührenden Antheil geben an der Geſetzgebung und an der Leitung der Staatsangelegenheiten? — Und darin, wahrlich, daß dieſer Antheil ein geringer iſt, liegt kein Grund, um ihn in die Schanze zu ſchlagen! Dennoch — ja es thut Noth, es auszuſprechen — dennoch gab und giebt es vielleicht noch nur zu viele Bürger, welche — 195 — das koſtbare Wahlrecht — bis jetzt das einzige wirkſame Mittel, um die Beſchwerden und Wünſche des Volks unver— fälſcht zur Kenntniß des Staatsoberbauptes zu bringen — freiwillig aufgeben, oder, was noch ſchlimmer iſt, es ausüben mit Hintanſetzung der beſſern Ueberzeugung. — Da haben wir die leidigen Folgen der Menſchenfurcht und des Eigennutzes! Eigennutz aber und Engherzigkeit können das Vaterland nicht retten, wenn es in Gefahr kommt. — Das mächtige Rom verſank in die Sklaverei, als die Corruption an die Stelle der Bürgertugend trat. Wem es daher Ernſt iſt, und nicht eitel Wortkram, mit Wahrheit und Recht, Freiheit und Vaterland, der balte treu und unverbrüchlich an der Verfaſſung! — Sie, die im $. 13. ſagt: „Eigenthum und perſönliche Freiheit der Badener ſtehen unter meinem Schutze“ — ſie wollte keine Drahtpuppen, ſondern freie Bürger! Wer nicht den Muth hat, ſie zu vertheidigen, höhnt nicht allein ſich ſelbſt, er höhnt auch die Verfaſſung. — Die Verfaſſung will aber auch erleuchtete, glückliche Bürger, denn „es iſt mein Wunſch“ ſagt der erhabene Stifter, „daß alle Staatseinrichtungen zu einer höbern Vollkommenheit gebracht werden.“ So ſprach der Fürſt und er gab damit allen Staatsange— hörigen das Recht und die Pflicht, laut auszuſprechen, was ſie für gut, was ſie für recht erkennen. Und ich ſage nochmals: Soll die Verfaſſung wahren Segen bringen, jo muß fie ins Blut des Bürgers übergeben; er muß fühlen, daß er ein freier Mann iſt. Darauf, daß es unter uns ſo ſei und ſo bleibe, bringe ich der Verfaſſung ein dreifaches Hoch!!! Der dritte Toaſt galt der Preßfreibeit, geſprochen von Kürſchner Leonhard Roos. Er heißt: „Die Sprache iſt ganz das Volk und die Preßfreiheit iſt ganz das Recht und die Freiheit des Bürgers im Staat. 1 Ad Alſo ſprach der trefflihe Volksfreund Sander in der Stände- kammer, und er hat damit klar ausgeſprochen, was jeder zum Bewußtſein ſeiner Rechte erwachte Bürger lebhaft fühlt — das Eine und wahrhaftige, daß nur mit der Preßfreiheit die Verfaſſung eine Wahrheit wird. — Wahrheit aber und Recht und Licht müſſen herrſchen in der Welt, wenn der Menſch an ein Höheres glauben ſoll. Wir brauchen nicht erſt zu ſagen, es gebühre uns Preßfrei— heit, weil andere gebildete Völker ſie haben; nein! Sie gebührt uns aus dem rein moraliſchen Grund, weil ihr Gegenſatz die Cenſur, dem Menſchen ſein theuerſtes, die freie Mittheilung ſeiner Gedanken raubt, — ſeiner Gedanken, — als ob die Welt daran Ueberfluß haben könnte! Hinweg mit der Cenſur, frei ſei das Wort und Deutſch— lands Ruhm und Deutſchlands Ehre werden gerettet ſein! Es lebe die Preßfreiheit! Der vierte ſollte den Landſtänden gelten, allein er unter— blieb wegen ſchneller Erkrankung des angewieſenen Sprechers. Den fünften Toaſt auf das deutſche Volk trug Dekan Fecht von Lahr vor und hierauf ſprach Vater Fecht von Kork der unſer Feſt durch ſeine Anweſenheit ſchmückte, in längerer begeiſterter Rede von dem Werthe der Verfaſſung, der Wich— tigkeit der Wahlen, den Wahlmännern, von dem Amte eines Deputirten und von der Anerkennung der Verdienſte würdiger Abgeordneter durch das Volk. Er trank die Geſundheit der Wahlmänner aus dem Pokale, den ihm einſt ſeine Wahlmän— ner aus dem Bezirke Hornberg und Triberg geweihet. Möge der Sinn und Geiſt des Vaters Fecht wieder auf ſie über— geben und dort weilen. Dem Sprecher folgte ein dreimaliges donnerndes Hoch! Das Feſt dauerte bis in die Nacht auf dem freien Platze. Daſelbſt fanden auch Turnübungen und Baumklettern ſtatt. Nachts war die Stadt wieder auf das glanzvollſte beleuchtet. Auch der vor der Stadt gelegene Biergarten von Herten— ſtein, die ſ. g. Schanz, wohin ſich gegen Nacht ein großer Theil der Theilnebmer mit dem Bürgermilitär begab, zeichnete — 197 — ſich aus. Es war im wahren Sinne des Wortes ein Volks— feſt, und wurde durch keinen unangenehmen Vorfall geſtört. Bei der ganzen Feier herrſchte ein Takt und eine Gemeſſenheit, die zu bewundern waren. Wir waren aber auch alle beſeelt von dem Geiſte der Freiheit und Gleichheit, die unſere Ver— faſſung durchwehet; darum jener Bruderſinn und jene erha— bene Eintracht, jener Wetteifer für Ordnung, welche unſer Feſt ſo ſchön auszeichnete. Alle wünſchen, daß es bald wieder kehre und Belehrung ſei dem Volke für die heilige Sache der Freiheit. IX. Offenburg. Das badiſche Volk konnte von ſeiner Mündigkeit, von ſeinem geſunden Sinne, von ſeiner Reife für ein ächt conſtitutio— nelles Leben, ſomit von der Thatſache, daß das kräftige entſchiedene Wirken ſeiner freiſinnigen Abgeordneten auf der allgemeinen Stimmung des Volkes beruhe, und davon gleich— ſam nur der concentrirte Widerklang ſei, keinen ſprechenderen, keinen untrüglicheren Beweis abgeben, als durch den Anklang, den bei ihm der Gedanke, das fünfundzwanzigjährige Beſtehen ſeiner Verfaſſung durch ein Freudenfeſt würdig zu feiern, ſo überraſchend ſchnell und allgemein gefunden hat. Es war wirklich erhebend, und mußte jedes Patrioten Herz erfreuen, wie ſich von allen Seiten des Landes zugleich das regſte Leben kund gab in den Vorbereitungen zur Feier des Feſtes, ſo daß das Feſt recht eigentlich ein allgemeines Volksfeſt werden mußte. Wie richtig man überall ſeine Bedeutung erkannte, das können wir ſelbſt aus der Uebereinſtimmung aller Feſt— programme in den weſentlichen Theilen der Feier entnehmen; wir erkennen ja in der beſcheidenſten Feier des kleinen Städt— chens und Dorfes denſelben Sinn, wie in der glänzenden der der Hauptſtadt Mannheim oder in der Begehung des Central— feſtes zu Griesbach, in dem ſchlichten doch kräftigen Worte des einfachen Bürgers dieſelbe Wärme, wie in der gediegenen Rede unſerer allverehrten Volksredner. — — — In dieſem Sinne möge auch die kurze Beſchreibung des Feſtes, wie es hier begangen wurde, Aufnahme finden. — 199 — Am Vorabend des Feſtes rief bei einbrechender Dunkelheit der Zapfenſtreich des Bürgermilitärs Jung und Alt der hieſigen Bevölkerung vor die Thore hinaus, um im Freien die auf den nahen Bergen lodernden Freudenfeuer zu ſchauen. Hier überſah man in Mitten jubelnder Schaaren die Bergreihe des mittleren Schwarzwaldes in einer Ausdehnnng von 10 — 12 Stunden, von dem hellerleuchteten Schutterer Lindenberge bei Lahr bis hinab zu der ehrwürdigen Höhe der Hornisgründe und bis zur Windeck bei Bühl alle Bergesſpitzen und nur einigermaßen hervorragende Punkte mit zahlloſen Feuern beſäet, und die Lichter der fernſten und höchſten Punkte ſchienen nachbarlich ſich zu den Sternen des klaren Himmels geſellen zu wollen. Dazu nun der gegenſeitige Gruß der Böller von mehreren Punkten des Rebgebirges, hochaufſteigende Raketen und künſtliches Feuerwerk auf unſerem Laubenlindenberge und über dem Ortenberger Schloſſe — das Alles machte einen Eindruck, der auch bei unſerer Jugend die Erinnerung an das ſchöne Feſt nicht ſo leicht ſchwinden laſſen wird. Böllerſchüſſe und Muſik des Bürgermilitärs verkündeten den Anbruch des feſtlichen Tages. Zahlreich hatte ſich vor acht Uhr nebſt den ſtädtiſchen Behörden und Staatsdienern die Bürgerſchaft Offenburgs vor dem Rathhauſe verſammelt, von wo der geordnete Feſtzug ſich nach der Kirche bewegte, um dort dem Hochamte beizuwohnen. Nach deſſen Beendigung begab ſich der Zug durch die Haupt- und Ritterſtraße nach dem Gaſthofe zum Salmen, und ordnete ſich in deſſen geräu— migem, feſtlich geſchmücktem Saale in einem weiten Halbkreiſe um die Rednerbühne, über welcher die mit Eichenlaub bekränzte Büſte des Großherzogs Karl in Mitte der Bildniſſe des Großherzogs Karl Friedrich und des jetzt regierenden Großherzogs Leopold aufgeſtellt war; zu beiden Seiten der— ſelben die Mitglieder des Feſtcomité. Von dieſen betrat die Rednerbühne zuerſt Bürgermeiſter Löffler und las die Verfaſſungsurkunde vor; nach ihm der Feſtredner, Gymnaſiums— Director Weißgerber, welcher in kurzen Umriſſen darſtellte, wie aus der patriarchaliſchen Herrſchaft, als der alteſten * Staatsform, die abſolute Monarchie des Orients, und in verſchiedenen Schattirungen die Republiken der Griechen und Römer ſich entwickelt hätten. Als zwiſchen beiden in der Mitte ſtehend bezeichnete der Redner ſodann die conſtitutionelle Monarchie, und ging, ohne ſich jedoch auf die frühere Geſchichte Deutſchlands einzulaſſen, zu deſſen jüngſter Geſchichte über, indem er anführte, wie nach den Befreiungskämpfen die deut— ſchen Fürſten ihren Völkern Verfaſſungen zugeſichert hätten und wie auch Badens bochberziger Fürſt, der Großherzog Karl, ſein Fürſtliches Wort auf eine Weiſe erfüllt habe, die ihm den unvergänglichen Dank des Volkes ſichere. Hierauf gab nun der Redner eine überſichtliche Darſtellung des conſtitu— tionellen Lebens in Baden ſeit dem Beſtehen der Verfaſſung, und hob die bedeutendſten Erfolge der Wirkſamkeit unſerer Stände hervor. Zum Schluſſe brachte derſelbe auf den Groß— herzog Karl, als den Gründer der Verfaſſung, ein Hoch aus, welches im dichtgefüllten Saale den lebhafteſten Widerhall fand. — Nach Beendigung dieſer Feierlichkeit wurden in den Localen der verſchiedenen Lehranſtalten die Ehrengeſchenke der Stadt Offenburg an die Jugend vertheilt, beſtebend in einem Ab— drucke der Verfaſſungsurkunde für die Aelteren, in dem Bild— niſſe des Großherzogs Karl für die Jüngeren, Beides mit paſſender Aufſchrift. Die Armen der Stadt wurden im Saale des St. Andreas-Hoſpitals auf Koſten dieſes Fonds geſpeiſt und den Hausarmen Spenden zugewieſen. Um 1 Uhr begann das Feſtmahl im feſtlich geſchmückten Saale des Gaſthauſes von Hrn. A. Seeger zum Adler. Nahe gegen zweihundert Theilnehmer, Staatsdiener, Bürger der Stadt und der um— liegenden Ortſchaften, hatten ſich eingefunden. Unter Allen berrſchte die ſchönſte Eintracht und ein durch die Bedeutung des Feſtes gehobener und derſelben würdig entſprechender Frohſinn. Dieß, nebſt traulichem Geſpräche, Muſik, Geſang vaterländiſcher Lieder, waren die Würze des Mahles. Außer den vom Comité beſtimmten drei Toaſten: auf den letzt regierenden Großherzog Leopold, auf den Großherzog Karl, den Gründer der Verfaſſung, auf die Verfaſſung und die Abgeordneten, wurden noch mehrere andere: auf den wahren conſtitutionellen Sinn, auf Friede und Eintracht (vom Abgeordneten Knapp), auf die in der Ferne an dem Feſte theilnehmenden Freunde in allen deutſchen Landen, (von Handelsmann Stigler,) und dgl., ausgebracht. Ich theile Ihnen aus dieſen die beiden folgenden mit: Auf die badiſche Verfaſſung und die Stände von Apotheker Rehmann: 5 Meine Herren! Es iſt nach dem, was ſchon in der Feſt— rede über den Werth unſerer Verfaſſung geſprochen wurde, überflüſſig, auf denſelben nochmals aufmerkſam zu machen; nur darauf glaube ich noch hinweiſen zu müſſen, daß auch die beſte Verfaſſung Nichts iſt, als ein Körper ohne Seele, wenn ſie nicht lebt in Herz und Sinn der Bürger, wenn dieſe nicht für fie erglüben in treueſter Anhänglichkeit, wenn dieſe nicht mit Hintanſetzung aller unpatriotiſchen Rückſichten mit warmem Eifer die ihnen verfaſſungsmäßig zuſtehenden Rechte üben. Der beutige hohe Feſttag Badens, welcher im ganzen Lande in ſchönſter Harmonie und Eintracht gefeiert wird, tilgt die letzte Erinnerung an jene unglückſelige Zeit (1825), in welcher noch der Wunſch laut werden durfte, die Verfaſſung möchte nicht mehr ſein. — Das badiſche Volk drückt heute ſeine wahre Geſinnung aus, es zeigt, daß es die ſegensreichen Wirkungen und den hohen Werth ſeiner Verfaſſung und die ihm durch ſie verliehenen Rechte kennt und daß es daran feſthalten will. — Es erkennt auch zugleich dankbar dasjenige an, was ſeine wackeren Abgeordneten in der Kammer ſeit dem Beſtehen der Verfaſſung gewirkt haben. Ich erlaube mir nun, meine Herren, Sie einzuladen, mit mir auf das gedeihliche Fortbeſtehen unſerer Verfaſſung und auf die ſie vertheidigenden Stände ein Lebehoch zu bringen, auf die vom mündigen Volke durch freie Wahl hervorgegangenen Abgeord— neten, welche mit bewährter Standhaftigkeit und unerſchrockenem Muthe für ungeſchmalerte Aufrechthaltung unſerer Verfaſſung, für bürgerliche Rechte und geſetzmäßige Freiheit gewirkt haben. Sie werden freudig mit mir einſtimmen, wenn ich rufe: Es walte und gedeihe zu Badens Wohl ſeine Verfaſſung; ſeine wackeren, theueren Abgeordneten leben hoch! x Auf den wahren conſtitutionellen Sinn von Handelsmann Nerlinger: Wenn in einem conſtitutionellen Staate eine Verfaſſung gute Früchte tragen 1 ſo müſſen die Bürger deſſelben einen wahren conſtitutivnellen Sinn haben. Allein, wo iſt wahrer conſtitutioneller Sinn? Nur da iſt wahrer conſtitutio— neller Sinn, wo jeder Stand den andern ehrt, wo jeder Bürger die Verfaſſung als ein heiliges und unantaſtbares Gut ſchätzt und dieſes durch Wort und That bewährt; ſich von den Feinden der conſtitutionellen Freiheit nicht verleiten läßt, weder durch Drohungen noch Verſprechungen, den Ver— rather an der Freibeit des Volks, den Verräther an ſeiner eigenen Sache zu machen, wo jeder Staatsbeamte, von gleicher Geſinnung beſeelt, ſich nicht feindlich zwiſchen Volk und Re— genten ſtellt und, mag er auch noch ſo hoch geſtellt ſein, das Glück einer freien Verfaſſung durch Wort und That anerkennt; wo die ſogenannten höheren Stände nicht mehr vornehm und übermüthig alle Leiſtungen der Vertreter des Volkes beſpötteln und immer glauben, daß für ſie keine Verfaſſung vorhanden ſei. — Da, meine Herren, glaube ich, iſt wahrer conſtitutioneller Sinn. Möge dieſen ſchönen Sinn ſich jeder brave Bürger unſeres lieben Vaterlandes zu eigen machen, damit auch wir die guten Früchte einer freien Verfaſſung immer mehr und mehr genießen. — Der wahre conſtitutionelle Sinn lebe hoch! — Die Feier ſchloß hier mit einem ſchönen Feſtballe. — Wie anſpruchlos ſie ſich auch an die Feſte im übrigen Lande anreihen mag, ſo iſt doch ihre Bedeutung für unſere Stadt von großer Wichtigkeit. Wann der Jubel lange verrauſcht ſein wird, ſein tieferer Gehalt wird dann erſt als Frucht am grünen Baume thatkräftigen Lebens erkennbar ſein. x Karlsruhe. Die Aeußerlichkeiten des Feſtes waren in der Reſidenz ſchön und geſchmackvoll. Die Schloßſtraße war reich geſchmückt, die Verfaſſungsſäule auf dem Platze vor dem markgräflichen Palaſte mit Laubwerk verziert. Hierher begab ſich auch der Zug mit Muſik, und vernahm die erſte Feſtrede von Hrn. Profeſſor Walchner; dann bewegte er ſich nach dem Schloß— platze, wo vor einer mit Orangenbäumen verzierten Erhöhung abermals Muſik ertönte, und der zweite Theil der Rede gehalten wurde. Hierauf Gottesdienſt. In dem Saale der Geſellſchaft zur Eintracht fand ein Feſtmahl ſtatt. Von dem loyalen Geiſte, der in dem Feſte waltete, geben die Feſtreden und einige Toaſte, welche wir beifügen, Zeugniß. Reden des Herrn Profeſſors Fr. A. Walchner, frühe— ren Deputirten der Stadt Karlsruhe: (Auf dem Rondelplatz vor dem Verfaſſungsdenkmal.) Feierlich verſammelt und in der ernſten Stimmung des Begehens eines bedeutenden Feſtes, des Verfaſſungsfeſtes, ſtehen wir vor dem Bildniß des Gründers der Verfaſſung. Es ſind heute fünfund— zwanzig Jahre, daß der höͤchſtſelige Großherzog Karl, königliche Hoheit, das Staatsgrundgeſetz ſeinem Volke gab, und wir ſprechen heute dafür feierlich unſern Dank aus und erklären männlich, frei und offen, wie die Erfahrung von fünfundzwanzig Jahren die feſte Ueberzeugung in uns begründet hat, daß das erhaltene Staats— grundgeſetz weſentliche Bürgſchaften der Wohlfahrt unſeres Landes enthält. Als nach einer ſchweren und verhängnißvollen Zeit, während welcher Europa durch zerſtörende Kriege erſchüttert, in der die Ver— haltniſſe ſeiner Staaten mehr oder weniger verändert, viele derſelben 204 — gänzlich umgeſtaltet und die Kräfte der maaßlos leidenden Völker erſchöpft wurden, als nach zwanzigjähriger Kriegszeit der erſehnte Friede endlich wieder gekehrt war, da machte Großherzog Karl in väterlicher Sorge für das Wohl ſeines Volkes im Jahr 1816 bekannt, daß Er demſelben eine landſtändiſche Verfaſſung geben wolle. Zwei Jahre ſpäter gab er dieſelbe von Griesbach aus, am zweiundzwan— zigſten Auguſt 1818. Denkwürdig bleiben die wohlwollenden, die Gabe begleitenden Worte des Fürſten. Sie beſagen, daß Se. kbnigl. Hoheit ſich ver— anlaßt ſehen, die gegebene Zuſicherung auf die Art und Weiſe in Erfüllung zu ſetzen, wie es Seiner innern und freien Ueberzeugung entſpreche. (Der Redner verlieſt die Eingangsworte.) Hoch ehren wir ſolche erhabene, ſolche königliche Geſinnung; ſie it uns nachahmungswürdiges Vorbild, erhebendes Beiſpiel! Der erſte Landtag ſollte nach Verkündung des edeln Fürſten auf den 1. Februar 1819 zuſammentreten. Die Vorſehung beſtimmte es anders. Es war Großherzog Karl nicht vergönnt, das neue Staatsgrundgeſetz ſelbſt in's Leben einzuführen. Lange ſchon krank und immer tiefer leidend, ſtarb er am 8. Dezember 1818 zu Raſtatt. Großherzog Ludwig, königliche Hoheit, Karl Friedrichs dritter Sohn und Karls Nachfolger, war vom Schickſal berufen, ſein Vermächtniß in's Leben treten zu laſſen. Er that es und berief die erſte Ständeverſammlung auf den 23. März 1819. Mit dieſer Zeit beginnt die Wirkſamkeit unſerer Verfaſſung. Als die erſten Früchte ern lichen Zuſammenwirkens der Regierung und Landſtände, ſahen wir mit Beruhigung die Ordnung des Staatshaushal— tes, welche, gleich wie höchſt nöthig, jo auch höchſt wohlthätig, für die inneren und äußeren Verhältniſſe des Landes war; wir ſehen weiter eine gerechte und gleiche Behandlung aller Landestheile in Bezug auf das Schuldenweſen eintretenz es erfolgte die Abſchaffung alter Abgaben, die mit dem Grundſatze gleicher Beſteuerung unver— einbarlich waren; es geſchah die Gründung eines Erzbisthums nach für die katholiſche Landeskirche übernommenen Verbindlichkeiten, und dabei wurde auch eine Beſtimmung der Verfaſſung, die Theilnahme des Landesbiſchofs an den Verhandlungen der erſten Kammer, in Erfüllung gebracht; es kam ein: weitere Zahl guter Staatseinrich, tungen, theils mit Zuſtimmung der Landſtände, theils auf Anregung derſelben zu Stande, von welchen beſonders die Einführung eines zweckmäßigen gleichen Maaßes und Gewichtes in allen Landestheilen zu nennen iſt, eine Staatseinrichtung, die für die Verhältniſſe des bürgerlichen Lebens von großer Bedeutung iſt, und in den übrigen — 205 — deutſchen Ländern eine ſolche Anerkennung gefunden hat, daß das badiſche Gewicht nunmehr das Gewicht des deutſchen Zollvereins iſt. Bei der Zuſamwenſetzung unſeres Landes aus mehreren ver— ſchiedenartigen Gebieten, unter denen ein großer Theil Zähringiſches Erbe, das von der Natur beſtimmt iſt, ein dauerndes Ganzes zu bilden, aber durch Zeitereigniſſe zertheilt worden war, bei dieſer Verſchiedenartigkeit der Landestheile, wirkte die Verfaſſung höchſt förderlich für die innige Verbindung derſelben zu einer gleichartigen feſtzuſammenhängenden Einheit. So ſteht uns ſchon nach den erſten Jahren des Beſtehens der Verfaſſung ihre wohlthätige Wirkſamkeit vor Augen. Was wir bis dahin erfahren haben, was uns die ſpätere Zeit in dieſer Beziehung weiter gelehrt, das läst zwei Hauptmomente ihrer Wirkſamkeit erkennen und dieſe ſind: Für's erſte, die feſte und mufterhafte Ordnung des Staatshaus— halts bei fortſchreitender Entwickelung aller Staatseinrichtungen, welche die Mittel zur Ausführung aller zeitgemäßen und nützlichen, ſelbſt großartigen Unternehmungen gewährt, und den ſo vielfach wich⸗ tigen Staatscredit begründet und erhält. Das andere Hauptmoment erſcheint als ein höherer geiſtiger Lichtpunkt. Staats beamte höheren Ranges und größeren Einfluſſes können mit Erfolg nur Männer von Kenntniß, Charakterfeſtigkeit und ächter Geſinnung fein, und fie müſſen dieſe Eigenſchaften in jo größerem Maaße beſitzen, je höher ihre Stellung iſt. Das verbürgt die geſetzliche Haltung, die Rechtlichkeit, Wahrheit und Offenheit der Staatsverwaltung. Ja! Gedeihen und Wohlfahrt fließen aus unſerem Staatsgrund— geſetz, fließen aus Deinem köſtlichen Vermächtniß, Höchſtſeliger Karl, erhabener Gründer der Verfaſſung! Glorreich ſei Dein Andenken! Dank und Ehre Dir und unver— welklicher Nachruhm! (Auf dem Schloßplatz.) Wie wäre es möglich, unſer Verfaſſungsfeſt wahrheitstreu zu feiern, ohne dem Fürſten unſere Huldigung, ohne unſerem Groß— herzog Leopold, Königliche Hoheit, unſern Dank darzubringen, unter deſſen guter Regierung die Verfaſſung die reichſten und ſchön— ſten Früchte getragen hat! Der Jubel des Volkes begleitete ſeinen Regierungsantritt und die eigenen Worte des Fürſten waren, als er denſelben verkündete: „Wir verbinden damit die Verſicherung Unſeres ernſten Willens, die Verfaſſung des Landes beilig zu halten, deſſen Wohlfahrt auf die möglichſte Weiſe zu fördern und Alle und Jede in ihrem Rechte kräftig zu ſchützen.“ — 206 — Was unter Seiner Regierung dem Lande zu Theil geworden iſt, bezeugt die Wahrheit der landesväterlichen Worte. Leopold iſt der Wiederherſteller der Verfaſſung, die eine Abänderung der urſprünglichen Beſtimmung der Periode der Landtage und in der Art der Erneuerung der Kammern erlitten hatte. Das erzeugte Vertrauen. Gegenſeitiges Vertrauen zwiſchen Fürſt und Volk iſt in jedem Staate eine moraliſche Großmacht. Laſſen Sie uns ſehen, was damit, was durch einträchtiges Zuſammenwirken der Regierung und der Kammern zu Stande gekommen iſt. Es trat die Gemeindeordnung in's Leben, wodurch unſere Gemeinden eine ihrer Bildungsſtufe angemeſſene Selbſtſtändigkeit, die eigene Wahl ihrer Gemeindebeamten und die eigene Führung ihres Haushalts erhielten. Es wurden die Frohnden aufgehoben, welche namentlich als Spannfrohnden dem Landvolk läſtig waren, nicht ſelten ſeine Feld— arbeiten ſtörten und dabei, hinſichtlich der Leiſtung, ſelten entſprachen. Im Felde der Gerechtigkeitspflege verdankte das Volk, indem es die Prozeßordnung erhielt, eine weſentliche Verbeſſerung des gerichtlichen Verfahrens dem Einverſtändniß zwiſchen der Regierung und den Ständen. Durch das in's Leben gerufene Forſtgeſetz, welches die Er— haltung und Bewirthſchaftung der Waldungen beſtimmt und ſichert, dieſes höchſt werthrollen Beſitzes des Staates, der Gemeinden, der Körperſchaften und einzelner Privaten, iſt die Pflicht der Sorge für Beſtreitung eines unabweisbaren Bedürfniſſes nicht nur für das lebende Geſchlecht, ſondern auch für kommende Geſchlechter, treu erfüllt, und von der Landwirthſchaft eine Gefährdung abgelenkt, welche beim Zuſammenhauen und Ausrotten von Wäldern, ſich ihr drohend genähert hatte. Die Landwirthſchaft ſelbſt wurde mit großer Aufmerkſamkeit behandelt und erhielt ſorgliche Unterſtützung durch von den Kammern bewilligte Mittel. Seine Königliche Hoheit der Großherzog und Deſſen fürſtliche Brüder, die Markgrafen Wilhelm und Maris milian Hoheiten, geben durch tägliche perſönlſche Theilnahme an der Landwirthſchaft ein ſchönes Beiſpiel richtiger Würdigung der hohen Bedeutung dieſer Urproduction. Es trat die große Maaßregel der Zehntablöſung in's Leben, die tief in alle Verhältniſſe des Staates eingreift. Sie war in unſerem Lande zeitgemäß und durchaus geboten. Wo das Verhältniß des culturfähigen Bodens zur Bevölkerung für dieſe noch günſtig ut und für die wachſende Volksmenge noch unbenutzte Ländereien find, die in Anbau genommen werden konnen, da iſt der Zehnten eine angemeſſene Abgabe. Wo dagegen, wie in Baden, bei einer — An = dichten und in ſtarkem Verhältniß zunehmenden Bevölkerung, jede Spanne Landes, jede Scholle ſchon in Bau genommen iſt, und kein weiteres Feld zur Vermehrung der nöthigen Produktion beigezogen werden kann: da iſt man angewieſen, bei der einmal unabänderlich bleibenden Größe des culturfähigen Bodens, die dem wachſenden Bedärfnig entſprechende Produktion durch größeren Aufwand von Arbeit, Kenntniſſen und Kapetalien zu erzielen und dabei kann der Zehnten nicht beſtehen, denn es müſſen die mäßigen Früchte ſolcher Anſtrengungen ungetheilt geſichert ſein. Es wurden vermittelſt der von den Landſtänden bewilligten Mittel nützliche und große Straßen- und Waſſerbauten aus— geführt. Erinnern wir uns hiebei nur an die Straße über den Schwarzwald, welche das Rheinthal mit Schwaben und mit der Seegegend verbindet; an die Straße, welche von uns aus in die Main- und Taubergegenden führt, und an die Hafenbauten zu dannheim und Conſtanz. Es erfolgte unter ſtändiſcher Zuſtimmung der Anſchluß an den Zollverein, wobei wir uns damals mit 27 Millionen deut— ſcher Brüder verbanden. Dadurch erhielten wir ein weites freies Feld für Gewerbsthätigkeit, Induſtrie und Handel. Die verſchiedenen deutſchen Stämme verbanden ſich inniger und durch das lebendige Bewußtſeyn vereinigter Kraft, innerer Stärke und ſchwerer Wucht nach Auſſen entſtand ein edles, paͤtriotiſches Selbſtgefühl. Der öffentliche Unterricht wurde in allen Theilen und in allen Beziehungen verbeſſert. Beide Landesuniverſitäten er: hielten größere Dotation und angemeſſene Erweiterungen; die polytechniſche Schule wurde reorganiſirt, erhielt die erforder— liche Ausdehnung und Dotation und ein eigenes zweckmäßiges Gebäude, für deſſen Ausführung Seine Königliche Hoheit der Groß— herzog Leopold, durch Zuſchuß einer bedeutenden Summe aus eigenen Mitteln und durch Zuweiſung anderer Fonds, welche Höchſtdemſelben zur Verfügung geſtellt worden waren, ſelbſt per— ſönlich kräftig wirkten. Die gelehrten Mittelſchulen wurden allſeitig verbeſſert und erweitert, für die weitere Fortbildung des Bürgers wurden die höheren Bür gerſchulen, für die Bildung der Handwerker die Gewerbsſchulen eingerichtet und für den Elementarunterricht geſchah Weſentliches, ſowohl durch unmittelbare Verbeſſerung der Volksſchulen als insbeſondere durch Verbeſſerung der Lage der Volksſchullehrer. Hochwichtig iſt der Unterricht des Volkes! Heilig müſſen ſeine Intereſſen gewahrt werden! Der Unterricht giebt jene Bildung des Geiſtes und des Gemüthes, aus welcher allein die Wurde, der wahre Adel der Geſinnung fließt. — 208 — Mit ſtolzem Bewußtſein können wir ſagen: Badens Unter— richtsweſen iſt jo beſchaffen, daß kein Land uns darin den Rang ſtreitig macht. Auf beſonderem Landtage endlich wurde der Bau einer Eiſen— bahn von Mannheim bis zur Landesgränze gegen die Schweiz beſchloſſen, die Herſtellung dieſes außerordentlichen Mittels des Landesverkehrs, eine Schöpfung der neueſten Zeit, die in ihrer Art unvergleichlich iſt. Eiſenbahnen geben dem Verkehre eine undlaub— liche Ausdehnung, Leichtigkeit, Wohlfeilheit und Schnelligkeit. Bei dieſer Ausführung tritt nun recht augenſcheinlich die Wir— kung des durch guten Haushalt begründeten Staatscredits vor Augen. So viele und jo ſchöne Früchte hat der einige Gang der Regierung und der Landſtände bei wechſelſeitigem Vertrauen ge— liefert! So groß ſind die Leiſtungen des kleinen Landes! Ja! Vieles und Großes iſt in den verfloſſenen fünfundzwanzig Jahren für das Wohl des Volkes und des Landes geſchehen; das meiſte und wichtigſte unter Großherzog Leopolds Regierung! Bei Ihm, dem Bürgerfreundlichen, gilt der alte wahre Spruch: „Unter guten Fürſten macht man gute Geſetze.“ Wir ſind von Dank erfüllt gegen die göttliche Vorſehung, welche ſchützend über Baden waltet! Wir ſind dankerfüllt gegen den Gründer der Verfaͤſſung und gegen den Landesvater, der ſie heilig hält! Wir erneuern ihm heute den Schwur der Treue! Wir ſchwören Treue der Verfaſſung! Treue dem Vaterland! Bei dem nicht ſehr zahlreich beſuchten Feſtmahle in der Eintracht brachte Herr Oberbürgermeiſter Fueßlin den erſten Toaſt, wie folgt: Erhaben und einflußreich iſt die Sache, deren 25jähriges Be— ſtehen die Veranlaſſung zu dem heutigen Feſte gegeben hat. Aus fürſtlichem Hochſinn entſproſſen, empfing ſie das dankbare Vaterland. Aber was wäre die Gabe, wenn ſie nicht bewahret würde? und ſo geziemen uns heiße aufrichtige Wünſche für das Wohl des Erhalters und Beſchützers unſerer theuren Verfaſſung, Wünſche, übereinſtimmend mit den Geſinnungen der treuen Badener für ihren geliebten Regenten. Die Herzen fchlagen höher und wir rufen mit Begeiſterung aus: „Großherzog Leopold lebe hoch!“ ng = Von den weiteren Trinkſprüchen theilen wir noch folgende mit: Von Herrn Bäckermeiſter Vorholz: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft! drei große Worte, von hoher geſchichtlicher Bedeutung! auch an unſerm heutigen Feſte ſind ſie uns lebhaft vor Augen! Die Vergangenheit iſt geweckt in unſern Herzen, die Gegenwart iſt bedacht, auch in die Zukunft mögen ſich die Blicke richten! Oder, hätten wir nicht in die Zukunft gedacht, als wir die Jugend, unſere Kinder, um uns verſammelten? hätten wir umſonſt dieß ſchöne, hohe Feſt in ihrer Gemeinſchaft begangen? mit ihnen gebetet? Auch unſer geliebter Großherzog uud mit Ihm unſer liebes Baden erfreut ſich der ſchönen Hoffnung für die Zukunft: des Fortlebens in dem Geſchlechte! Auch am Freudentage Dürfen wir uns ja erinnern, daß wir vergänglich ſeien, ſo der Fürſt als wie der Niedrigſte im Volke. Gleich begabt mit ſchönen Eigenſchaften des Herzens und des Geiſtes ſteht der geliebte Erſtgeborene unſeres angeſtammten Für: ſtenhauſes in der Blüthe des Lebens und bereitet ſich im Augen: blicke vor auf Seine hohe Zukunft! Eingeführt in die Kammern, zur Berathung für des Vaterlandes Beſtes, hat Er den Schwur gethan: die Verfaſſung heilig zu halten! So dürfen wir denn in Beziehung auf die Feier, welche wir heute begingen, getroſt in die Zukunft blicken! So hoffen wir: daß unſer ächt konſtitutionelles Leben fort und fort ſich entwickle, hingegen ſtets feſter und inniger geſchlungen werden die Bande zwiſchen unſerm hohen Fürſtenhauſe und dem ganzen lieben Vater— lande! Darauf hoch, dreimal hoch dem Allgeliebten Erbgroßherzog Ludwig!!! Von Herrn Major Holz: Mit innig gefühlter Freude bringe ich auf das hochherzige Brüder— paar des Allverehrten Großherzogs und die erhabene Frau Mark: gräfin Wilhelm einen Trinkſpruch aus. Dem Herrn Markgrafen Wilhelm, der als glänzende Erſchei— nung in der badiſchen Kriegsgeſchichte hervortritt, als geliebter Führer des badiſchen Armeecorps in verhaängnißvollen Kriegszeiten und in Friedensjahren, jo wie im ſegensreichen Wirken als Präft: dent des landwirthſchaftlichen Vereins die ausgezeichnetſten Verdienſte für Fürſt und Vaterland ſich erwarb, und dem ſeit Einführung der Verfaſſung als Präſident der erſten Kammer das Vertrauen und die Dankbarkeit des badiſchen Volkes zugewandt ſind; der edlen Gemahlin, die mit den ſchönſten Blüthen des häuslichen Glückes 14 ae jenen Lebenspfad ſchmückt, in ſchwerer Krankheit als liebevollſte Pflegerin ihm zur Seite ſtand. Dem Herrn Markgrafen Maximilian, der im Freiheitskampfe gegen Frankreich einen ächten deutſchen Sinn bewährte, als Vorbild ritterlicher Geſinnungen und in Tapferkeit dem badiſchen Kriegerſtande voranleuchtet; im freudigſten Dreiklang erſchalle unſer Lebehoch! Sie leben hoch! Von Herrn Geh. Rath und Stadtdirektor Stößer: . Ich bitte, dem Toaſte beizuſtimmen auf die durchlauchtigſte Wittwe des Gründers unſerer Verfaſſung, Ihre königliche Hoheit die Frau Großherzogin Stephanie. Zuerſt aber wenden Sie Ihre Blicke ab von den erhebenden Bildern des Lebens, und richten Sie Ihre Gedanken auf den hohen Verklärten, der uns die Verfaſſung als Sein heiliges Vermächtniß hinterlaͤſſen hat, ein beredtes Zeugniß ſeines Geiſtes und Herzens, Seines männlichen Sinnes. Es that unſerm Vaterlande wohl Noth, nach den Stürmen, welche Europa ein Viertel Jahrhundert hindurch erſchüttert hatten, nach den Drangſalen, die das Vaterland erduldet hatte, nach den Angriffen, denen es ausgeſetzt war, daß eine ſchützende Hund alle feine ſchweren Wunden, die Folgen dieſer Kriege, dieſer Aufopferungen, dieſer Angriffe, heile. Der Verklärte erkannte, daß dazu ein Mittel nicht ausreichend ſeie, das allein die materiellen, durch die Zeit geſchlagenen, und mit ihr vernarbenden Wunden heile. Er gab uns die Verfaſſung, Er gab ſie, damit wir daraus den Umfang unſerer Rechte wie unſerer Pflichten erkennen, damit wir ſelbſt mitarbeiten an der Heilung der Wunden, als ſittliche Bürger, denen die Verfaſſung die edelſten Rechte des Menſchen garantirt hat, frei in ihrer geiſtigen und bürgerlichen Entwickelung zu leben, in dem Glauben unſerer Väter, unter dem Schutze weiſer Geſetze, gehandhabt von unſeren angeſtammten Fürſten, damit wir in Ein: tracht beitragen zu dem Wohl des gefammten, unzertrennbaren Vater— landes und als Opfergabe auf dem Altar unſeres Vaterlandes nieder— legen die Gelübde der Treue und der Uebung jeglicher Tugend, damit hiervon das eine erwärmende Feuer der Vaterlandsliebe ent— zündet und genährt werde. So wie der hohe Stifter Seines Volkes gedachte, ſo auch Seine Durchlauchtigſte Gemahlin, welche die Vorſehung Ihm beſtimmt hatte. Er ſchirmte und ſchützte ſie zu jeglicher Zeit, in jeglicher Gefahr, Er empfing aber auch von Ihr dankbar die Beweiſe Ihrer Liebe, da die Laſt ſchwerer Zeiten Seinen Körper beugte. Verehren wir denn den hohen, frühe verklärten Gründer unſe— rer Verfaſſung in Seiner noch unter uns weilenden Durchlauchtigſten Gemahlin und ſo erhebe ich den Ruf: Ihre königliche Hoheit lebe hoch! — 211 — Von Herrn Amortiſationskaſſe-Direktor Scholl: Nach einer ſturmbewegten Zeit, in welcher die deutſchen Völker die ſchwerſten Opfer an Gut und Blut gebracht, und die ausdauerndſte Anhänglichkeit an ihre Fürſten bewährt haben, hat Badens geliebter Regent — der in Gott ruhende Großherzog Karl — ſeinem treuen Lande die freudigſt begrüßte Verfaſſung gegeben, und zwar aus innerer, freier und feſter Ueberzeugung, um damit die Bande des Vertrauens zwiſchen Fürſt und Volk immer feſter zu knüpfen. Es iſt indeſſen ein Viertel Jahrhundert hingegangen! Wir haben dieſe Verfaſſung kennen gelernt als ein koſtbares, heiliges Gut! Sit es auch nicht ohne Kampfe, oft ſchwere Kämpfe abgelaufen, jo wollen wir darin das ewige Geſetz alles Lebens, aller Entwickelung aner— kennen; ohne Kampf, ohne geſetzmäßigen Gegenſatz kein wahres Leben! Indem wir uns aber heute des Beſitzes der Verfaſſung feſtlich freuen, und dem hohen Geber derſelben unſern feierlichſten Dank wiederholen, wollen wir uns ſeines heiligen Vermächtniſſes immer mehr und mehr würdig zu machen ſuchen, wir wollen uns in dem feſten Vorſatze vereinigen, zu handeln in Liebe zum Vaterland, treu unſerem Fürſten, treu der Verfaſſung; die Rechte des Thrones und die Rechte des Volkes furchtlos und offen zu vertheidigen mit ſtetem Blicke auf das Geſammtwohl, denn das Wohl des Fürſten und das Wohl des Volkes ſind Eins. Mit dieſem Danke und dieſem Vorſatz erheben wir die Gläſer, und ſtoßen an — auf die badifche Verfaſſung! ſie lebe hoch! Von Herrn Buchhändler Knittel: Meine Herren! Der verehrte Redner, welcher zuletzt geſprochen, hat Sie zu einem Toaſte aufgefordert — und Sie haben ihm aus vollem Herzen beigeſtimmt — zu einem Toaſte auf das hochherzige Geſchenk unſeres unvergeßlichen Großherzogs Karl, auf die Ver— fafjung und deren ſegenreiches Wirken. Aber! und dieſe Frage hat ſich Ihnen gewiß aufgedrängt bei dem Hinblick auf die herrlichen Früchte dieſer Verfaſſung, aber, wie war es möglich, daß dieſelbe in der Spanne Zeit ſo lebenskräftig unſeren ganzen Staats-Organismus durchdringen, und fo reichen Segen ſpenden konnte? Wer, wer ſind, zunächſt unſerem erhabenen allgeliebten Großherzog, der in wahrer Vaterliebe nur für das Wohl ſeines Volkes glüht, wer ſind nächſt Ihm die Vermittler deren kräftiger Unterſtützung wir dies Alles verdanken? Dieſe Vermittler, meine Herren, wer ſind ſie, wenn nicht unſere hohe Regierung, unſere beiden hohen Kammern! Darum ziemt es ſich, an dem Tage, an welchem alle Gauen unſeres Vaterlandes von dem Jubel der Verfaſſungsfeier widerhallen, 14 * 2. darum ziemt es ſich, an dem heutigen Tage auch dieſer verfaſſungs— gemäßen Faktoren zu gedenken. Sie, ja! fie ind die Pfeiler, auf denen der Verfaſſungsbau ruht, — fie find die Wurzeln, welche dem Baume der Verfaſſung Leben und Kraft zuführen, — Leben, daß er gedeihe für und für, — Kraft, daß er Früchte trage, herrliche Früchte, dem fürſtlichen Geber zum ewigen Nachruhm, dem dank— baren Vaterlande zum dauernden Glücke. Möchte nie der Wurm der Zwietracht und des Mißtrauens die Wurzeln dieſes herrlichen Baumes zernagen, — dann, ja dann wird er ſeine Krone ſtolz erheben, jedem Sturme trotzend, — dann wird er goldene Früchte tragen, ein wahrer Baum des Lebens, — dann wird er dichter und dichter ausbreiten ſeine Zweige, auf daß unter ihrem ſchirmenden Dache ſich immer feſter ſchaare das treue badiſche Volk um ſein geliebtes Fürſtenhaus! Darum laſſen Sie uns mit innigem Dank heute auch gedenken der kräftigen Mittler, durch welche die Verfaſſung das reiche Füll— horn ihres allbefruchtenden Segens ausgießt über unſer theures Vater— land. — Darum meine Herren erheben Sie Ihre Gläſer und ſtimmen Sie ein in ein dreifaches Hoch für unſere hohe Regierung für unſere beiden hohen Kammern! Sie leben hoch! Von Herrn Oberrechnungsrath Reiff: Hoch lebe auch ein einiges, von fremdem Einfluſſe frei 8 Deutſch— land, und in demſelben des geſegneten Baden braves Volk, vom Mainſtrom bis zum deutſchen Meere, der Arme wie der Reiche, das Mark — der Kern des Landes; in feiner unerſchütterlichen Treue gegen ſeinen geliebten Fürſten und ſein hohes Haus, in ſeiner hoch— bewährten Liebe zur Landesverfaſſung, in ſeiner Intelligenz und O pulenz! hoch! Außer dem Mahle in der Eintracht, fand ein anderes im Pariſer Hofe ſtatt, woran vierzig Bürger Theil nahmen. Dort wurde auch der Hoffnungen und Verheißungen gedacht, deren Erfüllung noch zu erſtreben iſt, ſo wie der Männer, welche für die ſtandhafte Vertheidigung der guten Sache lei— den. Für die Familie des Hrn. Profeſſor Jordan wurde ein nicht unbedeutender Beitrag geſammelt. Von den übrigen Orten des Mittelrheinkreiſes, wo die Verfaſſungsfeier begangen wurde, erwähnen wir noch Raſtadt und Kehl; doch find uns keine Beſchreibungen von dort bekannt geworden. Dritte Abtheilung. Verfaſſungsfeier in Griesbach. Centralfeier in Griesbach. Der Aufruf, welchen die wackern Ortsvorſtände der Gemeinden des Renchthals ſchon Anfang Juli hatten ergehen laſſen, war der Anlaß zur allgemeinen Feier im ganzen Lande. Das Centralfeſt aber wurde in Griesbach gefeiert, wo Großherzog Karl am 22. Auguſt 1818 die Verfaſſungsurkunde unterzeichnet hatte; dieſem Centralfeſte widmen wir daher eine beſoudere Abtheilung. Am Vorabende wurde der Abgeordnete v. Itzſtein feierlich empfangen. Er war von Ortsvorſtänden und Bür— gern in einer Adreſſe mit 160 Unterſchriften eingeladen worden, die Feſtrede zu halten. Das Feſteomité des Rench— thals und eine zahlreiche Deputation der Oberkircher Bürger, denen ſich die Deputirten Hundt und Dörr, ſo wie die Veteranen der Kammer von 1822, Dörr Vater und Brand— ſtätter, anſchloſſen, bewillkommte ihn mit herzlicher Freude. v. Itzſtein traf gegen 4 Uhr in Renchen ein, begleitet von einer Deputation, welche die Ettlinger in der Perſon der Herren Schnetzer und Speck von Ettlingen, Augenſtein von Bietigheim und Bürgermeiſter Bernard von Kuppen— heim, zur Vertretung des 24. Wahlbezirks bei dem Gries— bacher Feſte eigens gewählt hatten. Nach kurzem Aufenthalt fuhr man in einer langen Wagenreihe unter Geſchützesſalven nach Oberkirch. Hier wurde der Zug mit Böllerſchüſſen und Hochruf begrüßt. Abends 7 Uhr verkündete Glockengeläute und Geſchützesdonner den Beginn der Feſtlichkeiten. War am Tage ſchon ein reges Leben und Treiben, Vorbereiten . und Ordnen bemerkbar, ſo wuchs ſolches mit Einbruch der Dunkelheit. Wie auf einen Schlag war um 8 Uhr die ganze Stadt, in der Haupt- und in den Nebengaſſen reich beleuchtet. Von allen Berggipfeln loderten zu gleicher Zeit helle Freu— denfeuer auf und verkündeten in Nähe und Ferne den Jubel von Badens Bürgern. Faſt an jedem Hauſe waren ein oder mehrere Transparente angebracht. Aller Inhalt deutete auf die Verfaſſung, und daß ſolche nur durch wirkliche wahre Theilnahme und kräftige Stütze des Bürgers gedeihen, und mehr und mehr ausgebildet werden könne. Einige enthielten einzelne Paragraphen aus dem Grundgeſetz. Auch die Stadt Oppenau war beleuchtet, wie Oberkirch. Den Armen dieſer letzten Stadt wurde Brod, den Schulkindern wurden Wecke vertheilt. Zahlreich fanden ſich Fremde ein, unzählbar war aber der Zudrang aus der Nähe. In dichten, undurchdring— lichen Schaaren wogte die Menge Straßen auf, Straßen ab. Als gegen 9 Uhr der von Seite der Oberkircher Bürgerſchaft zu Ehren unſeres hochverehrten v. Itzſtein und ſeiner Colle— gen veranſtaltete Fackelzug ſeinen Anfang nahm — als die beiden Muſikchöre, eine türkiſche und eine Blechmuſik abwech— ſelnd ſpielten — die verſammelte Liedertafel ſich hören ließ — der Zug vor der Poſt, wohin ſich die Gefeierten begeben, und die Anrede von Seite der Oberkircher Deputation durch Altbürgermeiſter Keppler gehalten war und nun das „Hoch“ unſerm v. Itzſtein und ſeinen Kammercollegen erſcholl — da machte ſich die ſchon fo lange in eines Jeden Bruſt unter— drückte Freude Luft — und ein tauſendfaches Hoch übertönte die Geſchützesſalven. Es war ein ergreifender herzerfreuender Anblick, auf eines Jeden Geſicht den Ausdruck der Freude, der Verehrung und Liebe für den Neſtor unſerer Kammer zu leſen — den Vorkämpfer für Volks- und Bürgerrechte, den unermüdlichen Ringer für das Wohl ſeiner Mitbürger. Daß Jeder, ſelbſt der ſchlichte Landmann, die hohe Feier begriffen, beurkundet ſchon der Umſtand, daß, obgleich Nacht und Werk— tag, Mann wie Frau, Jüngling wie Jungfrau in geordnetem Sonntags- und Feſtanzug ſich hier eingefunden. Die an Hrn. v. Itzſtein und die mit ihm angekommenen Abgeordneten gehaltene Anrede lautete: Hochzuverehrende Herren! Liebe Freunde! Aufgefordert durch die Hochachtung und Liebe, welche die biederen Bewohner unſeres bluhenden Reuchthals Ihnen als wackere Vertreter unſerer Landes— Verfaſſung, als ritterliche Verfechter der wohlerworbenen Rechte des badiſchen, des deutſchen Volkes, mit dankerfülltem Herzen zollen, erſcheinen Sie heute in dem Weichbilde unſerer Stadt Oberkirch, um mit uns den morgenden, allen Badenern ewig denkwürdigen Tag, in Wahrheit, mit treuer Anhänglichkeit an das Vaterland, und in Liebe zu ſeinem Fürſten zu feiern; — den ſegensvollen Tag ſage ich, an welchem vor 25 Jahren ein ächter deutſcher Fürſt, Zäbringens edler Sprößling, unſer unvergeßlicher Großherzog Karl, getreu und ritterlich gegebenes Wort erfüllen, dem badiſchen Volke eine geregelte Landesverfaſſung und dadurch die heiligſten Rechte, beſiegelt mit dem Blute und Leben ſeiner im Freiheitskampfe gefallenen Söhne, als Sieges- und Friedenspalme verliehen. Wir ſehen es als eine beſondere und vorzügliche Auszeichnung an — die Weihe dieſes herrlichen Feſtes erhöhend — daß Sie, hochzuverehrende Herren, mit dem hochachtbaren Neſtor unferer wackern Landes- Abgeordneten, mit dem Ritter obne Furcht und Tadel — ich bin gerne verſucht, ihn den Marſchall „Vorwärts“ zu nennen — in trautem Vereine, uns Ihre unſchätzbare Anweſenheit gewährt haben. Darum kommen wir, im Namen und Auftrag unſerer hieſigen Mitbürger, Ihnen den tiefgefühlteſten Dank für die aufopfernde Kühe und Sorgfalt zur würdigen Begehung dieſes wichtigen Volks— feſtes, als bleibendes Andenken mit gerührtem Herzen darzubringen. Werden Sie, hochzuverehrende Herren, nicht müde in Ders theidigung und Aufrechthaltung unſerer ſo theuer errungenen Ver— faſſung, in Ausbildung des ächten Bürgerſinnes, des Lichtes und der wahren Freiheit, und es wird Ihnen, wenn auch in fernem Ziele, die Krone des erkämpften Sieges zu allzeit ruhmwürdigem Andenken der Nachwelt aufbewahrt bleiben. Ich ſchließe mit dem innigen, und darf wohl ſagen allgemeinen Wunſche: Semper honos, nomenque suum laudesque manebunt. Unſere hochachtbaren und beharrlichen Abgeordneten leben hoch! hoch! hoch! v. Itzſtein dankte mit gerührten Worten für die ihm und ſeinen Freunden erwieſene Aufmerkſamkeit — erfreute ſich des im Renchthale herrſchenden verfaſſungstreuen Geiſtes — 218 — und der regen Theilnahme am öffentlichen Leben und ermun— terte zur treuen Feſthaltung dieſer Grundſätze, als der fraf- tigſten Stütze einer repräſentativen Staatsform. Auch der verſammelten Bürgerſchaft von hier und der Umgegend drückte er dieſelben Gefühle und Wünſche aus, und ſchloß mit einem „Hoch“ auf die wackern Renchthalbewohner. Allgemein war der Jubel. Nur ein Geiſt, ein Herz fühlte ſich die große Menge. Nachdem die Liedertafel mehrere paſſende patriotiſche Lieder abgeſungen, und die beiden Muſikchöre abwechſelnd einige Stücke geſpielt, begab ſich der Fackelzug auf eine Anhöhe vor der Stadt, und verbrannte auf einem Haufen und unter Geſang, die Reſte der Fackeln. Hierauf verſam— melte man ſich im Gaſthaus zur Poſt zum fröhlichen Mahle. Erſt in ſpäter Nacht endete der ſchöne Tag. Um 11 Uhr brachten einige Männer und Frauen dem Abgeordneten v. Itzſtein ein Ständchen. Schon vor 5 Uhr des kommenden Morgens weckte der Geſchützesdonner die Ruhenden auf. Aus allen Orten der ganzen Nachbarſchaft ertönten Böllerſchüſſe — und rollten von Berg zu Berg. Die Tagreveil zog lärmend durch die Straßen, und feierlich ſchallte die Choralmuſik vom hohen Dome über die Stadt. Bald wurde es lebhaft auf der Straße, Pferdetrappen und Wagenraſſeln folgten ſich jetzt ununterbrochen. Um ſieben Uhr ſchon hatte ſich der Feſtzug geordnet — voran die Lieder— tafel, dann ein Theil der Comitémitglieder, als Zugführer — ſodann v. Itzſtein und die andern Volksabgeordneten, die Deputation von Ettlingen, die anderen Gäſte der entfernteren Landestheile, welche ſich hier eingefunden — und die Staats- und Gemeindebürger von hier und der Umgegend. Mit flaggenden Fahnen der badiſchen Farben, mit Eichenlaubkränzen und Blumenguirlanden waren die Chaiſen und Wagen reich geſchmückt. Gegen achtzig Fuhrwerke zwei, drei und vier Geſpann, führten den langen unüberſehbaren Zug. Im wahren Sinne des Wortes ein Feſtzug. In jedem Orte begrüßten ihn Geſchützesſalven und ſchloſſen ſich weitere Fuhrwerke an. 42 —.2 > Oppenau hieß ihn durch feinen Gemeinderath willkommen. Vor dem Freiersbacher Badhauſe hatte ſich das Militärcorps von Oppenau, mit ſeiner trefflichen Muſik an der Spitze — und jenes von Petersthal aufgeſtellt. Zeichnete ſich jenes durch ſeine ſchöne Haltung und glanzvolle Uniform aus, ſo gefiel dieſes in ſeiner Nationaltracht, dem aufgeſtülpten Dreiſpitz, Federbuſche und der von Granaten- und Silberborten glitzern— den Kokarde — den Rock mit ſeinen rothen Schöſſen, den rothen Weſten, kurzen Beinkleidern, weißen Strümpfen und Schnallenſchuhen, ungemein. Auch unſere ſehr gut beſetzte Muſik, aus Griesbachs Bürgern beſtehend, ſpielte vortrefflich. Vor dem Rathhauſe in Petersthal hatte ſich die übrige Bür— gerſchaft mit ſämmtlichen Schulkindern aufgeſtellt, mehrere Triumphbögen waren errichtet, und faſt jedes Haus mit Kränzen und Laubwerk geſchmückt. Ein lautes Hoch empfing den Zug und Petersthal's Bürgermeiſter übernahm zu Pferde von hier an die Führung, während ſich die Bürgerſchaft von dort, ſo wie die Feſttheilnehmer von Zell und aus dem Schappacher Thale, welche ſich hier eingefunden hatten, dem Zuge anſchloſſen. Um 10 Uhr gelangte der Zug nach Griesbach. Dort bewillkommte ihn das Comité und die vielen ſchon anweſen— den Feſttheilnehmer. Der Sängerverein ſang das Weihelied „Willkommen Bürger bei der Feſtesfeier!“ welches wir unten beiſetzen.“) Nachdem auch die beiden Bürgermilitärcorps nachge— kommen, und ſich in Parade aufgeſtellt hatten — Pferd und Melodie: Vom hoh'n Olymp ıc. ) Willkommen, Bürger, bei der Feſtesfeier! Genießt mit Ernſt der Stunde Luſt! Der Geiſt erhebe kühner ſich und freier Und ſtolzer walle jede Bruſt! Manner vergnüge nicht niederer Scherz, Hohem und Würdigem ſchlage ihr Herz! Das Vaterland erfülle unſre Seele, Das theure Land, das uns gebar! Der hohe Vaterlandsgedanke ſtähle Uns für die Tage der Gefahr! Bürger, ja ſchwört es mit Herz und mit Hand, Ewig zu lieben das Vaterland! DD Wagen untergebracht waren, betrat der Abgeordnete Hundt die mit Blumen und Fabnen geſchmückte Altane des Badhauſes von Mönſch — und eröffnete vor mehreren Tauſenden von Anweſenden, welche ſich auf dem geräumigen Platze vor der Altane drängten, das eigentliche Feſt mit folgender Rede: Hochgeehrte Herren und Freunde! Liebe Mitbürger! Als vor drei Jahrzehnten die fremde Gewalt ſchwer auf Deutſchland laſtete, die deutſchen Völker unter dem unerträglichen Drucke jeder Art beinave erlagen und die Throne unſerer Fürſten erſchüttert wurden, da riefen — müde der ſchmachvollen Fremd— herrſchaft — die deutſchen Fürſten ihre Völker auf zur Abſchüttelung des aufgedrungenen Joches, zur Vertreibung des gemeinſamen Feindes unſeres theuren Vaterlandes. — Und das deutſche Volk, längſt mit Grimm erfüllt gegen den fremden Dränger, entſprach freudig dem erwünſchten Rufe ſeiner Fürſten; es erhob ſich mit einem Muthe, einer Begeiſterung und Aufopferung, welche an die Zeiten Herrmanns des Cheruskers erinnert. Es ci Gut, Blut und Leben ein, zur Befreiung des geliebten deutſchen Vaterlandes — und die vaterländifche Erde ward frei durch ſolche Anſtrengung, die fremde Gewalt gebrochen, vernichtet, vertrieben. — Deutſchlands Fürſten und Volker athmeten wieder frei, und Jubel erfüllte alle deutſchen Gauen, ob des Sieges über die verhaßte Fremdherrſchaft. Da beſchloſſen die deutſchen Fürſten auf dem Congreſſe zu Wien, in Anerkennung der heldenmüthigen Aufopferung und Hingebung des deutſchen Volkes, und als Lohn ſolcher Treue, ihm eine Verfaſſung Und lieben wir die deutſche Vatererde, So wünſchen wir auch warm und treu, Daß ſie ein Boden wahrer Freiheit werde, Daß ihre Zukunft lichtvoll ſei. Bürger, ja ſchwort es beim fun:elnden Wein, Ewig der Freiheit ergeben zu ſein! Und einig ſei das biedre Volk der Eichen! Die Einigkeit macht ſtark und groß. Ein einig Volk kann kein Erobrer beugen, Und ſtieg' er aus der Hölle Schoos. Einigkeit binde auch dieſen Verein! Laßt ihn uns nimmer durch Zwietracht entweihn! Des Weihgeſanges Töne ſind verklungen, Verrauſchet iſt des Liedes Quell, Doch jeder Ton iſt uns in's Herz gedrungen Und jedes Auge ſtrahlt begeiſtrungshell. Bürger, die Hände! Beſtändig, wie heut! Und ſo entgegen der kommenden Zeit! zu geben, welche ſeine politiſchen Rechte fichere und jo das Bund des Vertrauens zwiſchen Fürſt und Volk enger zu ſchlingen, es für alle Hinkunft zu befeſtigen. In der Reihe der erſten Fürſten Deutſchlands, welche das ihren Völkern gegebene Wort einlöften, war auch Badens hochherziger Fürſt, der edle Großherzog Karl. Er gab ſeinem Volke eine Verfaſſung, der Kulturſtufe, welche es unter ſeinen deutſchen Bruder— ſtämmen einnimmt, würdig und angemeſſen, wie Ihnen, meine Herren, aus unſerer Verfaſſungsurkunde bereits bekannt, und wie ich Ihnen durch Ableſung des Eingangs derſelben und einiger nad): folgenden Titel in Erinnerung zu bringen mir nun erlauben werde. (Zu leſen den Eingang, Titel I. und II. und den §. 58 der Ver— faſſungs-Urkunde.) Meine Herren! Die von dem Comits beſchloſſene Vertheilung der Verfaſſungs-Urkunde wird nun ſtattfinden. Sie hat den Zweck, der Jugend als Andenken an das heutige, für das ganze Land ſo wichtige Feſt zu dienen, den jungen künftigen Bürgern eine Erinne— rung zu ſein, wie es ihben Eltern die heiligſte Pflicht geweſen, treu und feſt an der Verfaſſung zu halten, und wie auch ſie hoffentlich dieſem Vorbilde folgen und ſich mit der uns allen theuern Verfaſſung bekannt machen werden, um dem Staate einſt nützliche, brave und in Zeiten der Gefahr ſtarke Bürger zu fein. Am Schluſſe dieſer Rede geſchah die Vertheilung von vielen bundert Exemplaren der Verfaſſungsurkunde, während die Muſik ſpielte. Als dieſe Handlung beendigt war, betrat Hr. v. Itzſtein die Rednerbühne und begann damit, daß er die Verſammlung von einer an ihn gelangten Adreſſe mehrerer preußiſchen Städte Weſtphalens in Kenntniß ſetzte.“) Ferner zeigt der *) Die Adreſſe lautet, wie folgt: Den Brüdern in Baden! — Vorwärts, vorwärts auf der Freiheit Pfaden! Kennt Ihr doch das Looſungswort: Hoch Baden! Soll es ſein. Jene Lauheit und Kälte, ja jene Abneigung zwiſchen dem Süden und Norden unſeres Vaterlandes, die traurige Folge einer leidigen Politik, iſt geſchwunden. Allgemeine, rege Theilnahme begleitet das Fortſchreiten auf der Bahn freier Entwicklung im Norden, wie im Süden, mit gleicher Freude. Das Mißtrauen, der Argwohn und die Eiferſucht der Vorzeit ſind herzlichem Ver— trauen und inniger Hingebung gewichen. Das laßt uns froh ſein! Den parlamentariſchen Kämpfen auf Badens Landtagen ſind wir mit geſpannter Aufmerkſamkeit gefolgt; jene Männer, welche die Rechte des Volkes A 222 Redner an, daß ſein Wahlbezirk Ettlingen und Landamt Raſtatt eine eigene Deputation zu dem Feſte nach Griesbach geſendet — daß. Stadt und Bezirk Lahr in einem eigenen Schreiben an das Comité ſich, weil das heutige Feſt in Lahr ſehr lebhaft gefeiert werde, dafür entſchuldigt habe, daß es die zugeſicherte Deputation nicht nach Griesbach geſendet, und fuhr dann, zum eigentlichen Gegenſtand ſich wendend, fort, wie folgt: Mit inniger Freude und wahrhaft erhebendem Gefühle blicke ich auf die große Menſchenmenge, welche ſich aus allen Thä— lern, ſelbſt aus weiter Ferne zur Feier des 25jährigen Beſtehens unſerer Verfaſſung und des Tages hier eingefunden hat, an dem der edle nun in Gott ruhende Großherzog Karl dieſelbe unterzeichnet und in das Leben zu führen verordnet hat. Schwerlich wird die Geſchichte des badiſchen Volkes einen merkwürdigern und zugleich folgereicheren Tag aufzuweiſen haben, als dieſen. Er gab den Bürgern in der die ganze Staatsverwaltung umändernden Verfaſſungsurkunde koſtbare Rechte; Rechte, welche ihnen längſt gebührten, die ſie aber bis dorthin entbehren mußten. Es legte dieſer Tag den Grund zu einem geregelten Haushalte des Staates und zu der Blüthe unſerer Finanzen. — Er war endlich die Hauptquelle, von welcher aus unſerem Baden und ſeinem Volke die große Achtung zufloß, die es in Deutſchland genießt. mit Kraft und Würde vertheidigten und dem Zorne der Mächtigen muthig Trotz geboten, haben wir als undurchdringlichen Schild beeinträchtigter Volks— rechte, als unbeugſame Wortwahrer vernunftgemäßer Freiheit hochachten und bewundern gelernt; dem wachen Sinne des badiſchen Volkes für Verfaſſungs— leben und Freiheit zollen wir volle Anerkennung; — wir halten uns daher befähigt zur Theilnahme der erhebenden Feier, die unſere Brüder in Baden zum Wiegenfeſte ihrer Verfaſſung nach 25 jährigem Beſtehen im Renchthale vereinigt. Aus vollem jubelnden Herzen bringen wir unſere heißen Glückwünſche. Möge das Geburtstagskind kräftig gedeihen! Möge das Badiſche Volk ſein Kleinod pflegen in treuer Hut und ſorglicher Liebe! Mögen die bewahrten Vertreter des Volkes fortfahren, das Banner des Fortſchrittes zu führen, wie bisher, zum Heile des deutſchen Vaterlandes! Nun ein Hoch fur Itzſtein, Welcker, Sander! Nun ein tauſendfaches Hoch den Andern, 1 Die Ihr wißt! folgen die Unterfchriften. Daher mußte es auch eine heilige Pflicht des Volkes ſein, dieſen Erinnerungstag, welcher ihm die ſchützende Verfaſſung und durch ſie Freiheit und Selbſtſtändigkeit gebracht hat, ſo allgemein und ſo feſtlich als möglich zu begehen. Und das Volk hat ſeine Pflicht, wie ſeine Stellung vollkommen begriffen. Es feiert heute ein wahres Volksfeſt! Froh bewegt ſich daher das ganze Land; Alt und Jung theilen die Freude; aus allen Städten und allen Gauen, von allen Höhen erſchallen Jubel- und Feſtgeſänge und es wird der 22. Auguſt forthin ein feſtlicher Tag Badens ſein! Daß die Bewohner Oberkirchs und des ſchönen Renchthals, welche ſchon früher lautſprechende Beweiſe ächter Verfaſſungs— liebe gegeben haben, bei dieſem Feſte nicht zurückbleiben, daß ſie ſich vielmehr zahlreich an dem Orte einfinden würden, welcher mit Recht die Wiege der Verfaſſung genannt wird und daher auch der Centralpunkt des heutigen Feſts iſt, das war vorauszuſehen. Gern folgte ich dem ehrenvollen Rufe, bei dieſer Gelegenheit vor einem ſo wackern Volkstheile zu ſprechen; von dieſen Bergen herab ſtrömt ja die kräftigende Luft der Freiheit; ſie belebe meine Rede, ſie durchwehe unſer Feſt! Männer wie Sie, denen die Verfaſſung theuer iſt, kennen auch ihr bisheriges Wirken. Demohngeachtet wird es zweck— mäßig ſein, der verſammelten Menge die wohlthätigen Früchte derſelben wäbrend ihres 25jährigen Beſtehens vorzuführen und durch einen Blick in die jüngſte Vergangenheit zu zeigen, wie es vor der Verfaſſung war und wie es dermalen iſt. Ich werde Ihren Blick nicht auf die älteren Verfaſſungen und Landſtände vieler deutſchen Staaten lenken, deren manche größere Rechte hatten, als die gegenwärtigen Kammern. — Sie ſind untergegangen mit der deutſchen Reichsverfaſſung. Nur von unſern gegenwärtigen Zuſtänden will ich reden, und Sie werden hier erſtaunen, wie mächtig ſich durch den 22. Auguſt 1818 alle Verhältniſſe bei uns geändert haben, wie ſegenreich die Verfaſſung für das Land wie für die Regierung gewirkt bat, und wie unter ihrem Beſtehen das Volk gehoben, En ſein Zuſtand weſentlich gebeſſert und der Bürger politiſch gebildet worden iſt. Welche Rechte, frage ich Sie bier, beſaß denn das Volk vor der Verfaſſung? — Hatte es Theil an der Geſetzgebung, von der doch das Wohl und Weh der Bürger abhängt, wie nun durch ſeine gewählte Abgeordnete? Durſte es mitwirken wie dermalen, zu der Bewilligung der von ihm zu zahlenden Steuern? Konnte es Einſicht nehmen von der Staatsver— waltung und den Staats-Rechnungen? War es ihm erlaubt, die Gebrechen, die Mißgriffe der untern und obern Beamten, und den allenfalls vorkommenden Mißbrauch der Gewalt öffentlich zu rügen und förmliche Beſchwerde und Anklage zu erbeben, wie es jetzt durch ſeine Kammern geſchehen darf? Nein! nein, werden Sie mir ſagen, keines dieſer großen Rechte war dem Volke verliehen. Vielleicht waren aber ihre Gemeinden freier? — Eben ſo wenig. Sie wurden als unmündig behandelt, hatten keine Selbſtſtändigkeit, kein Verfügungsrecht über ihr Vermögen, keine freie Wahl ihrer Vorſteher, und konnten eben deßwegen auch nie werden, was ſie doch im Staate ſein ſollten. Und der einzelne Bürger? — Auch er war kein wahr— haft freier Bürger: denn er hatte keine durch das Geſetz geſicherte Rechte, keine Theilnahme an den öffentlichen und Gemeinde-Angelegenheiten und war, faſt ohne Willen, nur dem Gebote — nicht ſelten der Willkür — ſeiner Vorgeſetzten unterworfen. Schwer, ja faſt unmöglich, wurde es ihm unter ſolchen Verhältniſſen, die Stellung und die würdevolle Haltung einzunehmen, welche dem wahren Bürger, ſelbſt ſeiner Obrig— keit gegenüber, zuſteht; eine Haltung, welche er, will er nicht eine bloße Maſchine oder ein verächtlicher Menſch werden, einnehmen muß, ſobald er nur Geſetzliches verlangt und nur nach dem Geſetze behandelt ſein will. Eine Gleichheit Aller vor dem Geſetz, jenes unſchätz— bare Gut, welches Gott ſelbſt den Menſchen verliehen hat, als er ſie Alle gleich geſchaffen bat, beſtand nicht. Aber! es laſteten dafür zahlreiche alte Abgaben mit den wunderbarſten — 225 — Benennungen, welche noch an die längſt verſchwundene Zeit erinnerten, wo einzelne Herren Alles, und die Bürger Nichts waren, neben den ordentlichen Steuern auf dem Volke. Frohn— den aller Art, ſchimpflich zum Theil für den Menſchen, der doch endlich den Schandfleck der Leibeigenſchaft nicht mehr zu tragen hatte; Zehnten von jedem Gewächſe, von jeder mit ſauerem Schweiße errungenen Erndte, nebſt ſo manchen andern Leiſtungen drückten den Bürger. Wohl war Badens Regierung milde, und mehrere Jahre vor der Verfaſſung lag ſie in den Händen eines Fürſten, den man mit vollem Grunde als den Vater des Volkes verehrte, und der unermüdet beſorgt war, Glück und Wohlſtand zu verbreiten. Deßhalb ſpricht auch noch heute jeder Badener den Namen „Karl Friedrich“ mit Dank und tiefer Ehrfurcht aus. Allein! es war dieß, wie es der gute Regent in jedem rein monarchiſchen Staate iſt, nur ein Geſchenk des Him— mels. Die Garantie für die Zukunft fehlte; denn in den Händen eines einzigen Mannes iſt Mißbrauch der Gewalt eben ſo möglich, wie der edle Gebrauch derſelben. Das Volk fühlte damals ſchon recht gut, was ihm fehlte, welche Rechte ihm gebührten, und daß die Laſten nicht mehr fortbeſtehen ſollten. — Aber es konnte ſeine gerechten Wünſche und Forderungen noch nicht, wie es nun geſchieht, durch geſetzliche Vertreter vortragen laſſen. So blieb denn der alte Zuſtand unverändert und die Bürger trugen das daraus erwachſene niederbeugende Gefühl ruhig fort, harrend einer beſſeren Zeit! Als ſich jedoch in Folge des franzöſiſchen Krieges eine ſchonungsloſe, das Mark aller Nationen ausſaugende Fremden— herrſchaft auf Deutſchland lagerte; als die Fürſten ſich ſelbſt an das deutſche Volk wendeten, auffordernd daſſelbe zur Er— hebung und ihm verkündigend, daß ihm die wichtigſten Rechte fehlten, die ihm nun werden müßten, da erhoben ſich, wie Ihnen der frühere Sprecher ſchon ſagte, mit ungeſchwächter Vaterlandsliebe die nämlichen badiſchen Bürger und die übrigen deutſchen Volksſtämme, um das ſchmachvolle und uner— 15 — 226 — trägliche Joch im Vereine mit den Truppen der verbündeten Machte abzuſchütteln. Und es gelang das große und edle Werk! Zwar floß das Blut der deutſchen Söhne und auf manchem Schlachtfelde modern ihre Gebeine! Aber das gemeinſame Vaterland, unſer Deutſchland, wurde befreit; die Ehre des deutſchen Volkes war gerettet! (Lautefter Beifall!) Doch! lebendiger und allgemeiner ertönte nun auch der Ruf nach den Rechten, welche den deutſchen Volksſtämmen ſchon ſo lange fehlten und nach einer ſie ſchützenden land— ſtändiſchen Verfaſſung. Die Negierungen ſelbſt, eingedenk der in ihren Proklamationen gemachten Zuſicherungen, be— ſchäftigten ſich auf ihren Kongreſſen mit dieſer wichtigen Angelegenheit, mit der Erfüllung ihres feierlich gegebenen Wortes, mit der Abtragung ihrer Schuld. Da unterzeichnete Großherzog Karl, erkennend in ſeinem edlen Sinne die Gerechtigkeit des Verlangens ſeines Volkes, am 22. Auguſt 1818 bier in Griesbach die Verfaſſung, zum Heile des Volkes und als ſchützende Burg der Regierung. Sein Nachfolger aber rief fe mit einem vorzüglich guten Wahl— geſetze in das Leben. Von nun an hoben ſich Badens und ſeines Volkes Zuſtände. Schon die erſten Kammern von 1819 und 1822 verlaugten und erwirkten verſchiedene Er— leichterungen und legten durch ihre zweckmäßigen Anträge den Grund zu ſpätern wohlthätigen Geſetzen. Zwar ver— kümmerten die Kammern von 1825, allerdings in einer bedauerlichen Zeit des Rückſchrittes, die noch junge Verfaſſung durch Aufhebung einiger ihrer vorzüglichſten Artikel, und bei der auffallenden gänzlichen Theilnahmloſigkeit des Volkes, welche ſich damals in ganz Deutſchland kund gab, war noch Schlimmeres zu fürchten. — Kamen ja doch in Baden, leider! zur wahren Schmach dieſes Landes, mehrere Bittſchriften um gänzliche Aufhebung der Verfaſſung ein!! Doch! der unaufhaltſam fortſchreitende Gang der Welt— ereigniſſe wollte es anders! In dem benachbarten Frankreich erhob ſich in dem Jahre 1830 unerwartet und kraͤftig das — 227 — Volk, weil es ſeine wichtigſten Rechte und die freie Preſſe durch einen Machtſpruch des Königs aufgehoben ſah und darin eine Verletzung der Verfaſſung und damit zugleich eine Auflöſung des zur Regierung berechtigenden Vertrages erkennen zu müſſen glaubte. Frankreich gab ſich einen anderen Regenten und eine Bewegung, wie ſie vielleicht noch nie die Völker Europas ergriffen hatte, durchbebte nun ganz Deutſchland. — Baden blieb trotz des brauſenden Sturmes in anderen Staaten ruhig; denn es hatte eine ſchützende Verfaſſung. Aber das Volk war ebenfalls erwacht; es erkannte ſeine Stellung, ſeine Pflicht und die nächſte Folge war, daß die Kammer von 1831 aus ganz freien Wahlen hervorging! Dieſe, beſeelt von dem Geiſte, der damals alle Völker durchdrungen hatte, faßte auf den Antrag eines ihrer Mitglieder“) und auf den trefflichen Bericht des unvergeßlichen von Rotteck mit jenem Ernſte, welchen ihm die hohe Wichtigkeit der Sache zur Pflicht machte, den einſtimmigen Beſchluß: die Staatsregierung um vollkommene Wiederherſtellung der Verfaſſung zu bitten. Auch die erſte Kammer trat einhellig dem Beſchluſſe bei, und der erhabene Regent, ſo wie die Regierung zögerten nicht lange, dieſem, den Wünſchen des Volkes und ſeiner Vertreter entſprechenden Antrage bereitwillig entgegen zu kommen. So ſtand nun die Verfaſſung, dieſer Schild des Volkes gegen jeden ungerechten Druck, wieder unverletzt und kräftig da, wie ſie eingeführt und beſchworen war, und nun wurden, im Einklange mit der Regierung, auf dem Landtage von 1831 ſo wie auf verſchiedenen ſpätern Landtagen die vorerwähnten alten Abgaben, Laſten und Frohnden aufgehoben. — Es ſchwand in Folge eines günſtigen Ablöſungsgeſetzes der Zehn— ten, dieſe bei der ſteigenden Kultur des Bodens immer drückendere Abgabe; der Boden des badiſchen Bürgers wurde frei! *) Des Abgeordneten von Itzſtein. 19 8 DDR Die ſchönſte Frucht des Landtages von 1831, das Geſetz über die freie Preſſe, durch welches dem Bürger erlaubt war, ſeine Anſichten, ſeine Meinungen, Lob und Tadel über die Geſetze und ſonſtige Verfügungen auszuſprechen und ohne Cenſur drucken zu laſſen, wogegen aber nur der Richter auf erhobene Klage über den allenfallſigen Mißbrauch zu entſcheiden hatte, dieſe herrliche Gabe, deren ſich nicht Baden allein, ſondern jeder deutſche Volksſtamm erfreute, ging nach kurzem Beſtehen durch höhere Gewalt wieder unter! — Der Freund des Vaterlandes trauert, harrend bis hieher des von der Regierung zugeſicherten, von den Kammern anhaltend geforderten neuen Preßgeſetzes!“ Auch für die Gemeinden kam ein Geſetz zu Stand, welches ihnen, neben vielen ſehr zweckmäßigen Beſtimmungen, wirk— liche Selbſtſtändigkeit, eine wohlgeregelte, faſt ganz freie Verwaltung ihres Vermögens, und das wichtige Recht, ihre Vorſteher ſelbſt zu wählen, gegeben hat. Mag dieſes Geſetz auch einzelne Mängel haben, ſo iſt es doch, wenn es die Bürger richtig erfaſſen, von der höchſten Wichtigkeit und von unbe— rechenbarem Einfluſſe. Denn nun erſt können die Gemeinden werden, was ſie ſein ſollen: Der feſte Grund und Boden, aus welchem des Staates eigene Kraft hervorgehen muß — und dieſer Erfolg wird eintreten, wenn jeder Bürger ſeine Stellung und ſeine Rechte gehörig kennen gelernt hat, wenn aus dem ſtolzen Bewußtſein, freier Bürger zu ſein, ein wahrer Gemeingeiſt erwächſt, der zugleich ächten Bürgermuth einflößt und ſtark macht zu Opfern für das allgemeine Gute, jeden Knechtſinn aber verachtet. — Die Finanzen des Staates, von den Kammern gehörig kon— trolirt, ordneten ſich, und wenn noch weitere Erſparniſſe in dem Staatshaushalte und namentlich in dem durch jüngere Bundesbeſchlüſſe ſehr erhöhten Militär-Aufwande wünſchens— werth ſind, ſo werden dieſe bei Fortdauer des Friedens gewiß noch erzielt werden. Auch die Tilgung der Schulden unſeres Staates erfolgt nun nach feſten, ebenfalls von den Ständen und ihrem Ausſchuſſe überwachten Grundſätzen, und als nothwendige Folge dieſer wohlthätigen Einrichtung, hat ſich der Kredit des Landes bedeutend gehoben. Für die Ausbildung der Jugend wurde durch die Errich— tung einer polytechniſchen Schule, durch höhere Bürger- und Gewerbſchulen und durch Beſſerſtellung der Volksſchullehrer geſorgt. Frei übt endlich der Bürger das wichtige Petitions— Recht an die Ständeverſammlung, frei und öffentlich werden dort die Angelegenheiten des Staates, die Geſetze, ſo wie alle verfaſſungsmäßigen Anträge, Beſchwerden und Wünſche erörtert. Haben auf den jüngſten Landtägen Irrungen und Anſtände zwiſchen der Regierung und den Ständen ſtattge— funden, mußten die Letzteren einen ſchweren Kampf zur Ver— theidigung freier Volkswahlen beſtehen, ſo hat doch gerade das Volk durch ſeine kräftige Haltung und durch ſeine Wahlen gezeigt, daß es feſthalten will an ſeiner Verfaſſung und an dem dazu gehörenden Wahlgeſetze. Wer vermag nach dieſer gedrängten Darſtellung zu zweifeln, daß die Verfaſſung eine unſchätzbare Wohlthat für das Land und ſeine Bewohner iſt? — Wer fühlt aber dabei nicht auch, daß das badiſche Volk dies begreift und durch das heutige Feſt, durch die in demſelben ſich ausſprechende dank— bare Anerkennung der Verfaſſung laut erklärt, daß es ſie nicht allein kräftig erhalten, ſondern auch durch ſorgfältige treue Pflege noch mehr auszubilden ſuchen werde, damit die in ihr liegenden Keime ebenfalls zu herrlichen Früchten reifen. Denn wirklich fehlen noch einige der wichtigſten, in der Verfaſſungs-Urkunde zugeſicherten Bürgſchaften, noch vermißt das Land manche wohlthätige, ſelbſt durch die Zeit und durch die öffentliche Meinung dringend geforderte Geſetze. Ich will hier nur erinnern an das Geſetz, die perſönliche Freiheit des Bürgers betreffend, und an jenes für die Freiheit der Preſſe, die Lebensquelle jeder Verfaſſung und Volksbelehrung, ſtatt der niederbeugenden, alle freien oder mißfälligen Gedanken mordenden Cenſur; endlich das Geſetz für öffentliches und mündliches Verfahren in peinlichen Dingen, mit Geſchwornen— Gerichten; ein Geſetz, für deſſen Fortbeſteben der Landtag — 230 — der preußiſchen Rheinprovinz in jüngſter Zeit herrlich und ſiegreich gekämpft hat, welches alle deutſche Volksſtämme mit Recht zum Erſatz für das bisherige unzureichende Verfahren in den verſchloſſenen Gerichtsſtuben, als unentbehrlich ver— langen und deſſen Einführung bei uns in Baden um ſo weniger einem Anſtande unterliegen kann, als ſchon bei dem bürgerlichen Prozeß verfahren die Oeffentlichkeit der Verhand— lungen beſteht. Hoffen wir, daß durch ein freundliches Zuſammenwirken der Regierung mit den Kammern dieſe foftbaren Güter dem Volke recht bald zu Theil werden! Dies hängt aber zum großen Theile von dem Volke ſelbſt ab. Daſſelbe muß beweglich und regſam ſtets lebendigen Antheil nehmen an allen Angelegenheiten, welche ſeine Verfaſſung, ſeine Gemeinde— Ordnung, ſeine Rechte und Freiheiten betreffen. Es darf nicht ermüden in ruhiger aber beharrlicher Vertheidigung dieſer koſtbaren Güter, wenn es ein wirklich freies und der Freiheit würdiges Volk ſein will. — Nur auf dieſem Wege wird das Volk eine feſte Stütze der von ihm frei gewählten Kammern; nur dann erhalten dieſelbe volle und gründliche Kenntniß von den Wünſchen und Bedürfniſſen des Volkes, von dem Eindrucke der erlaſſ'nen Geſetze und ihren allen— fallſigen Gebrechen. Und nur dadurch wird endlich eine Kammer in den Stand geſetzt, mit Zuverſicht die Anträge ſtellen und die Beſchlüſſe faſſen zu können, welche den Forde— rungen der Zeit entſprechen und für das allgemeine Wohl nöthig ſcheinen. Unſerer Verfaſſung, einer der beſten Deutſchlands, ſteht übrigens auch noch ein vorzüglich gutes Wahlgeſetz zur Seite. Ohne ein ſolches dürften die wohlthätigſten Beſtimmungen derſelben gar leicht zur leeren Form werden. Es würde dann ſchwer fallen eine unabhängige, aus wahrhaft vaterlands— liebenden Männern beſtehende Kammer zu wählen, welche in ihrem Streben für das Wohl des Landes an der Verfaſſung feſthält und mit Würde, aber furchtlos und kraftig gegen jeden Verſuch, fie zu beſchränken, anfampft. — Wenn aber unfere Wähler die Vorſchriften der Wahlordnung gehoͤrig und mit Eifer befolgen; wenn ſie ſich, als freie Bürger, nicht ſchrecken und einſchüͤchtern laſſen, und vorzüglich ſchon bei den Urwahlen, d. h. bei der Wahl der Wahlmänner, als dem wichtigſten Wahlakte, und der Hauptgrundlage für eine gute Deputirtenwahl die unabhängigſten und verfaſſungstreuſten Bürger wählen, dann liegt die Bildung einer ſtarken oder ſchwachen Kammer in den Händen der Bürger. Wollen Sie Beweiſe durch Beiſpiele! Blicken Sie auf die Beſchlüſſe der Kammer von 1825 und 1828 und die von ihr ausgegangene Aufhebung der wichtigſten Verfaſſungsartikel; dann aber auch anderſeits in das wohlthatige Wirken der aus freien Wahlen und unter kräftiger Mitwirkung des Volkes hervorgegangenen Kammern von 1831 und ſpäteren Jahren. Dies genügt zum Beweiſe, welchen großen Einfluß der Geiſt der Bürger, ihre Liebe zur Verfaſſung, ihre ſtärkere und ſchwächere Theilnahme an den Wahlen, auf die Wirkſamkeit der Verfaſſung, ja ſelbſt auf die Erhaltung derſelben haben. Wenn ich Sie, verehrte Mitbürger, durch dieſe Betrach— tungen und durch meine Rede überhaupt zur eifrigen, kräftigen und furchtloſen Ausübung ihrer jo wichtigen Wahlrechte mahne und auffordere, ſo erfülle ich dadurch nicht nur meine über— nommene Pflicht, ſondern ich entſpreche auch dem urkundlich bekannt gemachten erhabenen Willen und Wunſche des ver— ewigten Großherzogs Ludwig, in deſſen Einführungs-Editte der Wahlordnung, und unſeres erhabenen, gegenwärtigen Regenten, in dem Miniſterial-Erlaſſe vom 28. Novbr. 1830. Es ſind dieſe beiden Urkunden zu wichtig und zu tief eingreifend in die Sache, als daß ich Sie nicht bitten ſollte, den erſten Abſchnitt des Einganges zur Wahlordnung ſelbſt zu leſen und aus dem Umlaufſchreiben des Großherzoglichen Miniſteriums des Innern vom 28. Novbr. 1830, welches an alle Kreis— directoren ergangen iſt, wenigſtens die wichtigſten der Ein— gangsworte zu vernehmen, welche lauten: „Schon in den erſten Augenblicken, in, welchen Seine Königliche Hoheit, der Großherzog, nach dem Willen und unter — 232 — dem Schutze der Vorſehung die Regierung des Großherzog— thums angetreten, haben höchſtdieſelben die feierliche Zuſage ertheilt und öffentlich verkündet, die Verfaſſung des Landes heilig halten zu wollen. „Dieſe Zuſage ging aus der innern Ueberzeugung hervor, daß Se. Königl. Hoheit mit der Regierung des Landes zugleich die Verpflichtung übernommen hatten, die Verfaſſung deſſelben nach ihrem Inhalte und Zwecke wahrhaft und treu zu erfüllen. — Hiernach konnte die großherzogliche Regierung auch nicht den Gedanken hegen, die Staatsbürger des Groß— herzogthums in einem der wichtigſten Verfaſſungsrechte zu beſchränken, oder auf die Wahlen zu Gunſten oder zur Uns gunſt irgend einer Perſon, durch welche Mittel es auch ſei, einzuwirken. „Im Gegentheil, es iſt ihr Wille, daß auf die einzelnen Wahlen von Seiten der Regierungsbeamten weder mittelbar noch unmittelbar eingewirkt werde.“ Sie werden aus dieſen Urkunden deutlich entnehmen, daß es die edle Abſicht dieſer beiden Regenten Badens war und iſt, die Kammer, mit denen die Regierung über das Wohl des Staates berathen und beſchließen ſoll, nur durch freie, unbeſchränkte Wahlen des Volkes hervorgehen zu laſſen, damit ſie auch eine wahrhafte Vertretung deſſelben ſind und ſeine wirklichen Wünſche und Bedürfniſſe vortragen können. Sie vernahmen ferner daraus, daß man von dem Bürger nur die Wahlen unabhängiger, verſtändiger und verfaſſungs— treuer Männer erwarte, welche auch ſtark genug ſind, ihre eigene Ueberzeugung auszuſprechen, weil nur durch ſolche Wahlen das Beſte des Volkes und des Staates wirklich gefördert werden kann. Wohlan denn! wackere Bewohner des Renchthales und der Umgegend, verehrte Gäſte von Nahe und von Ferne! Wem das Vaterland und die Freiheit, wem geſetzlich geſicherte Rechte und eine würdige Stellung des Bürgers theuer ſind, der durchdringe ſich von dem reinen Geiſte der Verfaſſung, der handle darnach und wache! — 233 — Es iſt dies die beſchworene, die heilige Pflicht eines jeden Bürgers. Einigkeit verbinde und führe uns; feſt und be— harrlich wollen wir auf geſetzlichem Wege zum Ziele fort— ſchreiten, das uns die Verfaſſung und die gerechten Forderungen der Zeit vorzeichnen. Laſſen Sie uns mit gemeinſamer, nie ermüdender Sorgfalt die Verfaſſung, welche während ihres 25jährigen Beſtehens zum ſchönen, fruchtbaren Baum empor— gewachſen iſt, pflegen und ſchützen, damit ſie zum kräftigen Stamme erſtarke und ſich ausbreite; damit derſelbe jedem Sturm, mag er von Norden oder von Weſten kommen, und jedem ſonſtigen Angriffe widerſtehe, und unter ſeiner ſchützenden Wölbung unſere Nachkommen ſich glücklich fühlen mögen. Dankbar werden dieſe des edlen Stifters der Verfaſſung, des ſtarken Schildes ihrer Rechte und Freiheiten, aber auch der Vorfahren gedenken, welche ſie pflegten und ehrten. Wir aber wollen dem Gedeihen der Verfaſſung, der herrlichen Schöpfung des Großherzogs Karl und dem Andenken des hochherzigen Fürſten aus vollem Herzen ein dreifaches Hoch bringen!! Nachdem das „Hoch“ verklungen, begann die Liedertafel mit vollbeſetzten Stimmen: „Was iſt des Deutſchen Vaterland?“ ꝛc. Begeiſtert und von dem Lied durchdrungen, ſang die ganze Menſchenmaſſe den Chor mit. Nun folgten einige Muſikſtücke und wechſelten mit patriotiſchen Geſängen ab — was vor und während der Tafel bis zum ſpäten Abend geſchah. — Auf demſelben Platze, wo die Feſtrede gehalten wurde, war auf Veranlaſſung des Comité eine mehrere hundert Schritte lange gedeckte Halle errichtet, die mit Kränzen, Laub— werk und Blumenguirlanden geſchmackvoll geziert, eine Tafel von 400 Gedecken faßte. Am oberen Ende derſelben war eine prachtvolle Tribüne erbaut, mit den Portraiten des Groß— herzogs Karl und Ihrer königlichen Hoheiten des regierenden Großherzogs und der Landesfürſtin geſchmückt. Von der Tribüne wurden die Toaſte gebracht. Der erſte Toaſt galt Sr. königl. Hob. dem Großherzog und ſeiner Familie, durch — 234 — Bürgermeiſter Kinnig von Griesbach gehalten. Der zweite, der Verfaſſung, geſprochen durch den Abgeordneten Dörr von Biſchoffsheim. Nun folgten Toaſte auf Preßfreiheit, Oeffentlichkeit und Mündlichkeit des Straf verfah— rens mit Geſchwornen, auf ein vollſtändiges Geſetz über die Verantwortlichkeit der höheren Staatsbeamten, aus— gebracht durch Bürgermeiſter Bernard von Kuppenheim. Mit donnerndem Beifalle wurde der Trinkſpruch des Advo— caten Frech auf unſeren Feſtredner v. Itzſtein, den muthigen, unermüdlichen Vorkämpfer und Streiter für Volksrechte und Vaterland aufgenommen. Nicht minder jener auf unſere wackeren, wahren Volksvertreter, die dahingegangenen und lebenden, welchen Bürgermeiſter Birt von Ibach mit vieler Kraft vorgetragen hat. Mächtigen Eindruck machte aber v. Itzſtein, der in ſeinem und ſeiner Freunde Namen für die Erinnerung herzlich dankte, und dann weiter ſprach: „Ja! meine Herren! Sie haben Recht gethan, dem Andenken ſo mancher Mitglieder der badiſchen Kammer, welche ſeit dem Beſtehen der Verfaſſung für deren Ausbildung und Erhaltung männlich gekämpft haben, die aber der Tod uns geraubt hat, ein ehrendes Andenken zu zollen! — Es waren Männer voll Kraft und Vaterlandsliebe, die Zierde der Kam— mer, denen wir zum großen Theile die Ausbildung unſeres Verfaſſungslebens und die würdige Stellung der Kammern verdanken. Ich nenne Ihnen den edlen von Lie benſtein. — Zwar umgeben von mehreren gleichgeſinnten feſten Män- nern und Freunden, war er doch auf jenem Landtage, in der für alle Mitglieder ganz neuen Sphäre, die Seele des Ganzen, der Lenker der Geſchäfte, wodurch er mit eben jo viel Kraft als gutem Willen den Grund legte zu der ausgezeichneten Haltung der Verſammlung, zu der raſchen und ruhigen Behandlung der Arbeiten. Von ihm gingen die großartigen Anträge faſt alle aus, welche er mit hinreißender Beredſam— keit vortrug, und welche die ſpatern Erleichterungen des Volkes und ſo manche wohlthätige Geſetze zur Folge hatten. Mit ihm zu gleicher Zeit ſtand Duttlinger in der Kammer von — 235 — 1819, damals der jüngſte derſelben. — Er war es, welcher das auf nicht verfaſſungsmäßigem Wege nachgeſchobene Adelsedikt in feuriger Rede mit der vollen Kraft der Jugend und mit unwiderſtehlichen Gründen angegriffen und dadurch weſentlich zur ſpätern Verwerfung deſſelben beigetragen hat. Er war es endlich, welcher im Jahr 1825 mit zwei andern Mitgliedern gegen die Verſtümmlung der Verfaſſung, wenn auch vergebens ankämpfte, und auf allen ſpätern Landtagen durch ſeine glänzenden juridiſchen Kenntniſſe ein vorzügliches Mitglied der Kammer blieb. Und wer erinnert ſich nicht des früheren Deputirten und ſpätern Miniſters Winter? Des Mannes, der eine ſo große Rolle in dem Verfaſſungsleben des badiſchen Landes übernahm und im Jahr 1819 den denkwürdigen Bericht über das ebenerwähnte Adelsedikt erſtat— tete, jenen Bericht, der, obgleich von mancher Seite her gemißbilligt, ibm ſtets zum größten Ruhme gereichte, weil er furchtlos mit der reinſten Verfaſſungsliebe und mit dem regſten Eifer die Rechte des Volkes zu wahren, ein Edikt bekämpfte und vernichtete, welches neben dem Mangel der Form nicht mit dem Geiſte im Einklange ſtand, welcher in der Verfaſſungs— urkunde lebt. Wer hat vergeſſen den edlen dem Lande zu früh entriſſe— nen von Rotteck? Den Mann, deſſen Herz glühte von der reinſten Vaterlandsliebe, der nur lebte für das Volk, deſſen unermüdlichem Streben es die Ablöſung des drückenden Zehn— ten verdankt, der ohne Raſt für die Freiheit des Volkes und für das ganze deutſche Vaterland in beiden Kammern kämpfte, der ſich furchtlos jedem Angriffe auf die Verfaſſung wider— ſetzte! Auch den Mitgliedern der gegenwärtigen Ständever— ſammlung, welche männlich kämpften für die Rechte des Volkes und für das Wohl des Staates haben Sie, verehrte Manner! ein feuriges Hoch zugerufen. Herzlichen Dank Ihnen, für dieſe Anerkennung in meinem und meiner Freunde Namen! Es iſt wohlthuend und ermuthigend, wenn eine ſo zahlreiche Bürgerverſammlung aus verſchiedenen Landestheilen die Hal— tung ihrer Deputirten öffentlich billigt und anerkennt. Denn, — 236 — wahrlich, meine Herren! der Volksdeputirte iſt, will er dem ihm von dem Wahlbezirke gegebenen Auftrage vollkommen entſprechen und ſeinem Eide furchtlos genügen, nicht auf Roſen gebettet. — Opfer, ſchwere Opfer mancher Art werden ihm unvermeidlich und nicht ſelten öffnet ſich dem Familien— vater eine düſtere Ausſicht in die nächſte Zukunft. — Ich ehre und achte den Mann, welcher die ihm angetragene Stelle eines Deputirten ablehnt, weil er ſich zu ſchwach fühlt, den allenfallſigen Kampf zu beſtehen, oder weil Rückſichten auf ſeine Familie und andere Verhältniſſe es ihm unmöglich machen, dem großen Pflichtenumfange des Deputirten vollkom— men zu entſprechen. Er verdient aber dieſe Achtung nicht, wenn er trotz dieſer Ueberzeugung die Stelle einnimmt und ſeine Wähler, weil Privatintereſſen und Rückſichten auf Geld— vortheile, [auf Beförderung und Gunſt!, ihn den Inhalt ſeines Eides vergeſſen laſſen, durch unthätige Schwäche täuſcht! Eine Kammer, zuſammengeſetzt aus ſchwachen abhängigen Männern, iſt ein wirkliches Unglück für das Land. — In den Händen der Wähler liegt es, ein ſolches abzuwenden. Sie werden erwägen, daß es nicht genug iſt, eine freie Ver— faſſung und ein gutes Wahlgefeß zu haben, ſondern daß ihre Vorſchriften auch mit Eifer und beharrlich befolgt und ausge— führt werden. Dann, meine Herren! iſt keine ſchwache, gleich— gültige Kammer mehr möglich. Würde aber doch das Gegen— theil noch einmal eintreten, ſo ſoll mich dieſe traurige Erſcheinung nicht abhalten, meiner Pflicht treu zu bleiben. Ich werde, mag die Zeit eine gute oder ſchlechte ſein, ſtets mit aller Kraft furchtlos und beharrlich für des Volkes Rechte und ſeine Freiheit, für das Wohl meiner Mitbürger kämpfen, ſelbſt wenn ich ganz allein ſtehen ſollte. Doch, ein Blick auf die zahlreich hier verſammelten Ein— wohner des Renchthales, auf die Männer, welche mit Liebe und Eifer das heutige ſchöne Feſt bereitet haben, deren reiner offener Sinn ihre Verfaſſungstreue verbürgt und ihre Kraft beurkundet, und die Ueberzeugung, daß ein gleicher Geiſt den größten Theil des badiſchen Volkes durchdrungen hat, laſſen — 237 — einen ſolchen Rückſchrittt nicht mebr fürchten! Ergriffen von dieſem erhebenden Gefühle und von dem Ihnen für Ihre wür— dige Haltung bei dem heutigen Feſte und die mir bewieſene beſondere Auszeichnung ſchuldigen Danke, bringe ich den braven Bewohnern Oberkirchs und des ganzen Renchthales ein herz— liches Hoch!! Mehrere Male wurde v. Itzſtein mit tauſendſtimmigem Bravorufen unterbrochen. Es war nicht leeres Rufen, es war der Geiſt der Ueberzeugung, der Wahrheit und der erfaßten Freiheit, das Erkennen der Menſchenwürde und des Menſchenwerthes, der die Verſammlung beſeelte. Am Schluſſe der Tafel brachte v. Itzſtein noch einen Toaſt dem ſchönen Geſchlechte (denn ſehr viele Frauen waren bei der Tafel), der die begeiſterte Stimmung in herzlichere, noch fröhlichere Laune verſetzte. Er eilte mit gefülltem Glaſe auf die Tribüne und ſprach: „Bei einem Feſte, wie das heutige, werden gewöhnlich nur politiſche Toaſte ausgebracht. — Doch wird mir die Ver— ſammlung, da allgemeiner Frohſinn herrſcht, noch einen Trink— ſpruch erlauben. Er gilt den Frauen, deren heute ſo viele unſer Feſt beſuchten und die Tafel zieren. Den Frauen! von denen Schiller ſagte: ſie flechten Roſen ins irdiſche Leben. Den braven Frauen, welche die Würze des häuslichen Glückes ſind, die aber auch, wie ſo manches Beiſpiel uns zeigt, zu den größten Opfern, ſelbſt eigene Gefahr nicht ſcheuend, ſich entſchließen, wenn ſchweres, ſelbſt verſchuldetes Unglück den Gatten trifft oder Gewalt ihn einkerkert. Den Frauen gilt mein Trinkſpruch, weil ſich ihr Herz dem ſchönen Gefühle für das Unglück gerne öffnet, weil ſie dem Unſchuldig-Ver— folgten oder dem nur Verirrten bereitwillig ſteuern, weil ich bei ihnen — ich ſag' es offen — in ſolchen Fällen ſtets der ſchönſten Theilnahme begegnete. Den Frauen bringe ich ein Hoch, weil ſie nicht ſelten mit der Glut des Weibes die Liebe zum Vaterlande und zur Freiheit zu erfaſſen vermögen, 5 und dann mit ſiegender Gewalt, zum allgemeinen Beſten wobl— thätig wirken auf ihre nächſten Umgebungen. Sie, verehrte Herren! werden — die gegenwärtigen Damen verwehren es nicht — gewiß gerne einftimmen in den Ruf: Die Frauen leben hoch!!! Nachdem ſo unter Ernſt und Scherz, Geſang und Muſik, begleitet von dem Donner der Geſchütze, der ſchöne Tag ſich zu Ende neigte, ordnete ſich wieder der Zug zur Abfahrt, wie er gekommen. Bei Badwirth Kimmig in Petersthal wurde einen Augenblick Halt gemacht, und von dem Sänger— chor einige Lieder vorgetragen. Inzwiſchen hatten ſich hier die Bürgergarden wieder aufgeſtellt und defilirten an dem Zuge vorbei. Es trennten ſich nun die zahlreich gekommenen Verfaſſungsfreunde aus Schappach und dem Kinzigthale, von den aus dem Renchthal, der ganzen Umgegend und aus allen übrigen Landestheilen herbeigeeilten deutſchen Brüdern. Auf— fallend war es, daß ſich nicht mehr Würtemberger hier ein— fanden, um das Feſt mitzufeiern, während doch viele Franzoſen anweſend waren. Das Feſt ſollte jedoch an dieſem Tage, den es ſo lebhaft und fröhlich begonnen, nicht ſtill und einförmig enden. In Oberkirch, wo etwa vierzig Bürger durch Geſchäfte und andere Umſtände verhindert worden, den Zug nach Griesbach mit— zumachen, hatten ſich dieſe Mittags verſammelt; Einer aus ihrer Mitte verlas und erläuterte die Verfaſſungsurkunde. Sie beſchloſſen ſofort einſtimmig, den Feſtzug zu überraſchen mit Fackeln und ihn feierlich zu empfangen; eine halbe Stunde zogen ſie nun entgegen und geleiteten die Wagen auf beiden Seiten. Aus freiem Antriebe waren die meiſten Häuſer wieder illuminirt, wie am Vorabend. Herrlich nahm ſich der in Mitte der Stadt ſtehende, als Tempel geſchmückte Brunnen mit ſeiner Beleuchtung aus. Als der Zug bei der Poſt angelangt war, wandte ſich die übrige Bürgerſchaft, der ſich jene der umliegenden und fernen Orte angeſchloſſen, wieder zurück an die Wohnung des hochverehrten v. Itzſtein, und brachten ihm eine herrliche Serenade und laute wiederholte — 289 — Hoch! Die Oberkircher Schuljugend trug mit großer Präci— fon und mit Begleitung türkiſcher Muſik mehrere beliebte patriotiſche Stücke vor. v. Itzſtein dankte abermals in kur— zer Rede, und erſt in ſpäter Nacht endete der Jubel des Tages. Es iſt ein erfreuliches Zeichen der Zeit, daß der Bürger durch ſeine rege Theilnahme an dem öffentlichen Feſte eine gute liberale Geſinnung beurkundete. Dieſes Zeichen wird um ſo bedeutſamer, da es alle Stände, jedes Alter und Geſchlecht erfaßt, um ſo wirkſamer aber, da jeder von der Heiligkeit der Sache und des Feſtes völlig durchdrungen iſt, was gewiß die würdige Haltung der mehrere Tauſende ſtarken Verſammlung am beſten beweiſt, indem auch nicht eine ſtörende Handlung, ein Erxceß oder eine Unart begangen wurde und auch nicht Ein Beamter geſehen werden konnte!, während doch die Begeiſterung und Freude Jeden ergriffen und hoch beſeelt hatte. Mit einem Worte es war ein ächtes, reines Volksfeſt. Möge der Saame des Guten, den das Feſt bezwecken ſollte, gute Früchte tragen, und Fürſt und Volk wird in ſchönem Verein den Tag ſegnen, der einen Keim zum Frieden und gemeinſamen Gedeihen des deutſchen Vaterlandes legte und belebte, und mögen die Feinde des Bürgerthums erſehen, daß ein Volk auch in Maſſe verſammelt, Geſetz und Ordnung liebt und jede Exceſſe verabſcheut. Am Morgen verließ uns der theure und theurer gewordene Volksfreund v. Itzſtein?“) ) Nach dem erſten Toaſte von Itzſteins wurden ihm auf einem mit Bleiſtift geſchriebenen Blattchen folgende Verſe zugeſtellt: z Der Pathe. Das Kind, vor 25 Jahr'n geboren, Langſt hätten's Feindeshände umgebracht, Hatt' ihm der Himmel Pathen nicht erkoren, Die kühn, wie Du, ob feinem Loos gewacht. In dem Augenblicke ſeiner Abreiſe von Oberkirch übergab man ihm einen von Griesbach gekommenen Brief, welcher ohne Unterſchrift noch folgendes Gedicht enthalt: und die übrigen Abgeordneten, nachdem ibm die Oberkircher Bürgerſchaft noch einmal einen Beſuch gemacht und ihm ein berzliches Lebewobl zugerufen, und den beißen Wunſch ausge— ſprochen hatte, ihn bald einmal wieder in ihrer Mitte zu feben. Der Sanger grüßt den Freien, den Keiner überwand, Der Sanger grüßt den Streiter fur Recht und Vaterland. Sie nennen Dich zu trotzig — und fahnenflüchtig mich, Wir aber wiſſen's beſſer — und lächeln — Du und ich. Dort raſen die Zerſtörer, wie brandend Meer am Strand, Da beugen eitle Sklaven das Knie ſich wund im Sand. Es zieht die Bahn der Ehre — g'radhin durch Beider Mitt', Wir wandeln ſie ohn' Wanken mit feſtem Mannertritt. Ich ſah Dich einſt im Kampfe — ein Held im Silberhaar, Dein Bild iſt mir geblieben durch manch entflohen Jahr, Wie Alpenſchnee Dein Scheitel — wie Lenzgluth Wort und Blick, So trug ich's in die Ferne — ſo bring ich's jetzt zurück Und frage, wo Du weileſt, man deutet nach dem Thal, Woraus herfürgegangen ein warmer Sonnenſtrahl. Wo einſt Carl Friedrichs Enkel das Wort des Segens ſchrieb, Das ſelbſt in Winterſtürmen noch edle Früchte trieb. Dort ſtehff Du — hochbekraͤnzend mit einem Arm fein Bild Und mit dem andern tragend den ehr'nen Kampferſchild. Was könnt' es Schönres geben in Wahrheit und Gedicht, Als wenn ein Held der Freien dem Fuürſten Kranze flicht! Noch grünen jene Tannen — von Abendgold umfaumt, In deren Schattenkühle — Carl! einft fo ſüß geträumt. Wo laut fein Herz geſprochen — „Sei glücklich Heimathland! Und Deiner Freiheit Roſen ſchling mir zum Kronenband!“ Die Roſen ſind gewunden — es rauſcht der Feſteshain, O dürft ich müder Waller des Tages Zeuge ſein! Was könnt es Schönres geben — in Wahrheit und Gedicht, Als wenn ein Held der Freien — dem Fürſten Kränze flicht. Das zieht ſo zaubermächtig zum grünen Thal mich hin, Das drangt zum Lied — obgleich ich Badenias Sohn nicht bin Der Doppeladler horſtet, wo meine Wiege ſtand, Doch eine Gluth, ein Sehnen — ein Glück — ein Vaterland! Vierte Abtheilung. Verfaſſungsfeier im Oberrheinkreis I. Agi burg. Hier hatte ſich ein Ausſchuß von Bürgern gebildet, um Anſtalten zur Feier zu treffen, da der Gemeinderath kein Zei— chen gab, daß er an der Sache einen Antheil nehmen wolle. Erſt als man vernahm, daß ſogar in Karlsruhe das Ver— faſſungsfeſt gefeiert werde, glaubte auch der Gemeinderath der guten Stadt Freiburg etwas thun zu müſſen, zumal da er von dem Comité veranlaßt wurde, vereint mit ihm die Feier zu veranſtalten. Der Gemeinderath aber überging nun das Comité ganz und hielt ſeine Anordnungen ſo, daß dem Feſte von vorn herein Leben und Geiſt entzogen war. Eine öffentliche Rede fand nicht ſtatt, und darum berichteten die Zeitungen, daß in Freiburg ein ſtummes Feſt gefeiert werde. Erwähnenswerth war um 6 Uhr Morgens vom Münſter herab der Feſtgruß der Poſaunen, mit denen ſich ein mächtiger Chor von Männerſtimmen verband. Um 9 Uhr begab ſich der Zug in das Münſter, wo ein Hochamt abgehalten wurde. Das Bürgermilitär bildete Spalier. Keine Staatsſtelle war als ſolche bei dem Zuge und in der Kirche; die Univerſität wollte es thun, durfte aber nicht; ſie ſoll bei dem Curatorium auf Hinderniſſe geſtoßen ſein. Die Theilnahme des Adels ward ebenfalls vermißt, dagegen erfreute allgemein die An— weſenheit des geſammten Offiziercorps. Bei dem Gaſtmahle auf dem ſtädtiſchen Kaufhausſaale, wo der Gemeinderath und die mit ihm gleich Geſinnten die Feier begingen, hielt der Redacteur der Freiburger Zeitung, Dr. Woerl, die Anrede, welche zu gleicher Zeit als Artikel in ſeinem Blatte zu leſen war. Den erſten Toaſt brachte 16 * — 244 Bürgermeiſter Wagner auf Großherzog Karl, den zweiten, Gemeinderath Hägelin auf Großherzog Leopold. Die Stimmung der Bürgerſchaft als ſolcher zeigte ſich am deutlichſten bei dem Feſtmahle im Bürgermuſeum, wo ſich gegen 200 Gäfte, darunter auch Akademiker und auswärtige Freunde, eingefunden hatten und mit tiefem Gefühle, mit wahrer Begeiſterung die Feier begingen. In dem Saale ſah man die geſchmückten Bildniſſe des Großherzogs Karl, als des Gründers und des Großherzogs Leopold, als des Wiederberſtellers der Verfaſſung, ſo wie das Bild des Staats— rathes Nebenius, der die Urkunde entworfen und nieder— geſchrieben. Auch das, der Geſellſchaft gehörende große Oel— gemälde von Karl von Rotteck war mit Blumen verziert. Die Verfaſſungsurkunde lag auf einem mit Eichenlaub ver— zierten kleinen Altare. Den erſten Trinkſpruch auf die Verfaſſung brachte Fabrikant Karl Metz; den zweiten, auf S. K. H. den Groß— berzog Leopold — Handelsmann Karl Montfort. Der dritte von Dr. Mußler, lautet, wie folgt: Die germaniſchen Völker haben (wie der edle Montes— quieu ſagt) in ihren Wäldern das Repräſentativ-Syſtem erfunden. Bei ihnen verſammelten ſich anfänglich alle freien Männer zur gemeinſamen Berathung öffentlicher Angelegen— beiten, und erſt, nachdem dieſes unmöglich geworden, geſchah die Berathung durch Repräſentanten. Dieſe Einrichtung dauerte Jahrhunderte unverändert und iſt, ſo ſehr ſie auch durch die leider in ganz Europa verbreiteten Grundſätze des päpftlichen und römiſchen Rechts, welche der abſoluten Staatsgewalt überall das Wort reden, erſchüttert wurde, doch niemals, weder in der halbtauſendjährigen Nacht des Mittelalters, noch in den Stürmen der Folgezeit ganz untergegangen. Wenn auch in Deutſchland der Göttin der Freiheit nicht zu allen Zeiten Altäre erbaut wurden, ſo wurde doch auch die Nation nie ſo förmlich annullirt, wie in andern Ländern, z. B. in Frank— reich, wo der XIV. Ludwig ein ſtaatsrechtliches Buch zur Belehrung ſeines Nachfolgers ſchrieb, in welchem er den — 245 — 6ſchamloſen] Grundſatz aufſtellte: „das Volk iſt nichts für ſich, es iſt ganz in der Perſon des Königs aufgelöſt.“ Die neueſte Zeit hat, wie überhaupt, ſo auch in rechtlicher und politiſcher Hinſicht, Vieles umgeſtaltet, Manches verſchlim— mert, mehr noch verbeſſert. Es ſind nun mehr denn 50 Jahre, daß die europäiſche Menſchheit aus ihrem Fieberſchlummer erwachte und ſich, als ſie aufſtehen wollte, an Händen und Füßen gefeſſelt fand. Seitdem kämpfen die Völker mit ihren Unterdrückern. Nach theilweiſer Beendigung dieſes Kampfes — ganz wird er noch lange nicht ausgekämpft ſein — und nach Ueber— wältigung des großen Mannes, für deſſen Kriegsruhm Europa zu klein war, gelangten die Grundſätze des Rechts und der Freiheit allmälig wieder zur Herrſchaft. Die verſammelten Fürſten Deutſchlands — zuſammenrechnend all' das edle Blut, das vergoſſen worden, all' den ſchönen Heldenmuth, all' den Geiſt, alle die Menſchenkraft, die verbraucht worden, alle Schätze und Reichthümer, die verſchlungen worden, gelobten ihren Völkern im Angeſichte der ganzen Welt, einen vernünf— tigen und freiheitlichen Zuſtand zu begründen und feſtzuſtellen für alle Zeiten. Der hochherzige Großherzog Karl hat die Erfüllung ſeines Gelübdes nicht lange vertagt; heute iſt es ein Vierteljahrhundert, daß er, krank darniederliegend, in einem der ſchönſten Theile unſeres Vaterlandes eine Verfaſſung unterzeichnete, die an liberalen Grundſätzen alle übrigen in Deutſchland weit übertrifft, und das iſt, was ſie ſein ſoll, die unmittelbare Gewährleiſterin aller Rechte und Freiheiten, ein Bollwerk gegen Despotie und Willkühr. Am inhaltſchwerſten iſt der II. Titel derſelben, handelnd von den ſtaatsbürgerlichen und politiſchen Rechten der Badener. In dieſem ſind zuge— ſichert: Freiheit der Perſon, Unverletzlichkeit des Eigenthums, Gleichheit der Geſetze und vor dem Geſetz, gleicher Anſpruch zu allen Graden der Staatsämter, gleiche Berufung zur Pflicht und Ehre der Waffen, ungeſtörte Gewiſſensfreiheit, Freiheit der Preſſe, Unabhängigkeit der Gerichte, Aufhebung der Vermögens— Confiscationen, und noch eine Reihe anderer ſehr koſtbarer Rechte. „ Der Umſtand, daß heute noch nicht alle Beſtimmungen der Verfaſſung zur Wahrheit geworden ſind, kann ihr von ihrem hohen Werthe nichts entziehen, wohl aber für jeden Freund derſelben ein Stachel ſein, nach Kräften dahin mitzu— wirken, daß die Herrſchaft aller zugeſicherten Rechte und Frei— heiten nicht länger vertagt bleibe. In unſerer Verfaſſung beſtehen drei Elemente: das monar— chiſche, das ariſtokratiſche und das demokratiſche nebeneinander; in dem natürlichen Kampfe derſelben hat — es iſt dieß nicht anders möglich — bald dieſes, bald jenes die Oberhand, und es wird noch einige Zeit hingehen, bis dieſer Kampf zu Ende und das Gleichgewicht der drei Elemente hergeſtellt iſt. Verzagen wir aber darum nicht, ſuchen wir vielmehr das, was wir ſchon haben, als Männer zu behaupten, und was uns noch gebührt, auf geſetzlichem Wege zu erringen, zu erkämpfen. Der Kampf iſt ehrenvoll und führt ſicher zum Ziel. So wie der Kampf mit dem Böſen ſchon ein großer Schritt zur Tugend iſt, ſo iſt auch der Kampf mit dem Unrechten und Despotiſchen ſchon ein großer Schritt zum Heiligthum des Rechts und der Freiheit. Viktor Hugo ſagt in der gerichtlichen Vertheidigung ſeines „le roi s'amuse“: es gab in unſerem Jahrhundert nur einen großen Mann, Napoleon, und eine große Sache, die Freiheit. Wir haben den großen Mann nicht mehr, ſuchen wir wenigſtens die große Sache zu behalten. Folgen wir der Aufforderung des edlen Dichters und entſchließen wir uns auf's Neue, auf der Bahn der Ver— faſſung, die nach der Abſicht ihres erlauchten Gebers kein todter Buchſtabe ſein ſoll, voranzuſchreiten, bis das Ziel: Verwirklichung aller zugeſicherten Rechte und Freiheiten — erreicht iſt. Dem Feſthalten an der großen Sache und dem Kampfe für die große Sache, für die Sache der verfaſſungsmäßigen Freiheit, ein Hoch! Hierauf brachte Dr. Herrmann v. Rotteck folgenden Toaſt: — Ar Säulen werden zertrümmert, Palläſte ſtürzen ein, Städte verzehrt die Flamme, Menſchen ſterben, Geſchlechter welken ab, Nationen verſchwinden vom Schauplatz — aber die Menſchheit bleibt, unaufhaltſam in ihrer Entwicklung vor— anſchreitend. Und Das bleibt, was für die Menſchheit geſchah, und dieſe als theures Beſitzthum bewahrt, und Diejenigen bleiben, welche für die Menſchheit lebten. Die bleibende Erin— nerung an ſie gleicht dem Polarſtern, der den Untergang nicht kennt. Unſterblich wie die Idee iſt der Name Deſſen, der für die Idee lebte. Gewaltige Männer, Feldherrn und Könige ſind über den Schauplatz geſchritten, die Geſchichte nennt rühmend ihre Namen, die Menſchen aber tragen ſie nicht in ihre Herzen ein, weil nur das Ich der Gott war, dem ſie gedienet. Jene aber ſtehen in unvergänglicher Glorie, deren Herz für die große Sache der Menſchheit geſchlagen. So jener römiſche Titus, der den Tag für einen verlornen achtete, an dem er nichts Gutes gethan; ſo jener große Alfred, der ſterbend das ſchöne Wort ſprach: „Die Eng— länder ſollen ſo frei ſein, wie ihre Gedanken“; ſo jener kaiſerliche Max II., der das Beiſpiel edler Duldung auf— ſtellte; ſo Marien Thereſiens Sohn, der weife Joſeph, der auf dem Sterbelager der körperlichen Leiden vergaß über dem Seelenſchmerz, den er darüber empfand, daß ſo viele ſeiner edlen Beſtrebungen für Aufklärung und Menſchenwohl als fruchtlos ſich erwieſen; ſo endlich Badens großer Fürſt Karl Friedrich, der die Bande der Knechtſchaft löste, und die Wahrheit erkannte, „daß das Glück des Regenten von der Wohlfahrt des Landes unzertrennlich ſei.“ Nicht unwerth in der Reihe dieſer Männer genannt zu werden, iſt der Großherzog Karl, Karl Friedrichs Enkel. Denn Er hat das große Werk vollbracht, deſſen Vollziehung ihm der glorreiche Ahn als Vermächtniß binterlaffen. — Der heutige Tag iſt dem Andenken Karls geweiht; allerwärts im Lande wird ſein Name geprieſen und mit Liebe fein mannlich ſchönes Bild betrachtet, das dankbare Hände mit Blumen umwunden. Und wohl mit Recht! — Er hat erkannt, daß eine Macht 3 ohne Schranke auch ohne Stütze, und daß die Gerechtigkeit der erſte Souverän des Weltalls iſt. Darum hat er ein Geſetz aufgeſtellt, welches fortan über ihm und ſeinem Volke ſtehen, ſeine und des Volkes Rechte und Pflichten bezeichnen ſollte. Durch den Inhalt des Geſetzes, das er gegeben, hat er dem ewigen, vernünftigen Rechte gehuldigt; eine Huldi— gung, dem Rechte dargebracht aber iſt ein Freun— desgruß an die Menſchheit. Wir wiſſen zwar wohl, Großherzog Karl war zu Dem, was er that, hingedrängt durch den Geiſt der Zeit, der wie ein Sturm über die alten, verroſteten Meinungen bezüglich auf das Verhältniß zwiſchen Fürſt und Volk dahingeſchritten, und er war dazu verpflichtet durch den Inhalt der Bun— desakte. Aber den Geiſt der Zeit erkennen, iſt weiſe; ſeine Verpflichtung erfüllen, männlich. — Auch andere deutſche Fürſten hatten die Verpflichtung der Bundesakte, ſie erfüllten fie aber erſt dann, als die ernſten Mahnworte der Julitage vom Rhein herüberſchollen; andere haben ſie bis heute nicht erfüllt. Engel in feinem „Fürſtenſpiegel“ erzählt: Ein gewiſſer Schriftſteller, welcher Ferdinand den katholiſchen loben wollte, ſagte von ihm mit großer Naivität, er ſei in der That ein ſehr preiswürdiger Monarch geweſen, nur mit dem einzigen kleinen Fehler, daß er nicht Wort gehalten. Großherzog Karl hat ſeine Verpflichtung erfüllt; er that es ſchnell, freiwillig und in liberalem Geiſte. Dafür wurde ihm denn auch die Liebe des Volkes — in der Volksliebe allein liegt die Größe der Fürſten, — und gerne haben die Badener Das, was Erfüllung der Rechtspflicht war, einen Ausfluß fürſtlicher Gnade genannt. Mit Dankbarkeit und Liebe erinnern wir uns heute des edlen Karl; ſinnend weilt unſer Blick auf Dem, was ſeit dem Beſtehen unſerer Verfaſſung im Vaterlande geſchehen — blicken wir auch in die Zukunft. Laßt uns gute Entſchlüſſe faſſen! Möge dieſer Tag nicht ohne Gewinn für die große gute Sache dahin gehen! Arbeiten wir dahin, daß die Form, die Karl gezeichnet, auch beſeelt werde; daß Das, 249 — was er gedacht, auch Fraftgeftaltig in's Leben trete! Streben wir dahin, die öffentliche Meinung immer mehr für die Freiheit zu gewinnen! Freiheit, dieß Wort lehre die Mutter ihr Kind ſtammeln; Freiheit, dieſen Namen ſoll der Knabe heilig halten; für Freiheit begeiſtere ſich der Jüngling an den Heldenbildern aus Hellas und Rom, aus Germaniens Wäldern und dem Vaterlande Washingtons! Freiheit ſei das Idol des Mannes und Freiheit der letzte Ruf des ſterbenden Greiſes! Ich ſchließe mit den Worten des großen Freiheitsſüngers J. Paul: „Heil den erſten Fürſten der Landſtände! Sie haben mehr erobert für die Zukunft als andere für die Gegenwart, ſie können nie untergehen, denn ſie erblühen ewig in ihren Ländern. Jetzt ſtehen ſie groß und gerecht vor ihren Unterthanen da, künftig vor den Fürſten ſelber!“ Das Andenken an den Großherzog Karl ſei uns heilig! Ihm ein Hoch! Unter den weiteren Trinkſprüchen theilen wir noch fol— genden mit, ausgebracht von Obergerichtsadvokat Dr. von Weiſſeneck: [Verehrte Freunde! Ich möchte Euch ungeachtet des Jubel— rufs und Kanonendonners, der heute hier und anderwärts im Lande erſchallt, mahnend an das Höchſte, was des Deut— ſchen Bruſt erfüllen ſoll, vor Allem die Worte eines feurigen Sängers für Freiheit und Vaterland zurufen, die Worte: „Was ſoll der Becher, Ihr freudigen Zecher, Was ſoll die funkelnde Flaſche In Eurer Hand? Es trauert in Sack und Aſche Das deutſche Vaterland.“ Doch ich will damit Euren heutigen Frohſinn nicht ſtören — ich will, ſo viel es mir möglich iſt, wenigſtens für heute, meinen Blick abwenden von dem trüben Himmel, der über meinem lieben deutſchen Vaterlande ſchwebt, denn auch ihm wird — muß ſein Morgen kommen, und dann, wenn wir — 250 — noch, wie heute, uns die deutſche Männerhand im frohen Kreiſe reichen, will ich Euch mit jenem Nachtwächter aus voller Bruſt zurufen: „Höret was ich Euch will jagen: Die Glocke hat fünf geſchlagen! Die Morgenſtund hat Gold im Mund, Wie Dunſt zerrinnt der mächt'ge Bund, Und lieblich blickt der Sonnenſchein Ins liebe Vaterland herein. Ja, ſchließt nur alle Läden dicht: Ihr wehrt umſonſt dem Himmelslicht! Denn bricht die nächſte Stunde an, Was gilt's? ſo ſind ſie aufgethan.“ Für heute ſei mein Herz — ſei mein Gedanke meinem nächſten Vaterlande, Baden, zugewendet. Auch ich, meine Freunde, bin tief durchdrungen von der hohen Bedeutung des Feſtes, welches wir heute hier, und, wie billig und recht, im ganzen Lande feiern. Ich habe von dem Augenblicke an, wo unſer edler Fürſt, Großherzog Kart, ſeinem Volke die Verfaſſung gegeben, vielleicht ſo lebhaft, wie Einer meiner badiſchen Mitbürger den unſchätzbaren Werth dieſer Verfaſſung in allen ihren Beziehungen erfaßt. Nicht nur heute iſt daher meine Bruſt mit Dank erfüllt für dieſe koſtbare Gabe, wodurch Großherzog Karl ſein Volk vor ganz Europa für mündig erklärte, wodurch Großherzog Karl, indem er in 1 Weiſe ein heilig Verſprechen erfüllte, jenes Band der Liebe und des Vertrauens zwiſchen Fürſt und Volk geſchlungen hat, was vergeblich die Feinde beider zu zerreißen ſuchen werden. Es iſt ein ſchöner, beruhigender Gedanke für jeden Bad— ner, ſich ſagen zu können: ich wohne in einem Lande, wo meine höchſten Güter — wo die theuerſten Rechte des Men— ſchen — durch eine freiſinnige Verfaſſung geſchützt ſind; ich wohne in einem Lande, wo nur ein gleiches Geſetz für Alle gebietet; ich wohne in einem Lande, wo Jeder als Bürger einen Werth hat. — 21 — Darum bin auch ich heute erfreut, beſonders wenn ich einen Rückblick auf die abgelaufenen 25 Jahre werfe und ſehe, wie viele koſtbare Rechte durch die Verfaſſung dem Volke ſchon errungen wurden — wenn ich bei dieſem Rückblick die Ueberzeugung gewinne, daß unſere Conſtitution bereits zu einem ſolchen kräftigen Stamme herangewachſen iſt, daß kein Sturm ihn mehr zu entwurzeln vermag. Ich theile daher allerdings die Gefühle und Empfindungen, welche verehrte Freunde ſo eben vor mir, bezüglich auf den heutigen Tag und ſeine Veranlaſſung ausgeſprochen haben; allein dabei kann ich doch keinen Augenblick vergeſſen, daß wir noch weit bis dahin haben, wo unſere Verfaſſung in allen ihren Theilen eine Wahrheit geworden iſt — daß wir alſo auch noch weit bis dahin haben, wo unſere Freude über ihren Beſitz eine vollkommene ſein kann. Noch liegt die Preſſe in ſchweren Feſſeln — das freie Wort des freien Mannes muß noch immer verſtummen; noch mangelt ein Geſetz über die Verantwortlichkeit der Miniſter, noch entbehren wir Mündlichkeit und Oeffentlichkeit im Straf— verfahren; noch fehlt es an zureichenden Geſetzen, welche die perſönliche Sicherheit des Bürgers gegen jede Willkür einzel— ner Staatsgewalten ſchützen, und an das Palladium politiſcher und bürgerlicher Freiheit, an das Gericht der Geſchwornen dürfen wir kaum, als frommen Wunſch, im Traume denken. Darum, Ihr Freunde, iſt meine Freude — ich geſtehe es offen — noch keine vollkommene, und ſehr würde ſich der irren, welcher glauben könnte, daß heute ſchon in unſerm Ver— faſſungsleben ein Abſchnitt eingetreten ſei, welcher zum ruhen und genießen beſtimmt ſei — wahrlich nein! zum ruhen iſt noch keine Zeit. Mir erſcheint der heutige Tag nur als eine ernſte Mahnung — als eine feierliche Auffor— derung an jeden badiſchen Bürger, dem das Herz und der Kopf am rechten Flecke ſteht, und der etwas höheres in die— ſem kennt, als Eſſen und Trinken und Knechtsdienſte verrichten, mit neuer Kraft und ungeſchwächtem Muthe für und für darnach zu ringen, daß unſere Verfaſſung in allen — 22 — — ihren Theilen eine Wahrheit werde, denn nur dann werden wir beweiſen, daß wir der Verfaſſung werth ſind — nur dann werden wir beweiſen, daß wir in der That die Tiefe der Mündigkeit erreicht haben, welche uns der edle Großherzog Karl vor 25 Jahren zutraute. Unter dieſen Betrachtungen, Ihr Freunde, ſchlage auch ich Euch eine Geſundheit vor, ich ſchlage Euch vor zu trinken „auf das Wohl aller jener badiſchen Bürger, welche ſich am heutigen Tage aufs neue im Herzen verpflichten, nicht zu raſten und nicht zu ruhen, bis unſere Ver— faſſung in allen ihren Theilen eine Wahrheit geworden iſt — allen dieſen Männern — unter ihnen voran den braven Ein und dreißig — ſo wie dem edlen Bunde, der dieſe Männer in aufrichtiger Liebe zum Vaterlande vereint, ſei dieſes Glas gebracht — ſie leben dreimal hoch! Dieſem, mit ſtürmiſchem Beifalle aufgenommenen Toaſte folgten noch andere: auf die verwittwete Frau Großherzogin Stephanie (von Karl Montfort), auf Staatsrath Nebe— nius (von Advokat Ruef), auf das Andenken Karl von Rotteck's (von Advokat Buch und Hofapotheker Schmidt), auf den Abgeordneten Welcker (von Karl von Rotteck) u. ſ. w. — Die Grabhügel Rotteck's und Aſchbach's waren Abends zuvor von befreundeter Hand mit Blumen geſchmack— voll verziert worden, und eine große Anzahl der Theilnehmer am Feſte begab ſich vor dem Mahle auf den Kirchhof. Jeder bei dieſem Feſtmahle Anweſende mußte die Ueber— zeugung gewinnen, daß die Verſammelten die Wichtigkeit und Bedeutung des Tages begriffen haben, daß derſelbe nicht obne bleibenden Eindruck, beſonders bei dem jüngeren Theile der Bürgerſchaft vorüber gegangen iſt. Abends war Ball; ein gut gelungenes Feuerwerk ſchloß die bobe Feier. . II. Ettenheim (Kappel). Nach den Anordnungen des Comité, welches aus Bür— gern der verſchiedenen Ortſchaften zuſammengeſetzt war, fand das Feſt des Bezirkes in Kappel am Rhein auf einem freien, ſchön gelegenen Platze ſtatt. Glockengeläute, Böllerſchüſſe, Muſik und Freudenfeuer verkündeten am Vorabende in allen Orten die nahende Feier. Ebenſo ward der Anbruch des Tages begrüßt. Die Züge verſammelten ſich Morgens acht Uhr in Grafenhauſen, wo die Häuſer verziert, am Eingange Ehrenpforten angebracht waren; um neun Uhr bewegte ſich der Geſammtzug, voran die zu einem großen Ganzen ver— einigten Muſikchöre (116 Mann ſtark), nach dem eine Viertel— ſtunde entfernten Kappel. Dort war Gottesdienſt, wobei der Geſangverein unter der Leitung des Hrn. Merklin von Ettenheim, religiöſe Lieder vortrug; hierauf begab ſich der Zug nach dem Feſtplatze, wo der Zug durch Hrn. Advokat Stehlin bewillkommt, ein eigens dazu verfaßtes Lied geſun— gen und 2000 Exemplare der Verfaſſungsurkunde, welche Hr. Gutsbeſitzer Metzger auf ſeine Koſten hatte drucken laſſen, vertheilt wurden. Die Feſtrede des Abgeordneten Zittel theilen wir in vollſtändigem Auszuge mit: Nachdem der Redner die in einem weiten Kreiſe ſtehenden Feſt— gäſte auf eine herzliche Weiſe begrüßt hatte, ging er auf die Bedeu— tung des Feſtes über. Er betrachtete die 25 Jahre, ſeit der Unter— zeichnung der Verfaſſungsurkunde in Griesbach, als die Kinder- und Jugendjahre der Verfaſſung, zeigte wie ſie genährt worden ſei durch die Muttermilch der öffentlichen Meinung, bald reichlich, bald ſpärlich, wie mancherlei Kinderkrankheiten fie durchgemacht habe, wie fie Be. geſchulmeiſtert worden ſei, wie ſie oft ſehr ſchlimmes Wetter ausge— ſtanden, und wie ihr das Alles Nichts gethan habe. Man könne aber das Feſt auch die ſilberne Hochzeit des badischen Volkes mi der Verfaſſung nennen. Wie es nun oft im Anfang mit einer Ehe gehe, ſo ſei auch hier nicht immer Alles zur größten Zufriedenheit geweſen. Das Volk habe ſich zuweilen über die Verfaſſung beklagt, daß ſie ihm nicht Alles das gebracht habe, was es von ihr erwartete, und die Verfaſſung dagegen habe ſich oft nicht mit Unrecht über große Kälte und Gleichgültigkeit des Volkes beklagt; doch ſei das nun beſſer geworden, ſeitdem ſie einander mehr gewöhnt ſeien. Der Redner ging hierauf auf die Entſtehungsgeſchichte der badiſchen Verfaſſung über, wie das deutſche Volk vor 30 Jahren zum Frei— heitskampfe gegen die fremde Herrſchaft erwacht und in welcher Schmach das Vaterland damals geweſen ſei, welchen Antheil Baden daran genommen habe, und wie alsdann, nachdem die Freiheit nach außen errungen war, das deutſche Volk auch nach innen eine Sicher— ſtellung ſeiner bürgerlichen Rechte verlangte; wie hierauf die Fürſten ihm laͤndſtändiſche Verfaſſungen verſprachen, und der Großherzog von Baden zwar nicht die erſte, aber die freiſinnigſte gegeben habe. Der Redner bemerkte, daß man ſage, ſie ſei von dem Fürſten geſchenkt worden, könne Niemand gegen die Rechte des Volkes anführen. Sie ſei eine Frucht der Zeit, fo gut, wie man ein Kind, wenn es erwachſen iſt, nicht mehr an der Hand führe, ſondern allein gehen laſſe. Aber es müſſe darum nicht weniger mit Dank aner— kannt werden, wenn ein Fürſt mit weiſer Berückſichtigung der Ver— hältniſſe den gerechten und unabweisbaren Forderungen der Zeit zuvorkomme. Der Redner wandte ſich nun zu der Frage, was denn eigentlich an der Verfaſſung ſei, daß man jetzt ein ſo großes Weſen daraus mache? Man ſage, man könne vernünftiger Weiſe doch nicht mehr wollen, als eine gute Regierung. Habe man eine ſolche, was wolle man denn weiter? da ſei ja eine Verfaſſung überflüſſig; und ſei die Regierung ſchlecht, fo gehe es eben ſchlecht, trotz der Verfaſſung. Dagegen wurde ausgeführt, daß bei einer guten Verfaſſung eine Regierung gar nicht ſchlecht werden könne, wenn nicht zuvor das Volk ſelber ſchlecht ſei. Freilich wenn dieſes ſelbſt ſchlecht ſei, und ſchlechte Vertreter ſchicke, dann gehe es doppelt ſchlecht im Lande Wenn aber das Volk tüchtig ſei, und tüchtig vertreten werde, ſo könne die Regierung nie eigentlich ſchlecht werden. Warum dies nicht der Fall ſein könne, wurde nun aus dem Weſen einer ſtändi— ſchen Verfaſſung nachgewieſen. Immer, auch unter den verzweifeltſten Verhältniſſen, würden ſich da Männer finden, welche ihrem Berufe und ihrem Eide getreu mit feſtem Muthe einer faͤlſchen Richtung der Regierung entgegentreten, und dadurch eine ſolche auf die Lange unmöglich machen. Eine gute Regierung finde dagegen in der Ver— faſſung immer ihre kräftigſte Stütze. Durch fie allein könne fie das wahre Vertrauen des Volkes, gegründet auf eine klare Einſicht in die Grundſätze und die ganze Handlungsweiſe der Regierung, gewin— nen, denn die Zeiten einer blinden Anhänglichkeit ſeien vorüber. Sie gehe viel ſicherer in Allem, was ſie thue; in der Auflage von Steuern, in der Einführung von Geſetzen u. ſ. w. Sie vernehme in Allem die Stimme des Volkes durch ſeine Vertreter, ſeine Anſichten und Meinungen, und dieſe Freiheit des lebendigen Wortes hält der Redner für noch wichtiger als ſelbſt die Preßfreiheit, wie ſehr er auch dieſe wünſche und fordere. Die Rede ſuchte nun die wohlthätigen Früchte der Verfaſſung für das badiſche Volk im Einzelnen nachzuweiſen. Zuerſt wurde bemerkt, daß vielleicht gerade das Wichtigſte, nämlich die Nachtheile, welche ſie verhindert habe, ſich nicht herzählen laſſen. Im Allgemeinen aber ſei die Meinung gewiß nicht ungegründet, daß ohne die conſtitu— tionellen Verfaſſungen in Deutſchland das ganze deutſche Vaterland um Vieles, vielleicht in den Zuſtand des vorigen Jahrhunderts zurück— verſetzt wäre. Aber der Strom der Reaktion breche ſich ſtets an dieſen Felſen der Volksfreiheit. Es ſeien aber außerdem dem badi— ſchen Volke auch wirkliche Früchte des Gemeinwohles aus der Ver— faſſung erwgachſen. Die wichtigſten derſelben macht der Redner namhaft, und wies ihre heilſame Einwirkung auf das Gemeinwohl nach. Man werde zwar dagegen einwenden, fuhr er fort, daß das Alles zugleich aus dem guten Willen des Landesfürſten und der Regierung hervorgegangen ſei, ja man könne auch mit Recht ſagen, daß es nur ein weiterer Fortbau des Gebäudes ſei, zu welchem ſchon Carl Friedrich den Grundſtein gelegt habe; allein es ſei doch unläugbar, daß den Anſtoß dazu vor Allem die Vecfaſſung gegeben habe. Höher als Alles aber ſchlägt der Redner die Erwek— kung und Pflanzung des Bürgerſinnes an, dieſer eigentlichen Grund— lage aller bürgerlichen Wohlfahrt. Wenn der Unterthan kein anderes Recht habe, als ſich regieren zu laſſen, wenn er ſeine bürgerliche Exiſtenz nicht als ein Recht, ſondern nur als eine Gnade anſehen müßte, dann könne er im allerbeſten Falle ein gewiſſes Vertrauen und eine Anhänglichkeit an einen wohlwollenden Fürſten haben, wie ein Knecht an einen gütigen Herrn; aber zu einem wirklichen Bürgerſinne, zu wahrhafter Vaterlandsliebe bringe er es nicht. Soll der Bürger Antheil nehmen an dem öffentlichen Wohle, ſoll ihn das Gedeihen des Vaterlandes wirklich intereſſiren, ſo müſſe ſein eigenes Recht und eigenes Wohl darin verflochten ſein, er müſſe ſein Recht auf irgend eine Weiſe geltend machen und auf den 255 — offentlichen Zuſtand nach ſeiner Ueberzeugung einwirken können, wäre es auch nur durch die Wahl von Männern, denen er vertraue, und welche ſeine Wünſche und Anſichten vertreten. Es wurde nun nach— gewieſen, wie dieſer Bürgerſinn in Baden ſich mehr und mehr gehoben und die früher ſo vielfach getheilte und einander faſt feind— lich gegenüberſtehende Bevölkerung des Landes brüderlich vereint habe. Insbeſondere wurde gezeigt, wie gerade in dieſer Gegend früher eine ſo vielfache Trennung der Bevölkerung Statt gefunden habe, wovon jetzt, wie gerade dieſes Feſt beweiſe, faſt keine Spur mehr vorhanden jet, weil eben für Alle ein Recht und eine Ord— nung ſei. Nach dieſer Ausführung über den wohlthätigen Einfluß, welchen bisher die Verfaſſung gehabt hat, anerkannte der Redner, wie vieles noch zu wünſchen übrig bleibe. Er erwartet um ſo mehr von der Verfaſſung, je mehr ſie erſtarke, je tiefere Wurzeln ſie im Volke ſelbſt ſchlage. Eine Verfaſſung habe nur dann einen Werth, wenn fie den Bürgern des Staates werth ſei. Man könne Niemand ein Recht ſchenken, wenn er es nicht mag, Niemand zum freien Mann machen, wenn er lieber ein Knecht ſein wolle, und ebenſo ſei es vergeblich, einem Volke eine freie Verfaſſung geben zu wollen, wenn es keinen Sinn dafür habe, wenn es ſie nicht zu ſchätzen wiſſe; es werde dann ſo gut ſein, als wenn es keine hätte, ja wohl ſchlimmer; denn es könne viel Uebel, vermittelſt einer Verfaſſung, geſchehen, wenn kein Ernſt dafür im Volke ſei. Wie aber könne für Jemand eine Sache einen Werth haben, ihm lieb und heilig ſein, wenn er ſie nicht kenne, keine Einſicht darein habe? Zwar das könne man nie erwarten, daß Jeder im Volke, vom Erſten bis zum Letzten, eine vollkommene Ein— ſicht in alle Staatsverhältniſſe, in die Geſetzgebung und Verwaltung haben ſolle; was der Bürger des Landes für ein Recht habe, und was er dem Fürſt und dem Vaterlande ſchuldig ſei, das ſolle Jeder wiſſen, und das müſſe ihm ſo heilig ſein, wie ſeine eigene Hausord— nung. Hier glaubte nun der Redner ſeine Ueberzeugung ausſprechen zu können, daß mit einer beſſern Einſicht nach und nach auch eine großere Liebe zur Verfaſſung unter dem Volke erwacht ſei. Er zog eine Parallele zwiſchen dem Eindrücke, welchen die Kammerauflöſung vor 20 Jahren und dem, welchen ſie im vorigen Jahre gemacht habe. Damals hätten ſich die Leute ſo wenig darum bekümmert, als wäre es in China vorgefallen; wie ganz anders ſei es das letztemal gewe— fen? Niemand könne mit Recht jagen, das ſei nur gemacht, geimpft geweſen, ſo wenig als dieſes Feſt. Dieſe lodernden Feuer von geſtern Abend habe man den Leuten nicht einreden konnen, wenn ſie nicht der Volksgeiſt ſelbſt geſchaffen hätte; dieſer Jubel vom heutigen — 257 — Tage — wer wolle ſagen, daß das weiter Nichts bedeute, als daß eben die Leute zuſammenlaufen, wo es einen Lärm oder ein Gaſt— mahl gebe? daß ſie immer noch kein Intereſſe für die Sache hätten? immer noch nicht wüßten, was ſie wollten? „Wir wiſſen allerdings, was wir wollen, das Recht wollen wir, des Volkes, wie des Fürſten Recht. Es gibt Leute, welche ſagen, wir wollen den Umſturz des Rechtes, der Ordnung, des öffentlichen Friedens. Wer will das? Ich will es nicht. Iſt Jemand unter Euch, unter dieſen Tauſenden, der den Umſturz will? (Tiefe Stille.) Nein, das Recht wollen wir, wir wollen es, weil es Recht iſt. Darin ſeid einig. Ein Volk iſt unüberwindlich ſtark, ſo lange es will, was recht iſt, und Nichts, als was recht iſt. Das iſt euer Sinn, meine Mitbürger. Das habe ich heute ſchon freudig empfunden beim Beginn des Feſtes. Der Zug iſt zuerſt in die Kirche gegangen; das iſt nicht ohne Be— deutung, nicht eine leere Ceremonie. Ein Volk iſt nur dann wahr: haft frei, wenn es in der Freiheit das Gebot, das der Schöpfer un— auslöſchlich in das Menſchenherz geſchrieben hat, nicht verläugnet. Wahre Wohlfahrt iſt nur dann in einem Volke, wenn ein heiliger Geiſt, der Geiſt der Wahrheit, der Sittlichkeit und des Rechtes in ihm wohnt. Wahre Stärke und ächten Muth beſitzt alsdann ein Volk, wenn es im Bewußtſein handelt, daß Gott mit ihm ſei. Be— wahret dieſen Sinn; er iſt die ſichere Bürgſchaft, daß das Werk des Großherzogs Karl unter uns gedeihen wird.“ Die Rede ſchloß mit einem Hoch auf das Andenken des Groß— herzogs Karl. Bei dem Mittagsmahle, woran ſiebenhundert Perſonen Theil nahmen, wechſelten Trinkſprüche, Inſtrumentenmuſik und kräftiger Männergeſang, und, wie begonnen, ſo ſchloß das Feſt, in ungetrübter Freudigkeit; gegen 10,000 Menſchen hatten ſich eingefunden, von den Staatsdienern nur ſehr wenige, obgleich Jeder beſonders eingeladen war. 1 III. Emmendingen. Auf den Antrag des Abgeordneten Helbing verſam— melten ſich Gemeinderath und Ausſchuß der Stadt, und ſtellten mit Bereitwilligkeit dem zugleich ernannten Feſt-Comits die zur würdigen Begehung des Feſtes nöthige Summe zur Verfügung. Das Feſt entfaltete ſich wie folgt: Ein großes Freudenfeuer auf dem Hügel hinter der Stadt verkündete am Vorabend des Feſtes weithin in das ſchöne Breisgau unſere Theilnahme an dem erſten Feſte der Ver— faſſung. Den Morgen des Feſttages begrüßte die ſtädtiſche Bürger— muſik und eine Salve von 25 Schüſſen. Frühe ſchon waren die Hauptſtraßen mit Fahnen und Kränzen feſtlich geſchmückt und alle Kaufläden waren den Tag über geſchloſſen. Um 6 Uhr wurde Brod, Fleiſch und Wein an die Armen und Unbemittelten der Stadt vertbeilt, und etwas ſpäter erhiel— ten die Kinder der Realſchule zur Erinnerung an den ſchönen Tag eine kleine Erfriſchung. Nach und nach füllte ſich die Stadt mit Menſchen. Beinahe aus allen Orten des Amtsbezirks ſtellten ſich die Geiſtlichen, Bürgermeiſter, Gemeinderäthe und die andern erſten Bürger zur Theilnahme an dem Feſte ein. Ganze Reihen von Wagen mit der Ortsfahne an der Spitze durchzogen die freundliche Stadt und von der hieſigen Bür— gerſchaft blieb ohne großes Hinderniß Keiner zurück. Um 10 Uhr verſammelten ſich die Theilnehmer auf dem Rathhaus, wo zwei Mitglieder des Comité die Verfaſſung — 259 — und die auf das Feſt eigens gedichteten Lieder an alle Anwe— ſenden vertheilten. Von da ging die Verſammlung in ſchön geordnetem Zug unter Muſikbegleitung und dem Geläute aller Glocken nach dem großen und ſchönen Platze vor dem deut— ſchen Schulhauſe, wo für die Feier ein hoher Obelisk errichtet worden war. Auf der einen Seite des ſchön verzierten Poſtaments waren in großer goldener Schrift die Worte zu leſen: „Heilig ſei uns die Verfaſſung, des Thrones wie des Volkes beſte Stütze.“ Die Seite gegenüber trug folgende Inſchrift: „Heilig ſei uns das Andenken an Karl, den Gründer freien Bürgerthums und an das ſegensreiche Jahr 1818.“ Auf den beiden anderen Seiten war auf der einen das wohlgetroffene Bildniß des Großherzogs Karl, und auf der andern die Verfaſſung zu ſehen. Der Zug bewegte ſich in folgender Ordnung: 1) zwei Zugführer und ein Fahnenträger. 2) die männliche und weibliche Schuljugend mit ihren Lehrern. 3) die Bürger— muſik mit einer Fahne. 4) der Sängerchor. 5) das Feſt— Comité. 6) fünfundzwanzig feſtlich geſchmückte Jungfrauen, wovon eine ein Prachtexemplar der Berfaffung trug. 7) der Gemeinderath und Bürgerausſchuß. 8) die großherzoglichen Beamten und die Bürger mit einer Fahne. 9) die auswär— tigen Theilnehmer. Vor dem Obelisk angekommen, beſtieg der Deputirte Helbing die zu demſelben führenden Stufen, und empfing aus den Händen der Jungfrau die Verfaſſung. Die Schul— jugend ſang nun das bekannte ſchöne Lied: „Eintracht und Liebe“ und darauf der Sängerchor ein Lied, gedichtet von dem Comité-Mitglied Herrn E. Held von hier. Hierauf hielt der Deputirte Helbing folgende Rede: Meine Herren und Freunde! Nachdem die Deutſchen durch unzählige Opfer an Gut und Blut ihre Befreiung von der napoleoniſchen Herrſchaft erkämpft hatten, und nachdem durch dieſe maßloſen Anſtren— gungen die Könige und Fürſten in Deutſchland wieder in den 17. — 260 — Beſitz ihrer verlornen Throne gekommen waren, faßten dieſe im Jahr 1815 am Kongreß zu Wien den Beſchluß, ihren Völkern diejenigen Freiheiten und Gewährleiſtungen zu geben, welche, von ihnen längſt gewünſcht, zu ihrem Wohl und ihrer Einheit dienen würden. Hierunter gehören: die Ertheilung von ſtändiſchen Verfaſſungen, die Preßfreiheit, der freie Verkehr im Innern von Deutſchland und noch andere mehr. Wenn auch das Gefühl des Dankes für eine ſo beiſpiel— loſe Hingebung des deutſchen Volkes zum Theil die Veran— laͤſſung zu jenem erhabenen Beſchluſſe geweſen fein mag, ſo lag ihm doch unſtreitig noch eine größere Idee zu Grunde: die Idee, durch freie Inſtitutionen die Liebe der Deutſchen zu ihrem Vaterlande zu ſteigern und zu erhalten, und durch Entfernung der Schranken, welche die Bruderſtämme von einander trennten, den Sinn für Nationalitat, jenes herrliche Gefühl der Würde, Kraft und Größe eines Volkes zu beleben; denn immer mehr lehrt die Geſchichte, daß nur da die Throne ganz ſicher ſtehen, wo das Volk von Liebe zu ſeinen Inſtitutionen durchdrungen iſt und wo ein kräftiger Nationalſinn es durchweht. Ein Volk, gebildet wie das deutſche, meine Freunde, wird aber alle diejenigen Inſtitu— tionen liebgewinnen, die ihm einen geordneten Rechtszuſtand ſichern, ſein materielles Wohl befördern, und ihm durch freie Bewegung in jeder Hinſicht geſtatten, alle zeitgemäßen Fort— ſchritte in ſich aufzunehmen. Wir, meine Freunde, ſind ſo glücklich, in unſerer Ver— faſſung eine ſolche Inſtitution zu beſitzen. Sie ward uns in Folge des erwähnten Bundesbeſchluſſes heute vor 25 Jahren, am 22. Auguſt 1818, durch den verſtorbenen Großherzog Karl gegeben. Der Redner las nun den zweiten und vierten Abſchnitt der Verfaſſung wörtlich vor, gab in kurzen Worten den Inhalt der übrigen Abſchnitte an und ſchloß wie folgt: „Unſere Verfaſſung garantirt uns demnach: Die Gleichheit aller Rechte und Laſten der Badener, die Verantwortlichkeit der Miniſter und Staatsdiener wegen — 261 — Uebertretung der Verfaſſung, die Unabhängigkeit der Gerichte, die freie Ausübung des Kultus, die Preßfreiheit unter den Be— dingungen des Bundes, die Volksvertretung durch Landſtände, das Recht der Steuerbewilligung, die Theilnahme an der Geſetzgebung, die Unveräußerlichkeit der Domänen, die Feſt— ſtellung der Civilliſte und noch mehr. Sie enthält alſo alle Elemente, welche nöthig ſind, um ein Volk frei und glücklich zu machen. Sie iſt der Boden, auf dem die goldenen Früchte eines freien Bürgerthums wachſen und gedeihen. Aber dazu müſſen wir auch feſt und treu an ihr halten. Stolz müſſen wir auf die Freiheiten ſein, die ſie uns gewährt, und mit Eiferſucht auf ihre genaue Befolgung ſehen. Mit Freuden müſſen wir das ſchönſte politiſche Recht des Bürgers, das der freien Wahl des Volks— vertreters ausüben, und es in nichts verkümmern laſſen, wenn die Verfaſſung im Leben zur vollen Wahrheit werden fol! Ja, wir müſſen um fo mehr an allen dieſen Rechten feſthalten, als uns noch die Freiheit der Preſſe fehlt, die in anderen conſtitutionellen Staaten die Verfaſſung beſchützen und das conſtitutionelle Leben fördern hilft. Wir können daher, meine Freunde, das ſchöne Feſt der Verfaſſung nicht beſſer begehen, als wenn wir uns geloben, treu und feſt an ihr zu halten! Wir wollen ſie ehren und lieben und ihre Beſtimmungen unſerem Gedächtniſſe einprägen, damit ein Jeder von ſeinem Standpunkte aus nach Kräften dazu beitragen kann, ihr die vollſte Geltung zu verſchaffen. Desgleichen wollen wir heute in Liebe und Ehrfurcht des edlen Großherzogs Karl gedenken, der uns dieſe Verfaſſung vor 25 Jahren gegeben hat. Sein Andenken pflanze ſich fort von Geſchlecht zu Geſchlecht! Und nun wollen wir uns ungeſtört der Freude überlaſſen, daß wir ein ſo koſtbares Gut beſitzen. Miſchen wir unſern Jubel mit dem des ganzen Landes! Die Verfaſſung lebe hoch!“ Die ganze Menge des Volkes ſtimmte freudig in dieſes Hoch ein. Die Verfaſſung wurde nun der Jungfrau zurück— gegeben, worauf der Männerchor ein zweites Lied, von dem Mitglied des Comité, Herrn Diakonus Eiſenlohr, gedichtet, ſang. Eine Salve von 25 Schüſſen verkündete den Schluß dieſes feierlichen Aktes. Der Zug bewegte ſich in derſelben Ordnung, wie er gekommen, unter Muſikbegleitung auf das Rathhaus zurück, wo die Verfaſſungsurkunde dem Bürger— meiſter übergeben wurde, der ſie zum Andenken an das ſchöne Feſt dem ſtädtiſchen Archive einverleibte und mit einigen Worten die Verſammlung zur Theilnahme an den . fol⸗ genden Feſtlichkeiten einlud. Auf dem Platze, wo der Obelisk errichtet worden war, wurde unter ſchön verzierter Hütte eine Tafel für 300 Per— ſonen aufgeſchlagen. Hier wurde das Mittageſſen einge— nommen. Unter traulichem Geſpräch, Muſif und Geſang verſtrich die Zeit nur allzuſchnell. Es war ein erhebender Anblick, bei dieſem Anlaß alle Stände in brüderlicher Eintracht vereint zu ſehen. Frohſinn und Heiterkeit war auf allen Geſichtern zu leſen, und von der tiefen Bedeutung des Feſtes durchdrungen, wünſchte man ſich gegenſeitig Glück zu dem in der großen Theilnahme ſich offenbarenden, verfaſſungsmäßigen Sinn unſeres Volkes und knüpfte hieran ſchöne Hoffnungen für die Zukunft. Den erſten Toaſt brachte das Mitglied des Comité, Herr Advokat Dr. Franz, auf den verſtorbenen Großherzog Karl und ſeinen Großvater Karl Friedrich in folgenden Wor— ten aus: „Wenn es dem heutigen Feſte entſpricht, ſich der Ver— faſſung zu freuen, ſo fordert vor Allem die Gerechtigkeit, daß wir uns auch des Schöpfers und Gebers dieſes unſchätzbaren Gutes dankbar erinnern. Den erſten Grund legte Deutſchlands Neſtor Karl Friedrich. Durch Aufhebung der Leibeigenſchaft machte er aus ſeinen Unterthanen freie Bürger und durch herrliche Schulen bereitete er die beſſere Zeit der Erkenntniß vor. Seinem Verdienſte ſetzte ſein würdiger Enkel und Nachfolger Karl die Krone auf, dadurch daß er unſere ſtaatsbürgerlichen Rechte garantirt hat in dem heiligen Worte der Verfaſſung; — 263 — und aus der Bruſt noch unſerer ſpäteſten Nachkommen wird der Jubelruf wiederhallen: Karl Friedrich und Karl, ſie leben hoch!“ Der zweite Toaſt galt Seiner Königlichen Hoheit dem Großherzog Leopold, und wurde vom Vorſtand des Comité, dem Abgeordneten Helbing, wie folgt ausgebracht: „Nach unſerer Verfaſſung vereinigt der jeweilige Groß— herzog die ganze Staatsgewalt in ſeiner Perſon. Er muß ſie jedoch nach den Beſtimmungen der Verfaſſung ausüben; auch ſichert ihm dieſe das Recht der Beſtätigung aller Geſetze zu. Wenn wir alſo auf verfaſſungsmäßigem Wege gute Geſetze erhalten, ſo dringt ſich uns zugleich der Gedanke auf, daß wir ohne den entſchiedenen Willen des Regenten ihrer nicht hätten theilhaftig werden können. Seit dem Beſtehen unſerer Verfaſſung ſind unſtreitig viele wichtige und fegenbringende Geſetze zu Stande gekommen. Die meiſten und bedeutendſten davon kommen aber auf die Regie— rung Sr. Königl. Hoheit des jetzt regierenden Großherzogs. Ich will nur wenige davon anführen: das Gemeindegeſetz, die Aufhebung der Frohnden, der Zehnten, und ganz beſonders die Wiederherſtellung der im Jahre 1825 abgeänderten Ver— faſſung. Es ſind dieſe Geſetze bleibende und beglückende Denkmale der Liebe, mit welcher Se. Königl. Hoheit der Großherzog ſein Volk umfaßt, und von der Bereitwilligkeit, womit er die auf dem Wege der Verfaſſung an ihn gebrachten Wünſche deſſelben erhört. Wir ſind ihm dafür zum größten Danke verpflichtet. Möge er lange leben zum Schutze unſerer Verfaſſung; möge es ihm ſtets gelingen, weiſe Räthe um ſich zu ſammeln, die ſich ſtrenge an die Verfaſſung halten, damit Friede und Eintracht zwiſchen Volk und Regierung herrſchen! Meine Herren! Ich trinke auf das Wohl des Wieder— herſtellers und Erhalters der Verfaſſung. Se. Königl. Hoheit der Großherzog Leopold lebe hoch!“ Herr Oberamtmann Pfeiffer gab den dritten Toaſt auf die Verfaſſung und die Landſtände. Er anerkannte deren — 2614 — Wichtigkeit und richtete ſchöne Worte der Verſöhnung aller politiſchen Parteiungen an die Verſammlung. Von verſchiedenen Mitgliedern der Geſellſchaft 1 nun noch viele paſſende und wohlgemeinte Toaſte. Der Abend fand den Obelisk und die Hauptſtraßen der Stadt auf's ſchönſte illuminirt. Am Rathhaus war ein großes Transparent in gothiſcher Form angebracht, zu Ehren des Gründers der Verfaſſung, Großherzog Karl, und des Erhal— ters derſelben, Großherzog Leopold. Ein langer Fackelzug durchzog um 8 Uhr die Stadt. Beim Obelisk angekommen, wurde ein Lied von Eiſenlohr „Noch einmal ſchalle laut der Sang“ geſungen und auf dem Marktplatze beim Verbrennen der Fackeln, erſchallte das letzte Lied „Freude, o vereine“ von Held. Den Schluß der Feſtlichkeiten machte ein ſehr zahlreich beſuchter Ball. Nie hat unſere Stadt ein ſo ſchönes Feſt geſehen, wie dieſes! Noch nie war die Freude ſo ungetrübt und die Theilnahme ſo allgemein! Niemals wird auch das Andenken an dieſen Freudentag erlöſchen! IV. Triberg. Auch von unſerm freundlichen Waldſtädtchen und ſeiner Umgebung wurde die Feier des 25jährigen Beſtehens unſerer Verfaſſung auf eine ernſte und würdevolle Weiſe begangen. Der Vorabend des Feſtes wurde von den Bergen durch Salven der beiden Kanonen und von der Muſik des hieſigen Bürgermilitär-Corps durch Zapfenſtreich angezeigt. Ebenſo verkündeten Tagreveille und Geſchützesſalven am 22. in der Frühe die Ankunft des hohen Tages. Aus den nähern und abgelegeneren Orten der Umgebung ſtrömte ſodann das Volk in zahlreichen Maſſen in unſer im Feſtgewande prangendes Städtchen. Insbeſondere war unſer ſchönes, großes Rath— haus auf die feſtlichſte Weiſe verziert. Sämmtliche Portale deſſelben waren nämlich mit Säulen von Zweigen, Blumen— guirlanden und andern Erzeugniſſen des Schwarzwaldes umge— ben; in dem mittleren Portale war eine, mehr als lebensgroße Büſte des verewigten Großherzogs Karl aufgeſtellt. In den beiden Fenſter-Niſchen neben derſelben ſtanden ſinnreich die für unſer emſiges, gewerbthätiges Städtchen gewiß paſſenden Inſchriften aus Schillers Glocke und zwar einerſeits: Arbeit iſt des Bürgers Zierde, Segen iſt der Mühe Preis. anderſeits: Ehrt den Fürſten, ſeine Würde, Lohnet uns der Hände Fleiß. — 266 — In den Bögen der beiden Seitenportale waren, im Sinne der von Sr. königl. Hoheit dem höchſtſeligen Großherzog Ludwig bei der erſten Eröffnung der ſtändiſchen Kammern 1819 bezüglich der Verfaſſung geſprochenen Worte, die Inſchrif— ten, und zwar rechts: Dem Throne zur Stütze, links: Dem Volke zum Schutze. angebracht. Nachdem ſich die Teilnehmer an dem Feſte um halb neun Uhr verſammelt hatten mit freudiger Stimmung und dank— barer Geſinnung für die das hohe Feſt jo begünſtigende Wit— terung, und nachdem dieſelben von den Mitgliedern des Feſtcomité in geziemender Ordnung aufgeſtellt waren, wurde von ſtark beſetztem vierſtimmigem Männerchor geſungen „das deutſche Lied“ von Kalliwoda und das „Wallhallalied“ von Kunz, unter Abwechslung mit dem Spiele der Muſik des hieſigen Bürgermilitärs. Von dem Marktplatze aus bewegte ſich der Zug unter Glockengeläute und Geſchützesſalven nach der Wallfahrtskirche, voraus die Schuljugend mit 2 Knaben an der Spitze, welche Fähnlein von der badiſchen Hausfarbe trugen; hierauf folgten die Gewerbſchüler mit einem beſondern Fahnenträger, dann das bürgerliche Militärcorps. Dem Letz— tern folgten 3 Mädchen an einem Blumenkranze ſich führend, von denen das mittlere einen Eichenkranz trug, ſodann zwei Knaben mit Fahnen und Armverzierungen, und hinter dieſen ein mit einer badiſchen Schärpe geſchmückter Knabe, welcher ein Prachteremplar der Verfaſſungsurkunde auf einem ſammtnen Kiffen trug, und von dem Bürgermeiſter und dem älteſten Gemeinderath geleitet wurde. Auf dieſe folgten ſämmtliche Beamten und Honoratioren, der Gemeinderath und Bürger— ausſchuß, ſowie auch die übrigen Gemeindebürger und Feſt— theilnehmer. In der Kirche wurde ein feierliches Hochamt abgehalten, während deſſen die Verfaſſungsurkunde auf dem rothen Kiffen, von dem Blumengewinde und dem Eichenkranze — 267 — umgeben, vor dem Altare aufgelegt blieb. Die ſchöne Aus— führung des Te Deum am Schluſſe des Hochamtes, ſowie auch die dazwiſchen donnernden Geſchützesſalven ſtimmten die Verſammlung zu tiefer Rührung. Nach Beendigung des Gottes— dienſtes bewegte ſich der Zug in derſelben Ordnung in das Städtchen und durch die Haupt- und Hinterſtraße deſſelben vor das Rathhaus zurück. Nach der Ankunft daſelbſt und geregelter Aufſtellung der Feſttheilnehmer wurde von dem Sängerchor ein eigens dazu verfaßter Feſtgeſang nach der Melodie des Schmalholz'ſchen Rheinliedes abgeſungen, während die drei Mädchen das Bildniß des höchſtſeligen Großherzogs Karl mit dem Blumengewinde und dem Eichenkranze ſchmück— ten. Hierauf beſtieg der Bürgermeiſter die vor der Büſte errichtete Tribüne und erklärte in ſeiner Anrede den Werth der Verfaſſung nebſt Verleſung des Eingangs zur Verfaſſungs— urkunde ſelbſt. Den Schluß ſeiner Anrede bildete ein Hoch auf den ruhmgekrönten Stifter der Verfaſſung, den verewigten Großherzog Karl, welches aus der dankbaren Bruſt aller Anweſenden dreifach zum Himmel ertönte, und von mächtigen Geſchützesſalven begleitet wurde. In der That, die Schluß— worte des Redners: „Er (Karl) der Unſterbliche lebe in unſerm Andenken hoch!“ machten einen ſichtlichen rührenden Eindruck auf die ganze Verſammlung. Nachdem hierauf von der Muſik des hieſigen Bürgermilitärs wieder einige Stücke geſpielt und inzwiſchen Exemplare der Verfaſſungsurkunde an die männliche Schuljugend vertheilt worden waren, wurde zum Schluſſe noch das Arndt'ſche Lied vom deutſchen Vater— lande nach einer ganz neuen Melodie mit Begleitung der Inſtrumentalmuſik geſungen, und die vormittägige Feier des Tages galt jetzt als beendet, während jedoch den ganzen Tag über eine Ehrenwache vor dem Bildniſſe des verewigten Groß— herzogs Karl aufgeſtellt und zugleich die Kanonen daſelbſt vor der Tribüne aufgepflanzt blieben. Waren nun unſere Straßen von Feſtgenoſſen und Schau— luſtigen am Tage ſchon überfüllt, ſo war dies noch mehr der Fall mit Anbruch der Nacht. Wie nämlich vor 17 Jahren — 268 — die Einweoner der benachbarten Ortſchaften berbeiſtrömten, um Zeuge zu ſein von der traurigen Zerſtörung, welche die damalige Feuersbrunſt unſerm alten Gebirgsſtädtchen zugebracht hatte, ebenſo zahlreich ſtellten ſich jetzt von nah und fern die Schauluſtigen ein, um den ſchimmernden Lichtglanz unſeres wieder neu und regelmäßig aufgebauten, jetzt feſtlich beleuch— teten Städtchens zu bewundern. Die größte Zahl der Ein— wohner Tribergs ſelbſt ſowohl, als auch die Bewohner der nachbarlichen Umgebung, hatte wohl noch nie eine derartige feſtliche Beleuchtung geſehen, und beinahe Jeder ſtaunte bei dem Anblicke des Lichtmeeres, welches unſere Gebäude und Straßen verherrlichte; insbeſondere zeichnete ſich hierbei aus das ſtädtiſche Rathhaus mit transparenter Beleuchtung der Büſte des Gründers der Verfaſſung und der ſie umgebenden Inſchriften; ſodann vorzugsweiſe das in erhöhter Lage ober— halb des Städtchens befindliche Gaſthaus zur Krone, das in der Dunkelheit der Nacht wie ein in den Lüften ſchwebender Feuerpalaſt in die Augen ſchimmerte; ebenſo feſſelten mehrere andere Beleuchtungsarten und Transparentinſchriften an ein— zelnen Privathäuſern die Aufmerkſamkeit der unzählbaren Volksmenge. Auf den unſer Städtchen eng umſchließenden hohen Bergen loderten helle Freudenfeuer, um auch die fernen Freunde von dem Jubel Tribergs zu benachrichtigen, und ſie einiger— maßen zur Theilnahme daran aufzufordern. Noch einmal zog die Muſik unter Geſchützesdonner und dem Jubel der wogen— den Volksmenge zwiſchen den funkelnden Häuſerreihen hin, und noch einmal wurde darauf das Lied vom deutſchen Vater— lande mit Muſikbegleitung geſungen, während das Bildniß des Großherzogs Karl mit bengaliſchem Feuer beleuchtet wurde und ziſchende Raketen in die Lüfte emporſtiegen. Nachdem man ſich an dieſem Schauſpiele genugſam ergötzt hatte, verfügte ſich der größte Theil der Feſttheilnehmer in das Gaſthaus zum wilden Mann zu einem großen Feſtmahle, bei welchem die ſchönſte Ordnung und größte Heiterkeit wal— teten, und wobei folgende Toaſte ausgebracht wurden: — 219 — a) Von Herrn Bürgermeifter Heim auf den Gründer der Verfaſſung, Großherzog Karl. b) Von Herrn Oberamtmann Gißler auf Se. königliche Hoheit den Großherzog Leopold, als den Wieder— herſteller und Erhalter der Verfaſſung. e) Von Herrn Amtschirurg Ruff auf Ihre königliche Hoheit die Großherzogin Stephanie, Wittwe des verewigten Gründers der Verfaſſung. d) Auf Ihre königliche Hoheit die Großherzogin Sophie, von Herrn Phyſikus Roos. e) Auf die hohe zweite Kammer der badiſchen Stände von Herrn Buchbinder Fiſcher. 1) Auf die Verfaſſung von Herrn Rechtspraktikant Wol— finger, und 9) Auf das badiſche Volk von Herrn Rechtskandidat Gnirs. Im Allgemeinen gab man ſich in Triberg die größte Mühe, dieſes ſchöne Feſt auf eine entſprechende und in jeder Beziehung ehrenvolle Weiſe zu feiern; insbeſondere aber verdienen ihres großen Eifers wegen die rühmlichſte Anerkennung: Herr Bür— germeiſter Heim wegen ſeiner thätigen Umſicht und Anord— nung im Allgemeinen, Herr Gewerbslehrer Geiges für feine Bemühungen bei Ausſchmückung des Rathhauſes, Herr Ober— lehrer Holzmann für das mühevolle Anordnen und die eifrige Einübung der muſikaliſchen Produktionen; endlich auch der Unternehmer des neuen Straßenbaues in unſerer Nähe, Herr Piccolo, welcher durch raſch aufeinander folgende Felſenſchüſſe eigenthümlicher Art den Glanz des Feſtes vermehrte, und den allgemeinen Beifall der Anweſenden einerndtete. V. Müllheim. Das Verfaſſungsfeſt wurde im Bezirk Müllheim auf Veranlaſſung mehrerer Bürger, worunter der Deputirte des Bezirks, Blankenhorn-Krafft, folgendermaßen gefeiert: Am Vorabend wurde bei Eintritt der Dämmerung in jedem Orte auf einem etwas erhabenen Punkte ein Freuden— feuer angezündet, das Signal dazu durch ein großes Feuer auf der Höhe des Blauens gegeben, und die Feſtlichkeit des kommenden Tages durch Glockengeläute angekündigt.“ Auf dem Luginsland, einer Anhöhe bei Müllheim, verſam— melte ſich eine Menge Bürger, theils um das kleine Feuer— werk, das dort abgebrannt wurde, mit anzuſehen, theils um ſich an dem wirklich impoſanten Anblick der von dort aus zu ſchauenden Freudenfeuer der ganzen Umgegend zu ergötzen. Von Begeiſterung ergriffen, ſprach der dabei anweſende Volksdichter und Rathſchreiber Breitenſtein einige erhebende Worte. In Auggen wurde am gleichen Abend Wein und Brod an die Armen ausgetheilt, am Tage ſelbſt fand eine kirchliche Feier ſtatt, und Abends ein Feſteſſen im Filialorte Hach. In Hügelbheim und Zinken wurden der Schuljugend Feſteſſen gegeben. In den meiſten Ortſchaften wurde der Freudentag mit 25 Böllerſchüſſen begrüßt und in Müllheim durchzog die Blechmuſik die Straßen der Stadt. — 271 — Vom dortigen Gemeinderath wurde jedem Bürger zur Erinnerung an den Feſttag und zur Berückſichtigung ächt conſtitutioneller Geſinnung, ein Exemplar der Verfaſſungs— Urkunde eingehändigt und an ſämmtliche ſtädtiſche Arme Geld ausgetheilt, damit auch ſie an dem allgemeinen Jubeltag ſich der Freude hingeben konnten. Das Feſteſſen fand Mittags 1 Uhr in dem feſtlich geſchmückten Saale des Römerbads in Badenweiler ſtatt, woran die angeſehenſten Bürger aus jedem der umliegenden Orte, Staatsdiener, jedoch nur ſehr wenige Geiſtliche, Antheil nahmen. Zur Verherrlichung der Feier trugen hauptſächlich die Geſangvereine von Müllheim und aus dem Weilerthale bei, durch Abſingen patriotiſcher, jedesmal auf die Trinkſprüche paſſender Lieder. Der erſte Trinkſpruch auf das Andenken Karls und die Ver faſſung wurde vom Deputirten des Bezirks, Blanken— horn-Krafft, ausgebracht, wie folgt: Tauſende unſerer Mitbürger feiern mit uns den heutigen Tag, den Tag, an welchem vor 25 Jahren der hochherzige Karl, eingedenk ſeines Fürſtenworts, ſeinem Volke die Ver— faſſung gegeben. Leſen wir nur die $. 13, 53 und 65 derſelben, (der Redner liest dieſelben wörtlich vor) und mit freudigem Stolze blicken wir auf den Zeitpunkt zurück, wo wir unter die Zahl der politiſch mündigen Völker eingetreten ſind. Unter all den Segnungen, die uns unſere Verfaſſung gebracht, unter all dem Guten, was wir ihr zu verdanken haben, will ich nur der Verbeſſerung im Schul- und Gemeinde— weſen gedenken, will ich nur der Abſchaffung der Frohnden und des Zehntens, dieſer drückendſten aller Laſten erwähnen, und Sie werden mit mir ſich gedrungen fühlen, aus voller Bruſt auszurufen: . Hoch lebe das Andenken des edlen Gründers! Hoch lebe unſere Verfaſſung!! — 272 — Der zweite von Amtmann Kneu auf Se. Königl. Hoheit den Großherzog Leopold. Der dritte von Altbürgermeiſter und Wahlmann Däublin auf die zweite Kammer, wie folgt: Meine Herren! Es wurde ein Hoch unſerer erhabenen Verfaſſung und damit verbunden dem Andenken des verewigten Stifters derſelben, es wurde Sr. Königl. Hoheit unſerm geliebten Großherzog ein Hoch ausgebracht. Ich denke es iſt Ihnen, meine Herren, wie mir, eine angenehme Pflichterfüllung, ein ſolches auch unſerer gefeierten zweiten Kammer auszubringen, — einer Kammer, welche treu dem Fürſten ergeben, — es ſich zur Aufgabe gemacht, gute Geſetze zu erwirken und feſt— zuhalten an denſelben; einer Kammer, die nie gewankt, wo es galt dem Wohl des Vaterlandes, wo es galt die Rechte des Volks zu vertheidigen; einer Kammer, welcher die Herzen der Badener mit dem wärmſten Dank entgegenſchlagen, und die mit Recht der ehrenvollſten Anerkennung von ganz Deutſch— land ſich zu erfreuen hat. Die Vertreter des badiſchen Volkes leben hoch! Der vierte von Decan Haury auf die erſte Kammer: Nach den mit ſo rauſchendem Beifalle aufgenommenen Trinkſprüchen iſt es wohl ſchicklich, nun auch der erſten Kam— mer unſerer Stände zu gedenken, welche gleich der zweiten einen weſentlichen und nothwendigen Beſtandtheil der Stände— verſammlung bildet. Beide Kammern ſind mit Ausnahme der die Finanzen betreffenden Geſetze in ihren Rechten gleich— geſtellt; kein Geſetz kann ohne Zuſtimmung der Mehrheit beider Kammern der Beſtätigung des Regenten vorgelegt werden, und jede derſelben iſt nach dem Eide, den alle Mitglieder bei ihrem Eintritt in die Verſammlung zu ſchwören haben, ver— pflichtet, des ganzen Landes allgemeines Wohl und Beſtes ohne Rückſicht auf beſondere Stände oder Klaſſen nach innerer Ueberlegung zu berathen. Nach unſerer Verfaſſung kann es daher kein Geſetz geben, zu welchem nicht beide Kammern mitgewirkt und beide nach ihrer Mehrheit die Zuſtimmung ertheilt haben. Wenn bei der heutigen Feier jeder badiſche Staatsbürger mit Stolz und in gerechtet Freude ſo vieler Geſetze ſich erin— nert, welche während der 25jährigen Dauer unſerer hochge— prieſenen Landesverfaſſung zur Erleichterung des Volkes, Hebung des allgemeinen Wohlſtandes, Sicherung der bürger— lichen Ordnung, Vermehrung der geſetzlichen Freiheit und Vervollkommnung und Gründung wohlthätiger Staatsanftalten aller Art gegeben worden, ſo erheiſcht die Gerechtigkeit das Geſtändniß, daß zu allen dieſen Geſetzen auch die erſte Kam— mer gleich der zweiten mitgewirkt habe und daß keines dieſer Geſetze und keine dieſer Anſtalten vorhanden wäre, wenn zu denſelben die Mehrheit der erſten Kammer nicht die freie Zuſtimmung ertheilt hätte; dieſe Mebrheit hätte ſich aber in der erſten Kammer nicht herausgeſtellt, wenn dieſelbe nicht Glieder hohen und höchſten Standes in überwiegender Anzahl in ihrer Mitte gezählt hätte, die erhaben über perſönliches und Standesintereſſe, einzig und allein nur das im Auge hatten, was zur gemeinen Wohlfahrt gereicht und Edelmuth genug beſaßen, dem Volke zu lieb bedeutende Opfer zu bringen. Freunde! Mitbürger! Seien wir gerecht! Erkennen wir offen und parteilos den Antheil an, welchen die erſte hohe Kammer an den Segnungen hat, welche unſere theure Staats— verfaſſung dem geliebten Vaterlande während ihrer 25jährigen Dauer gebracht hat und bringen wir jenen Mitgliedern der hohen erſten Kammer ein dankbares Hoch, welche voll Ehr— furcht gegen den Großherzog bei ihren ſtändiſchen Berathungen nur das allgemeine Beſte bezweckten, der Wohlfahrt des Volkes für ſich und ihre Standesgenoſſen Opfer brachten, die Staatsverfaſſung jeder Zeit treu beobachteten und redlich aufrecht erhielten und die Handhabung und Aufrechthaltung derſelben auch für die Zukunft alles Ernſtes und ohne allen Rückhalt wollen; allen dieſen hochverdienten Mitgliedern der erſten bohen Kammer ein dreifaches Hoch! c 18 Der fünfte von Gemeinderath und Wahlmann Heiden— reich auf das Gedeihen der Verfaſſung: Meine Herren! Nach den bereits ausgebrachten, mit ſo vielem Beifall aufgenommenen Toaſten, erlaube ich mir an dem heutigen für jeden Badener ſo bedeutungsvollen Feſte, auch der Zukunft zu gedenken, auch für dieſe Wünſche und Hoffnungen laut werden zu laſſen, und ſchlage Ihnen daher vor, auf das Gedeihen unſerer Verfaſſung zu trinken. Möge der Glaube an ihre Heiligkeit und Unverletzlichkeit immer feſtſtehen und nie wankend gemacht werden; möge ihr, als dem theuern Vermächtniß eines edlen Fürſten die innigſte Hochachtung, die dankbarſte Liebe, und die treuſte Anhäng— lichkeit des badiſchen Volkes ſtets zu Theil werden; möge fie ein Damm fein gegen den Deſpotismus, und eine ſeſte Schutz— wehr gegen Anarchie, damit ſo ihr hoher Zweck: des Fürſten und des Volkes Heil, immer mehr erreicht, immer mehr des ganzen Landes Glück begründet und befeſtigt werde. Dem Gedeihen unſerer Verfaſſung ein Hoch! Der ſechste von Amtsaſſeſſor Winter auf die Räthe der Krone — v. Reizenſtein, Nebenius und Winter. Der ſiebente von Badearzt Dr. We ven auf Se. Hoheit den Erbprinzen Ludwig. Der achte von Rechtspraktikant Dr. Martin auf die Manen v. Rotteck's. Man trennte ſich mit dem Ausſpruche, daß das Feſt wobl an manchen Orten mit mehr Glanz, nirgends aber mit mehr Herzlichkeit, mit mehr Begeiſterung gefeiert worden. Beim Eintreten der Dämmerung fuhr ſodann der Geſang— verein von Müllheim auf ſeinem mit Blumen und Fahnen geſchmückten Wagen wieder zurück, um auch bei dem im bür— gerlichen Leſegeſellſchaftslokale ſtattfindenden Feſtmahle mitzu— wirken und es ſchloſſen ſich ihm die meiſten, die an den Feſtlichkeiten in Badenweiler Theil genommen, an. Bei ſeiner Ankunft in Müllheim mit Geſchützesdonner und Feuerwerk begrüßt, bewegte ſich der Zug bis zu dem feſtlich beleuchteten Lokale, wo ſich Bürger jeden Standes bei einem Feſtmahle vereinigt hatten. Auch hier wurden abwechſelnd patriotiſche Lieder geſungen und Trinkſprüche, die jedesmal mit Böllerfalven begleitet waren, ausgebracht, und zwar der erſte durch den Vorſtand des Bürgervereins, Rathſchreiber Breitenſte in, auf Groß— herzog Karl und die Verfaſſung, wie folgt: Alle Völker feierten von jeher das Gedächtniß an boch— wichtige Ereigniſſe, an die Großthaten edler Männer; und ſo hat uns auch der heutige Tag ein vaterländiſches Jubiläum gebracht. Wie vor dreihundert Jahren der große Reformator Dr. tartin Luther die Feſſeln der Hierarchie zerſprengte, und das Licht der geiſtigen Freiheit aufſteckte, ſo hat heute vor 25 Jahren unſer höchſtſeliger Großherzog Karl mit einem Federzug dem Abſolutismus den Stab gebrochen und der bürgerlichen Freiheit und Selbſtſtändigkeit die Bahn eröffnet. Unter die größten Wohlthaten, die unſerm geſegneten Vaterlande zu Theil geworden, gehört unſtreitig die Verfaſſung, eine Wohlthat für Fürſt und Volk. Wohlthat für den Fürſten, der aus dem Munde der Ver— treter ſeines Volkes die klare Wahrheit erfährt, die ſich nicht ſcheuen mit freiem feſtem Muthe auch die Gebrechen des Staates zu rügen, die jederzeit zu des Vaterlandes Wohlfahrt ihre berathenden Stimmen erheben. Keine Ohrenbläſer, keine Schmeichler faſſen auf conſtitutionellem Boden feſten Fuß. Wohlthat für das Volk, das ruhig ſeine Aecker pflügen, ſein Gewerbe, ſeinen Handel treiben und ruhig ſchlafen kann, wo das treue Auge des Fürſten und die Verfaſſung wacht. Die Verfaſſung iſt es, die den Edelmann wie den Bauers— mann, den Kapitaliſten wie den Bettler in ſeinen Rechten ſchützt. Gleichheit vor dem Geſetze iſt ihr Wahlſpruch. O! ich ſehe ſie lächeln aus jenen himmliſchen Räumen, die edlen Hingegangenen, ich ſehe fie uns Beifall winken die 18 jeligen Geiſter: Liebenſtein, Rotteck, Aſchbach, Duttlin— ger, und die Andern, die Vorfechter für Wahrheit, Freiheit, Licht und Recht. Ich höre ſie uns zurufen: Haltet treu an der Verfaſſung, liebet euer Vaterland, und die Krone der ewigen Gerechtigkeit werdet ihr, wie wir, erlangen. — Ja! ihr Engel an Gottes Throne, die ihr uns heute umſchwebt, wir ſchwören, wir geloben heute am 25jährigen Jubiläum: ewige Treue der Verfaſſung, und rufen in höchſter Begeiſterung aus: Hoch lebe Karl! Hoch lebe die Verfaſſung! Der zweite durch Bürgermeiſter Blankenhorn-Krafft auf den Wiederherſteller und Schirmer der Verfaſſung Se. Königl. Hoheit den Großherzog Leopold. Der dritte durch Gemeinderath Heidenreich auf die Mitglieder der zweiten Kammer. Der Jubel war an dieſem Tage wirklich allgemein und man kann ſagen, daß das Feſt als wahres Volksfeſt gefeiert worden. Kein Unterſchied der Stände war ſichtbar, Einer reichte dem Andern die Bruderhand, und arm und reich, jung und alt, Jeder freute ſich auf ſeine Weiſe. VI. Lörrach und Schopfheim. Die Erwartungen, welche man dem Programme zufolge von dem hieſigen Verfaſſungsfeſt glaubte hegen zu dürfen, wurden durch die Feier ſelbſt vielfach übertroffen; einen äußerſt freudigen Eindruck auf die Gemüther hat dieſer Tag hier Allen hinterlaſſen und wir dürfen hoffen, daß derſelbe für die politiſche Bildung des Volkes kein unfruchtbarer geblieben ſein werde. Das Feſt ging durchaus in der durch das Programm angeordneten Weiſe vor ſich, weßhalb nur noch Einiges über die Art und Weiſe der Ausführung. Nachdem die Tagwache, Geſchützesſalven und Muſik bei Tagesanbruch das Feſt eröff— net hatten, ſchmückten ſich, wie erwartet, faſt alle Häuſer mit Fahnen. Von 8 bis 10 Uhr fand eine angemeſſene und keineswegs kärgliche Vertheilung von Lebensmitteln unter die Armen ſtatt, wobei auch die verſchämten Armen Berückſichtigung fanden. Da nämlich die Gemeinde der Leitung des Feſtes und der Koſtenbeſtreitung ſich unterzogen hatte, ſo glaubten die Einzelnen hinwiederum der Gemeinde mit einer Gabe der Liebe danken zu müſſen, und aus ihren rühmlichen Beiträgen wurde die Anſchaffung dieſer Lebensmittel beſtritten. Der feier— liche Zug vom Rathhaus weg zur Kirche, fand um 10 Uhr ſtatt; hier hielt Herr Kirchenrath Dr. Hitzig eine ergreifende Rede über die Tertesworte in Jeſaia 32. 8. „Aber die Fürſten werden fürſtliche Gedanken haben und darüber halten.“ Be— merkenswerth war, daß die Israeliten, obwohl ſie bereits in u der Frühe ein Gebet in der Synagoge verrichtet hatten, an dieſem Kirchgang, wie an dem übrigen Theil des Feſtes An— theil nahmen. Wenn die Verfaſſung ſie ſelbſt den übrigen Staatsbürgern auch noch nicht gleichgeſtellt hat, ſo glaubten ſie doch ſchon darum nicht der Mitfeier des Ehrentags derſelben ſich enthalten zu dürfen, weil auch ſie die Früchte, welche als Ausflüſſe der Verfaſſung die letzten 25 Jahre hervorbrachten, mitgenießen dürfen, und weil auch ſie von dem Segen der Verfaſſung, die ihnen wenigſtens die Hoffnung auf dereinſtige Gleichſtellung nicht entzogen hat, noch Manches erwarten. Um 1 Uhr Mittags ſammelte ſich die Bevölkerung vor dem Rathhauſe, von wo unter Muſik und Geſang, Glocken— geläute und Geſchützesſalven der Zug mit Fahnen ſich auf den nahen Hünerberg bewegte. Dort angekommen, ordnete er ſich um die daſelbſt errichtete 30 Fuß hohe lebendig grüne Säule, welche mit dem Bildniß des Großherzogs Karl geſchmückt und von dem gekrönten vergoldeten C überragt war, und um die daneben ſtehende, geſchmackvoll verzierte Tribüne. Nach— dem die Fahnen an der Säule befeftigt waren, betrat Herr Bürgermeiſter Hüglin die Rednerbühne und begrüßte die Verſammlung in geeigneter Anrede, in welcher er auf die Bedeutung des Tages und auf die Wichtigkeit der Verfaſſung aufmerkſam machte, aus der er ſodann den Eingang und den zweiten Titel verlas. Als hierauf die Verfaſſungsurkunde in mehreren hundert Exemplaren vertheilt war, beſtieg Herr Kaiſer, practiſcher Arzt und Mitglied des Bürgerausſchuſſes, als erwählter Feſtredner die Tribüne und hielt mit kräftiger Stimme die Feſtrede: Er begann mit begeiſterter Schilderung des Gefühles, das bei den Klängen „Vaterland“, „Verfaſſung“ jedes Herz ergreift, die Parteien vereinigt in der Beſitzesfreudigkeit über gemeinſames Gut, und ging dann über zu der Entſtehung des Bundesbriefes, der uns ledig ſprach von herriſcher und erzväterlicher Gewalt, ſo daß fortan kein Widerſpruch mehr waltet zwiſchen Fürſt und Volk, weil nur in und mit dem Volke des Fürſten Heil gedeiht. Der Redner hob ſodann den — 279 — Gegenſatz hervor, zwiſchen einer Herrſchaft über Unmuͤndige und Selaven und dem Regieren über mündige, freie Leute, Die Verfaſſung lehrte das Volk für ſich ſelbſt ſorgen; in ihr prangt verbrieft das unverjährbare Recht, nur den Geſetzen zu gehorchen, zu welchen man mitwirkt, nur ſolche Steuern zu bezahlen, die man ſelbſt bewilligt; ſie will verantwortliche Mitbürger in Kreiſen, denen der Bürger ehedem nur zitternd nahete. Sie hat den Gang der Verwaltung der Oeffentlich— keit erſchloſſen, der Mutter des Vertrauens; ie hat den ⸗Bo— den von ſeiner Erblaſt, den Landmann von deu Frohnden befreit, den Geiſt, wenn nicht ſeines heilloſeſten, doch ſeines plumpſten Joches entledigt. Doch nicht Geſetze allein bewirken, was Noth thut; dazu gehört auch Willenskraft. So lange Geſinnungsſchwäche ſich brüſtend gute Geſinnung nennt, droht alles in Schatten zu verſchwimmen und die Ver— faſſung zum Kleinod in der Wüſte zu werden, deſſen Niemand froh wird. Erſt wenn die Laubeit ſchwindet, Selbſtgefühl und Muth ſich heben und der Nationalſinn erſtarkt, wird Karl's Werk vollbracht und die Verfaſſung eine Wahrheit; dann wird ein kommendes, vaterlandſtolzes Geſchlecht die Denkſäule, in welcher eingegraben ſteht: Karl lebe hoch! Ein ſtürmiſches Hoch bekundete den Eindruck, welchen dieſe in gedrängtem Auszuge mitgetheilte Rede in den Ge— müthern der Anweſenden hervorgerufen. Die weitere Anſprache auf Se. Königl. Hoheit den Großherzog Leopold hielt der Vorſtand des Pädagogiums, Herr Dr. Junker. Seine mit gewohntem ausgezeichnetem Vortrag geſprochenen warmen Worte und Wünſche für unſer erhabenes Fürſtenhaus wurden mit Frohlocken entgegengenommen und erwiedert. Die Rede, mit welcher ſodann Herr Stadtrath Köchlin der Verfaſſung ein Hoch brachte und worin er hauptſächlich auf den Unterſchied Badens von andern Ländern, welche noch eine Verfaſſung entbeh— ren, hinwies, das Recht Badens auf eine ſtets gute Regierung bervorbob, deſſen Glück pries und zum Feſthalten am heiligen Gut aufforderte, ſprach durch kräftige Einfachheit vollkommen an und nicht minderen Anklang in den Herzen der Verſammlung fand die hierauf folgende kurze gebundene Rede des Herrn Rechtsanwalts Euler auf die badiſche Kammer. Sämmt— liche Reden wurden mit anhaltendem Beifall belohnt. Zwiſchen den Reden, wie ſpäter, erfreuten Muſik und Geſang in angenehmem Wechſel das Volk; ein von Herrn Rechtsanwalt Euler gedichtetes Feſtlied wurde wiederholt geſungen und der Vortrag anderer Lieder gab angenehme überraſchende Kunde, daß Vaterlandsklänge noch geläufig. Denk Geſangverein gebührt das beſondere Lob, durch die Wahl ſeiner Lieder ſowohl als durch die Art ihres Vortrags, wie endlich durch ſeine unermüdliche Ausdauer zur Verherr— lichung des Feſtes nach Kräften mitgewirkt und ſeinen ſchönen Standpunkt wohl erfaßt und feſtgehalten zu haben. Beluſtigungen der Kinder, die auf Koſten der Gemeinde gelabt wurden, fehlten auch hier nicht, und es wird gewiß die Jugend dieſen frohen Tag noch lange im Gedächtniß erhalten und bewahren. Die vielen gemiſchten Gruppen, welche ſich bei Einnahme einfacher Erfriſchungen an Tiſchen, auf dem Raſen und unter Zelten abwechſelnd bildeten, die fröhlichen Geſichter, die freudigen Grüße und Klänge, da und dort die ver— ſchiedenen Toaſte, wobei die Todten nicht vergeſſen blieben, boten dem aufmerkſamen Beſchauer einen tiefen Blick in die Herzen des Volks. Denke ſich der ferne Leſer hiezu die paradieſiſche Gegend, welche auf dem Gipfel dieſes Bergs dem entzückten Auge ſich darbietet, das herrliche Wetter, welches den Tag um ſo überraſcheuder und heiterer anlächelte, mit je weniger Zuverſicht ſolches noch kurz zuvor zu erwarten war, und er wird ſich gerne überzeugen, daß unſer Feſt ſo würdig begangen wurde und ſo ergreifenden und nachhaltigen Eindruck erregen mußte, als kaum eines anderswo. Keinem der Anwe— ſenden wird die Zukunft dieſen Tag aus dem Gedächtniß verwiſchen, dieſer wird vielmehr eine innige Empfindung und eine ſo freudige als tiefe Erinnerung bei Jedem zurücklaſſen und Vielen den Keim zu Früchten des Lebens in den Buſen gelegt haben. er Ein Feuerwerk, welches (die §§. der Verfaſſung, aus welchen uns emporſteigendes Licht ward, ſymboliſch andeu— tend) mit 83 Raketen begann, hatte nur durch die unausgeſetzt thätige und uneigennützige Mitwirkung einiger jungen Ver— faſſungsfreunde ſo bedeutend und glänzend werden können; es dauerte faſt eine Stunde und erndtete allgemeinen Beifall. Von Privathaäuſern zeichnete ſich rühmlich aus das Kaffe Kaufmann; es war Nachts erleuchtet und ſtellte auf der Altane ein ſchönes und anſprechendes Transparent zur Schau: Großherzog Karl in Lebensgröße, die Verfaſſung reichend, im Hintergrund eine auf lachende Fluren aufgehende Sonne. Die Feſtbälle in den Gaſthöfen zum Hirſch und zur Krone, welche ſehr zahlreich beſucht waren, ſchloſſen die Feier dieſes denkwürdigen Tages, den kein Unfall trübte, keine Unordnung ſtörte, und für deſſen Wiederkehr in Aller Herzen die froheſten Wünſche und Hoffnungen niedergelegt bleiben. Daß vorzüglich auch das Wieſenthal ſein Verfaſſungsfeſt mit der lebendigſten Theilnahme feiern würde, war bei der kräftigen Geſinnung der dortigen Bevölkerung nicht zu bezwei— feln. — So war denn auch der 22. Auguſt einer der ſchönſten und glücklichſten Tage für Schopfheim und deſſen Nachbarn. Alle Häuſer wurden mit Fahnen, Blumen und Feſtons geſchmackvoll geziert. — Vor dem Rathhauſe unter den Linden befand ſich die Büſte des verewigten Großherzogs Karl und unter ihr eine Rednertribüne. — Eine Tafel von 500 Gedecken war unter den Linden bereitet. Doch das Feſt wurde in dem benachbarten Eichenwäldchen gefeiert. Dorthin bewegte ſich gegen 1 Uhr der geordnete Zug, begleitet von mehr als 40 Fahnen und gebildet aus der verſammelten Jugend, dem Träger der Verfaſſungsurkunde, den Bürgern des Städtchens unter Anſchluß der Beamten und Bürger aus den benachbar— ten Gemeinden; das Schützencorps mit ſeiner Muſik und der Jubel zurückbleibender Einwohner begleiteten denſelben. Von der dort an einer Eiche anlehnenden Tribüne herab erklärte Bürgermeiſter Gottſchalk in gedrängter Rede Zweck 8 und Bedeutung des Feſtes, Gemeinderath Struebe verlas die zwei erſten Titel der Verfaſſung mit paſſenden Erklärungen, worauf mehrere hundert Exemplare der Verfaſſungsurkunde unter das Volk vertheilt wurden. Nach einer abermaligen kurzen Rede Gottſchalk's, worin er die Bürger, unter Hinweiſung auf die bisherigen wohl— thätigen Früchte der Verfaſſung aufforderte, ſich immer mehr mit ihr vertraut zu machen und zu ihrer möglichſten Entwicke— lung beizutragen, begannen die für die Jugend bereiteten Spiele zur Erreichung der ausgeſetzten Preiſe. Auch die Schützengeſellſchaft begann das Sternenſchießen und beurkundete dabei viele Gewandtheit, den Stutzer zu handhaben und die Preiſe zu gewinnen. Nach einigen Stunden wurde der Rückmarſch in der früheren Ordnung unter Muſik und Geſang angetreten, zu dem Rathhauſe und der dort gedeckten Tafel. Struebe brachte von der Tribüne herab den erſten Toaſt auf den hochherzigen Karl — ihm folgte Kaufmann Maier mit dem Toaſte: auf den Wiederherſteller der Verfaſſung, unſern allverehrten Großherzog Leopold! — Nach ihm trat Gottſchalk auf mit dem Toaſte auf die Verfaſſung, welcher mit ungeheuerem Enthuſiasmus aufgenommen wurde. — Er erklärte den Bürgern in kräftigen Worten, wie die Erhaltung der Verfaſſung ganz von ihnen abhänge, was das Jahr 1825 und jenes von 1831 gezeigt habe. Dort hätten unfreie Wahlen das Verderben der Verfaſſung und im Jahr 1831 freie Wahlen deren Wiederherſtellung herbeigeführt. Deßwegen müßten die Bürger in Zukunft nur Männer in die Kammer ſchicken, auf die ſie feſt bauen könnten und dazu bedürfe es nur der Wahl guter Wahlmänner, die mit den heiligſten Rechten nicht ſpielen ließen. Ein vierter Toaſt, von einem Mitgliede des Comité, galt der zweiten Kammer, den Abgeordneten von Itzſtein, Sander und Anderen. 288 — Der Abend war angebrochen, und während das Volk ſeine Blicke auf das inzwiſchen geſchmackvoll illuminirte Haus Gott— ſchalk's richtete, erhellten auf einmal drei bengaliſche Feuer— flammen den gegenüberliegenden Itzſtein, einen nach dem gleichnamigen Deputirten genannten Hügel mit dem neuen Schützenhauſe, wobei der Jubel und Ruf des Volkes, Hoch! unſer Itzſtein, Hoch! in dem Thale wiederhallte. Es war ein ſchönes, ein erhebendes Feſt, mit Würde und lautem Frohſinne gefeiert; ein Feſt, welches ſeinen mächtigen Eindruck auf den Geiſt und die Haltung des Volkes nicht verfehlen wird. VII. Waldshut und andere Orte. (Großartiger und ausgedehnter Feſtanordnungen können wir uns hier zwar nicht rühmen; aber die treue Erzählung deſſen, wie die alte kleine Waldſtadt die Bedeutung des Tages erfaßte, wird wenigſtens den Beweis liefern, daß die Bürger— ſchaft von Waldshut nicht umſonſt den Ruf einer treu conſti— tutionellen Geſinnung erworben bat. Am Vorabende verkündete das Geläute aller Glocken und Muſik des Bürgermilitärs die Weihe des folgenden Tages. Am kommenden Morgen erweckten Böllerſchüſſe und die Reveille der Militärmuſik die freudigſten und glücklichſten Erinnerungen an den 22. Auguſt 1818. Um 8 Uhr verſammelten ſich auf dem mit Blumen und Eichenlaubgewinden feſtlich gezierten Rathhauſe ſämmtliche Staatsdiener und eine große Zahl der Bürger und Einwoh— ner, allwo ſie vom verſammelten Gemeinderath und den Feſt— ordnern bewillkommt wurden — und wo ſich das ſtädtiſche Bürgermilitär mit ſeiner Muſtk aufgeſtellt hatte. Die Ortsſchüler, die Zöglinge der Gewerbs- und höhern Bürgerſchulen hatten ſich mit ihren Lehrern im Schulgebäude verſammelt. Fünf und zwanzig Jungfrauen der Stadt in weißen Klei— dern mit landesfarbigen Schärpen halfen den Zug verſchönern. Einer derſelben wurde im Rathhausſaale ein Prachteremplar der Verfaſſungsurkunde auf einem roth und gelben mit Blumen bekränzten Sammtkiſſen, von dem Herrn Gemeinderath Bauer mit den Worten übergeben: „Wenn fo zarte Gemüther für unſre Nationalfreiheiten „begeiſtert ſind, dann werden ſie am ſicherſten gewahrt „bleiben.“ ö Hierauf begann der Zug in die Kirche in folgender Ordnung: Voraus zwei Bürger mit den Landesfahnen, ſämmtliche Schüler in Begleitung ihrer Lehrer, eine Abtheilung des Bürgermilitärs mit Muſik, zwei Feſtredner mit den Schärpen der Stadtfarben; die Jungfrau mit der Verfaſſungsurkunde, die 24 Jungfrauen ihr folgend. Dann die Staatsdiener, der Gemeinderath und Bürgerausſchuß, die übrigen Bürger und Einwohner der Stadt. Den Zug ſchloß eine zweite Abthei— lung des Bürgermilitärs. So bewegte ſich der feierliche Zug unter dem Geläute aller Glocken, den lieblichen Klängen der Muſik und dem Donner des Geſchützes in ſchöner, ernſter Haltung die Straße entlang. In der Kirche angekommen, wurde die Verfaſſungsurkunde von ihrer anmuthigen Schützerin auf ein dazu ſchön verzier— tes Poſtament gelegt, daneben blieben die Dauer des Got— tesdienſtes hindurch zwei Offiziere des Bürgermilitärs als Ehrenwache. Das feierliche Hochamt ſchloß mit einem paſſenden Dank— gebet des Prieſters, welches mit 25 Böllerſchüſſen, einer Salve des Bürgermilitärs und einem eigens dazu von Herrn Oberlehrer Holzapfel componirten großartigen Hymnus erwiedert wurde. Der Zug ging in gleicher Ordnung wieder zurück zum Rath— haus. Die Jungfrau übergab dort angelangt die Verfaſſungs— urkunde dem Herrn Gemeinderath wieder, der ſie mit den Worten in Empfang nahm: „Das unſchätzbare Gut, daß Sie uns ſo anmuthig rei— „chen, werden wir als Männer behaupten.“ Nachdem nun das Bürgermilitär ſich wieder in Ordnung aufgeſtellt, und wohl der größte Theil der Einwohnerſchaft ſich in feierlicher Stille verſammelt hatten, bielt Advokat Torrent vom Balkon herab, unter dem ſchön bekränzten „ Bilde des verewigten Großherzogs Karl die Rede, welche wir in vollſtändigem Auszuge mittheilen: Der Redner nahm im Eingange die Nachſicht der Zuhörer in Anſpruch, da er erſt am vorigen Tage die ehrenvolle Einladung erhalten habe und fuhr dann fort: Die Veranlaſſung der heutigen Feier iſt bekannt. — Sie wiſſen, daß unſere Staatsverfaſſung mit dem heutigen Tage ihr fünfundzwanzigſtes Lebensjahr zurücklegte. Sie kennen die hohe Bedeutung — den unermeßlichen Einfluß einer Staatsverfaſſung auf das öffentliche und bürgerliche Leben, auf das Wohl und Weh der Völker. Die Jahrbücher der Geſchichte ſprechen zu laut — und die Erinnerungen an die Umwälzungen der franzöſiſchen Revolution — den Sturz des deutſchen Reiches und die Umgeſtaltung aller deutſchen Staaten und öffentlichen Verhältniſſe leben noch zu friſch in unſerem Gedächtniſſe, als daß wir mit träger Ruhe und verächtlicher Gleichgültigkeit und Mißachtung unſerer ſelbſt, dem Gang der Begebenheiten müßig zuſchauen könnten. Und was für einen wichtigern einflußreichern Gegenſtand giebt es wohl für einen denkenden Bürger, als die Grund— verfaſſung des Staates, dem er angehört? Dieſe iſt ja nichts anderes, als der in Worten ausgeſprochene Geiſt der Ration; der Jubegriff der Volksüberzeugungen über die Rechte, Freiheiten und Pflichten der Bürger, ſo wie der Regierungen. Die Verfaſſungsurkunde eines Staates iſt der zum Geſetz geheiligte Ausſpruch der zum Selbſtbewußtſein gekommenen öffentlichen Meinung. Je klarer, je bewußter ſich die öffentliche Meinung über die Grundbedingungen eines freien bürgerlichen Lebens iſt, deſto unzweideutiger und beſtimmter müſſen die Ausſprüche in der Verfaſſungsurkunde ſein. Den beſten Beweis dafür haben wir in unſerer eigenen. — Es iſt aber heute nicht der Tag zu tadeln — oder den Schmerz über das noch Entbehrte auszuſprechen. — Wir wollen Gott für das danken, was wir beſitzen, und ſeiner weiſen und gütigen Vorſehung die Zukunft anvertrauen. Laßt uns aber vor allem auf die 5 Ereigniſſe zurückblicken, welchen wir ſelbſt die Exiſtenz des Staates, ſo wie unſere Verfaſſung zu verdanken haben. Die Vergleichung des Ehemals mit dem Jetzt lehrt uns am beſten die Gegenwart ſchätzen. Deutſchland zeigte gegen das Ende des vorigen Jahr— hunderts das traurigſte Bild eines Volkslebens. Der Sinn für Freiheit und Selbſtſtändigkeit — der unſere Väter bis ins fünfzehnte Jahrhundert beſeelt hatte — war unter dem eiſernen Druck und dem unſäglichen Elende des dreißigjäh— rigen und der folgenden Kriege, ſo wie der vielen innern Fehden und gegenſeitigen Verwüſtungen der einheimiſchen Fürſten und Stände erſtorben. Die Stände der einzelnen Länder, urſprünglich die Reprä— ſentanten aller Freien, waren zu Vertheidigern einzelner bevorrechteter Klaſſen herabgeſunken; in den meiſten Ländern waren ſie ſpurlos verſchwunden; es lebte kaum noch eine Erinnerung an ſie. — Die Fürſten forderten von Jahr zu Jahr mehr, nahmen wo ſie bekamen. Adel und Geiſtlichkeit wehrten ſich gegen die immer zudringlicheren Anforderungen und ſuchten alle Laſten auf die Städte und Bauern zu wälzen. Die Städte halfen ſich dadurch, daß ſie allen Handel und Gewerbe an ſich riſſen, und ſo kam es, daß die größten Gutsbeſitzer, der hohe und mittlere Adel und die Geiſtlichkeit frei blieben; auf den Bauern dagegen, die zu dem noch durch hundert andere perſönliche Frobnden gedrückt und an ihren Geburtsort gebannt waren, alle öffentlichen Laſten ruhten. Kein Geſetz, keine Behörde ſchützte gegen Willkür, Unge— rechtigkeit und Bedrückung. Der Zuſtand der deutſchen Unter— thanen war rechtlos. Im Reich ſuchten die größern Fürſten auf Unkoſten der andern ſich zu vergrößern; die kleinern Herrn, die Städte dachten blos auf ihre Erhaltung. Es war aller Gemeingeiſt, aller Sinn für die Ehre und Unabhängigkeit der Nation erloſchen. So war es denn kein Wunder, daß das deutſche Reich dem Andrang der von Freiheit und Vaterlandsliebe begeiſterten Legionen der neuen fränkiſchen Republik erlag, * daß es unter den Füßen der ſieggewohnten Heerſchaaren des großen Kriegherrſchers Napoleon zertrümmerte. Der Redner ſchilderte nun die Hauptbegebenheiten der Rheinbundeszeit, die Aufrufe der Fürſten an die Völker zur Rettung der Throne und des Vaterlandes, den Sieg des Volkes über die Fremdherrſchaft, die Grundſätze der heiligen Allianz, die Vorgänge auf dem Wiener Congreß, die Ent— ſtehung der Bundesakte und fuhr fort: Unter den wenigen Artikeln, welche in dieſer Urkunde den Erinnerungen an die großen und blutigen Opfer der Nation und den ihr dafür gemachten Verheißungen gewidmet ſind, iſt der Artikel 13 der wichtigſte, welcher beſagt: „In allen Bundes— ſtaaten ſollen landſtändiſche Verfaſſungen ſein.“ Die deutſchen Völker erwarteten, daß die Monarchen, wie über den freier Handel und Wandel, auch über die Nationalfreiheiten und Rechte der einzelnen Staaten gemeinſame, gleichlautende Urkunden erlaſſen würden. Aber die Zeiten der Gefahr und Noth waren vorüber. Man that in jedem Lande, was man mochte oder ſo viel man mußte. Nur der verewigte Groß— herzog Karl von Baden machte hierin eine glänzende Aus— nahme. Unſer Staat hatte feine Entſtehung durch die franzöſiſche Kriegsmacht erhalten. Das Großherzogthum hatte aus Achtung für den weiſen und unvergeßlichen Karl Friedrich den Umfang und die jetzigen Grenzen durch Napoleon erhalten. Es mußte Einheit in die Regierung und Verwaltung gebracht werden. Der äußere Organismus des Staates konnte aber blos Einheit der Form, nicht Einheit des Lebens — keine Einheit der Seele der Staatseinwohuner erzeugen. Die Verwirklichung des Artikels 13 der Bundesakte, die Verfaſſung, ſollte die verſchiedenartigen Ländertheile und ihre Bewohner mit einem geiſtigen Bande umſchlingen, ſollte Allen, den Einen das angeſtammte, den Andern das neue Regenten— haus lieb' und theuer machen. Die Entwürfe wurden ausge— arbeitet, berathen, aber mancherlei Hinderniſſe, am meiſten die Mißſtimmung der mächtigeren Monarchien über die ſich immer mehr kund gebende öffentliche Meinung und ihre — 289 — Aengſtlichkeit vor allem erwachenden Volksgeiſt, verzögerte die Ausführung. Aber andere Ereigniſſe drängten; endlich am 22. Auguſt 1818 unterzeichnete Großherzog Karl in Griesbach, wohin er ſich zu ſeiner Erholung begeben hatte, die Verfaſſungsurkunde in der Geſtalt, in der wir ſie wieder beſitzen. Die Verfaſſungsurkunde iſt gleichſam das Teſtament des verewigten Großherzogs Karl an ſein Volk. Kein Regent hat wohl feinen Unterthanen einen ſchönern, einen ſegensreichern Nachlaß vermacht, keiner hat mit ſo wohlwollender Meinung, mit ſo menſchenfreundlicher Güte des Herzens, mit ſo lichter, einfacher und durchdringender Weisheit die Regierung des Staats geordnet. Hören wir ſelbſt ſeine Worte und die wichtigſten Sätze der Urkunde. (Hier wurden die Einleitung und die Abſchnitte 2 und 4 der Verfaſſungsurkunde verleſen.) Die Verfaſſungs— Urkunde für Baden enthält zwar nicht jene bekannte Erklärung der Menſchenrechte, welche die nordamerikaniſchen Freiſtaaten der ihrigen vorausgehen laſſen; aber ſie hat alle die Grund— ſätze geheiligt, welche die Erfahrung von Jahrtauſenden als die erſten Grundbedingungen eines wohlgeordneten Staats— lebens aufſtellt. Der wichtigſte Beſtandtheil unſerer Verfaſſung iſt die Volksvertretung in den Landſtänden. Gegründet auf den Grundſatz allgemeiner Volksvertretung und verſehen mit weſentlichen, die Dauer der Staatsverfaſſung und die Zweck- und Geſetzmäßigkeit der Staatsverwaltung ſichernden Rechten, aber weder eine Mitregentſchaft noch eine Ausgeburt der Anarchie; nicht der Regierung feindſelig gegenüber ſtehend, ſondern mit ihr ein gemeinſchaftliches Intereſſe verfolgend, die Rechte und Macht des Regenten und ſeines Hauſes nicht weniger achtend und erhaltend, als diejenigen des Volkes, verſtärken und ſichern die Landſtände die rechtliche Kraft der Staatsregierung, die öffentliche Ruhe, die Erhaltung und das Fortſchreiten der Geſittung. In der Volksrepräſentation ſoll ſich der geſammte Culturzuſtand des Volkes, mit allen davon abhängenden Rechtsbegriffen und 13 — 290 — Bedürfniſſen darſtellen. Als wahrer Landesvertreter an der Seite des Fürſten, als Wächter der Regierung, ihrer geſetz— gebenden und vollziehenden Macht, beſonders der Finanz— gewalt, als volksthümliches Bildungsmittel, erhöht fie das Glück der Nation. Als Vermittler zwiſchen Regierung und dem Volk, erleichtert ſie jener das ſchwere Amt des Regierens, dieſem die Pflichten des Gehorſams. Sie wacht gegen Miß— brauch der Regentengewalt durch Staatsdiener, gewährt dem Staatshaushalt eine heilſame Durchſichtigkeit, ſichert wider Gefahren, in welche den einen Theil Verſuchung zur Willkür und Unterdrückung, oder Mißleitung ſeiner Räthe, den andern der aus dem Gefühl gezwungener politiſcher Unmün— digkeit hervorgehende Unmuth leicht ſtürzen könnten, entwickelt einen edlen und treuen Volksgeiſt, weckt den Sinn für Opfer zum Beſten des Ganzen, und iſt unter ſchwierigen Umſtänden die ſicherſte Stütze des Staates, ſonach wahres Staats- und Zeitbedürfniß. Durch die Volksvertretung wird die Staatsverfaſſung fähig, fortwährend das Beſſere, welches fortſchreitende Einſicht und Erfahrung darbieten, und das Neue, welches veränderte Verhältniſſe gebieten, aufzunehmen, alſo die Gegenwart mit der Vorzeit auszugleichen, damit nicht das Staatsgebäude in dem Lauf der Zeit veralte, und endlich zuſammen falle. Sie iſt ein Organ, durch welches die Nation ihre Stimme ver— faſſungsmäßig für Gemeinwohl vernehmen laſſen kann und muß; ſie verſchafft der Regierung die nothwendige Gelegen— heit, Worte der Wahrheit zu vernehmen. In Form und Handlung trägt ſie das Gepräge des allgemeinen Willens, iſt nicht blos berathend, auch nicht Stellvertreter nur eines Theils, eines Staates oder einer Klaſſe der Staatsbürger, und eben ſo wenig Deckmantel eines Krypto-Ariſtokratismus, zur Anhäu— fung und Bewahrung ſtaatszweckwidriger Auszeichnungen, Befreiungen und Vorrechte. Denn ungerecht wäre eine Kapi— tulation des Regenten, mit einer Klaſſe von Unterthanen, wodurch die andern Klaſſen und das Wohl des Ganzen beein— trächtgt würden. 2 So find Wahrheit und Staatswohl, ihre redliche und ruhige Erforſchung, die einzige ächte Seite des Repräſentativ— Syſtems, und eine Regierung mit Repräſentativ-Verfaſſung iſt ſicher, fortwährend auf der Höhe des Jahrhunderts zu ſtehen, d. h. mit der öffentlichen Meinung nicht in gefährlichen Widerſpruch zu gerathen. Hat das Syſtem der landesſtändiſchen Verfaſſung für die Staatsverwalter einige Unbequemlichkeit, ſo wird dieſe reich— lich dadurch vergütet, daß durch verfaſſungsmäßige Einwirkung der Landſtände, die Verwaltung eine volksthümliche Sicherheit erlangt, daß Miniſter-Deſpotismus nicht beſtehen, daß nicht leicht ein Untauglicher, Verſchwenderiſcher, Unwiſſender, Talentloſer auf dem Miniſterſtuhl ſich erhalten, daß Keiner auf ſolchem die eiſerne Ruthe der Willkür handhaben kann; daß Talent und perſönliche Würdigkeit Einzelner durch den natürlichen Mechanismus der Verfaſſung in die Höhe gehoben werden; daß, weit entfernt, die Perſon des Regenten zu einem Schattenbild herabzuwürdigen, ihr vielmehr ein höherer Grad von Heiligkeit und Unverletzbarkeit gewährt wird, als zu erreichen wäre, wenn dieſelbe der Gefahr oder dem Ver— dacht blos geſtellt wäre, nach eigener oder fremder Willkür zu herrſchen. Während der öffentliche Unwille nur auf die Miniſter und ihre Gehülfen fällt, bleiben in einem etwa daraus entſtehenden Sturm der Monarch und die Monarchie unerſchüttert. So iſt die ſtellvertretende Staatsform eine Inſtitution, die das Volk wider den Mißbrauch der Staatsgewalt ſchirmt, den Monarchen über den Kampf der Parteien ſtellt, während ſie ihm zu gleicher Zeit Unterthanen ſichert, die im Stande und bereit ſind, ſeinen Thron zu vertheidigen. So bildet die Volksvertretung eine der feſteſten Stützen des Thrones, ein feſtes Gewölbe, von welchem der Monarch, der allein weder ſelbſt der Staat iſt, noch ſein kann, als Schlußſtein des Staatsgebäudes, nothwendig, ſicher und erhaben über alles getragen wird. f 19 Der wichtigſte Beſtandtheil einer freien Verfaſſung, die Landſtandſchaft, iſt unſerer Verfaſſungsurkunde, wie wir gehört, einverleibt, und zwar durch die Unbeſchränktheit des Wahl— rechts auf einer breiteren Baſis als irgendwo in Deutſchland. Wenn auch noch manche Stützpunkte des ſchönen Gebäudes fehlen, die Grundbedingung des öffentlichen Lebens, des Ge— deihens, der Nationalwohlfahrt, die unverfälſchte Volksreprä— we und durch ſie die Stimme der öffentlichen Meinung, d. h. der bewegenden und leitenden Ideen der Zeitgenoſſen, der Ueberzeugungen der großen Mehrzahl der e in allen Volksklaſſen, iſt darin aufgenommen. Wenn der gerechte, milde, — der weiſe und freiheitath⸗ mende Geiſt, der unſere Verfaſſung durchweht, in uns lebt, — und wenn wir bewußt ſind und würdig der Bürgerehre, ſo wird es uns möglich, durch die Wahl unſerer Abgeordneten bei der Regierung zu beurkunden, daß wir Gefühl für fe liche Freiheit und Rechtsgleichheit und Eigenthum haben, wird uns möglich darüber zu wachen, daß kein 5 mit uns ſpiele, daß keine Polizei-, keine Militärgewalt das lebhafte Bewußtſein unſerer bürgerlichen, unſerer von Gott verliehenen Freiheit ſtöre. Es wird uns möglich zu verhüten, daß nicht übertriebenes Formelſpiel oder Verordnungsſucht alle eigene freie Kraft zum Handeln und Selbſtdenken erſticke; es wird uns möglich zu ſehen, ob wirklich nur perſönliche Würdigkeit, nur anerkannte Tugend, Verdienſt, Sachkunde, Talent und Erfahrung die einzigen Beſtimmungsgründe ſein werden bei der Wahl der Staatsdiener und der Räthe der Krone. Durch unſere freigewählten Abgeordneten wird es uns möglich darauf zu halten, daß nur ein gerechtes Abgaben— ſyſtem befolgt, daß die Staatseinkünfte gewiſſenhaft verwendet werden. Durch unſere Landſtände, durch das Recht der Bitt— und Beſchwerdeſchriften können wir über die Verwaltung der Beamten wachen, und ſie der Verantwortung überliefern, können wir vernunftgemäße Preßfreiheit, Unabhängigkeit der Gerichtshöfe, unparteiiſche, unverzögerliche Rechtspflege, mildes, die Freiheit der Perſonen ſicherndes Verfahren in — 293 — peinlichen Sachen verlangen. Doch die Menge der Geſetze, die ſeit dem Jahr 1819 bis jetzt alle zur Sicherung und Befeſtigung der perſönlichen und bürgerlichen Freiheit, zur Befreiung des Eigenthums von den unzähligen Laſten, und zur beſſern und zweckmäßigern Staats- und Finanzverwaltung, alle unter Mitwirkung der Landſtände erlaſſen wurden, ver— kündet lauter das Lob der Verfaſſung und die Wohlthätigkeit des landſtändiſchen Inſtituts, als alle meine Worte es ver— möchten. Darum Dank und Ehrfurcht dem beiligen Andenken des Gründers dieſes herrlichen Werkes. — Heil den Manen des Fürſten, der nicht als ein Gnadenwort, oder als ein Zu— geſtändniß des Augenblicks, ſondern als ein für alle Zeiten verbindliches Grundgeſetz es ausſprach: daß er nicht nur für, ſondern auch mit ſeinen Unterthanen regieren wolle. Laßt uns dem weiſen Gründer unſeres Verfaſſungswerkes danken durch unſer ganzes Leben dadurch, daß wir den Geiſt der Freiheit, der Gerechtigkeit, der Billigkeit und Weisheit, der jene Urkunde durchweht, in uns aufnehmen und bewahren. Laßt uns dadurch danken, daß wir der Vervollkommnung unſeres öffentlichen und Privatlebens entgegenſchreiten, zu der uns durch das Staatsgrundgeſetz die Bahn geöffnet iſt. Laßt uns auch danken der gütigen Vorſehung Gottes, die uns unter dem Scepter des Herrſcherhauſes vereinte, welches allen andern vorangegangen iſt, als ein leuchtendes Beiſpiel fürſtlicher und bürgerlicher Tugenden! Laßt uns aber auch hoffen, daß wir nicht nur unſer Vater— land und unſere Verfaſſung erhalten, ſondern daß auch die heiligen Grundſätze, die in unſerem Staatsgeſetz wie der Hauch himmliſcher Gerechtigkeit athmen, überall im deutſchen Reiche zur Anerkennung und Geltung kommen, und überall den Samen der Freiheit ausſtreuen werden, auf daß wir Deutſche uns alle als Brüder umarmen und als Söhne einer gemeinſamen Mutter unſer Vaterland lieben. — 294 — Und laßt uns endlich hoffen, daß wir unſer liebes Deutſch— land einſt als Freiort des Menſchenrechts und der Rechts— gleichheit der Staatsbürger verehren können. Und ſo glaube ich meinen Vortrag nicht beſſer zu ſchließen als mit dem Wunſch: Es möge recht bald die Zeit kommen, in welcher alle deutſche Völkerſchaften, im Beſitz gleicher Nationalfreiheiten und Verfaſſungsrechte, wie wir, einſtimmen in unſern Ruf: Hoch lebe im Andenken der Gründer unſerer Staatsver— faſſung. Hoch lebe im Andenken Großherzog Kart! Die ganze Verſammlung ſtimmte am Schluſſe in das dreifache Hoch ein; eine Salve der Böller und des Bürger— militärs erfolgte, und unter Begleitung der Muſik entfernte ſich die Menge. Mittags 1 Uhr vereinigte ein fröhliches Gaſtmahl im ſchön geſchmückten, mit der Büſte des Großherzogs Karl, den Bildniſſen des regierenden Großherzogs und der großherzog— lichen Familie gezierten Saale im Gaſthaus zum Reſbſtock, eine Geſellſchaft von mehr als 90 Perſonen zur heitern Feier des Tages. Der erſte Toaſt wurde von Herrn Oberamtmann Dreier ausgebracht mit folgenden Worten: „Meine Herren! Sie haben heute durch den Feſtredner vernommen, wie durch die franzöſiſche Revolution und durch die Kriegsmacht Napoleon's alle europäiſchen Staatsverhält— niſſe einen Umſturz erlitten, wie nach der Niederlage des Letztern, nach dem Pariſer Frieden am 30. Mai 1814, die Monarchen und Fürſten auf dem Congreß zu Wien die Geſtal— tung der neuen Ordnung übernahmen, und wie insbeſondere durch die Bundesakte vom 8. Juni 1815, die öffentlichen Verhältniſſe Deutſchlands geordnet wurden, wie der Groß— herzog Karl von Baden durch den Beitritt zum Bunde in der Acceſſionsurkunde vom 16. Juli 1815, die Rechte und Ver— pflichtungen eines Bundesfürſten übernahm. Meine Herren! Ste wiſſen, wie Großherzog Karl durch Unterzeichnung der Verfaſſungsurkunde am 22. Auguſt 1818, dem Artikel 13 der Bundesakte und ſeinem, ſchon im Jahr 1816 dem badiſchen Volke gegebenen Worte, nachkam. Meine Herren! Sie kennen die hohe Bedeutung und Wichtigkeit unſerer ſtändiſchen Verfaſſung; Sie kennen die das Recht der Unterthanen, ſo wie die Rechte des Regenten regelnden Sätze jener Urkunde; Sie ſind überzeugt von der, Gerechtigkeit und Menſchenfreundlichkeit athmenden Geſinnung, die unſere Verfaſſung durchweht. Sie ſind überzeugt von den unermeßlich wohlthätigen Folgen, die wir in ſo vielen Geſetzen unſerer Verfaſſung zu verdanken haben. Aber eben darum, meine Herren, weil Sie dieſes wiſſen, müſſen Sie durchdrungen ſein wie ich, von den Gefühlen der Hochachtung, Verehrung und Dankbarkeit gegen den groß— müthigen Regenten, der dieſes köſtliche Geſchenk mit ſo wohl— wollendem Herzen ſeinem Volke verlieh. Meine Herren! Sie müſſen bei der Erinnerung an alles dies begeiſtert werden von den Gefühlen der Dankbarkeit und Verehrung, und darum rufe ich mit Ihnen Allen aus voller Seele: Hoch lebe in unſerem Andenken der Großherzog Karl!“ Hierauf erfolgte ein Toaſt von Herrn Amtmann Leiber auf den regierenden Großherzog, als Nachfolger Karl Fried— rich's und Karls, als den Bewahrer und Schirmer der von Karl uns verliehenen Verfaſſung, als den von uns Allen verehrten und geliebten Regenten. Der dritte galt der Ver— faſſung, von Herrn Gemeinderath Bauer. Ein ſpäterer Herrn Oberamtmann Dreier und den anweſenden Staats— dienern, die durch ihre freundliche Theilnahme ebenfalls ihre Anhänglichkeit an das, dem Volke fo unſchätzbare Gut, beur— kunden, und durch ihr Wirken in ihrem Amte ſo viel zur Einigkeit und gegenſeitigem Vertrauen beitragen. Auf die Stadt Waldshut als conſtitutionelle Stadt, ihre Vorſteher, die Feſtredner, folgten in kurzen Zwiſchenräumen Toaſte, welche wie die erſteren mit herzlichem Jubel auf— genommen, und von der in einer ſchönen Laube beim Gaſthof bewirtheten Bürgermilitärmuſik, und dem vielfach wider: hallenden Donner der Böller, begrüßt wurden. Ein Toaſt auf den Feſtredner erhielt folgende Erwie— derung: „Meine Herren! Ich bin ſo überraſcht worden von der mir heute doppelt erwieſenen Ehre, daß ich kaum Worte finde, Ihnen meinen Dank auszudrücken. Meine Herren! Ich weiß Ihnen nicht beſſer zu danken, als durch das Geſtändniß, daß man mich nach kaum zwei— jährigem Aufenthalte mit dem Vertrauen beehrte, den politi— ſchen Grundſätzen und Geſinnungen der Waldshuter Bürger— ſchaft bei dem heutigen Feſte den Ausdruck zu verleihen; ſtolz darauf, daß ich, wie ich eben durch Ihre ehrenvolle Aus— zeichnung vernommen, die Sympathien und Gefühle der hie— ſigen Einwohnerſchaft getroffen habe. Ja meine Herren, ich ſchmeichle mir, daß ich heute nur Ihre eigenen Anſichten und Gefühle ausgeſprochen habe. Denn das, was ich geſagt, ſind eben ſo wenig ſervile Schmeicheleien, als übertriebene Freiheitsſchwindeleien; es ſind Grundſätze und Ueberzeugungen, die jedem rechtlichen Gelehrten die Studien der Geſchichte und Staatswiſſenſchaften, und die jedem einiger— maßen denkenden Bürger das Gefühl für Recht und Ehre, für feine perſönliche Selbſtſtändigkeit und Würde einhauchen müſſen. Ja, meine Herren, das Gefühl der Selbſtſtändigkeit, welches in eines Jeden Bruſt lebt, nämlich dies, daß jeder Menſch jedwedem Audern ſowohl, als einem ganzen Staate gegenüber, ſelbſtſtändig, mit eignen, unzerſtörbaren Rechten gegenüber ſteht; das Gefühl der urſprünglichen Gleichheit unſerer Anſprüche und Rechte an's Leben, welches Gott in unſre Seele gegraben hat, dies Gefühl iſt die Quelle und Baſis ſowohl unſerer perſönlichen, als unſerer Nationalfrei— heit. Wo dies Gefühl der urſprünglichen Freiheit und Gleich— heit in einem Volke nicht lebt, da gibt es auch keinen Sinn für Freiheit und Recht, für Ehre und Ruhm der Nation, da kann auch keine freiſinnige Verfaſſung erblühen. — 297 — Sie aber, meine Mitbürger, haben von jeher durch die Wahl ihrer Abgeordneten, und heute durch die Feier des 25. Geburtstages unſeres Staatsgrundgeſetzes beurkundet, daß Sie die Volksfreiheiten und Rechte zu ſchätzen und zu würdigen wiſſen. Sie haben insbeſondere durch Ihre letzte Wahl bewieſen, wie ſehr Sie darauf ſehen und halten, daß auch die Verfaſſungsurkunde, der Inbegriff unſerer Volksrechte unangetaſtet in Kraft erhalten, und immer mehr befeſtigt werde. Meine Herren, Sie wiſſen auch aus Erfahrung, daß je köſtlicher ein Gut, deſto reizender für ungerechte Angriffe es iſt. — Es iſt Ihnen aber auch bekannt, meine Herren, daß ein geiſtiges Band, nämlich die Idee für die Freiheit, Selbſtſtändigkeit und Wohlfahrt aller deutſchen Völkerſchaften, die Idee der Einheit der deutſchen Nation, alle deutſchen Männer umfaßt und daß dieſe große Sache in der Bruſt aller Deutſchen Wortführer und Vertheidiger finde. — Sie wiſſen endlich, meine Herren, daß jeder Kampf ſeine Helden hat, und Sie fühlen, daß die Kämpfer und Helden für eine große Sache, unſere Anerkennung, unſere Dankbar— keit, unſere Aufmunterung verdienen. Meine Herren! Die erſten Kämpfer und Helden für unſere große Sache, für die Freiheit und Wohlfahrt aller deutſchen Völkerſchaften, für die Freiheit und Einheit, für die Selbſtſtändigkeit, für den Ruhm und die Größe der deutſchen Nation, ſind vor allen die freigewählten Volksabgeordneten in allen Gauen des Vaterlandes: in Baden, Würtemberg, Baiern, Sachſen und Heſſen, Hannover und Preußen; die Helden unſerer Sache, der wir heute huldigen, ſind die wahren und ächten Volksrepräſentanten von ganz Deutſchland, und darum leben dieſe ächten Volksrepräſentanten, die Kämpfer für die deutſche Freiheit hoch! Dieſer Toaſt rief einen andern auf den Abgeordneten v. Itzſtein als Veteran der badiſchen zweiten Kammer, als Neſtor, als älteſter Anführer der Mehrheit der zweiten badi— ſchen Kammer, hervor. . Endlich machte ſich die ganze Verſammlung auf den Vorſchlag eines Theilnehmenden auf, und zog unter dem klingenden Spiel der Muſik durch die Stadt nach dem Schützen— hauſe, wo das Scheibenſchießen, Tanzmuſik im Freien auf einem dazu erbauten Gerüſte, und mehrere andere Spiele, dem Volke zur Beluſtigung Gelegenheit boten. Abends 9 Uhr endlich vereinigte ein Ball beinahe die ganze Einwohnerſchaft zur fröhlichſten Geſelligkeit, bis gegen den kommenden Morgen. Die Austheilung der Verfaſſungsurkunden unter die Schul— jugend mußte unterbleiben, weil die nöthige Anzahl nicht ange— kommen war. — Die Schulkinder wurden aber von einigen Bürgern der Stadt in einer Laube bewirthet, damit auch für ſie der 22. Auguſt ein Tag der Fröhlichkeit und heiterer Erinnerung ſei. Jeder ging mit der Ueberzeugung nach Hauſe, daß, wenn das Feſt anderwärts mit großartigeren, und prachtvolleren Anſtalten begangen, es doch nirgends mit mehr wahrer innerer Herzlichkeit, allgemeinerer und aufrichtigerer Wärme gefeiert wurde, und allenthalben hört man auch nur eine Stimme, daß ſeit Menſchengedenken in Waldshut noch keine Feierlichkeit ſo allgemein, ſo herzlich und heiter geweſen ſei. Die hier beſchriebenen Feſte ſind nicht die einzigen im Oberrheinkreiſe geweſen; davon konnte ſich überzeugen, wer am Vorabend an einem Punkte ftand, von wo man den Kai— ſerſtuhl und den Schwarzwald erblickt, und wer die Freuden— feuer zählte, die auf den Firſten und Höhen loderten. Kandern und Säckingen, St. Blaſien und Thiengen, Waldkirch, Staufen, Hornberg, Kenzingen und Endingen und noch viele Orte begingen mit mehr oder weniger Feierlich— keiten den wichtigen Tag. Doch ſind uns, außer der Angabe, daß es geſchehen, keine nähern Berichte zugekommen. Fünfte Abtheilung. Verfaſſungsfeier im Seekreis. I. Villingen und Unterkürnach. Auf den Grund des veröffentlichten Programms hatten folgende Feierlichkeiten ſtatt: J. Am Vorabend. Um 5 Uhr Geläute mit allen Glocken im Pfarrmünſter. Um 7 Uhr Zapfenſtreich der Bürgermilitärmuſik. Gegen 9 Uhr wurden die nach den vier Himmelsgegenden auf den böchften Punkten der Gemarkung Villingens veranſtalteten Freudenfeuer angezündet, die ſofort hochauflodernd der Ferne unſere Vorempfindungen für den künftigen Tag verkündeten. Weithin verbreitete, namentlich in ſchönem Farbenglanze, das auf der öſtlichen Seite der Stadt angebrachte bengaliſche Feuer hellen Glanz in einen glänzenden Stern ſich bildend. Während der Dauer dieſer Freudenzeichen donnerten die Böller von den verſchiedenen Anhöhen über die Stadt hin, indeß auch die große Glocke in ihrem majeſtätiſchen Tone ſich ver— nehmen ließ, und ernſt die hohe Bedeutung des folgenden Feſtes beurkundete, was insbeſondere auf alle Anweſenden einen ſehr tiefen Eindruck machte. II. Am Feſttage ſelbſt ertönten gleich nach Tagesanbruch 25 Böllerſchüſſe, die das Alter der Verfaſſung und damit ihren Uebergang zur männ— lichen Kraft bezeugten. Hierauf Tagreveille der Muſik der bürgerlichen Cavallerie, und bald darauf jene des Infanteriecorps. — 302 — Auf den Ruf der großen Glocke verſammelte man ſich Vormittags 9 Uhr in der ehevorigen St. Georger-Stifts— nunmehrigen Schulhauskirche, von wo ſofort der Feſtzug durch die Joſephsgaſſe in die obere Straße über den Marktplatz, die Riethſtraße, durch die Gaſſe am Kaufhaus und über den Münſterplatz in die Pfarrkirche ſich bewegte, in folgender Ordnung: 1) Voraus ein Feſtordner zu Pferd, die große Fahne mit 4) 6) 70 110 12) den Hausfarben tragend. — Dieſem folgte Die Militärmuſik mit klingendem Spiel, und ſolcher ſich anſchließend die bürgerliche Infanterie, Die dahier wohnenden und aus dem Amtsbezirke ange— kommenen Veteranen, denen ein Führer voran und in ihrer Mitte der Träger ihrer Fahne mit den Landes— farben ging, Die Schüler und Schülerinnen der höheren Volksſchulen mit ihren Lehrern, ſämmtliche Eichenlaub auf dem Haupte tragend, von zwei Feſtordnern angeführt, und die eigene Fahne voran tragend, Das Cavalleriecorps mit ſeiner Muſik, Der Träger der Hauptfahne in Landesfarben, Der Träger der Verfaſſungsurkunde, dieſe in rothem Saffian eingebunden und auf einem rothen Sammt— kiſſen ruhend. Zur Linken und Rechten zwei Feſtordner mit Fahnen, und zwei Mitglieder des Feſtcomité, Die übrigen Mitglieder des Feſteomité nebſt den an— weſenden Wahlmännern, Alle übrigen Theilnehmer des Feſtzuges, und zwar zunächſt die großherzogl. Beamten und Honoratioren bieſiger Stadt ꝛc., dann zwei Feſtordner mit Fahnen und dieſen folgend, die Bürger mit ihren 9 Zunftfahnen, Zwei Feſtordner und nach dieſen das weitere, theils hieſige, theils fremde, den Zug begleitende Publikum. Zum Schluſſe zwei Feſtordner. — 303 — (Der Zug mochte über eintauſend Menſchen in ſich gefaßt haben.) Der Verfaſſungsträger war mit einer ſeidenen, die Feſt— ordner mit wollenen Schärpen in den Hausfarben geziert. Eine bedeutende Anzahl Bewohner aus Kürnach kamen auf Feſtwagen zur Anwohnung bei den Feierlichkeiten dahier an. Der erſte, mit grünem Reiſig verzierte und mit zwei Fahnen geſchmückte Feſtwagen war von der Schuljugend, und der eigenen türkiſchen Muſik beſetzt. — Alle Angekommenen reihten ſich, nachdem ſie die Wagen verlaſſen hatten, in der feſtgeſtellten Ordnung in den Zug. Angekommen in der Pfarrmünſterkirche, wurde die Ver— faffungsurfunde in der Mitte des Chorbogens auf einen eigends hiezu hergerichteten Altar niedergelegt, jo daß fie bereits dem ganzen Publikum ſichtbar war. Nun wurde der feierliche Gottesdienſt durch ein levitirtes Hochamt abgehalten; nach deſſen Beendigung ein Te Deum ftattfand, und nach welchem der Feſtzug, in der nämlichen Ordnung wie er angekommen war, durch die Riethſtraße und Schulgaſſe wieder in die Schulkirche ſich zurückbegab. An den Stufen des Hochaltars ſtellten ſich hier im Kreiſe die Mitglieder des Geſangvereins auf — etwas mehr vor— wärts befand ſich die Bühne für den Feſtredner, wozu der Abgeordnete unſeres V. Wahlbezirfes, Herr Anwalt Welte in Engen, eigends durch das Feſteomité erwählt worden und hierher gebeten war, und deſſen Erſcheinen dem Feſte eine höhere Weihe verlieh. Im Chor der Kirche waren ferner die Platze für das Feſtcomité und die Feſtordner beſtimmt. In der Mitte der— ſelben, unmittelbar vor der Tribüne des Feſtordners ſtund der Tiſch, auf dem die Verfaſſungsurkunde niedergelegt wurde. Der weitere Raum des Chors ward von den Großher— zoglichen Staatsdienern und den Honoratioren beſetzt, das Langhaus und die Gallerien der Kirche aber den übrigen Theilnehmern des Zuges und dem in großer Menge herbei⸗ geſtrömten Publikum überlaſſen. — 304 — Nachdem Alles Platz genommen hatte, wurde von dem Geſangverein ein eigends auf die Verfaſſung gedichtetes Lied vorgetragen. Dieſem folgte die Feſtrede “), an deren Schluß ein drei— maliges donnerndes Hoch! — auf das Andenken des Groß— herzogs Karl, des Stifters der Verfaſſung — die hallenden Räume des Tempels erfüllte. — Hierauf die Verleſung des Eingangs der Verfaſſungsur— kunde und der Abſchnitte II. und IV. derſelben. Bald darauf trug der Geſangverein das „deutſche Lied“ von Kalliwoda vor, während welchem der anweſenden Schul— jugend die Verfaſſungs-Urkunde in 400 Exemplaren vertheilt wurde. Hiemit ſchloß die vormittägige Feier dieſes in der badi— ſchen Geſchichte ewig fortlebenden hochwichtigen Feſttages; und ſicher bleibt der Eindruck, den dieſelbe hervorgebracht, nicht ohne die weſentlichſten Folgen für unſer künftiges Staatsleben! Mittags 1 Uhr war das beſtimmte Feſteſſen im Gaſthaus zur Sonne (Poſt). Einhundert ſechs und achtzig Perſonen hatten ſich eingefunden, worunter namentlich auswärtige Wahl— männer, die Veteranen und die Feſtgäſte aus Kürnach ſich befanden. Eine mit einem Eichenlaubkranz geſchmückte Büſte des Großherzogs Karl zierte den Saal. — Schon beim Beginne des Eſſens ſah man in jedes einzelnen Blick Heiter— keit und Frohſinn. Von dem Feſteomité waren vier Trinkſprüche feſtgeſetzt. Der erſte, von Hrn. Bürgermeiſter Wittum dem Andenken des Großherzogs Karl, dem Stifter der Verfaſſung ausge— bracht, lautet: Als es den unerhörten Anſtrengungen der Völker Deutſch— lands nach langem blutigen Kampfe gelungen war, die heilige Erde des Vaterlandes von dem ſchweren Tritte des fremden Eroberers zu befreien und die wankenden Throne ſeiner *) In deren Beſitz wir leider nicht gekommen find. 5 — 305 — Fürſten, um die ſie ſich mit aufopfernder Liebe und Treue geſchaart, wieder zu befeſtigen, da verſprachen die Fürſten e ihre Völker durch Einführung . Verfaſſungen zu lohnen. Unter den erſten derſelben, die ihr gegebenes Fürſtenwort erfüllten, ſteht unſer verewigter Großherzog Karl! Kurz vor ſeinem Hinſcheiden in jene beſſere Welt, von wo er heute mit verklärtem Blicke das Freudenfeſt ſeines dankbaren Volkes wahrnimmt, gab er ihm die verſprochene Verfaſſungs urkunde. Dort in dem Bade Griesbach, wo heute tauſendſtimmiger Jubel ertönt, unterſchrieb der edle Fürſt vor 25 Jahren den Freiheitsbrief, womit er das badiſche Volk in die Reihen der mündigen Völker einführte, den Freiheitsbrief, dem daſſelbe die hohe Stufe der Intelligenz, auf welcher es ſteht, die materielle Wohlfahrt, die es genießt, und die Achtung, welche ihm alle cultivirten Nationen zollen, vorzugsweiſe verdankt. Ueberall in unſerm Vaterlande werden deßhalb aber auch heute die Gefühle der Dankbarkeit gegen den hohen Geber dieſes unſchätzbaren Gutes laut; überall wird ſeiner mit Liebe und Verehrung gedacht. — Auch wir kennen den hohen Werth unſerer Verfaſſung; auch wir verehren in ihr das Palladium der bürgerlichen Freiheit, die Grundbedingung zur freieren Entwicklung der geiſtigen und materiellen Intereſſen, daher ſind auch unſere Herzen mit Dank gegen den edlen Geber unſerer Verfaſſung, den verewigten Großherzog Karl erfüllt; dieſem Dankgefühle Worte zu geben, bin ich aufge— fordert. Ich bringe daher dem Andenken dieſes edlen hochherzigen Fürſten, der ſein gegebenes Fürſtenwort treu erfüllte, und ſich dadurch ein Denkmal ſetzte, dauernder als Erz, ein drei— faches Hoch! Den zweiten Toaſt brachte Hr. Karl Hoffmann, prakt. Arzt, — der Verfaſſung, wie folgt: 20 — 306 — Verehrte Mitbürger! deutſche Männer! Wenn dereinſt ein fränkiſcher Eroberer im ſtolzen Bewußt. ſein ſeiner Macht in unſerm großen, durch Einzelintereſſen in ein buntes Staatenheer grauſam verſplitterten Deutſchland mit einem Federzuge bereits tauſendjährige Inſtitutionen und Dynaſtien vernichtete — weil dieſelben theils in ſelbſtſüchtigen, die National-Einheit und das allgemeine Wohl des Vater— landes verletzenden Planen, theils in verſteckter, zur gerechten Strafe in ſich ſelbſt abſterbender Anhänglichkeit an das rein hiſtoriſche Recht — es verſchmähten, aus der friſch ſprudeln— den Quelle des fortſchreitenden Zeitgeiſtes verjüngende Lebens. kräfte und Lebensſäfte zu trinken, — ſo hat unſer Karl in treuer Erfüllung eines heiligen Fürſtenwortes durch die Ver— faſſung ein großes, — bei gewiſſenhafter Pflege die Keime unendlicher Entwicklung in ſich tragendes bürgerliches Reich in den Herzen aller Badener gegründet; er hat durch die Verfaſſung eine Macht geſchaffen, deren Größe und Feſtig— keit nicht nach der Zahl todter Bajonnette und Kanonen zu meſſen iſt, — deren Größe und Feſtigkeit auf der lebendigen Geſinnungstüchtigkeit, auf der thaträftigen und aufopfernden Liebe eines freien und wackern Bürgerthums beruhen. Durch die Verfaſſung ſind wir aus der Klaſſe will— kürlich — oder nach Zufall beherrſchter Unterthanen erhoben worden, auf die edlere Stufe mündiger Bürger, dazu berufen, an dem Geſchäfte der Regierung, an der Ver— beſſerung unſerer ſtaatsgeſellſchaftlichen Verhältniſſe, ſelbſt berathenden und thätigen Antheil durch eine würdige Volks— vertretung zu nehmen. Durch die Verfaſſung hat die Stimme der Günſtlinge und der durch Geburt, durch eigene oder fremde Verdienſte Bevorzugten das ausſchließliche Privilegium verloren, die wahren oder entſtellten Wünſche des Volkes nach Belieben vor die Stufen des Thrones zu bringen. — Durch die freie Wahl ſeiner Abgeordneten hat das Volk eine mächtige Stimme erlangt, welche, — wenn anders daſſelbe ſeine Rechte verſteht und übt — ſtets in aufrichtiger und treuberziger — 307 — Sprache dem Fürſten ſagt, wie der Puls der Zeit gehe; was die Bedürfniſſe des Volkes und des gemeinſamen größern Vaterlandes erheiſchen. Der Verfaſſung, deren heilige Urkunde ich beim heu— tigen Feſte zu tragen die Ehre hatte, und welche ich meinem Herzen und Geiſte zur ſorgfältigen Aufbewahrung übergeben babe, dem Evangelium der Volksrechte, dem Pfande der Eintracht zwiſchen Regierung und Regier— ten, der Bürgſchaft des Gedeihens von Freiheit und Gemeinwohl bringe ich aus dem innerſten Grunde meiner vaterländiſchen Geſinnungen ein, gewiß jedem Bade— ner und ſo Gott will! — jedem Deutſchen willkommenes Lebehoch!!! Den dritten Toaſt brachte Hr. Altbürgermeiſter Vetter, in folgenden Worten: Meine Herren! Auch mir iſt die Ehre zu Theil geworden ein Hoch aus— zubringen. Sr. königl. Hoheit dem Großherzog Leopold gilt der von mir zu bringende Trinkſpruch. — Meine Herren! Ich bitte um Ihre Nachſicht und beginne: Zur Begründung und Beleuchtung meines Trinkſpruches iſt es unausweichlich nöthig, daß ich demſelben die Schatten— ſtriche voranſchicke, die deſſen von mir beabſichtigte conſtitu— tionelle Weihe erſt faßlich und gründlich hervorzubringen im Stande ſind. Mit Freimuth zwar werde ich ſprechen, nakte — den Vaterlandsfreund betrübende Wahrheiten werde ich berühren — doch ohne all und jede Verletzung des Anſtandes und der Ordnung. Meine Herren! Fürchten Sie ſich nicht! Ohne Ausnahme werden am Ende Alle mit mir einverſtanden ſein, Alle werden mir beiſtimmen! —— Tief geſunken war in Baden das conſtitutionelle Leben vom Jahre 1823-1830. [Entweiht war unſer Heiligthum im Jahre 1825. Karl der Unvergeßliche hat in Erfüllung ſeines, ſeinem Volke gegebenen Fürſtenworts dem Lande eine Verfaſſung 20 — 308 — geſchaffen, die durch Freiſinnigkeit vor andern ſich hervorthat; — Karl gab die Verfaſſung in einer Zeit, die ſie uns erſt recht werthvoll macht; er gab ſie als ſeine letzte, dem Wohle ſeiner treuen Badener geweihte Willensmeinung. Karl gab die Verfaſſung kurz vor ſeinem allzufrühen Hinſcheiden in ein beſſeres Jenſeits; — als ſein heiliges Teſtament. — Wohl mag Karls Scharfblick das Trübe der nächſten Zukunft erforſcht gehabt und er darum geeilt haben, ſein großes Werk noch zu vollenden — ahnend oder fürchtend, das höchſte Gut möchte nach ſeinem Tode feinem treuen Volke ſobald nicht oder verkümmert nur zu Theil werden, darum Lob, Preis und Dank ihm dem Unvergeßlichen. Karl hat ſich am 22. Auguſt 1818 ſeinen Denkſtein geſetzt, er wird fortdauern, jo lang es eine Geſchichte giebt. — Meine Herren! Unſere Verfaſſung, wie ſie aus der Hand ihres Schöpfers hervorgegangen, enthielt ſehr weſentliche, die Freiheit des Volkes beabſichtigende Beſtimmungen. Sie hatte namentlich feſtgeſetzt die theilweiſen Erneuerungen der Kam— mern durch periodiſchen Austritt der Abgeordneten, und zwar ſollten die Abgeordneten des grundherrlichen Adels alle vier Jahre zur Hälfte, die Abgeordneten der Städte und Aemter alle 2 Jahre zu einem Viertel ſich erneuern. — Höchſt bedeu— tungsvoll fagt die Verfaſſung mit trocknen Worten im 46. $° „Alle zwei Jahre muß eine Ständeverſammlung ſtatt finden“ und in §. 54. „Das Auflagegeſetz wird in der Regel alle zwei Jahre gegeben.“ — Nur durch drei Landtagsperioden ſollte unſere Verfaſſung, das Palladium der Freiheit des Volkes, unverkümmert bleiben! — Denn ſchon am vierten Landtage fing man an derſelben zu rütteln, ſie zu ſchwächen an; auszumerzen von ihr die ausgedehntere Theilnahme des Volkes an der Geſetzgebung durch öfters wiederkehrende Wahl ſeiner Vertreter, auszu— merzen von ihr die Freiheit des Volkes, die ihm Karl ſo liebreich gegeben hat! Dem in keiner Weiſe aus der freien Wahl des Volkes hervorgegangenen [wohl aber durch freche Wahlbeherrſchung — — 309 — Meine Herren! glauben Sie einem Augen- und Ohrenzeugen — zu Stand gebrachten] Landtage von 1825, zunachſt der gefälligen zweiten Kammer brachte die Regierung einen Ge— ſetzesvorſchlag ein, welcher beſtimmt war, die obberührten, dem Lande heilig gewordenen Sätze zu vernichten. Jetzt ſollte die Wahl der Abgeordneten auf 6 Jahre wirkſam ſein, nach 6 Jahren ſollte die ganze Kammer abtreten, eine neue gewählt werden; alle drei Jahre ſollte ein Landtag ſein, alle drei Jahre ein Auflagengeſetz erſcheinen. — Mit Recht erhob gegen ſolch einen Vorſchlag ſich die Oppoſition. Aber vergebens machte ſie auf die Gefahren aufmerkſam, der man durch ſo frühzeitige Abänderungen die ganze Verfaſſung ausſetze, dieſe Oppoſition war zu ſchwach — ſie hatte 57 Gegner! Dieſe Kammer nun nahm, — wie vorauszuſehen war, — in ihrer Majorität gegen drei Stimmen den Vorſchlag an, [das unheilvolle] Syſtem wurde zum Beſchluſſe erhoben, die erſte Kammer ſtimmte bei und alsbald ward das Geſetz pronunzirt. So wurde die Verfaſſung in ihren Grundpfeilern erſchüt— tert, und durch dieſen Akt preis gegeben weiterer Unterwürfig— keit der Kammern — der Laune eines künftigen — möglicher— weiſe inkonſtitutionellen Miniſteriums! Allgemein im Lande war die Trauer ob des verkümmerten Gutes. Sechs Jahre, meine Herren, dauerte dieſer betrübte Zuſtand. Aber die Vorſehung wachte, ſie waltete und beſchloß. Am 30. März 1830 ging ein Stern unter, und über uns ſtieg eine Sonne auf, „die befruchtend ſendete ihre Strahlen in alle Gauen unſers theuren Vaterlandes.“ Großherzog Leopold trat die Regierung an! Nicht weit entfernt war der Landtag für das Jahr 1831. Dies gab Sr. königl. Hoheit dem durchlauchtigſten Großherzog das erwünſchte Feld, zu zeigen, wie er es wahrhaft gut, wahr— haft edel meine mit ſeinem Volke. Zu Ende des Jahres 1830 wurden die Vorbereitungen getroffen, die Wahlen der Abgeord— neten im ganzen Lande angeordnet, den Beamten alles Ernſtes unterſagt, auf dieſelben einzuwirken. Ein regeres Leben hatte — a ſich früher in Baden nicht kund gegeben — mit hohem Eifer wurden die Wahlen betrieben, ohne alle Störung vollendet. [Die beiden] Miniſter [v. Berckheim und v. Derftett] tra— ten vor Einberufung der Stände ab. Das Vaterland — ganz Deutſchland — ja das Ausland war geſpannt, — denn eine aus der freien Wahl des freien Volkes gewählte Kammer trat aus der großen Urne, — dem geläuterten Sinne der Bürger hervor! Der Eröffnungstag erſchien. Die von Sr. königl. Hoheit, dem noch jugendlichen Großherzog, gehaltene Eröffnungs- rede berechtigte zu den ſchönſten Hoffnungen. Unter andern ſprach Se. königl. Hoheit die bedeutungsvollen Worte: „Getreu meinem Fürſtenworte werde ich die Verfaſſung „wahrhaft beachten und beachten laſſen.“ Geſtützt auf ſolch fürſtliche Zuſage, ergriff alsbald in einer der erſten Sitzungen ein ergrautes Glied der 2. Kammer die Gelegenheit, die Wiederherſtellung der Verfaſſung in Antrag zu bringen. Bei vollzählig verſammelter Kammer wurde derſelbe von 60 gegen 2 Stimmen angenommen. Auch in der erſten Kammer fand er viele und lebhafte Unterſtützung. Die großh. Regierung erkannte mit allem Rechte, in ſol— cher Uebereinſtimmung den lauten Wunſch der Badener, ihr aus der Hand Karls empfangenes Erbtheil unverſehrt wieder zu erhalten, ſie ſtimmte bei! S. K. H., feſthaltend an dem Grundſatze ſeines glorreichen Vaters: daß des Fürſten Wohl von dem Wohl ſeines Volkes unzertrennlich ſei, gewann die Erkenntniß, daß die geſchehenen Abänderungen unpaſſend, ſchäd lich und höchſt beeinträchtigend für das Wirken der Kammern und des Volkes ſeien. — Nach einigen Tagen ſchon erſchien das höchſten Orts ſanctionirte Geſetz. Alles Volk jubelte, — neue Kraft, neuer Schwung war eingetreten in unſer Staatsleben. Alle Stammes-Ver— wandten deutſcher Brüder freuten ſich mit uns. Verſchwunden waren die unglücksſchweren Auswüchſe — geheilt die tiefen — 311 — Wunden, die der Landtag 1825 unſerm höchſten Gute geſchla— gen hatte. Meine Herren! Dies Alles verdanken wir der Weisheit und Gerechtigkeit des durchlauchtigſten Großherzogs, ſeiner Liebe zu ſeinem treuen Volke. — Darum, meine Herren! ſowie zuvor dem Schöpfer der Verfaſſung, ſo jetzt dem Wiederherſteller derſelben Preis, Lob und Dank! Meine Herren! Unſer durchlauchtigſter Großherzog Leo— pold, der Wiederherſteller der Verfaſſung lebe hoch!!! Der vierte Toaſt, ausgebracht von Herrn Rathſchreiber Gerlacher, lautet: Meine Herren! Von dem zur Anordnung der heutigen Feſtlichkeit erwählten Comité bin ich mit einem Trinkſpruche auf die hohe zweite landſtändiſche Kammer vom Jahre 1831 beauftragt. Dieſer ehrenvolle Auftrag bietet mir in ferner Erfüllung ein erfreuliches Feld dar. Meine Herren! der zweiten Kammer von 1831 gingen drei wichtige — ja ſehr wichtige Momente voran: 1) die Kammer von 1828, 2) der Tod des Großherzogs Ludwig, 3) die Thronbeſteigung Sr. königl. Hoheit des jetzt regie— renden Großherzogs Leopold! Dieſe drei Ereigniſſe waren ganz geeignet, der zweiten Kammer von 1831 einen glanzvollen Wirkungskreis zu ver— heißen, und namentlich war vorauszuſehen, daß jetzt eine freie — aus dem unverkümmerten Volkswillen her— vorgegangene Abgeordnetenkammer auftreten werde, um mit den Räthen des Fürſten zu berathen über des Landes Wohl und Weh. Zwei Miniſter legten noch vor Einberufung der Stände ihre Stellen nieder. Meine Herren! dies haben Sie ſchon von dem Sprecher vor mir gehört. Doch ich ſage es noch einmal! denn dieſer Moment war viel verheiß end für Badens Zukunft, zunächſt aber für den Zuſammentritt und das Wirken der Kammern von 1831. en Ein an die Beamten des Landes ergangenes Schreiben der großherzogl. Regierung hatte ihnen alle Einwirkung auf die Wahlen unterſagt. Weil am Landtage von 1825 die Verfaſſung abgeändert worden war, ſo mußte eine ganz neue Wahl in allen Bezir— ken ſtattfinden, was das glückliche Reſultat herbeiführte, daß bereits alle Mitglieder der Majorität der ruhmwürdigen zweiten Kammer von 1822 und nur noch fünf Mitglieder der Kammern von 1825 und 1828 gewählt worden ſind, worunter gerade auch jene drei“) Ehrenmänner, die am Landtage 1825 für die Heilighaltung der Verfaſſung jo ritterlich kämpften. Dieſes Wahlreſultat zeigte klar, was der freie geſunde und unbeherrſchte Volkswille vermag; ja es zeigte ſelbes jedenfalls, daß die Kammern von 1825 und 1828 nicht im Sinne des Volkes gehandelt hatten. Meine Herren! Die Eröffnungsrede Sr. Königl. Hoheit des Großherzogs Leopold war eine vertrauensvolle; die Wahlen der Abgeordneten waren nach dem Wunſche des Volkes. — Mit innigem Vertrauen trat die Regierung der Kammer, die Kammer der Regierung entgegen. Und dieſes Vertrauen, das Beide in einander ſetzten, beruhte nicht auf blindem Gehorſam der Abgeordneten, ſondern auf der beiderſeitigen Ueberzeugung, daß man ſein Vertrauen Würdigen geſchenkt habe, die auch das Vertrauen des Volkes zu verdienen, ſich alles Ernſtes beſtreben werden. Der Landtag lieferte, wie man von ihm erwartet hat, ſo bedeutende Ergebniſſe, daß er von ganz Deutſchland, ja man darf wohl ſagen — von Europa in ſeinem Wirken mit Bewunderung verfolgt wurde, denn er war ein wahrhaft europäiſches Ereigniß. Seine Reſultate befriedigten gei— ſtige und materielle Intereſſen. Dreizehn der allerwich— tigſten Geſetze kamen zu Stande, darunter das Geſetz über ) Vohrenvach, Duttlinger, Grimm. — 313 — die Rechte der Gemeindebürger und Erwerbung des Bürger— rechts, die Gemeindeordnung, wie kein deutſcher Staat ſie aufzuweiſen hat. f Ferner wurden vorgetragen ſehr wichtige Motionen, unter denen die bedeutungsvollſten jene über die Ablöſung des Zehntens und Vervollſtändigung des Geſetzes über Miniſter— verantwortlichkeit. Sechszehn hundert Petitionen erhielten ihre Erledigung, während im Jahr 1828 das Volk zu ver— ſtummen ſchien. Das Allerwichtigſte aber, meine Herren! war, daß der Landtag auf den Autrag eines ehrenwerthen Mitgliedes der zweiten Kammer ſchon in den erſten Wochen ſeines Beſtehens die verkümmerte — verletzte — ja untergrabene Verfaſſung durch Wiederherſtellung der §§. 38 und 46 in ihrer urſprüng— lichen Bedeutung wieder zu erhalten, ſich ſo kräftig beeiferte, und ſein Beſtreben auch zur Wirklichkeit geworden iſt, daß er hiedurch namentlich bewirkte, daß jetzt wieder alle zwei Jahre, ftatt früher alle drei Jahre, ein Landtag ſtattfindet; daß jetzt alle zwei Jahre, ſtatt früher alle drei Jahre, ein Auflagengeſetz vorgelegt werden muß u. ſ. w.; daß alſo überhaupt die Einwirkung des Volks wieder um ein Drittel erweitert wurde. Meine Herren! Der durchlauchtigſte Großherzog Leopold hat durch ſeine fürſtliche Sanktion die Verfaſſung wieder hergeſtellt, und wird darum mit allem Rechte der Wie— derherſteller der Verfaſſung genannt. Die zweite Kammer von 1831 aber hat die Wiederher— ſtellung der Verfaſſung beantragt; aus ihr alſo iſt die Wurzel für den nun wieder kräftig gewordenen Stamm entſproſſen. Dieſe zweite Kammer hatte überhaupt einen allgemeinen Charakter, von dem der zu früh heimgegangene Karl von Rotteck ſagt: ö „Aus der freien Wahl für 1831 ging eine Reprä— „ſentanten-Kammer hervor, wie ſie bis dahin noch „nirgends erſchienen, d. h. eine in Grundſätzen, — 314 — „Richtungen und Begehren ſo einige Kammer, wie die „Geſchichte des conſtitutionellen Lebens in Deutſchland „noch keine aufweiſt.“ Meine Herren! Viele dieſer Wackern ſind noch am Leben, manche befinden ſich jetzt noch in der zweiten Kammer und kämpfen ſtets ruhmwürdig für die heiligen Rechte des Volkes. Die zweite Kammer von 1831, der wir die wiedergegebene urſprüngliche Reinheit unſerer Verfaſſung und ſo vieles andere verdanken — möge ihr Geiſt nie verſiegen, ſondern ſtets ſich verjüngen für jeden kommenden Landtag, möge er kräftiger noch eindringen und tief in das Volk, und immer mehr und mehr ſich dort verbreiten und feſtſetzen — die zweite Kammer von 1831 lebe hoch! Während ſpäter die ganze Geſellſchaft heiter, munter und froh ſich unterhielt, trug der Geſangverein folgende Lieder vor: 1) den Sängerkreis, — 2) das Vaterland von Nägeli, — 3) die Eintracht. Vorzugsweiſe wurde die Geſellſchaft ergötzt durch die von Herrn Bürgermeiſter Wittum vorgetragenen Lieder, „das deutſche Vaterland“ von Arndt, und „Wo wir ſitzen, da iſt gut.“ Ein alter Krieger, der hieſige Herr Hauptlehrer Scherle, der die Feldzüge vom Jahre 1813, 1814 und 1815 mitge— macht hatte, und darum auch mit der Felddienſtaus zeichnung dekorirt iſt, meldete ſich bei dem Feſtceomité zu einem weitern Trinkſpruch, der dem ganzen deutſchen Volke gelten ſollte, und den er ſofort vortrug, wie folgt: Meine Herren! Wir erinnern uns heute mit Dankgefühl an zwei edle Fürſten, den ſeligen Großherzog Karl, der vor einem Vier— teljahrhundert unſere Verfaſſung ins Leben rief, und an unſern erhabenen Großherzog Leopold, Beſchützer unſerer Verfaſſung. Es wurde von verehrlichen Mitgliedern, die vor mir ſprachen, der hohe Werth unſerer Verfaſſung und deren Früchte, die ſie in unſerm Vaterlande ſchon getragen, mit Kraft und — 315 — Wärme dargelegt. Als ehemaliger Krieger erlaube ich mir, jenen feierlichen Augenblick nebſt den weitern merkwürdigen Umſtänden zu bezeichnen, wo alle landſtändiſche Verfaſſungen auf Deutſchlands Boden Wurzel faßten. Denken wir uns alle jene hochgeſtellten Männer aller Klaſſen, welche freiwillig die glänzendſten Verhältniſſe verließen und den Degen zur Rettung Deutſchlands ergriffen; kurz, machen wir Rückerinnerungen an die Kraft des geſammten deutſchen Volkes, welches 1813 bis 1815 für Deutſchlands Ehre und Freiheit kämpfte. Ohne jene Kraftvereinigung würden wir wahrſcheinlich kein Deutſch— land mehr haben; denn der damalige bekannte Eroberer wußte es in ſeiner Politik dahin zu bringen, daß alle Staaten Deutſchlands nach ſeinem eiſernen unbeugſamen Willen regiert werden ſollten. Wer half da ab? — Das vereinte kern— hafte deutſche Volk war es, welches Deutſchlands Boden von fremden Kriegsheeren ſäuberte. Dieſe Säuberung mußte noth— wendig vorausgehen, wenn der edle Same des konſtitutionellen Lebens auf Deutſchlands Boden wurzeln und gedeihen ſollte. Solches geſchah mit ungeheurer Kraftanſtrengung und mit unzähligen Opfern vom Volke. Die Fürſten bewunderten die Kraftanſtrengung des Volkes und deſſen Ausdauer; ſie ſahen die Blutſtröme; und hier auf dem Schlachtfelde, unter dem Donner vieler tauſend Feuerſchlünde, die ganz Deutſchland erſchütterten, — hier im ſchwarzen Pulverdampfe von Leichen— Hügeln umgeben, gaben die Fürſten dem Volke das heilige Verſprechen, ihm von jetzt an alle ſeine gebührenden Freiheiten und Rechte wieder einzuräumen, welches ſie früher bei dem beſten Willen nicht konnten und nicht durften. — Dieſes auf dem Schlachtfeld dem Volke gegebene Verſprechen wurde auf dem erſten Congreſſe auch als erſtes Grundgeſetz niedergeſchrieben und bald auch ins Leben gerufen. Von jener Zeit, von jenem Befreiungskriege haben alle landſtändiſchen Verfaſſungen auf Deutſchlands Boden ihren Urſprung. Wir genießen in unſerm ſchönen Vaterlande die Frucht eines konſtitutionellen Lebens, mehr als viele andere Staaten. Aber nicht alle Kämpfer um dieſes hohe Völkergut hatten das Glück, auch Früchte — 316 — von ihrem edlen Kämpfen zu genießen. Viele Tauſende fanden in jenem heiligen Befreiungskriege den Heldentod, deren Andenken in ganz Deutſchland von Zeit zu Zeit, namentlich von alten Kriegern, gefeiert wird. Die herzliche Theilnahme des Volkes und aller hohen Behörden zur Verherrlichung jener Gedächtnißtage beweiſt, daß alle Stände den ächten Sinn jener Veteranenfeſte mit der heutigen hohen Feier zu verbinden wiſſen. Möge unſere Verfaſſung ſofort auf friedlichem Wege zwiſchen Fürſt und Volk in Bälde ganz zu ihrer Vollkom— menheit heranreifen, dann wird der zweite Jubiläumstag, der 22. Auguſt nach Verfluß von 25 Jahren, wieder ein Tag der Freude, ja ein Tag geſteigerter Freude ſein. Meine Herren! Sie werden mit mir gerne in ein freu— diges Hoch einſtimmen, wenn ich ſage: Das ganze deutſche Volk, unter weſſen Form und Name, iſt gleichviel, welches zur Begründung des konſtitutionellen Le— bens auf Deutſchlands Boden einwirkte und noch einwirkt, lebe hoch! In der Zeit, da obige Toaſte ſtattfanden, ſpielte die hieſige Militärmuſik und jene von Unterkürnach vor dem Gaſt— hauſe. Die beiden Bürgermilitärcorps gaben ihre Salven, welche durch jeweilige Böllerſchüſſe begleitet wurden. Gekrönt wurde die Feſtesfeier durch die herrliche Beleuch— tung unſers in Mitte der Stadt und im Mittelpunkte der in gerader Richtung fie durchkreuzenden vier Hauptſtraßen ſtehen— den Marktbrunnens. In eine etliche 40 Fuß über dem Waſſerſpiegel umge— wandelte, in gothiſchem Style hergeſtellte, achteckige Feſtſäule ſchimmerte derſelbe mit ſeinen 1200 theils farbigen, theils einfach im Feuer glänzenden Lampen bis an die äußerſten Enden des Kreuzes. Zwei Basreliefs an der öſtlich und weſtlichen Seite des Fußes waren angebracht. Sie ſtellten die wohlgelungenen Bildniſſe des Großherzogs Karl und des Großherzogs Leopold vor; auf der nördlichen Seite ſah man die aufgelegte Verfaſſungsurkunde in Mitten eines Lorbeerkranzes; anf der ſüdlichen Seite ſtund der Wahlſpruch eines im fernen Auslande ſich befindenden großherzoglichen Regierungsbeamten, Abgeordneten der zweiten Kammer und wackern Vertreter der Volksrechte, lautend wie folgt: „Das Erwachen des Volkes zum Bewußtſein ſeiner Rechte iſt die Morgenröthe der wahren Freiheit.“ Manche, die noch nicht wußten, was Verfaſſung heiße, was es ſei, einem conſtitutionellen Staate anzugehören, ſind erwacht am 22. Auguſt 1843 aus ihrem Schlummer. Dieſer Tag wird goldne Früchte tragen. Zum Schlnſſe gab das hieſige Cavaleriecorps, alle vier Hauptſtraßen durchziehend, einen Contremarſch mit Beleuch— tung — eine Vorſtellung, die allgemeinen Anklang fand. Mögen unſere Enkel der Wiederkehr eines ſolchen Tages, nemlich des 22. Auguſt 1868, in ungetrübter Rube des ganzen deutſchen Vaterlandes entgegengehen. Aus Unterkürnach erhielten wir folgenden Bericht: Die Gemeinde Unter-Kürnach ſteht faſt in keinem Verkehr mit andern Orten und der Außenwelt; dennoch regt ſich immer mehr Wißbegiede und Streben nach Beſſerm, wozu der bei Ferdinand Förderer erſcheinende, und ziemlich allgemein geleſene „Schwarzwälder“, ſo wie die Oberrheiniſche Zeitung“ nebſt einigen andern Blättern nicht zu verkennenden Vorſchub leiſten; hierdurch kam nun in jede Hütte die angenehme Kunde, mit welchem Eifer Vorbereitungen getroffen werden, in allen Theilen unſeres Vaterlandes, von den Ufern des Main's bis an die Geſtade des Bodenſee's die Jubelfeier der Verfaſſung am 22. Auguſt würdig zu feiern. Von der Wichtigkeit dieſes Gegenſtandes durchdrungen — zugleich aber auch durch örtliche Verhältniſſe von der Unmög— lichkeit überzeugt, eine dem Feſte entſprechende Feier zu berei— ten — unternahmen es mehrere Verfaſſungsfreunde, bloß eine Vorfeier des wichtigen Tages auf den Abend des 21. Auguſt zu veranſtalten, am Morgen aber in einem wohlgeordneten Zuge ſich nach Villingen zu begeben, wohin ſie mit einer Einladung beehrt waren, um an den dort ſtatthabenden Feſtlichkeiten Theil — 318 — zu nehmen. Zu dieſem Zwecke wurde hier folgende Feierlichkeit, und zwar nicht in geſchloſſenen Räumen, ſondern nach alter deutſcher Sitte unter Gottes heiterm Himmel in fröhlicher Weiſe ausgeführt, wodurch zugleich eine für die hieſige Ge— meinde nicht unintereſſante geſchichtliche Bedeutung anſchaulich gemacht werden ſoll. Um 6 Uhr Abends verſammelte ſich die Schuljugend, feſt— lich geſchmückt, in dem Schulhauſe. Der daſelbſt geordnete Zug war folgender: Voran die Landesfahne, hernach türkiſche Muſik, dann die Verfaſſungsurkunde in 50 Exemplaren, getra— gen von einem Mädchen, über welchem von zwei andern ein Triumphbogen von Eichenlaub und Blumen getragen wurde, ſofort ſämmtliche Madchen und dann ein Knabe mit dem Bild— niſſe des Großherzogs Karl, über welchem ebenfalls ein Triumphbogen, durch zwei Knaben getragen, denen die übrige männliche Jugend, und endlich viele Perſonen aus allen Klaſſen des Alters und Geſchlechts folgten. Dieſer Zug bewegte ſich um halb 7 Uhr unter dem Ge— läute der Glocken um die Kirche, woſelbſt mehrere Muſikſtücke ausgeführt wurden, dann durch die Roggenbacher Gaſſe und den Eichacker Weg hinan auf die herrliche Höhe der Fohren, von wo aus man unſer freundliches Thal Unter- und Ober— Kürnach mit all' ſeinen Seitenthälern und Zinken, angefüllt mit vielen Wohnungen und Höfen bis an ſeine Krone, den Keſſelberg, überſchaut. Hier war eine 50 Fuß hohe Pyramide errichtet, um die ſich vorgedachter Zug, bei 400 Menſchen, verſammelte. Unter heiterem Himmel wurden die für das Volk wichtigſten Para— graphen der Verfaſſungsurkunde vorgeleſen; ſodann hielt der geſchätzte Herr W. eine dem hochwichtigen Gegenſtande ent— ſprechende Rede, die mit großer Aufmerkſamkeit vernommen wurde; beſonders tiefen Eindruck machte derjenige Theil der— ſelben, wordurch anſchaulich gemacht wurden all' die traurigen Folgen des politiſchen und religibſen Schlummers und die Ver— irrungen, wodurch ein benachbartes, kriegsluſtiges und erober— ungsſüchtiges Volk nicht nur unſere blühende Thäler verwüſtete, — 319 — jondern das ganze herrliche Deutſchland wie eine ägyptiſche Plage 20 Jahre hindurch verheerte, bis endlich durch des mächtigſten Eroberers Geiſel die deutſche Nation für ihre Sorgloſigkeit gezüchtiget am Grabesrande durch Gottes weiſe Fügung neues Leben aufathmete. In dieſem traurigen Zuſtande, nachdem Ströme von Blut gefloſſen waren, verhießen die deutſchen Fürſten ihren Völkern landſtändiſche Verfaſſungen. Jetzt ward der deutſche Boden bald von dem fremden Unrath gereinigt, und für eine beſſere Zukunft reif. Dann war Großherzog Karl einer der erſten Fürſten, welcher noch kurz vor ſeinem Tode das verheißene heilige Fürſtenwort erfüllte und mit zitternder Hand zu Gries— bach am 22. Auguſt vor einem Vierteljahrhundert unſere Landesverfaſſung unterſchrieb, wie ein wohlmeinender Vater, welcher beim Hingange in die unbekannte Welt ſeinen Kin— dern das Beſte wünſcht und ſie ſegnet. Im freudigen Hochgefühle wurde dieſes ſo theuer errungene Gut hingenommen. Aber wie Alles Neue den Verſuchungen und Gefahren ausgeſetzt iſt, ſo konnte auch dieſe Verfaſſung unter mancherlei Verkümmerungen über ein Jahrzehnt nicht die in ihr keimenden, ſegensreichen Früchte tragen. Erſt beim Regierungsantritt des guten Großherzogs Leo— pold, welcher der Verfaſſung die urſprüngliche Geſtalt wieder verlieh, gingen aus den freien Wahlen des Volkes viele conſtitutionell geſinnte und hochbegabte Volksmänner hervor. Ungeniert konnten ſie des Volkes Wohl in den Kammern von 1831 berathen, und viele Früchte ſproßten auf, wo ſonſt auf des Landmanns ſchweißtriefendem Boden viele drückende Laſten waren, die jetzt beinahe alle abgeſchafft ſind. Mehr Rechts— gleichheit wurde in die Geſetzgebung gebracht. Der Arme, ſowie der Reiche haben ſich deſſen Schutz zu erfreuen; jeder kann bei der Regierung an der Berathung der Gegenſtände ſeines Uebels oder Wohls durch die von ihm ausgegangenen Deputirten Antheil nehmen. Jeder hat durch die Verfaſſung gleiche Rechte. Darum laßt uns der Verfaſſung uns erfreuen, und deren 25jährigen Erinnerungstag mit Luſt und Wonne feiern; — 320 — den Geber dieſes nicht genug zu ſchätzenden Guts, Großherzog Karl aber in dankbarem Andenken verehren. Während der Redner ſo ſprach, tauchte die ſtille Nacht hernieder — und ſiehe da — auf einmal lodern auf der Berge Höhen fünf mächtige Feuer auf, wovon unſere Pyramide, indeſſen entzündet, den Anfang machte. In fünf entſprechenden Abtheilungen zu den Feuern verkünden 83 Böllerſchüſſe den feſtlichen Vorabend, während die hochaufſteigenden Feuerflammen den ganzen Ort beleuchtend, auf die Wichtigkeit des nahenden Feſttages auf— merkſam machten. Die Feuer erſchienen in folgender Ordnung: Das erſte auf dem Punkte, der ſo eben beſchrieben worden. Das folgende auf dem Roßacker, dem erſtern gegenüber, auf einem von der Stadt Villingen als Waidentſchädigung an die Bürger in Kürnach abgetretenen Stück Felde, als Zei— chen der Ausſöhnung der ſeit dem Aten Jahrhundert zwiſchen dieſen beiden Gemeinden oft wiederkehrenden Waid— ſtreitigkeiten, welche nunmehr in Folge der aus der Verfaſſung hervorgegangenen Inſtitutionen durch friedliche Uebereinkunft gehoben ſind; weiter gegen das Schlegelthal hin, auf dem Tannenfürſt, brannten drei Feuer in der Nähe einer Schloßruine, als Erinnerung der nunmehr abgeſtreiften Laſten, welche von den, aus dem Mittelalter abſtammenden drei Rittergeſchlech— tern herrührten, die vor Jahrhunderten unſere Gemeinde mit eiſernem Drucke beherrſchten, deſſen Nachwehen erſt durch unſere Verfaſſung in den 1830 iger Jahren geheilt wurden. Und in der Mitte unſeres freundlichen Thales, auf der Grenze zwiſchen Unter- und Oberkürnach, wo ſich der Reinhardtsberg erhebt, am linken Ufer des Hohenbaches, dem Herrenwalde gegenüber, woſelbſt in grauer Vorzeit bis in's 15te Jahr— hundert nach altdeutſchem Gebrauche unter offenem Himmel jährlich zwei Gerichte gehalten wurden — hier ſtieg auf des Berges Höhe wie aus einer Feenwelt rieſenmächtig ein Feuer empor, uns gleichſam zu mahnen, welch' herrliche Sache es iſt mit einer öffentlichen Gerichtsbarkeit. — Und endlich noch weiter oben, einem der höchſten Punkte des Schwarzwaldes, auf dem Keſſelberg in Oberkürnach, wo der fernher gezogene =. Wanderer auf dieſem öden, aber hiſtoriſch gewordenen Punkt der Erde mit Staunen verweilt; indem ihm eine Fernſicht geboten iſt, wie man ſolche ſelten findet. Die ganze würtem— berger Alp, die Berge Tyrols, ſo wie die freie Schweiz mit all' ihren rieſenhaften Gebirgsmaſſen, liegen dem verwunderten Beſchauer klar vor Augen. Wendet man ſich nach Weſten, ſo bietet das herrliche Kinzingerthal eine lachende Ausſicht, weithin, bis über den Rhein zu den Franzoſen, welche hieſelbſt in den 1790er Jahren einen Telegraphen errichtet hatten, während ſie kein Haus, keine Familie, ja ſogar keinen Menſchen unſerer Gemeinde verſchonten, mit allen Drangſalen zu rui— niren, welche ſofort über ganz Deutſchland verheerend hinzogen, wie ſchon oben erwähnt. — Auf dieſem Keſſelberge nun, in froher Erinnerung, daß wir im Genuſſe eines der köſtlichſten Güter des Friedens und dauerhaft begründeten Rechtszuſtan— des uns befinden, welchen die Verfaſſung uns gewährt, erhob ſich bis in die Wolken ein majeſtätiſcher Feuerſtrom, allen den vorhin berührten Nachbarländern unſer 25jähriges Verfaſſungs— Jubiläum zu beurkunden. — Dieſe Erſcheinung wird wohl hinreichen, den Franzoſen das Gelüſte zu unterdrücken, uns in vorbenannter Weiſe künftig wieder zu beſuchen, oder uns nur den Puls zu fühlen, was ſie im Jahr 1840 zu thun die Frechheit hatten — denn die Verfaſſung erſtarkt uns immer mehr. | Während wir unter ſolchen Betrachtungen bisher unter weitem Himmel bei dem Prachtſpiele dieſer Feuerwerke und dem Donner des Geſchützes, in hundertfachem Echo der Thäler und Berge mit ihren Waldungen vervielfältigt, bis ſpät in die Nacht hinein verweilt hatten, zogen wir in der früher beſchriebenen Ordnung mit Fackelzug in das Gaſthaus zum Felſen hinab, wo der freundliche Hr. Mahler uns in ſeinem eigens zu dieſem Feſte decorirten Saale gaſtlich aufnahm. Die Mädchen wurden placirt unter die mit Eichenlaub bekränz— ten Bildniſſe der Deputirten „Vater Itzſtein“ und des großen Freiheitskämpfers „Rotteck,“ und die Knaben wur— den unter die ebenfalls bekränzten Bildniſſe der Deputirten 21 „ „Welcker, Hoffmann, Sander und Baſſermann“ ge— ſetzt. Sodann wurden die Verſaſſungsurkunden unter die Schuljugend vertheilt. *) Nach einigen auf das Gedeihen der Verfaſſung ausge— brachten Toaſten wurden mehrere Inſtrumental- und Vocal— ſtücke ausgeführt, bis man ſpät in der Nacht unter Frohſinn ſich nach Hauſe begab, um ſich am andern Tage im Rößle zu Roggenbach zum Abzug nach Villingen zu verſammeln— Schnell brach der freudenvolle Tag heran. 25 Böllerſchüſſe verkündeten die hohe Wichtigkeit deſſelben. Schnell ward der feſtlich geſchmückte, mit zwei Fahnen gezierte Wagen mit der Schuljugend angefüllt. Voraus die türkiſche Muſik, und hinter dem Wagen der Gemeinderath und noch viele andere Perſonen zogen unter dem Geläute der Glocken und Donner des Geſchützes in feſtlichem Zuge nach Villingen, woſelbſt wir ſehr ehrenhaft aufgenommen wurden, und den hohen Feſttag unter den froheſten Gefühlen in Geſellſchaft mit Villingens edlen Bewohnern zubrachten. „) Man beobachtet hier ſchon in mehreren Häuſern die mit der Oberrheiniſchen Zeitung in Prachtformat erſchienene badiſche Landes- verfaſſung eingerahmt als Zimmerverzierung; auch im Schulzimmer iſt bereits ein Exemplar neben der Rettungstafel für Scheintodte aufgehängt. II. Stühlingen und das Muttachthal. uch die Bewohner des Wuttachthales haben bewieſen, daß ſie die hohe Bedeutung des Verfaſſungsfeſtes wohl erfaßten. Schon hatten ſich mehrere Landgemeinden verabredet, das Feſt an einem geeigneten Platze im Freien gemeinſchaftlich zu feiern, als von der Amtsſtadt Stühlingen aus, wo ſich inzwi— ſchen ein Comité gebildet hatte, die Einladung zur Theil— nahme an der dortigen Feier erfolgte, der auch bereitwillig entſprochen wurde. — Am Vorabende kündigten 25 Böller— ſalven vom Schloßberge herab die bedeutungsvolle Feier an. Drei Freudenfeuer flammten auf den höchſten Punkten der Stadtgemarkung, und trugen die frohe Kunde auch über die Gränzen des Landes hinaus zu unſern Nachbarn in die Schweiz. Daſſelbe geſchah auch auf dem Lande. Von allen Seiten hörte man Glockengeläute und Böllerſchüſſe, und in endloſem Widerhall dröhnten die waldigen Berge nahe und ferne. Auf mehreren Höhen der Wuttach entlang leuchteten Freudenfeuer bis ſpät in die Nacht. Rührend war der Eifer, mit dem die männliche und weibliche Jugend eines Dorfes dem lodern— den Feuer vom Thale aus Nahrung zutrug, oben ſich um die Flamme herum reihete, vom freudigen Gefühle überwäl— tigt, das „großer Gott, Dich loben wir“ anſtimmte und Männer und Greiſe mit ihren rauhen Stimmen in den hehren Lobgeſang einfielen. Am Morgen des Feſtes wieder Glocken geläute und Geſchützesdonner in der Stadt und auf dem 21 — 324 — Lande, wo die Feier theilweiſe auch in der Frühe mit feier— lichem Gottesdienſt begangen wurde. Um 8 Uhr verſammelte man ſich auf dem ſtädtiſchen Rathhauſe, wo auch die Feſt— theilnehmer vom Lande, welche zum Theil auf Wagen mit Zweigen und Inſchriften aus der Verfaſſungsurkunde geziert, anlangten, empfangen und begrüßt wurden. Von da aus begab man ſich zu der, auf einem geräumigen Platze der Stadt errichteten, feſtlich geſchmückten Rednerbühne, wo der Bürgermeiſter die Verfaſſungsurkunde vorlas, dem verewigten Gründer derſelben ein Hoch brachte, und mehrere Hundert Exemplare der Urkunde unter das Volk vertheilte. Hierauf bewegte ſich der Feſtzug unter dem Spiele der Muſik, Böller— ſalven und dem Geläute aller Glocken gegen die Kirchen, voran die Muſik und eine Abtheilung des Bürgermilitärs, ſodann die Lehrer an der Spitze der Schulkinder, die Feſtfahne, die Verfaſſungsurkunde, getragen von dem jüngiten Bürger der Stadt und geleitet von einem Feſtführer. Hierauf folgten: Der Feſtredner in Begleitung eines Feſtführers, ſämmtliche Staatsdiener, der Bürgermeiſter der Stadt mit dem Gemeinde— rath und Bürgerausſchuſſe, die Bürgermeiſter und Gemeinde— räthe einiger Landorte, die übrigen Feſttheilnehmer, und endlich wieder eine Abtheilung des Bürgermilitärs. Von dem Rath— hauſe, Schulhauſe und einigen Bürgerhäuſern, an denen der Zug vorbei führte, wehten Fahnen in den Landesfarben, und hatte das Comité noch auf mancherlei Weiſe für Verſchöne— rung des Feſtes geſorgt. Nach dem feierlichen Gottesdienſte, der mit einem Te Deum und einem der Bedeutung des Tages entſprechenden Gebete endigte, begab man ſich in der vorigen Ordnung wieder zur Rednerbühne, wo der ſtädtiſche Geſangverein einige patriotiſche Lieder ſang. Hierauf beſtieg der Feſtredner die Bühne, und ent— wickelte in einer frei aus der Bruſt ſtrömenden, inhaltſchweren, auch dem Landvolke verſtändlichen Rede erſt die Vortheile, welche die Verfaſſung allen Ständen, insbeſondere der Gewerbe und Landwirthſchaft treibenden Klaſſe der Bürger gewährt, ſodann aber auch die Pflichten, welche dem Bürger eines u. de conſtitutionellen Staates obliegen, wobei er beſonders hervor— hob, wie zur erfolgreichen Wirkſamkeit der Landſtände, und zur Vervollkommnung unſerer verfaſſungsmäßigen Inſtitutionen eine rege Theilnahme der Bürger an den ſtändiſchen Verhand— lungen und dem öffentlichen Leben überhaupt vor Allem erfor— dert werde. Wie richtig der Redner ſeine Aufgabe begriffen, und wie trefflich er ſie gelöſt, ſprach ſich in dem Beifall und Dank aus, der ihm von allen Seiten gezollt wurde. Mauche Bürger drückten dem Redner ihre Gefühle auch perſönlich aus, und ein ſchlichter Landmann, der ihm auf dem Heim— wege begegnete, ergriff deſſen Hand, und dankte ihm noch einmal unter Thräuen für die Belehrung, die er aus der Feſtrede geſchöpft habe. Auf die Feſtrede folgte ein ſchallen— des Hoch auf die Verfaſſung, ihren Gründer und das ganze großherzogliche Haus, womit ſich die vormittägige Feier des Feſtes ſchloß. Bei dem im Poſthauſe veranſtalteten zahlreich beſetzten Feſt— mahle herrſchte die heiterſte Stimmung. Toaſte und Anreden wechſelten mit patriotiſchen Geſängen und dem Spiel der ſtädti— ſchen Muſik. Man gedachte auch hier wieder der Verfaſſung und ihres erlauchten Gründers; man trank auf das Wohl unſeres engern und größern Vaterlandes und auf Einführung verfaſſungsmäßiger Zuſtände in allen deutſchen Staaten. Beſon— dern Anklang fanden die von zwei Bürgern ausgebrachten Trinkſprüche, deren einer dem Abgeordneten unſeres Bezirks, dem gefeierten Welker, der andere in ſinniger Weiſe dem Fortſchritt und dem Gedeihen der volksthümlichen Richtung der Zeit galt. Auch den Manen jener edeln Volksfreunde, welche den jungen Baum der Verfaſſung unter den gefähr— lichſten Stürmen ſo ſtandhaft ſchirmten und pflegten, und unter unſäglichen Opfern mit unerſchütterlichem Muthe bis zum letzten Lebenshauche ausharrten im ſchweren Kampfe für die Rechte und Freiheiten des Volkes ertönte ein feierliches Hoch. Noch manch anderes Wort ward geſprochen, den Sinn für die höhern Intereſſen des Volkes, wo er noch ſchlummerte, 5 zu wecken, wo er ſich äußerte, zu kräftigen, und dem männlichen Streben das Feld ſeines Wirkens näher zu bezeichnen. Der feſtliche Tag, in ungetrübter Freude dahin geſchwunden, ſchloß mit Freiheitsliedern und ſchallendem Hoch auf das Gedeihen verfaſſungsmäßiger Zuſtände im großen deutſchen Vaterlande, vor der ſchön beleuchteten Rednerbühne. Die Anregung der Feier war von einigen jungen Bürgern der Amtsſtadt aus— gegangen, und hatte in der Stadt ſowohl, als auf dem Lande überall freudigen Anklang gefunden. Ehre den wackern Män— nern, die neben der Sorge für das Wohl ihrer Familien auch die allgemeinen Intereſſen des Vaterlandes beachteten. Dank dem Feſtcomité, deſſen umſichtige Anordnungen bei beſchränk— ten Mitteln der Feier einen Ausdruck gaben, wie ſie ihn in manchem größern Orte nicht würdiger finden konnte. Dank noch einmal dem biedern Feſtredner, deſſen Worte vom Her— zen zum Herzen drangen, und ihre Wirkung zur Belebung und Förderung ächter Vaterlandsliebe nicht verfehlen werden. Dank endlich allen Feſttheilnehmern, welche durch ihre Anweſenheit zur Verherrlichung der Feier beitrugen, und durch ihre große Anzahl den erfreulichen Beweis lieferten, daß der Sinn und die Theilnahme für die öffentlichen Angelegenheiten bereits in die Breite und Tiefe Wurzeln geſchlagen haben. So möge er denn fortan wachſen und blühen, der Baum der bürger— lichen Freiheit und Selbſtſtändigkeit, und genährt und gekräf— tiget durch die Feier des Verfaſſungsfeſtes, reichliche Früchte bringen, daß man bei der 50 jährigen Jubelfeier endlich ſagen könne: „Die Verfaſſung iſt eine Wahrheit geworden!“ Donaueſchingen, die Landſchaft Baar, Städte und Gemeinden des Schwarzwaldes, Engen. Aus den ſpärlichen Berichten, die uns zukamen, entneh— men wir, daß das Feſt beinahe in jeder einzelnen Gemeinde der Landſchaft Baar mit warmer Theilnahme gefeiert wor— den iſt. In Donaueſchingen, — wird berichtet — durchzog am Vorabend die Muſik des Bürgermilitärs die Straßen, das Geläute der Glocken, Kanonen- und Mörſerſchüſſe kün— digten die Feier des folgenden Tages an; durch die heitere Nacht brannten rings auf den Höhen unſeres Hochlandes Freudenfeuer. So auf den Höhen bei Aaſen, Haidenhofen, Sunthauſen, Bahldingen, auf dem Himmelberge, bei Oeffin— gen u. ſ. w. Einen merkwürdigen Contraſt bildete der Umſtand, daß der Wartenberg und Fürſtenberg, einſt Sitze mächtiger Dynaſtengeſchlechter, auch im Flammenglanz ihre Huldigung einem Feſte brachten, welches dem Geiſte jener Zeiten ſo fremd iſt, in welchen ſie ſtolz auf die unterworfene Landſchaft hberabblickten. — Am Feſttag ſelbſt Reveille, Militärparade, Feſtrede des Bürgermeiſters Raus, feierlicher Zug vom Rathhauſe zum Gottesdienſte, ein Feſtmahl voll Heiterkeit mit den Trinkſprüchen auf den Großherzog, die Verfaſſung und ihre Freunde und Vorkämpfer. Der Geſangverein erfreute die Verſammlung durch den Vortrag ſchöner Lieder. Die einzelnen Ortſchaften hatten „ meiſtentheils eine eigene Feier veranſtaltet; Hüfingen, wel— ches die Verfaſſungsfeier mit der Geburtsfeier des Großher— zogs vereinigen wollte, erhielt am 22. die Nachricht, daß dieſes nicht geſchehen könne, und war genöthigt, am Tage ſelbſt noch ein kleines Feſt zu improviſiren. — In Hauſenvorwald, einer kleinen Landgemeinde bei Hüfingen, wurde das Jubiläumsfeſt der Verfaſſung mit zahlreicher Theilnahme recht herzlich gefeiert. Die Bewohner hatten am Vorabend, mit Deggingen und Mundelfingen gemeinſchaftlich ein großes Feuer auf der Höhe angezündet. Nach den Toaſten, welche auf die Verfaſſung, ihren Gründer, ihren Wiederher— ſteller und die wackern Volksvertreter des badiſchen Landes in zweckmäßiger Ausführlichkeit ausgebracht wurden, gedachte man auch unter allgemeiner Zuſtimmung des Herrn Profeſſor Jordan, des muthigen Kämpfers für die ewigen Rechte der Menſchheit und ſammelte Beiträge zur Unterſtützung ſeiner unglücklichen Familie; der Ertrag wurde an Hrn. v. Itzſtein zur Weiterbeförderung eingeſendet und wiegt, als Gabe ein— facher Landleute aus ferner Gegend wohl größere Summen an innerem Werthe auf. Viele andere Waldgemeinden, ſelbſt das einſam gelegene Hubertshofen und Miſchelbrunn feierten das Landesfeſt durch Freudenfeuer und Böllerſchüſſe. In der Richtung gegen Ewa— tingen, Blomberg, Bonndorf ſah man ebenfalls mehrere Feuer. In Vöhrenbach vernahm man am Vorabend ſchon Glockengeläute und Böllerſchüſſe; auf den drei umliegenden Bergen leuchteten große Feuer; das Rathhaus und mehrere Bürgerhäuſer waren beleuchtet. Muſik und Geſang ſchloß die Vorfeier. Der Feſttag ſelbſt ward in ähnlicher Weiſe, wie in Donaueſchingen und den übrigen Orten gefeiert; ebenſo in Löffingen und Neuſtadt. — Bräunlingen blieb ſtill; bedauerliche Mißverhältniſſe in Folge von Streitigkeiten zwi— ſchen geiſtlichem und weltlichem Vorſtande ſollen hieran Schuld ſein. — 329 Ueber die Feier in Engen ſprach ſich das allgemeine Urtheil dahin aus, daß dieſer bedeutungsvolle Tag, nach Maßgabe örtlicher Verhältniſſe, wohl in keinem andern Orte des Landes feierlicher, und unter regerer Theilnahme begangen worden ſein dürfte. Nicht ohne guten Eindruck blieb die bereitwillige Theilnahme der hieſigen Beamten an dieſer für jeden Landesbewohner gleich wichtigen Feier. Am Vorabend war die Stadt beleuchtet, und an manchen Wohnungen waren Transparente mit paſſenden Inſchriften angebracht. Nach acht Uhr durchzog die Muſik des Bürgermilitärs die Hauptſtraßen des Ortes. Auf dreien der benachbarten Kegelberge loderten Freudenfeuer in die Höhe, während von denſelben herab Kanonenſchüſſe den Vorabend des Feſtes begrüßten. Mit Tagesanbruch verkündeten 25 Kanonenſchüſſe zwiſchen Glocken— geläute und dem Spielen der Militärmuſik den Beginn des Feſtes. Um 9 Uhr ſetzte ſich der wohlgeordnete Zug unter dem Geleite des Bürgermilitärs und der Muſik vom Rath— hausſaale aus, wo kurz zuvor auch die Herren Beamten ein— getroffen waren, nach der Stadtkirche in Bewegung. An die erſte Militärabtheilung ſchloſſen ſich die Mitglieder des Sän— gerchores an. Zu beiden Seiten der mit einem Blumenkranze geſchmückten Verfaſſungsurkunde, welche von dem älteſten Gemeinderathsmitgliede auf einem ſeidenen Kiffen getragen und auf den Mittelaltar der Kirche abgeſtellt wurde, gingen Mädchen mit Blumengewinden. Hierauf folgte der Feſtordner und in einer rechten und linken Reihe die Hrn. Staatsdiener und der Gemeinderath, nebſt den weitern Feſttheilnehmern. Nach beendigtem feierlichen Hochamte und dem Te Deum zwiſchen welchem Kleingewehr- nnd Kanonenſalven ertönte n begab ſich der Zug in ſelber Ordnung unter Vorantritt der Schuljugend ꝛc. auf den mit Lindenbäumen beſetzten Schran— kenplatz, wo eine Feſttribüne errichtet war. Der dringenden Feldgeſchäfte ungeachtet fand ſich dennoch eine große Zahl einheimiſcher, wie fremder Theilnehmer ein. Nach Beendi— gung der Feſtrede, in deren Verlauf der Titel II. der Ver— faſſungsurkunde von dem hieſigen Bürgermeiſter verleſen — 330 — wurde, folgten ſogleich die im Programm angezeigten Toaſte: 1) Dem ehrenden Gedächtniſſe des edlen Verfaſſungs— gründers, der in der herrlichſten Walhalla Deutſchlands, — in den dankbaren Herzen ſeines Volkes — fortleben wird. 2) Auf Se. königl. Hoheit den regierenden Großherzog Leopold, als Wiederherſteller der theilweiſe abgeänderten Verfaſſung zu ihrer urſprünglichen Reinheit. 3) Auf das Vaterland und ſeine Verfaſſung ſelbſt. Sämmtliche „Hoch“ wurden von den anweſenden Feſt— theilnehmern mit Wärme aufgenommen. Auf jeden der einzelnen Toaſte folgte Kleingewehr- und Kanonendonner und hierauf ein wohleingeübter Männerchorgeſang. — Am Schluſſe wurde die Verfaſſungsurkunde unter das Volk vertheilt. — Nachmittags verſchiedene Volksbeluſtigungen unter ausgeſetzten Preiſen, ſowohl für Erwachſene, als auch für die Schuljugend. Auch der Armen ward durch freiwillige Beiträge gedacht. — Abends vereinigte ein Mahl mit Harmoniemuſik ꝛc. eine große Zahl von Gäften zur heiterſten Geſellſchaftlichkeit, wie man ſich deſſen ſeit lange nicht erinnert. Auch hier fehlte es nicht an Trinkſprüchen; als: 1) Auf die Männer, die im deutſchen Freiheitskampfe gefallen u. ſ. w. 2) Auf die verwittwete Großherzogin Stephanie k. H. 3) Auf die Deputirten unſeres Landes, wobei des edlen v. Rotteck und anderer verdienter Männer namentliche Erwähnung geſchah. 4) Auf das Gedeihen des Schulunterrichtes, von welchem die Bil— dung conſtitutioneller Bürger zu erwarten jet u. ſ. w. — Es darf mit Freuden erwähnt werden, daß dieſer Tag zur anhänglichen Werthſchätzung der Verfaſſung, wie auch zur Kräftigung eines guten Einvernehmens unter hieſiger Ein— wohnerſchaft, in ſo mancher Beziehung Vieles beigetragen hat. Aus Lenzkirch wird folgendes berichtet: Der allgemeine Aufruf zur 25jährigen Jubiläumsfeier unſerer Landesverfaſſung, fand auch hier, in der Nähe des ſonſt nur Kälte und Düſterheit um ſich verbreitenden Feld— berges, leicht empfängliche, warme und lichte Herzen. Und — 831 — gleichwie ſich aus dieſen die Liebesflammen für Fürſt, Ver— faſſung und Vaterland, hoch emporſchwingen, ebenſo erhoben ſich ſchon am Vorabend des 22. Auguſt die glühenden Flam— men der zahlreich auf den uns umgebenden Berghöhen hell auflodernden Freudenfeuer, und verkündeten mit dem voran— gegangenen Donner des größern Geſchützes (Lenzkirch hat zwei kleine Kanonen von Gußeiſen) und dem Geläute ſämmt— licher Glocken, weithin die feſtliche Feier des folgenden Tages. Am Spätabend wurden am Sommerberge und nachher auf dem Rathhausplatze noch Kunſtfeuerwerke abgebrannt. So wie am Vorabend, wurde auch am frühen Morgen wieder von unſern Berghöhen herab dieſer feſtliche Tag mit 25 Kanonenſchüſſen und dem Geläute aller Glocken freudigſt begrüßt. Fahnen in Landesfarben wehten auf dem Kirchthurme und am Rathhauſe. Andere zierten das Portal der Kirche und jenes des Rathhauſes, ſowie die Häuſer, an denen der Zug zur Kirche vorbeigehen ſollte. Um halb 9 Uhr verſam— melte ſich in dem mit Blumenkränzen und dem Bildniſſe des höchſtſeligen Großherzogs Karl feſtlich geſchmückten Rathhauſe das Fefteomite, die Schuljugend unſerer ſämmtlichen Pfarrge— meinden, ſammt deren Bürgermeiſter und Gemeinderäthe, nebſt andern Bürgern und Verfaſſungsfreunden von nahe und ferne. Nach 9 Uhr bewegte ſich der feierliche Zug wieder unter Geläute und Kanonendonner vom Rathhauſe aus auf einem kleinen Umwege, um demſelben den erforderlichen Raum zu verſchaffen, nach der Pfarrkirche. Einer der größern Schüler, eine Fahne in Landesfarben tragend, eröffnete den Zug; ihm folgte zunächſt die Schuljugend, dieſen die beiden Herren Lehrer, dann die zwei jüngſten Bürger zu Oberlenz— kirch (beide zur Zeit Bräutigame), die auf einem mit Blumen und Laubwerke umkränzten Kiſſen die Verfaſſungsurkunde trugen; neben ihnen gingen zwei Sonntagsſchüler, jeder eine Fahne tragend, und während des kirchlichen Gottesdienſtes der in der Mitte des Chors auf einem Tiſchchen ruhenden Verfaſſungsurkunde zur Seite ſtehend, dann folgten zwei Mit— glieder des Feſteomité, hinter dieſen die Bürgermeiſter und Gemeinderäthe ſämmtlicher Pfarrgemeinden und anderer benach— barten Orte, dann die übrigen Bürger und Verfaſſungsfreunde; den Zug ſchloſſen zwei Mitglieder des Feſteomité, die den— ſelben geordnet hatten. Nach Beendigung des feierlichen Hochamtes und Abſingung des „Herr großer Gott dich loben wir ꝛc.,“ in welches wieder Glockengeläute und Kanonendon— ner einſtimmte, begab ſich der jetzt noch vermehrte Zug wieder in gleicher Ordnung vor das Portal des Rathhauſes zurück, wo ſodann von dem Sängerchor ein dieſem Feſte gewidmetes Lied geſungen, nachher der Eingang und Titel II. der Ver— faſſungsurkunde vorgeleſen wurde, worauf die Feſtrede, gehal— ten durch den über den ganzen Schwarzwald ſeiner Biederkeit wegen hochgeſchätzten Nicolaus Faller, folgte, die unter dem Donner des Geſchützes mit einem allgemein erſchallenden Lebehoch endete, das dem edlen Geber der Verfaſſung, dem höchſtſeligen Großherzog Karl, vom Feſtredner angeſtimmt worden. Hierauf wurden während eines vom Sängerchor vorzüglich ausgeführten Geſanges an die anweſenden Bürger und höheren Klaſſen der Schulkinder gedruckte Exemplare der Verfaſſungsurkunde, unter die ganze Verſammlung aber Ab— ſchriften eines eigens für dieſe Feier gedichteten National— liedes ausgetheilt, das ſodann zum Schluſſe von derſelben im freudigſten und feierlichſten Tone abgeſungen wurde. Bei dem zahlreich beſetzten Feſteſſen im Gaſthaus zum Rößle, wur— den die erſtern Toaſte unſerm innigſt geliebten Landesregenten, Großherzog Leopold, als Wiederherſteller und Beſchützer der Verfaſſung, und dem Gedeihen der Verfaſſung ausgebracht. Den Ortsarmen wurden milde Gaben geſpendet, und ein Scheibenſchießen ſchloß die Feſtlichkeit, aber nicht die frohe Erinnerung dieſes ſo ſchönen und freudigen Tages, der auch den Bewohnern Lenzkirchs gewiß auf immer unvergeßlich bleiben wird. Bereits alle auch nur kleinere Orte dieſer ganzen Umgegend, haben zur Begehung dieſer Feſtlichkeit ſich entweder den größern Orten angeſchloſſen, oder durch Freu— deufeuer, Böllerſchüſſe und feierlichen Gottesdienſt, ihre treue Anhänglichkeit an die Verfaſſung laut und ſchön beurkundet. IV. Konſtanz. Am Vorabend des Feſtes, Abends 8 Uhr flammte ben— galiſches Feuer auf dem Leuchtthurme und erhellte weithin den ſchönen See und die herrliche Gegend. Der Zapfenſtreich der Bürgergarden mit Muſik wurde von einem Fackelzug begleitet, welcher vor der Wohnung des edeln von Weſſen— berg Halt machte. Obergerichtsadvokat Vanotti brachte demſelben im Namen des Feſtausſchuſſes ein Lebehoch, in welches die Zugtheilnehmer, wie die Muſik, laut und freudig einſtimmten. Am Feſttage, Morgens 5 Uhr, begrüßten 25 Kanonenſchüſſe, Tagwache der Bürgergarde mit Muſik und das Geläute aller Glocken den Anbruch des Tages. Um 8 Uhr verſammelten ſich die Feſttheilnehmer im ſtädtiſchen Rathhauſe, vor welchem die Bürgergarden aufgeſtellt waren. Der Zug bewegte ſich in der vorgeſchriebenen Ordnung durch die geſchmückten Straßen: Marktſtätte, Kanzleiſtraße, obern Markt, Plattenſtraße, Stephans- und Münſterplatz in die Münſterkirche. Die Ord— nung war folgende: a) Feſtordner zu Pferde mit der Landes— fahne; b) die Uhlanengarde; c) die erſte Infanteriecompagnie mit Muſik; d) die Knaben der Volksſchule und die Schüler der Gewerbſchule, der höheren Bürgerſchule und des Lyceums; e) die Verfaſſungsurkunde, getragen vom jüngſten Activbürger und begleitet vom Feſtausſchuſſe, Gemeinderathe und engern Bürgerausſchuſſe; k) die übrigen Bürger und Feſttheilnehmer der Stadt und Umgegend; g) die zweite Infanteriecompagnie; a h) die Veteranen der Stadt und Umgegend; i) die Artillerie. Die Körperſchaften der Seekreisregierung, des Hofgerichts, des Lyceums und die Vorſtände der übrigen Staatsämter nahmen Theil. Die Kanzelrede im Münſter unterblieb in Folge Erlaſſes des erzbiſchöflichen Ordinariats und an die Stelle der Ge— ſänge in der Kirche trat die Blechmuſtk der Ublanengarde. — Hierauf bewegte ſich der Zug auf die Marktſtätte und ordnete ſich um die Feſtſäule. Kaufmann Nepomuk Katzenmaier betrat hierauf die Rednerbühne. Mit kurzen Worten erklärte der Redner die Urſache ſeiner Wahl zum Feſtredner daraus, daß der Feſtausſchuß den Ab— geordneten der hieſigen Stadt, Karl Mathy, zu dem Ehren— amte berufen, bei deſſen — wegen anderwärts bereits gege— bener Zusche — erfolgter Ablehnung aber ihn, als früher erwählten Abgeordneten ſeiner Vaterſtadt, für des wirklichen Deputirten natürlichen Vertreter angeſehen habe. begann der Redner alſo: Verehrte Mitbürger! Vaterlandsgenoſſen! Zuvörderſt, hochverehrte Mitbürger! begrüße ich Sie im Namen des Feſtausſchuſſes auf dieſer zur bürgerlich politiſchen Feier des Tages beſtimmten Stätte, begrüße Sie hier, wo freudiger Willkomm von Mund zu Mund getragen wird, wo gleicher Jubel, Gleichgeſinnte einiget. Ein Blick auf die aus— gedehnten, feſtgedrängten Reihen der Theilnehmer aus allen Ständen überzeugt uns, daß der heutige Tag für Badens Bürger ein bedeutungsvoller ſei! Er iſt es auch, denn es iſt angebrochen der Gedächtnißtag des 25jährigen Beſtandes unſerer Staatsverfaſſung. Vom geſchichtlichen Standpunkt aus ſind die Urſachen längſt bekannt, welche die Einführung landſtändiſcher Verfaſſungen da und dort zur Folge hatten; ich beſchränke daher meine Betrachtungen darüber auf die kurze Andeutung, daß es vor— erſt langjähriger Bedrängniſſe und mancher heißen Kämpfe bedurfte, bis mit uns noch mehrere deutſche Bruderſtämme eine ihrer Aufopferungsfähigkeit, ihrem Biederſinne und ihrem angeſtammten Rechtsgefühle entſprechende Anerkennung ihrer Hierauf ed — Mündigkeit, den ſchwer auf ihnen laſtenden Zeitverhältniſſen abringen konnten. Das leuchtende Meteor am Kriegeshimmel des weſtlichen Nachbarſtaates mußte ſeine Bahn vorerſt und großentheils mit deutſchem Blute färben, vorerſt in deutſchen Gauen die Mittel zu ſeinen Siegen, wie ſpäter auch ſeinen Untergang finden, bis endlich den Geſetzen der höheren Welten— ordnung gemäß, aus den Trümmern alter Macht und alten Rechts, eine neue Saat emporblühen konnte. Für Baden reifte dieſe Saat zur wohlthätigen Frucht; dieſe ſchweren Zeiten brachten uns die Verfaſſung, ſie brachten dem Volke den Lohn für edelmüthige Hingebung ſetner Kräfte und ſeines Blutes. Am 22. Auguſt des Jahres 1818 verlieh der höchſtſelige Großherzog Karl dem badiſchen Lande die Verfaſſung mit folgenden, gewiß erhebenden und wahrhaft fürſtliche Geſinnung beurkundenden Worten: (Verleſung der Einleitung zur Verfaſſungsurkunde.) Indem ich ſpäter mit Verleſüng noch einiger weiterer Stellen aus dieſer Urkunde fortfahren werde, ſei es mir ver— gönnt, noch ein Wort zu ſprechen über das Weſen der reprä— ſentativ landſtändiſchen Verfaſſungen überhaupt, und Ver— gleichungen anzuſtellen zwiſchen dieſer Regierungsform, und jenen in rein monarchiſchen Staaten, wodurch der Werth der Erſtern deutlicher hervortreten wird, d. h. Vergleichungen anzuſtellen zwiſchen unſerer Gegenwart und unſerer Ver— gangenheit. Während nämlich die landſtändiſche Verfaſſung bier die Ausübung der oberſten Staatsgewalt nach gewiſſen Beſtim— mungen regelt, ſo zwar, daß auch das Volk durch ſeine Abgeordneten einen Antheil daran hat, namentlich hinſichtlich des Rechtes der Geſetzgebung und Steuerverwilligung, iſt dort, bei rein monarchiſcher Regierungsform All dieſes in der Perſon des Regenten vereiniget, und jedwede geſetzlich gewährte Tbeilnahme des Volkes ausgeſchloſſen; daſſelbe erſcheint alſo immer nur leidend, nie handelnd. — 386 Während hier die Einführung unabhängiger Gerichte zum Schutze der gleichen Rechte aller Bürger vor dem Geſetze, zum Schutze ihrer perſönlichen Freiheit und ibres Eigenthums durch dieſe Urkunde ausgeſprochen iſt, und ſomit erwartet werden darf, daß auch alle Einrichtungen noch gemacht werden, welche die Unabhängigkeit im Weſen und der Wahrheit gewährleiſten können, — bleiben dort die Gerichte der unbeſchränkten böchſten Gewalt gegenüber immer in Abhängigkeitsverhältniſſen, die der Ausübung der Juſtiz nur gefährlich ſein können. Während hier dem Volke das Recht der Kenntnißnahme von öffentlichen Angelegenheiten zuſteht, wodurch allein die wahre öffentliche Meinung ſich bilden und geltend machen kann, iſt dieſes Recht ihm dort vorenthalten, und es kann nur ſoviel davon erfahren, als ihm freiwillig dargeboten wird. Während bier jedem Landeseinwohner ungeſtörte Gewiſſeus— freiheit, und in Anſehung der Art feiner Gottesverehrung der gleiche Schutz zugeſagt, ſomit eine Bevorzugung oder Hint— anſetzung deßhalb unſtatthaft iſt, kann dort, wo die Duldung anderer Confeſſionen, als die des Regenten nur von ſeinem freien Willen abhängt, von einem bezüglichen Rechtsſchutze keine Rede ſein. Während bier das Staatsvermögen nur zu öffentlichen Zwecken verwendet werden darf, und eine gewiſſe Ueberwachung deſſelben dem Volke eingeräumt iſt, während ohne Zuſtimmung der Kammern weder Domänen veräußert noch Staatsſchulden gemacht werden dürfen, — wohl das beſte Mittel zur Hebung des Staatscredits — gibt es dort nur Eigenthum der Re— gierung oder des Fürſten, der ſomit in geſetzlicher Weiſe weder am Verkauf der Staatsdomänen, noch an Häufung der Staats- ſchulden gehindert werden kann. Während hier die Miniſter für Aufrechthaltung der Ver— faſſung, der Summe aller, bisher nur einzeln hervorgehobener Rechte, als verantwortlich erklärt ſind, und während dieſelben, wegen Verletzung der Verfaſſung, oder anerkannt verfaſſungs— mäßiger Rechte von den Abgeordneten des Volkes förmlich in Anklageſtand verſetzt werden können, haben ſie ſich dort allein ihrem Landesherrn gegenüber zu verantworten. Während hier endlich alle ſtaatsbürgerlichen Rechte der Badener, ihre Beitragspflichten zu den öffentlichen Laſten, ihre Anſprüche auf Militär- und Civilſtellen, ihre Militärdienſt— pflichten gleich ſind, gibt es dort Ausnahmen, Befreiungen, Bevorzugungen nach Gunſt oder Zufall! Es iſt alſo die Verfaſſung allein, welche bei uns die Rechte des Thrones, wie jene des Volkes auf würdige Weiſe regelt und feſtſtellt, denn fie beſagt z. B. ausdrücklich in Titel II.: (Verleſung des Inhalts dieſes Titels.) Wo nun Fürſt und Volk ſolche Beſtimmungen heilig achten, wo gegenſeitiges Vertrauen und Anhänglichkeit mit zu Rathe ſitzen, da muß die Verfaſſung Segen bringen. Nun entſteht die Frage: auf welche Weiſe iſt es jedem einzelnen Staatsbürger anheim gegeben, wenigſtens mittelbar verfaſſungsmäßige Rechte zu üben, und zu dem angeführten Zwecke beizutragen? Die Antwort darauf iſt einfach. Es iſt zuvörderſt genaue Kenntniß ſämmtlicher verfaſſungsmäßiger Rechte, und ſelbſt Vererbung dieſer genauen Kenntniß auf die kommenden Ge— ſchlechter nothwendig, weil nur da wahre Verehrung und Liebe obwalten kann, wo man ſich des ganzen Umfangs der Vor— theile ſolcher Rechte bewußt iſt; in zweiter Reihe aber iſt es das Wahlrecht, welches dem Staatsbürger zuſteht, und wel— ches er im vollſten Umfange, nach ſeiner innerſten beſten Ueberzeugung anzuwenden die Pflicht hat. Die Wahlordnung beſagt darüber folgendes: (Verleſung der Einleitung zur Wahlordnung.) In unſere Hand, verehrte Mitbürger, iſt es alſo gelegt, das eigene Wohl und Wehe; wir werden durch kräftiges, ſelbſtſtändiges Handeln, durch Hintanſetzung einſeitiger Mei— nungen, oder ſolcher Rückſichten, die nur Privatzwecken, nicht aber den Landesintereſſen dienen, durch geſundes eigenes Urtheil am eheſten den Erwartungen entſprechen, welche unſer Staats— Oberhaupt bei Einführung der Wahlordnung gehegt hat und 22 — 388 fortan hegen wird. Wir werden durch die Wahl geſinnungs— tüchtiger Männer, die mit Freimüthigkeit und Würde die Verkünder und Vertheidiger der wahren öffentlichen Bedürfniſſe und Wünſche ſein werden, der Regierung wie uns ſelbſt weſentliche Dienſte leiſten, und einen unwiderlegbaren Beweis politiſcher Mündigkeit an den Tag legen, indem wir von unſern Rechten weiſen Gebrauch machen, und den höhern Zweck unverrückt im Auge behalten. Dadurch allein wird des Vaterlandes Wohlfahrt dauerhaft gegründet, das Vertrauen zwiſchen Fürſt und Volk erhalten, die wohlthätige Bahn zeit— gemäßen Fortſchritts geebnet. Denn nur wo Kraft und ehrliches Wollen mit Entſchiedenheit zuſammenwirkt, kann manches Gute errungen werden, was noch im Schooße der Zukunft liegt. Es iſt auch ſchon Manches auf dieſem Wege erſtrebet worden, was unſere öffentlichen Zuſtände gehoben. Ich erinnere hier nur an Entfeſſelung des Bodens von den Reſten der Feudalherrſchaft, an Aufhebung des Zehntens, der Frohn— den, an das Geſetz über die Gemeindeverfaſſung, über das Gerichtsverfahren in bürgerlichen Streitſachen u. ſ. w., und deſſen ungeachtet ſtehen wir noch lange nicht am Ziele, noch ſind koſtbare Güter zu erringen, z. B. muß der Zuſtand der Preſſe ſich noch ändern, noch erwarten wir erſt ausgedehntere Oeffentlichkeit des Gerichtsverfahrens, Trennung der Juſtiz von der Adminiſtration, ein Vollzugsgeſetz über die Verant— wortlichkeit der Miniſter, und dergleichen mehr. Aber auch dieſes wird noch erſtrebt werden, wenn wir fortfahren, in geſetzestreuer Haltung unſere Wünſche offen und mit Nachdruck auszuſprechen, wenn uns nicht die eigene Aus— dauer mangelt; denn, wenn ſelbſt der Fels dem immerfallenden Waſſertropfen endlich weichen muß, warum ſollte nicht auch das anerkannt Gute, das zur öffentlichen Wohlfahrt wahrhaft Nöthige endlich dennoch erlangt werden können? Glauben Sie, verehrte Mitbürger, es wird das ſchöne Ziel immer fortſchreitender Vervollkommnung um ſo ficherer erreicht werden, als das Streben darnach nicht bloß Eigenthum einzelner Landestheile, ſondern des ganzen Landes iſt; einen — 339 — Beweis dafür finden Sie darin, daß überall heute unſerer Verfaſſung Huldigung dargebracht wird. Fürwahr! Hochverehrte Mitbürger! dieß iſt ein hochwich— tiges glückverheißendes Zeichen der Zeit, ein Beweis, daß ſeit dem verhältnißmäßig kurzen Beſtand der Verfaſſung, dieſelbe doch ſchon im Herzen des Volkes tiefe Wurzel geſchlagen; denn die Sonne, die in dieſem Augenblicke über unſern Häuptern ſteht, beſtrahlt in gleichem Augenblicke die Feſtzüge in der fruchtbaren Pfalz wie am ſchönen See, im blühenden Breisgau wie im ernſten Odenwald; meine ſchwachen Worte bier, werden anderwärts durch eindringlichere Feuerrede überflügelt, und überall ſchwellt Jubel heute das Herz des wackern Badeners. ö Darum ſei unſer Entſchluß: Vorſicht, aber Entſchiedenheit bei den Wahlen! Heilighaltung und in allewege treue und kräftige Beſchützung der Verfaſſung. Dadurch allein machen wir uns der Wohlthaten unſeres Staatsgrundgeſetzes, wie ſie ſchon dargeboten oder noch zu erringen ſind, im vollſten Um— fang theilhaft und würdig. Halten wir alſo feſt an ihr, der Verfaſſung, die uns ſicher den Weg zum erſehnten Ziele zeigt, und vertrauen wir, nach den Worten, die an dieſer Stätte das Symbol des Feſtes ſind, Daß die Verfaſſung wahr und rein Werde unſer Segen ſein. Bewahren wir den biedern Charakter des deutſchen Volkes, welches ſtolz iſt auf ſein altes Erbtheil: Achtung vor dem Geſetze! raſtloſes Streben nach zeitgemäßem Fortſchritt, und es wird, Vaterlandsgenoſſen! der Segen von oben zu dieſem edlen Streben nicht ausbleiben. Darum ſchließe ich meinen Vortrag, mit dem Wunſche, der in der Bruſt eines jeden wackern Bürgers glüht, daß die Verfaſſung des badiſchen Vaterlandes gedeihen möge fort und fort, und lade Sie in dieſer Hoffnung ein, freudig einzuſtim— men in meinen Ruf: „Unſerer Verfaſſung, des Volkes Schutz und Hort, ein Hoch!“ Pr Bei dem Feſtmahle, welches um 1 Uhr in dem geſchmückten Conciliumsſaake begann, fanden ſich 200 Gäſte ein, denen ſich die Veteranen der Stadt und Umgegend anſchloſſen. Ein munte— rer, kräftig-patriotiſcher Geiſt herrſchte in der Verſammlung, und gab ſich in den Trinkſprüchen kund, welche wir hier mittheilen: 1) Heinrich Poinſignon: „Im Namen des Feſtausſchuſſes zur Begehung des fünf— indzwanzigſten Jahrestages unſerer Staatsverfaſſung eröffne ich die Reihe der Trinkſprüche mit einem „Hoch“ für unſern conſtitutionellen Landesfürſten. Se. königl. Hoheit der Groß— berzog Leopold von Baden lebe boch!“ 2) Bürgermeiſter Hüetlin: „Wertheſte Mitbürger und Freunde der Ver⸗ faſſung! Mit lauter Freude, aber auch mit tiefem Ernſte begehet heute das badiſche Volk die Jubelfeier ſeiner Ver— faſſung. Das Feſt, welches an dieſem Tage Land auf und ab die Gemüther jo mächtig beweget, hat feines Gleichen nicht in der Geſchichte unſeres badiſchen Vaterlandes; denn noch bei keinem frühern Anlaſſe hat ſich mit ſolcher Allgvmein⸗ heit, ſo nachdrücklich und ſo entſchieden des Volkes Anhäng— lichkeit und Liebe zu unſerer Landesverfaſſung ausgeſprochen. Auf 's Unzweideutigſte wird heute vor aller Welt die Wahr— beit anſchaulich, daß die Verfaſſung dem Volke ein wirkliches und koſtbares Eigenthum geworden iſt. Darum auch meine Herren! verkündet das heutige Feſt den Eintritt einer neuen und hochwichtigen Epoche in der Entwickelungsgeſchichte unſerer ſtaatsbürgerlichen Zuſtände. Die conſtitutionelle Monar— chie aber in ihrer ganzen Wahrheit, in ihrer gan— zen Reinheit und Folgerichtigkeit darzuſtellen, iſt die große Aufgabe unſeres Jahrhunderts! Und für— wahr! das Staatsgrundgeſetz des badiſchen Volkes, wenn es treu geübet und kräftig geſchirmt wird, die Verfaſſung mit ihren weſentlichen Elementen: der verheißenen Preßfreiheit und Verantwortlichkeit der Miniſter, wird vollkommen dieſe Aufgabe erfüllen, und uns allen ein ſegensreicher Freiheits— brief ſein! Doch weit hinaus über die engeren Gränzen unferes badischen Vaterlandes kündet das Jahrhundert feine Mahnung, denn mächtigen Widerhall findet in jeder deutſchen Bruſt der Ruf nach „Deutſchlands Einheit“ — Einheit in Zweck und Mitteln — (Allgemeiner freudiger Beifallsruf.) Darum ſpreche ich auch hier den tiefgefühlten Wunſch aus, daß im ganzen deutſchen Lande das mächtigſte und ſicherſte Mittel der Volksentwickelung, die conſtitutionelle Staatsform, allüberall ſtets mehr und mehr in's Leben treten und frucht— bar ſich ausbilden möge, auf daß des großen Vaterlandes Einheit im innerſten Weſen des Staatslebens feſt begründet werde. Ein Hoch! den deutſchen Bruderſtämmen, welche ernſt und kräftig nach Verfaſſung ringen!“ 55 Sy re „Bürger! Freunde der Verfaſſung und des freiern Volkslebens! Der Trinkſpruch, den ich ausbringe, gilt dem Wehrſtand. Zwar mag es ſonderbar ſcheinen, die Jubel— feier einer Volkscharte, deren ganzer Juhalt auf die friedliche Entwickelung des Staatslebens berechnet iſt, mit einer Anprei- ſung des Kriegerſtandes zu begehen. Doch mein Spruch hat einen beſchränkteren und einen erweitertern Begriff, als der iſt, welchen man gewöhnlich mit dem Worte Wehrſtand ver— bindet. Kein Hoch bringe ich nämlich jenen Armee'n, die, auf Eroberung ausziehend, den Nachbarländern Verwüſtung und namenloſes Unglück Merensen, indem fie zugleich die Hülfs— quellen des eignen Heimathlandes ausſaugen, und deſſen beſte Kräfte zerſtören. Kein Hoch bringe ich jener Einrichtung, welche mitten im tiefſten Frieden hunderte von Millionen ver— zehrt und hunderttauſende der kräftigſten 155 dem unmittel— baren Dienſte des Landes entzieht. In f K iſt mein Trinkſpruch auf den Wehrſtand ein Mere Mein Hoch gilt aber den Kriegern, die zur Vertheidigung veutſchen Vater⸗ landes und deutſchen Rechtes die Waffen getragen, ins— beſondere jenen, welche den letzten Befreiungskampf mitgefochten haben, deren Anſtrengungen wir es verdanken, daß wir heute das fünfundzwanzigſte Jubeljahr unſerer Berfaff jung feiern können. Zuförderſt unter denſelben vermeine ich jene gen — 342 — Veteranen der Landwehr, welche zur Zeit, als die ſtehenden Heere ſich als unzulänglich erwieſen, um das ſchmähliche Joch des fränkiſchen Machthabers abzuſchütteln, als ächte Söhne des Vaterlandes freudig ihren bürgerlichen Wirkungs— kreis verließen, zu den Waffen eilten, Mühſeligkeiten und Drangſale erduldeten, die wir nur als Sagen kennen, Blut und Leben einſetzten zur Erkämpfung der höchſten Güter: der Freiheit und der Ehre des Vaterlandes. Von dieſen wackern Männern, denen unterm groben Rock ein bieder Herz im Buſen ſchlägt, ſtehet nun eine Anzahl in unſerer Mitte; ſie feiern mit uns das Verfaſſungsjubiläum und ſind ſtolz darauf, im bürgerlichen Leben jene Rechte zu behaupten und zu ver— theidigen, die ſie mit den Waffen in der Hand erfochten haben. Mein Hoch gilt jenen Bürgermilizen, welche in der Befugniß, Waffen zu tragen, ein altes deutſches Herkommen, ein Symbol erblicken, das ſie auffordert zur Vertheidigung der Rechte und Freiheiten des Volkes; die ſich als Ehren— wache alles deſſen betrachten, was mit dieſen Rechten und Frei— heiten in Verbindung ſteht. Mein Hoch gilt allen jenen, die mit Wort und Schrift, bei Volksverſammlungen, auf dem Wahlplatz und im Ständeſaal das Recht des Einzelnen und der Geſammtheit vertheidigen. Auch hier haben wir unſere Veteranen. Es iſt der greiſe v. Itzſtein, deſſen Kämpfe für die Verfaſſung ſo alt ſind, als dieſe ſelbſt, deſſen Anſtrengun— gen für die geiſtigen Intereſſen und für die Schonung des Volksbeutels den Dank jedes verſtändigen Bürgers heraus— fordern. Es iſt Welcker, der, ausgerüſtet mit einem Reich— thum der tiefſten ſtaatsrechtlichen Gelahrtheit, dieſelbe nur verwendet für des Landes Wohl; deſſen Feuereifer keine Rück— ſicht kennt, als des Volkes Glück; der nicht müde wird, Opfer zu bringen, wo es ſeine Ueberzeugung gilt. Es iſt Bader, deſſen Biederkeit und Rechtsſinn ſtets erfolgreich wirken im Dienſte der öffentlichen Intereſſen. Es iſt der freigeſinnte Sander, deſſen juriſtiſcher Scharfſinn alle Schliche ſeiner parlamentariſchen Gegner entdeckt und ans Licht zieht. Es it Baſſermann, welcher im Ständeſaal der Volksgeſinnung — 343 — Worte gegeben hat. Es ſind ſo viele andere hochverdiente Männer und Freunde des Vaterlandes, die Sie alle ken— nen, welche namentlich anzuführen mir aber hier die bemeſ— ſene Zeit und Ihre Geduld verbietet. Alle dieſe Männer zähle ich zum Wehrſtand, und in ſo fern iſt mein Begriff von demſelben ein ausgedehnterer. Endlich begreife ich in ſolchen und bringe mein Hoch jenen Bürgern insgeſammt, die ihre Bedeutung und Würde im Staatsleben kennen, welche fühlen, daß ſie die Grundſäulen des Staates ausmachen; die bereit ſind zur entſchiedenen Behauptung ihrer bürgerlichen, zur Ver— theidigung der vernünftigen Rechte; die den Muth beſitzen, zu zeigen, daß ſie freie Männer ſind, und keine Knechte. Dem Wehrſtand in dieſem Sinne bringe ich mein Lebehoch!“ 4) Anton Kreuzer: „Geehrte Mitbürger! Wertheſte Freunde! Ich bringe meinen Trinkſpruch der bürgerlichen Eintracht, die ſich heute bei der Feier des 25jährigen Jubiläums unſerer Staats— verfaſſung durch die allgemeine Theilnahme aller Stände der Staatsbürger, auf eine ſo ehrende Weiſe beurkundete. Möge dieſer heilige Eifer uns beſeelen, daß wir an allen uns durch die Verfaſſung zukommenden Rechten und Pflichten mit der gleichen Theilnahme beurkunden, daß wir den Werth der Verfaſſung erkennend, Kraft beſitzen, mit Aufopferung aller unſerer perſönlichen und Privatrückſichten, treu, gewiſſenhaft unſere Rechte zu wahren und unſre Pflichten au erfüllen. Die bürgerliche Eintracht, ſie lebe hoch! 5) J. Stadler: „Verehrte Mitbürger! Das Erſcheinen der hieſigen Üblanenbürgergarde in dieſem Saale hat allgemein eine frohe und heitere Stimmung in unſerer Geſellſchaft hervorgebracht. Das neu conſtituirte Corps hat dadurch bewieſen, daß es in demſelben Geiſte wie früher wieder begründet wurde, und — wie ich nicht zweifle, auch in demſelben guten Geiſte ferner handeln wird. — Sie werden deßhalb auch Alle mit mir einverftanden fein, wenn ich der Bürgeruhlanengarde ein Hoch bringe, und demſelben den Wunſch beifüge, daß dieſes — 344 — Corps recht zahlreich erſtarken möge. Die hieſige UÜhlanen— bürgergarde lebe hoch!“ 6) Spitalverwalter Gaſſer: Mein Trinkſpruch gilt einem Manne, der nicht nur bei uns in Baden, ſondern in ganz Deutſchland eines hohen Rufes genießt; einem Manne, der als Mitglied der hohen erſten Kammer der badiſchen Landſtände für die Rechte des Volkes für Wahrheit und Licht und für die Ausbildung unſeres Ver— faſſungslebens Vieles gewirkt; mein Trinkſpruch gilt dem edlen v. Weſſenberg, welcher ſo eben die Freundlichkeit hatte, unſer Feſt mit ſeiner Gegenwart zu beehren; er lebe hoch!“ 7) David Koch: „Werthe Mitbürger und Freunde! Die Bedeutung unſeres heutigen ſchönen Feſtes haben Ihnen bereits zwei hochgeachtete Redner vor mir, der eine am Feſtplatz, der andere hier dargeſtellt. Ich finde dem nur noch anzufügen, wie herzlich es mich freuet, daß auch die werthen Bewohner der Amtsorte an dieſer Feier mit uns Antheil nehmen, und ſehe gerne geachtete Bürger von Wollmatingen, Allensbach ꝛc. zahlreich anweſend. Die Verfaſſung iſt unſer Palladium, prä— get ſie Eueren Kindern ein, unterrichtet ſie von den uns zuſtehenden Rechten. Der Geber der Verfaſſung, Großher— zog Karl, iſt nicht mehr. Seine zurückgelaſſene Wittwe, die Großherzogin Stephanie lebt aber noch bei uns; auch Ihr verdanken wir viel, ſehr viel; daß das ſchöne Land vom Bodenſee bis an den Main ein ununterbrochenes Ganzes bil— det, haben wir vorzüg ich ihr zu danken. Ich rufe daher mit warmer Bruſt: Ihre königl. Hoheit die Großherzogin Stephanie lebe hoch!“ Ein Theil des Bürgermilitärs hatte in der Kreuzlinger Vorſtadt vor dem Hotel Delisle, auf Einladung ihrer Offi— ziere ein beſonderes, dem Vernehmen nach 90 bis 100 Gedecke zählendes Mittageſſen, welchem auch einige Civilperſonen anwohnten. V. Sto ck ach. Stockach war die erſte Stadt im Seekreiſe, welche die Vorarbeiten zu dem Feſte begann. Der Vorſtand des Bürger— Muſeums berief auf den 30. Juli eine Generalverſammlung, welche einen proviſoriſchen Ausſchuß erwählte, der das Pro— gramm entwarf. Am 5. Auguſt fand eine Verſammlung der Einwohner des Amtsbezirks ſtatt, in welcher ſowohl die Mitglieder des Ausſchuſſes als die Anordnungen zur Feier endgültig beſtimmt wurden. Am Vorabend zog die Muſik des Bürgermilitärs durch die Straßen, in denen eine fröhliche Menſchenmenge wogte; auf der alten Nellenburg loderte ein Freudenfeuer hoch auf. Zugleich traf der Abgeordnete des Bezirkes, Dekan Kuenzer ein, welchen Mitglieder des Ausſchuſſes in Ludwigshafen abgeholt hatten. Morgens fünf Uhr kündigten 25 Böllerſchüſſe, Tagmarſch und Geläute aller Glocken, das Feſt an. Bald füllten ſich die Straßen mit Bewohnern der Umgegend; die aus den Gemeinden Steißlingen, Eigeltingen, Orſingen und Nenzingen zogen mit geſchmückten Feſtwagen, mit Eichenlaub bekränzt, mit Geſang ein. Jeder Ankommende erhielt ein Exemplar der Verfaſſungsurkunde. Gegen 9 Uhr ordnete ſich der Zug vor dem Rathhauſe, wo ſich auch die Beamten einfanden. Das gegenüberſtehende, ſchön verzierte Haus des Gemeinde— raths Dandler hat über dem Portale einen Balkon, der zur Rednerbühne hergerichtet war. Von dort herab begrüßte der Präſident des Ausſchuſſes, Rechtsanwalt Straub, die verſammelte Menge, worauf der Sekretär, Buchdrucker Gulde, aus einem Prachtexemplar, das ihm ſechs Jungfrauen über— reichten, die Titel II. und IV. der Verfaſſung vorlas. Der Zug bewegte ſich nun in die Pfarrkirche, wo ein feierliches Hochamt mit Te Deum gehalten und von den an dem Feſtzuge theilnehmenden Sängern mit Chören begleitet wurde. Nach beendigtem Gottesdienſte kehrte der Zug vor das Rathhaus zurück, wo die Sänger das Lied: „Freiheit, die ich meine“ vortrugen; nachher betrat Dekan Kuenzer den Balkon des Dandler'ſchen Hauſes und hielt nachſtehenden Vortrag: — 346 — „Hochgeehrte, liebe Freunde! Heute vor 25 Jahren, — am 22. Auguſt 1818, — hat der Groß— herzog Karl von Baden, als damaliger Landesfürſt, unſerem Lande eine conſtitutionelle Verfaſſung, als Grund- und Hauptgeſetz des Staates gegeben. Als er im Jahr 1816 dem Volke wiederholt bekannt machte, daß er dieſes thun wolle, ſo wünſchte und hoffte er, daß ſämmtliche Nitglieder des deutſchen Bundes uber eine unabänderliche weſent— liche Grundlage dieſer allen deutſchen Völkern augelicherten Einrichtung übereinkommen möchten; als er aber aus den Derhanblungen des Bundestages über dieſen Gegenſtand erſehen, daß ſich der Zeitpunkt noch nicht beſtimmt vorausſehen laſſe, in welchem die Geſtaltung der ſtändiſchen Verfaſſung einen Gegenſtand gemeinſchaftlicher Berathung bilden dürfte, ſo ſah er ſich veranlaßt, die dem Volke gegebene Zuſicherung im Jahre 1818 in Erfüllung zu ſetzen und hiebei ſeiner innern freien und feſten Ueberzeugung zu folgen. Er war unter den 34 Fürſten des deutſchen Bundes der Siebente, welcher dasjenige erfüllte, was die deutſche Bundesakte vom Sten Juni 1815, im Artikel 13, durch die Beſtimmung: „In allen Bun— desſtaaten wird eine landſtändiſche Verfaſſung Statt finden“ allen deutſchen Fürſten zur Pflicht gemacht hat. Und wenn wir die Ver— faſſung, welche andere deutſche Länder früher als wir erhalten haben, mit der unſerigen vergleichen und dabei finden, daß 5 davon ſich hauptſächlich nur mit der Einrichtung und dem Wirkungskreiſe der Landſtände befaſſen und zunächſt nur Ständeordnungen find, während unſere Verfaſſung die Grundbeſtimmungen unſerer ganzen Staats: einrichtung und insbeſondere die Grundbeſtimmungen der Rechte und Pflichten aller Staatsgenoſſen enthält, fo war er ſogar der zweite deutſche Fürſt, der eine conſtitutionelle Verfaſſung, im eigentlichen Sinne des Wortes, einführte. Vor 25 Jahren ſchon hat er gethan, was in mehreren deutſchen Ländern viele Jahre ſpäter erſt geſchehen iſt, und was der größere Theil des deutſchen Volkes bis zur gegenwärtigen Stunde noch nicht erhalten hat. Mit der Verfaſſungsurkunde hat Großherzog Karl von Baden in e Lande den Grund gelegt und den Weg angebahnt zu einem Zuftande, auf den das Volk überhaupt ſchon gerechten Anſpruch zu machen und den es insbeſondere in dem Befreiungskriege gegen die fremde Gewaͤltherrſchaft mit den größten Anſtrengungen und Aufopferungen, ſogar mit ſeinem Blute und Leben erkauft hatte, den es bei feiner mächtig voranſchreitenden Bildung und bei dem Bewußtſein ſeiner Mündigkeit und Würdigkeit nicht mehr länger entbehren konnte und worin es ſeinen freiern Nachbarn nicht mehr länger zurückſtehen durfte. Die Verfaſſung war ein Bedürfniß, eine Forderung der Zeit, im Intereſſe des Volkes wie des Fürſten damals gleich nothwendig. Von dieſer Anſicht und Ueberzeugung ausgehend, erklärte ſich Großherzog Karl in feiner Vorrede zur Verfaſſungsurkunde alſo: (Der Redner verliest die Eingangsworte.) Dieſe Handlung des Großherzogs Karl von en iſt die Urſache des Feſttages, welcher heute in unſerm ganzen Lande gefeiert wird; die Feſtlichkeiten, welche heute in allen Theilen des Landes ſtattfinden, gelten der Erinnerung an den 22. Auguſt des Jahres 1818; die Freude, welche heute das Herz jedes verſtändigen und — 7 autdenfenden Bürgers bewegt und mit lautem Jubel überall ſich ausſpricht, gilt dem Beſitze einer conſtitutionellen Verfaſſung. Blicket auf, hochgeehrte, liebe Mitbürger! und ſehet, der Himmel ſelbſt freut ſich heute mit uns Die Sonne, die uns in die em Jahre nur ſelten ihr freundliches Angeſicht zeigte, ſie ſchaut heute vom hei— tern Himmel glänzend herab und begünſtigt und erhöht durch ihre Gegenwart unſere Feſtfreude. Und wenn der Himmel sich über etwas freuet, ſo iſt die Sache gewiß der Freude werth. Möge der Himmel auch ſeinen Segen dazu geben, daß unſere heutige Feſtfreude vollkommen und dauerhaft werde. Hochgeehrte, liebe Mitbürger! Sie haben mich in der Eigenſchaft als Ihr Abgeordneter zur Ständeverſammlung mit dem Aufteage beehrt, die Feſtrede zu halten und in ihrem Namen die Freude auszuſprechen, welche die Erinnerungen des heutigen Feſttaͤges in unſer Aller Herzen hervorgerufen haben. — Sie haben mir damit einen abermaligen erfreulichen Beweis Ihres Zutrauens und der Uebereinſtimmung unſerer politiſchen Geſinnungen und Beſtre— bungen gegeben. Schon der Gedanke: „wir haben eine Verfaſſung, ein Grund— und Hauptgeſetz des Staates,“ muß das Herz jedes Bürgers mit Freude erfüllen. Der Bürger eines Verfaſſungsſtaates nimmt da eine ſichere und würdigere Stellung ein, als der Unterthan eines unumſchränkten monarchiſchen Staates, welcher ſich keines ſolchen durch ein Grundgeſetz geregelten und geſicherten Zuſtandes zu erfreuen hat. In dem Verfaſſungsſtaate ſteht ein Geſetz obenan und über Allen; im unumſchränkt monarchiſchen Staate ſteht der Monarch oben und über Allen. In dieſem Staate herrſcht der Monarch unumſchränkt und ſein Wille iſt Geſetz fur ſeine Unterthanen, während er ſelbſt unter keinem Geſetze ſteht und Niemanden verantwortlich iſt; im Ver— faſſungsſtaate herrſcht die Verfaſſung, das Grund- und Hauptgeſetz des Staates, ihm find alle Staatsgenoſſen, der Fürſt, wie der Bir: ger unterworfen und verantwortlich. Während dort die ganze Staats einrichtung und alle Verhältniſſe der Unterthanen dem unum— ſchränkten Willen des Monarchen anheimgeſtellt find, jo find bier die Rechte und Pflichten des Bürgers, wie die des Fürſten und überhaupt die ganze Staatseinrichtung durch ein Staatsgrundgeſetz geregelt, welches der Fuͤrſt treu und gewiſſenhaft zu halten und halten zu laſſen eidlich verſprechen muß. Der Bürger eines Ver— faſſungsſtaates iſt alſo kein Unterthan eines unumſchränkten Herrn; er hängt nickt von dem Willen eines unverantwortlichen Gewalt: habers ab; feine Perſon und fein Eigenthum, feine Freiheit und ſeine Rechte find nicht den wetterwendiſchen Launen eines nach Willkür herrſchenden Menſchen preisgegeben; er darf nicht, wie eine Sache, wie das Eigenthum eines Herrn behandelt werden, er hat nicht nur Pflichten, ſondern auch Rechte, die unter demſelben Schutze der Verfaſſung, wie die Rechte feines Furſten ſtehen. Der Bürger eines Verfaſſungsſtaates weiß, was er zu leiſten, aber auch was er zu fordern hat; ſeine Stellung im Staate iſt eine ſichere und würdige Stellung. Unſere heutige Feſtfreude gründet ſich aber nicht nur auf den Gedanken, eine Verfaſſung zu haben, überhaupt, ſondern der heutige Feſttag erinnert uns noch insbeſondere an unfere Verfaſſung, welche, wenn auch nicht geläugnet werden kann, daß ſie noch manche Mängel hat, dennoch ſolche Beſtimmungen enthält, welche unſer Herz zur Freude ſtimmen. Die Titel II. und IV. der Verfaſſungsurkunde, welche von — 348 — den ſtaatsbürgerlichen und politiſchen Rechten der Badener, von den beſonderen Zuſicherungen und von der Wirkſamkeit der Stände han— deln, find heute ſchon einmal von dieſer Stelle herab vorgelejeu worden; ich kann alſo jetzt von einer abermaligen Verleſung derſel— ben umgang nehmen, und es wird zu unſerem Zwecke hinreichen, wenn ich nur daran erinnere. Unſere Verfaſſung ſtellt das Eigenthum und die perſönliche Frei— heit der Badener für Alle auf gleiche Weiſe unter ihren Schutz; ſie ſichert jedem Landeseinwohner den Genuß der Angeſtörten Gewiſſens⸗ freiheit und des gleichen Schutzes in Anſehung der Art ſeiner Gottesverehrung zu; ſie verheißt Preßfreiheit; ſie geſtattet die Freiheit, wegzuziehen; ſie ſchafft alle Vermögenskonfiskationen ab; Niemand kann gezwungen werden, ſein Eigenthum zu offentlichen“ Zwecken abzugeben, als nach Berathung und Entſcheidung des Staatsmi ni⸗ ſteriums und nach vorgängiger Entſchädigung; fie erklärt alle Grund: laſten und Dienſtpflichten und alle aus der aufgeh obenen Leibeigen— ſchaft herrührenden Abgaben für ablösbar, ſie ſpricht ſich für die Unantaſtbarkeit des Eigenthums der Kirchen, Schul- und Armen: ſtiftungen und der Dotationen der beiden Landesuniverſitäten aus und will, daß die vom Staate gegen ſeine Gläubiger übernommene Verbindlichkeit unverlegbar fein ſoll. Sie huldigt dem Grundſatze der Gleichheit aller Bürger in Anſehung ihrer ſtaatsbürgerlichen und politiſchen Rechte und Pflichten ſowohl, als in Anſehung des Rechts— ſchutzes. Sie erklärt, daß die ſtaatsbürgerlichen Rechte der Badener in jeder Hinſicht, wo die Verfaſſung nicht namentlich und ausdrück— lich eine Ausnahme begründet, gleich ſeien; ſie giebt den drei chriſt— lichen Religionstbeilen die gleichen politiſchen Rechte und allen Staatsbürgern, welche zu dieſen Confeſſionen ſich bekennen, gleiche Anſprüche zu allen Civil- und Militärſtellen und Kirchenamtern; ſie verlangt, daß alle Badener ohne Unterſchied zu allen öffentlichen Laſten beitragen, und erklärt alle Befreiungen von directen und indirecten Abgaben für aufgehoben. Unterſchied in der Geburt und der Religion fell keine Ausnahme von der Militärdienſtpflicht begründen, nur allein die ſtandesherrlichen Familien ſollen nach Maßgabe der Bundesafte davon befreit fein. Alle Erkenntniſſe in bürgerlichen Rechtsſachen müſſen von den ordentlichen Gerichten ausgehen, ſelbſt der Großherzogliche Fiscus iſt mit ſeinen privat— rechtlichen Streitigkeiten an dieſe Gerichte gewieſen; Niemand darf in Criminalſachen ſeinem ordentlichen Richter entzogen werden; Nie⸗ mand kann anders, als in geſetzlicher Form verhaftet werden; Nie⸗ mand darf länger als zweimalvierundzwanz'g Stunden im Gefängniß feſtgehalten werden, ohne über den Grund ſeiner Verhaftung ver— nommen zu ſein. Der Großherzog kann erkannte Strafen nur mildern oder ganz nachlaſſen, aber nicht ſchärfen; die Gerichte ſollen unabhängig ſein; die Rechtsverhältniſſe der Staatsdiener werden durch die Verfaſſung gewährleiſtet und die Großherzogl. Staatsminiſter und ſämmtliche Staatsdiener ſind für die genaue Befolgung der Ver— faſſung verantwortlich gemacht. Hochgeehrte, liebe Mitbürger! Vergleichen Sie nun dieſe Beſtim— mungen unſerer Verfaſſung mit den natürlichen Menſchenrechten, mit dem, was jeder Menſch, der zum Bewußtſein ſeiner Würde und Beſtimmung gelangt iſt und feinen Werth fühlt, von der Staats— geſellſchaft fordern muß. Sreiheit, Gleichheit und Sicherheit heißen die Urrechte, auf welche jeder Menſch von Natur aus gerechten An— ſpruch zu machen hat. Freiheit der perſon und des Eigenthums, — 349 — Freiheit des Gewiſſens und der Gottesverehrung, Freiheit der Ge— danken und Meinungsäußerungen und Freiheit in der Wahl ſeines Berufes und Wohnortes. Alles dieſes nur in forern geſetzlich beſchränkt, als es der Schutz der Freiheit der übrigen Mitbürger nothwendig macht. Gleichheit der ſtaatsbürgerlichen und politiſchen Rechte, gleiche Anſprüche auf den Schutz der Gewiſſens- und Religionsfreiheit, der Gedanken- und Meinungsäußerung, gleiche Anſprüche auf Staats- dienſte, gleiche Anſprüche auf Rechtsſchutz und gleiche Behandlung in Betreff der Leiſtungen und Pflichten gegen Del Staat, endlich Sicherheit für Perſon, Eigenthum und Rechte. Das iſt es, was jeder auf Gerechtigkeit gebaute Staat den Burgern gewähren muß. Damit ſtimmen nun unſere Verfaſſungsgrundſätze in den weſentlichſten Punkten überein und wenn einzelne derſelben z. B. Preßfreiheit, Verantwortlichkeit der Miniſter, bis jetzt noch nicht ins Leben getreten find, oder wenn bei andern z. B. Unabhängigkeit der Gerichte, die— jenigen Einrichtungen noch nicht getroffen ſind, welche zu ihrer völli— gen Verwirklichung nothwendig ſind, ſo haben wir doch das ver— faſſungsmäßige Recht, ihre Verwirklichung zu fordern und unſerer Forderung durch Mittel, welche uns die Verfaſſung dazu an die Hand gibt, Nachdruck zu geben. Wenn auch zur Zeit überhaupt noch Manches zu wünſchen übrig bleibt, ſo hat uns die Verfaſſung in ihrer natürlichen und folgerichtigen Entwicklung das Mittel gegeben zur geſetzlichen Verbeſſerung unſerer Zuſtände und zur endlichen voll— ſtändigen Erlangung aller natürlichen Menſchenrechte für alle Staats genoſſen ohne Unterſchied. Dieſe Vergleichung der Beſtimmungen unſerer Verfaſſung mit den natürlichen Menſchenrechten gibt uns alſo ebenfalls gerechte Urſache, uns am heutigen Tage über unſere Verfaſſung zu freuen. Wenn unſere Verfaſſung überdieß noch ſolche Beſtimmungen ent— hält, welche dem Volk das Recht der Mitwirkung bei der Ausübung der Staatsgewalt geben; wenn unſere Verfaſſung feſtſetzt, daß ohne Zuſtimmung der Stände keine Auflage ausgeſchrieben und erhoben werden darf, wenn ſie ferner verlangt, daß dem Volke Rechenſchaft gegeben werden müſſe, ſowohl darüber, wozu die geforderten Gelder verwendet werden wollen, als auch darüber, wozu die empfangenen Gelder verwendet worden ſind, und daß dieſe Gelder zu keinem andern, als zu dem von den Ständen bewilligten Zwecke verwendet werden dürfen; wenn nach ihren ausdrücklichen Beſtimmungen ohne Zuſtimmung der Stände kein Anlehen gültig gemacht und keine Domaine, kein Staatsgut veräußert werden darf; wenn in Beziehung auf die Geſetzgebung die Verfaffungsurtunde zu allen neuen Landes— geſetzen, welche die Freiheit der Perſonen oder das Eigenthum der Staatsangehörigen betreffen ſowohl, als zur Abänderung oder authen— tiſchen Erklärung der ſchon beſtehenden Geſetze und insbeſondere zu Ergänzungen, Erläuterungen und Abänderungen der Verfaſſungs— urkunde die Zuſtimmung der Stände fordert; wenn ſie endlich die Miniſter und ſämmtliche Staatsdiener für die genaue Befolgung der Verfaſſung verantwortlich macht und den Standen das Recht gibt, die Miniſter und die Mitglieder der oberſten Staatöbehörden wegen Verletzung der Verfaſſung oder anerkannt verfaſſungsmäßiger Rechte förmlich anzuflagen, jo gibt fie damit dem Volke das Mittel, feine Rechte gegen alle Angriffe und Gefährdungen zu jhügen, dem Miß⸗ brauche der Staatsgewalt zu begegnen, Schaden und Nachtheile vom Lande abzuwenden und den Nutzen und Vortheil deſſelben zu beför— dern und überhaupt daſſelbe einem vollkommeneren Zuſtande entgegen — 350 — zu führen. Sie ertheilt damit dem Volke ſolche Rechte, welche daſſelbe hoch über alle jene Völker ſtellen, welche auf die Geſetzgebung entweder keinen Einfluß oder nur den der Bitte und höchſtens den der Mitberathung haben, die ſich ſelbſt gegen ihren Willen Geſetze geben und nehmen laſſen müſſen, wo den Herrſcher nichts hindert, was immer für Verfügungen über die Perſonen, das Eigenthum und die Rechte feiner Uuterthanen zu treffen, wo dem Volke weder Einſicht in, noch Rechenſchaft über den Staatshaushalt geſtattet wird, wo keine Verantwortlichkeit gegenüber dem Volke beſteht, wo, um es kurz, aber allgemein verſtändlich zu ſagen, wo das Volk nur gehor— chen und bezahlen darf. Laſſen wir uns, hochverehrte, liebe Mitbürger, nicht täuſchen durch die Einwendung, daß auch in unumſchränkt monarchiſchen Län— dern eine gute Geſetzgebung und ein wohlgeregelter Staatshaushalt zu finden ſei, daß dort für Freiheit, Gleichheit und Sicherheit der Unterthanen ſo vieles geſchehe, als in conſtitutionellen Staaten, und daß überhaupt die dortigen Regierungen den beſten Willen haben, das Wohl des Volkes zu befördern. Wenn wir dieſes zugeben und darin den Beweis finden, daß man auch dort die Bedürfniſſe und Forderun— gen der neuen Zeit anerkennt, ſo müſſen wir doch dagegen bemerken, daß ſelbſt in dieſem Falle doch noch ein großer Unterſchied zwiſchen un— ſerm Zuſtande und jenem in unumſchränkt monarchiſchen Staaten iſt; was dort lediglich von dem freien Willen des Fürſten abhängt, das iſt uns durch die Landesverfaſſung zugeſichert, und was dort die Unter— thanen als Gnade empfangen, das haben wir als Recht zu fordern. Dieſes Recht der Mitwirkung bei der Ausübung der Staats— gewalt, welches uns unſere Verfaſſung verleiht, iſt für uns ein neuer und hochwichtiger Grund zur heutigen Feſtfreude. Wir dürfen und ſollen uns am heutigen Tage über die Früchte freuen, welche die Verfaſſung ſeit ihrer Einführung bis jetzt getragen hat. Wenn mancher Freund der Freiheit nicht ohne inniges Bedauern heute auch an die mannichfaltigen Hinderniſſe denkt, welche der Verwirklichung und Entwickelung der Verfaſſung im Wege ſtanden und entgegengeſtellt wurden, wenn er von der ſeit 25 Jahren beſtehen— den Verfaſſung mehrere und größere Früchte erwartet hat, jo darf er nicht vergeſſen, daß in der Regel die Wirkſamkeit jeder Verfaſſung immer mit der politiſchen Mündigkeit und Würdigkeit des Volkes gleichen Schritt hält. Wir wollen bei Allem, was wir noch vermiſſen, das Gute, das wir der Verfaſſung zu verdanken haben, nicht über: ſehen. Sie hat wirklich ſchon Früchte, ſehr erfreuliche Früchte getra— gen. Ich erinnere vor allem Andern an das Gemeindegeſetz, wodurch den Gemeinden nicht nur die gebührende Selbſtſtändigkeit und Frei— heit, ſondern auch das vorzüglichſte Mittel zur Weckung und Entwicke— lung des conſtitutionellen Geiſtes in den Bürgern, und zur feſteſten und wirkſamſten Grundlage eines conſtitutionellen Staatslebens gege— ben wurde. Ich erinnere noch an die Geſetze, wodurch die alten Grundlaſten und Dienſtpflichten z. B. die Zehntlaſten und Frohn— pflichten und andere alte Abgaben, entweder wirklich ſchon aufg«ho— ben oder deren Aufhebung eingeleitet wurde. Ich erinnere auch an die Ordnung in unſerm Staatshaushalt und an die öffentliche Rechen— ſchaft, die darüber abgelegt wird, und verweiſe Sie, da eine voll: ſtändige Aufzählung der Geſetze und Einrichtungen hier zu weitläufig wäre, überdies noch an unſere Staats- und Regierungsblätter, woraus Sie ſich von Allem dem, was ſeit der Einführung der Verfaſſung durch dieſelbe Gutes geſchehen iſt, vollſtändig unterrichten können. — 351 — Das, was geſchehen iſt, gewahrt jedenfalls uns Allen die Ueber— zeugung, daß unſere Verfaſſung, zumal wenn fie in ihrem ganzen Umfange eine Wahrheit geworden iſt, und von jedem Staatsgenoſſen aufrichtig geliebt und heilig gehalten wird, eine reiche Quelle des Segens für unſer Vaterland iſt, und daß uns der Gedanke an ihren Beſitz mit wahrer und großer Freude erfüllen muß. Wenn wir alſo am heutigen Tage, der uns an unſern Ver— faſſungszuſtand, an unſere koſtbaren verfaſſungsmäßigen Rechte und an die ſegensreichen Früchte der Verfaſſung erinnert, ein Freudenfeſt feiern, ſo haben wir dazu die wohlbegründete gerechte Urſache. Unſere Feſtfreude ſoll aber vollkommen und dauerhaft ſein. Daß ſie dieſes werde, dazu können und müſſen vorzugsweiſe wir, hoch— verehrte, liebe Mitbürger das Nöthige thun. Vor allem iſt die Bekanntſchaft mit der Verfaſſung nothwendig. Jeder Bürger muß die Verfaſſung in allen ihren Beſtandtheilen und Beſtimmungen kennen; er muß insbeſondere wiſſen, welches ſeine verfaſſungsmäßigen Pflichten und Rechte find. Wer ſeine Rechte nicht kennt, der hat keine Rechte; er iſt mit ſeinen ihm unbekannten Rechten lediglich der Willkühr Anderer überlaſſen. Die Verfaſſung muß alſo ein allgemeines Leſebuch für das ganze Volk ſein; in jeder Haus— haltung muß man dieſes Buch finden können; Väter und Mütter müſſen ihre Kinder ſchon damit bekannt machen; kurz die Kenntniß der Verfaſſung muß mit jedem Staatsgenoſſen aufwachſen, und ihn in allen bürgerlichen Lebensverhältniſſen begleiten. Je mehr wir ſie kennen, je inniger wir mit ihr vertraut werden, deſto mehr wird ſie unſere Aufmerkſamkeit auf ſich ziehen, deſto lebhafteren Antheil werden wir an ihr nehmen und deſto kräftiger überall für ſie auf— treten, wo es gilt, ſie ins Leben einzuführen, oder ſie zu ſchützen und zu ſchirmen. Und wo in einem Volke eine ſolche Bekanntſchaft mit der Landesverfaſſung vorhanden iſt, da kann man in ſchlimmen Zeiten wohl den geſchriebenen Buchſtaben der Verfaſſung vertilgen, nimmer aber die Verfaſſung ſelbſt, welche in das Gedächtniß jedes Bürgers eingeprägt iſt, und als mündliche Ueberlieferung von den Vätern auf die Söhne übergeht. Mit dieſer Bekanntſchaft mit der Verfaſſung muß nothwendig auch die Bekanntſchaft mit Allem, was mit der Verfaſſung zuſammen— hängt, verbunden werden. In einem Verfaſſungsſtaate nimmt jeder Bürger Antheil an Allem, was im Staate vorgeht, beſonders aber an den Verhandlungen der Ständeverſammlungen. Gr nimmt Kenntniß von allen Geſetzen und Verordnungen und von allen Einrichtungen, die im Staate getroffen werden, und es gehört zu ſein Vergnügungen in freien Stunden ſich mit ſeinen Mitbürgern darüber zu beſprechen. Wenn unſere Feſtfreude vollkommen und dauerhaft werden ſoll, ſo müſſen wir ferner die Rechte, welche uns die Verfaſſung gibt, auch ausüben und auf keinerlei Arie ung den Pflichten zu entziehen ſuchen, welche daraus für uns hervorgehen. Wer Rechte hat und fie nicht ausübt, der läuft Gefahr, fie zu verlieren; darum muß, wer ſeine Rechte bewahren will, wenn auch kein anderer Grund ihn zur Ausübung derſelben veranlaßt, ſie ſchon deswegen ausüben. Wir müſſen aber nicht nur diejenigen Rechte ausüben, welche unmittel— bar unſer perſönliches Intereſſe berühren, ſondern auch und noch vielmehr jene Rechte, welche das Intereſſe der ganzen Staatsgeſell— ſchaft betreffen. Gegen dieſe Rechte gleichgültig ſein, weil ſie nicht in unmittelbarer Verbindung mit unſeren perſönlichen Intereſſen ſtehen, wäre das Gefährlichſte, was der Bürger thun könnte. Das perſönliche Intereſſe jedes Einzelnen hängt vom Intereſſe der Geſammt— heit ab. Darum müſſen im Staatsleben, Alle für Einen, und Jeder für Alle ſtehen; wer dieſes nicht thut und gegen das allgemeine Intereſſe gleichgültig iſt, der ſetzt dadurch auch fein perſonliches Intereſſe der Gefahr aus. Nichts hat von jeher dem Bürger mehr geſchadet, als die Gleichgültigkeit gegen die Rechte, welche das Intereſſe der ganzen Staatsgeſellſchaft betreffen. Unter dieſe Rechte gehören befonders jene, welche zur Aufrecht— haltung und Beſchirmung der Verfaſſung und zur Beförderung und Befeſtigung des conſtitutionellen Lebens dienen. Das Wahlrecht und das Petitionsrecht, welche verfaſſungsmäßig 7 Bürger unſe— res Landes zuſtehen, ſind ſolche Rechte. Ihre fleißige, ſelbſtſtändige und verſtändige Ausübung iſt beſonders ene wenn unſere Feſtfreude vollkommen und dauerhaft ſein ſoll. Die wichtigſten Volks— rechte werden in unſerm Lande von der Ständeverſammlung aus⸗ geübt Jeder Bezirk des Landes ſendet ſeine Abgeordneten in die: ſelbe. Die ae werden von den Wahlmännern und dieſe von den Urwählern, d. i. von ſämmtlichen Staatsbürgern erwählt. Von den Urwählern! geht alſo die Wahl aus, und von ihnen hängt die Wahl der Wahlmänner und durch dieſe die Wahl der Abgeord— neten, und ſomit die Zuſammenſetzung der Ständeverſammlung ab. Wählen ſie verfaſſungstreue, einſichtsvolle und gutgeſinnte Wahl männer, ſo werden dieſe auch verfaͤſſungstreue, einſichtsvolle und gut— geſinnte Abgeordnete wählen, und es wird eine gute Ständeverſamm— lung zu Stande kommen. Das Wahlrecht der Urwähler it ſomit ein wichtiges und folgereiches Recht. Der Großherzog Ludwig von Baden, unſer voriger Landesfürſt, der die erſte Staͤndeverſammlung zuſammenberufen, und die Wahlen dazu angeordnet hat, bezeichnet in dem Erlaß vom 23. Dezember 1818, womit er die Wahlordnung bekannt machen ließ, das Wahlrecht als dasjenige Recht, durch deſſen Ausübung der Bürger das Zeugniß ſeiner Reife für eine repräſen— tative Verfaſſung ablegt, und verlangt als Beweis der guten Aus⸗ übung deſſelben rege Theilnahme an den Wahlhandlungen von Seiten der Staatsbürger, die dabei mitzuwirken berufen ſind, würdevolle Ruhe und Ordnung bei dem Vollzug, und eine verſtändige, umſichtige Auswahl von Männern, die, ausgezeichnet durch bürgerliche Tugen— den, Kenntniſſe und Erfahrungen, den hohen und ſchönen, aber ſchweren Pflichten eines Abgeordneten gewachſen find. Wo die Wäh— ler dieſer Forderung entſprechen, da kann allerdings nur eine gute Wahl zu Stande kommen. Wenn aber die Wähler, Urwähler ſowohl, als Wahlmänner und beſonders die Letztern bei dem Wahlgeſchaͤfte nicht von dem Gedanken ausgehen, nach ihrem beſten Wiſſen und Gewiſſen einen verfaſſungstreuen und freimüthigen Mann zu wäh— len, ſondern daſſelbe entweder mit Gleichgültigkeit behandeln, oder dabei allerlei andere Rückſichten 1 und ſich durch die Erwartung perſönlicher oder örtlicher Vortheile, oder durch die Furcht vor ſolchen Nachtheilen „durch Verſprechungen 115 Drohungen beſtimmen laſſen, ſo wird die Folge davon ſein, daß Männer als Abgeordnete in die Ständeverſammlung kommen werden, welche entweder keine Freunde der Verfaſſung ſind, oder welche wegen ihrer abhängigen und unſelbſt— ſtändigen Stellung ihrer Ueberzeugung nicht folgen dürfen, oder welche nicht des Landes Wohl und Beſtes, ſondern nur Privatvor- theile ſuchen, oder welche endlich ſo wenig Verſtand und Willens— kraft haben, daß ſie leicht zu Allem mißbraucht werden können. Und wenn ſodann eine ſolche Ständeverſammlung nicht der Erwartung des Volkes entſpricht, wenn die verfaſſungsmäßigen Rechte des Vol— kes nicht von ihr geſchützt werden, wenn ſie ſogar verfaſſungswidrige Maßregeln begünſtigt uud unterſtützt, wenn durch fie das allgemeine Wohl und Beſte des Landes nicht nur nicht befördert wird, ſondern durch ſie ſogar Noth leiden muß, ſo iſt dieſes die Folge von einer ſchlechten Ausübung des Wahlrechts. Solche Wähler ſind es nicht werth, eine Verfaſſung zu haben, und ein ſolches Volk darf ſich auch über das Unrecht, das ihm widerfährt, nicht beklagen, weil es daſſelbe durch Vernachläſſigung und Mißbrauch feines Wahlrechts ſelbſt verſchuldet hat. Das Petitionsrecht, welches die Verfaſſung dem Bürger einräumt, und an deſſen voller Ausübung, einzeln oder mit andern Mitbürgern verbunden, ihn Niemand ohne Verfaſſungsverletzung hindern darf, dieſes iſt das verfaſſungsmäßige Mittel, wodurch er ſeine Anſichten, Wünſche und Beſchwerden, und zwar nicht nur in perſönlichen An— gelegenheiten und im Intereſſe von einzelnen Orten und Bezirken, ſondern auch in Sachen, die das ganze Land betreffen, an die Stände— verſammlung bringen kann. Durch die Ausübung dieſes Rechts tritt das Volk mit der Ständeverſammlung in Verbindung. Dadurch wird die Ständeverſammlung mit den Wünſchen und Beſchwerden des Landes und mit der öffentlichen Meinung bekannt gemacht, und darin finden auch ihre zeit- und ſachgemaßen Anträge die eigentliche und nachdrücklichſte Unterſtützung.“ Das Wahlrecht und das Petitionsrecht ſind wichtige und erfolg— reiche und darum ſehr koſtbare Rechte. Durch die fleißige, ſelbſtſtändige und verſtändige Ausübung derſelben kann jeder Bürger ſeine warme und gewiſſenhafte Theilnahme an der Verfaſſung beurkunden und bethätigen und dadurch das Meiſte dazu beitragen, daß unſere Feſt— freude vollkommen und dauerhaft werde. Die Feſtfreude wird aber alsdann erſt recht vollkommen und dauerhaft fein, wenn wir für unſere Verfaſſung jene Sicherheit voll— ſtändig erhalten haben werden, welche zur Verwirklichung, Aufrecht— haltung und folgerichtigen Ausbildung derſelben unter allen Verhaͤlt— niſſen genügend iſt. Die Mittel, welche uns dieſe Sicherheit geben ſollen, ſind: die Beſchwörung der Verfaſſungsurkunde durch den Landesfürſten, womit er feierlich verſpricht, die Verfaſſung treulich und gewiſſenhaft zu halten und halten zu laſſen; die Verantwortlichkeit der Miniſter und Mitglieder der oberſten Staatsbehörden; das Recht, dieſelben wegen Verletzung der Verfaſſung oder anerkannt verfaſſungs— mäßiger Rechte förmlich anzuklagen, und der conſtitutionelle Geiſt des Volkes. Wenn das Volk einmal recht weiß, was eine Verfaſſung und was conſtitutionelles Leben iſt, weil es die Wohlthaten einer guten Verfaſſung erfahren und den Werth eines verfaſſungsmäßigen Zu— ſtandes ſchätzen gelernt hat, wenn es einmal dieſen Zuſtand und die Verfaſſung, welcher es dieſen Zuſtand zu verdanken hat, lieb gewonnen hat, und wenn es ihm zum Bedürfniß geworden iſt, ſich mit der Verfaſſung und mit Allem, was damit zuſammenhängt, recht vertraut zu machen und an Allem, was die Verfaſſung und das conftitutionelle Leben betrifft, warmen und thätigen Antheil zu neh: men, wenn es ſich einmal in die Verfaſſung recht hineingelebt hat, wenn die Grundſätze des conſtitutionellen Lebens in feinem Herzen Wurzeln geſchlagen haben, bei ihm in Fleiſch und Blut übergegangen ſind, und ſich durch Geſinnung und Handlungen in allen Lebensver— 8 23 hältniſſen äußern, wenn es einmal zum Selbſtſtbewustſein gelangt iſt, und ſich als Volk, und zwar als das Volk eines Verfaſſungsſtaates mit ſeinen Rechten und mit ſeiner Macht zu fühlen angefangen hat, das nur ſeines Willens bedarf, um dieſelben geltend zu machen; dann hat der conſtitutionelle Geiſt das Volk durchdrungen, und mit dieſem iſt auch das Mittel vorhanden, welches für alle ſchlimme Wechſelfälle des Staatslebens zureicht, um die Verfaſſung vollſtändig ſicher zu ſtellen. Wenn Sie, hochgeehrte, liebe Mitbürger! die Verfaſſung, dieſen koſtbaͤren Schatz, der Ihr Stolz und Ihre Freude tt, bewahren und ſchützen, und dadurch Ihre heutige Feſtfreude vollkommen und dauer— haft machen wollen, ſo ergreifen Sie dieſes vollſtändig genügende Mittel. Der Weg zur Erwerbung deſſelben iſt geiſtige und ſittliche Bildung, welche jedem Bürger Einſicht und Kraft, und beſonders den ſo nöthigen Gemeingeiſt gibt, vor dem Eigenliebe, Eigennutz und Gleichgültigkeit gegen das allgemeine Beſte, dieſe Hauptfeinde des conſtitutionellen Lebens, nicht beſtehen können. Wenn wir nun die Ueberzeugung gewonnen haben, daß wir unfere heutige Feſtfreude auch vollkommen und dauerhaft machen können, ſo gibt uns dieſes einen neuen Grund zur Freude. Freuen wir uns alſo, hochgeehrte, liebe Mitbürger! des Beſitzes einer Verfaſſung, freuen wir uns der Verfaſſung, welche unſere angeſtammten natür- lichen Menſchenrechte anerkennt, freuen wir uns des beſſern Zuſtandes, den ſie für uns herbeigeführt hat, freuen wir uns der Mittel und Wege, die ſie uns zur Vervollkommnung und Befeſtigung dieſes Zu— ſtandes gegeben hat, freuen wir uns am heutigen Tage, dem wir dieſe Erinnerungen zu verdanken haben; er iſt der Geburtstag unſerer Verfaſſung, der Geburtstag unſeres conſtitutionellen Lebens, der Geburtstag unſeres Bürgerthums. Die Verfaſſung, die uns aus dem Zuſtande der Willkürherrſchaft in einen geregelten Rechtszuſtand verſetzt hat, und uns und unſer Eigenthum und alle untere Rechte ſchützt und ſchirmt, ſie iſt die Burg, in welche wir vor 25 Jahren unter der Anführung des Großherzogs Karl von Baden eingezogen find, welche uns zu Bürgern und ſtark gemacht hat zur fiegreichen Vertheidigung derſelben. Möge der Segen des Himmels, der heute ſo ſichtbar freundlich auf fie herabſchaut, fortan über ihr ruhen, daß ſie unerſchütterlich feſtſtehen, und zum allgemeinen Wohl und Beſten des ganzen Landes immer mehr gedeihen möge. Dieſes iſt unſer aller herzlichſter Wunſch; darum werden Sie, hochgeehrte, liebe Mitbürger! mit Herz boch einſtimmen, wenn ich rufe: „Unſere Verfaſſung hoch!“ Tauſendſtimmiges Hoch auf das Gedeihen der e folgte dieſem klar, kräftig und eindringlich geſprochenen Vor— trage. — Der Zug begab ſich nun in das Badwirthshaus außerhalb der Stadt, wo ſich gegen 300 Gäfte zum Feſtmahle verſammelten. Mut und Geſang verherrlichten das Feſt, und eine Reihe von Toaſten, von einer bekränzten Rednerbühne herab ausgebracht, bekundete den ächt conſtitutionellen, frei— ſinnigen Geiſt der Verſammlung. ERSITY Il Ill AST